Far Cry New Dawn - Test, Shooter, XboxOne, PC, XboxOneX, PlayStation4
Mit New Dawn geht Ubisoft tatsächlich neue Wege in der Reihe. Erstmals setzt man einen anderen Far-Cry-Teil fort, anstatt ein frisches Szenario zu entwickeln. Sprich: Man wird zurück nach Hope County eingeladen, dort allerdings mit einer deutlich veränderten Ausgangssituation konfrontiert. Wir erinnern uns (Achtung: Spoiler für alle, die Teil 5 nicht gespielt haben!): Der Sektenprediger Joseph Seed ließ Hope County unter einem Atombomben-Teppich verschwinden, den nur wenige in ihren unterirdischen Bunkern oder Kellern überlebten. 17 Jahre später hat sich das Land wieder einigermaßen erholt und zeigt sich als Mischung aus verbrannter Erde und einer farbenfrohen Natur, die ohne menschliche Einflüsse im wahrsten Sinne des Wortes aufblüht - auch wenn die Strahlung bei der Fauna nachhaltigen Schaden hinterlassen hat. Die Überlebenden haben nach ihrer Rückkehr an die Oberfläche begonnen, sich in behelfsmäßigen Siedlungen mit der neuen Situation anzufreunden. Doch nicht alle sind auf Frieden aus. Unter der Leitung der Zwillinge Mickey und Lou sorgen vor allem die Highwayman für Probleme, denen ähnlich der Antagonisten im zweiten Mad-Max-Film mit Mel Gibson nur das eigene Überleben und die Versorgung mit Ethanol als Energiequelle wichtig ist.
Neues Terrain
In der Rolle des namenlosen Captain (aka “Cap”, quasi die Leibwache des “Aufbauhelfers”
Thomas Rush) muss man den gnadenlosen Zwillingen Einhalt gebieten, während man gleichzeitig in Hope County nach dem Rechten sieht, den Einfluss der Highwayman vermindert, sein Heimatlager “Prosperity” ausbaut und so ganz nebenbei den übrigen Geheimnissen der Seed-Sekte auf die Spur kommt. Zwar ist es problemlos möglich, Far Cry New Dawn komplett ohne Vorkenntnisse zu spielen. Doch Hope-County-Veteranen haben natürlich einige Vorteile, vor allem in erzählerischer Hinsicht. Man begegnet neben zahlreichen neuen Figuren auch diversen Charakteren, die schon im Vorgänger eine wichtige Rolle gespielt haben und man findet sich an Orten wieder, die einen mit Déjà-vus zuschütten. Dass dabei erzählerisch nicht immer alles passt und für mein Empfinden die verstrahlte Oberfläche nach bereits 17 Jahren wieder zu früh bewohnbar ist oder man auch ohne Gefahr länger Tauchgänge einlegen kann, nehme ich dabei in Kauf. Denn letztlich gefällt mir der vollkommen überzogene Ansatz in New Dawn mit seiner Selbstironie deutlich besser als die sich zumeist viel zu ernst nehmenden Geschichten der Hauptserie. Im Detail könnte man zwar noch einige Figuren deutlich differenzierter zeichnen und vor allem auch den Hauptcharakter interessanter gestalten, doch die immer wieder eingestreuten Szenen reichen aus, um die Motivation erneut zu entfachen.Guter Arcade-Shooter
Mit einem ordentlichen Waffenangebot, das teils auf angepassten Modellen aus dem Vorgänger basiert, teils mit neuen Waffensystemen punktet, hat man eine breite Auswahl, um sich seine favorisierten Schießprügel zusammenzustellen. Eine modifizierte AK-47 mit einem Schraubenzieher als Bajonett? Kein Problem! Ein Sniper-Gewehr, das mit einer Getränkedose als Schalldämpfer ausgestattet ist? Bitte schön! Oder wie wäre es mit der Armbrust, die als Sägeblatt-Katapult fungiert? Das Repertoire ist breit gefächert und sollte die meisten zufrieden stellen. Auch, weil es sich durch die Bank wuchtig anfühlt, obwohl das Treffer-Feedback noch Luft nach oben hat - vor allem bei Tieren, die man quasi durchsiebt, die aber keinerlei Reaktion außer einem Flucht- bzw. Angriffsreflex zeigen. Und wenn alle Stricke reißen bzw. man ohne Munition durch die Gegend läuft, kann man sich auch bei den fallen gelassenen Waffen der Gegner bedienen, die zwar zumeist nicht die gleiche Durchschlagskraft haben, aber in entscheidenden Momenten den Ausschlag geben können.
Mechanisch bietet man einen Mix aus alten und neuen Elementen. Die Lagereroberungen z.B. kennt man ebenso wie die begleitenden Gefährten aus dem letzten Ausflug nach Hope County. Neu ist allerdings, dass man diese Lager gegen einen Rohstoffbonus wieder aufgeben kann, damit sie von den Highwaymen wieder eingenommen werden und danach mit einem erhöhten Schwierigkeitsgrad wieder zur Eroberung zur Verfügung stehen. Auch die Verstecke, in denen man Umgebungs- oder Schalterrätsel lösen muss, um die Tür zur Beute zu öffnen, sind bekannt, machen aber mit ihren Puzzles immer wieder Spaß. Neu hingegen sind die Expeditionen, die man von Prosperity aus unternehmen kann. Hier wird man mit einem Hubschrauber in einem Gebiet abgesetzt und muss Aufgaben wie z.B. die Beschaffung bestimmter Gegenstände erfüllen. Nachdem man das Hauptziel erreicht hat, spitzt sich die Lage allerdings zu, da man nun von den komplett alarmierten Highwaymen gejagt wird, zum Evakuierungsort fliehen und dort im schlimmsten Fall noch ein paar Minuten überleben muss, bis der rettende Helikopter landet und man reinspringen darf.
Alt und neu
Inhaltlich und mechanisch ist New Dawn für mich eigentlich das beste Far Cry seit Blood Dragon. Und die Dunia-Engine hat sich bereits in Teil 5 als sehr potent gezeigt und sehr stimmungsvolle Landschaften auf den Bildschirm gezaubert. Die legen dank der neuen Artdesign-Ausrichtung mit ihren Pastellfarben, die die postatomare Apokalypse auflockern, sogar noch einmal zu, so dass ich auch die gelegentlichen Pop-Ups der Detailtexturen verschmerzen kann. Doch es kommt bereits früh der Moment, in dem mir der erste große Stolperstein in den Weg gelegt wird. Genauer gesagt passierte dies, nachdem ich das erste Versteck geöffnet hatte. Denn neben Rohstoffen und Heften, die mir die so genannten Vorteilspunkte spendierten, damit ich mir neue Fähigkeiten und Boni wie mehr tragbare Waffen und höhere Munitionsvorräte etc. aneignen darf, waren dort auch Far-Cry-Credits in geringem Umfang ausgelegt. Mir schwante Böses.
Die Crux mit dem Geld
Und ein Blick in den Store-Bildschirm bestätigte den Verdacht. Man konnte gegen Echtgeld zu branchenüblichen Kursen (4,99 Euro für 500 Credits usw.) diese spezielle Währung kaufen. Doch im Gegensatz zu Titeln wie den letzten Assassin’s-Creed-Spielen, bei denen man die In-Game-Währung hauptsächlich für kosmetische Verbesserungen, also quasi “Premium”-Skins, für XP-Boosts (was ich schon grenzwertig sehe) oder für Rohstoffpakete einsetzen durfte, greift man hier massiv in den Kampagnen-Verlauf ein - in einem Singleplayer-Erlebnis, das man wahlweise auch im Online-Koop erleben darf.
Denn man darf für die Far Cry Credits auch Perkpunkte kaufen. Und damit hat Ubisoft eine Grenze überschritten, die man in den letzten großen Abenteuern egal in welcher Franchise klug umschiffte: Den Kauf von Vorteilen für die Kampagne. Und das ärgert umso mehr, da es hier absolut nicht nötig gewesen wäre. Man bekommt über das Erfüllen von Herausforderungen sowie die Verstecke eigentlich genug dieser Punkte. Mit der optionalen Abkürzung gegen Echtgeld beraubt sich New Dawn nicht nur der eigentlich üppig vorhandenen Erkundungsreize, die die Kernspielzeit
von ca. 15 bis 20 Stunden (abhängig von gewählter Fortbewegungsart zum Ziel sowie Ablenkung durch Nebenaufgaben) für die über 20 Story-Missionen massiv verlängern.Ubisoft geht mit Fähigkeitenkauf zu weit
Auch der im Prinzip gut austarierte Schwierigkeitsgrad kann dadurch ins Wanken gebracht werden. Bis zu New Dawn war Ubisoft für mich einer der wenigen großen Publisher, der das inflationär gebrauchte “Games as a Service” verstanden zu haben schien und den Spagat zwischen Monetarisierung von zusätzlichen Inhalten und den dafür dem Spieler zugute kommenden Inhalten bewältigte. Aber mit diesem Fähigkeitenkauf geht man einen Schritt zu weit und büßt eine potenziell gute Wertung ein.
Fazit
Ich habe mit New Dawn mehr Spaß als mit Far Cry 5 - auch, weil es sich nicht so ernst nimmt wie die Geschichte, an die es quasi direkt anschließt. Ich spiele es lieber als Metro Exodus, mit dem es sich zwar horrende KI-Schwächen und das Endzeit-Szenario teilt, dieses aber komplett anders interpretiert. Wie kein anderes Far Cry seit Blood Dragon präsentiert sich dieses als rassiger Arcade-Shooter in Egosicht. Im Detail zeigen zwar sowohl die Geschichte mit ihren mitunter nicht markant herausgearbeiteten Figuren als auch manche Teile der Hochglanzkulisse oder das Treffer-Feedback Schwächen, während der Lagerausbau oberflächlich bleibt und sein Potenzial nicht ausschöpft. Doch mit seinen Erkundungsreizen und den actionreichen Gefechten sowohl gegen die durchgeknallten Highwaymen als auch Amok laufende Wildtiere wird eigentlich genug geboten, um sich auch jenseits der Kernspielzeit von etwa 15 bis 20 Stunden (auch abhängig von der Art der Fortbewegung zu den Missionszielen) gut zu unterhalten. Allerdings leiden Wirkung und Motivation des Spielerlebnisses durch den zwar optionalen, aber stets präsenten Echtgeldeinsatz bis hin zum Kauf von Fertigkeitspunkten. Dieser vollkommen überflüssige Bruch kostet Far Cry New Dawn die gute Wertung.
Pro
- Geschichte nimmt sich nicht allzu ernst und setzt an die Ereignisse aus Far Cry 5 an
- Wiedersehen mit einigen bekannten Figuren
- gute bis sehr gute Schussmechanik
- hohe Erkungungsreize
- viele Déjà-vu-Erlebnisse
- ansehnliche Kulisse mit interessanter Interpretation einer Postapokalypse
- passable Fahrphysik
- Expeditionen als zusätzliche Mechanik werten die Action auf
- Lagerausbau
- gute deutsche Lokalisierung
- überzogene Charakterzeichnung
- unterhaltsame Arcade-Ballerei
Kontra
- schwache KI (auch bei der Gefährten-Wegfindung)
- biederes Trefferfeedback
- Kampagne lässt sich durch Echtgeldeinsatz vereinfachen bzw. abkürzen
- nur wenig Freiheit beim Lagerausbau
- viele Figuren könnten vertieft werden
- technisch nicht immer sauber (u.a. Textur-Pop-ups)
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt Käufe für Fähigkeiten, Karten, Figuren, Waffen, Geld, XP oder Spielmodi.
- Man kann die Spielzeit über Käufe verkürzen, Pay-to-Shortcut.