The Caligula Effect - Test, Rollenspiel, PS_Vita, PlayStation4, Switch, PC

The Caligula Effect
15.03.2019, Jens Bischoff

Test: The Caligula Effect

Gefangen in einer virtuellen Welt

NIS America hat das ursprünglich für PlayStation Vita erschienene Anime-Rollenspiel The Caligula Effect in erweiterter Form (Overdose) auch für PlayStation 4 und Nintendo Switch veröffentlicht. Was die Neuauflage des virtuellen Highschool-Gefängnisses zu bieten hat, verrät der Test.

Mein Blick ist verschwommen, doch eine mysteriöse Frauenstimme sagt mir, dass ich keine Angst haben soll und sie mich ins Paradies führen werde.

Als der Protagonist das flackernde Antlitz seines Rektors sieht, gerät er in Panik.


Willkommen im Paradies

Dann fragt sie mich nach meinem Namen und meinem Geschlecht. Als die Sicht besser wird, erkenne ich ein hell gekleidetes Mädchen mit langem weißem Haar, das sich als μ vorstellt und behauptet, meine Qualen und Schmerzen bemerkt zu haben. Deswegen werde sie mich nach Mobius bringen, wo alle meine Wünsche in Erfüllung gingen. Dann reicht sie mir die Hand und ich verliere das Bewusstsein.

Als ich wieder zu mir komme, befinde ich mich auf einer Schulveranstaltung, bei der ich als Klassensprecher der zweiten Jahrgangsstufe eine Ansprache halten soll. Etwas verwundert heiße ich alle neuen Schüler willkommen und ziehe mich hinter die Bühne zurück. Dann erkenne ich erst, dass ein Teil der Schüler Masken trägt, hinter denen ihre Gesichter wie Bildstörungen zu flackern scheinen. Als mir eine Hand auf die Schulter greift, drehe ich mich um und sehe, dass auch der Rektor ein wild flackerndes Gesicht hat. Panisch renne ich aus dem Saal und gegen eine unsichtbare Wand.

Dann treffe ich μ

μ gibt sich als Schöpferin der virtuellen Stadt Mobius aus, die man nicht wieder verlassen könne.


Alles nur Illusion?

wieder, die mir erklärt, dass die Welt, die sie erschaffen habe, noch nicht fertig sei und ich hier nicht weiter könne. Überhaupt sei Mobius eine Stadt, die man nicht wieder verlassen könne. Warum auch? Dann wundert sie sich über mein noch funktionierendes Gedächtnis, bevor sie vor einer kreischenden Lichtkugel, die sich als Aria vorstellt, Reißaus nimmt. Kurz darauf muss auch ich mich vor einer aufgebrachten Schülermeute in Sicherheit bringen.

Hilfe bekomme ich dabei von einem Kommilitonen namens Shogo Satake. Doch wie kann ich dieses virtuelle Gefängnis wieder verlassen und wozu wurde es überhaupt errichtet. Fragen, die mir auch Aria und Shogo nicht beantworten können oder wollen. Fest steht nur, dass auch Shogo von hier weg will. Dazu hat er mit anderen Gleichgesinnten den Go-Home Club gegründet, dem fortan auch Aria und ich angehören. Und die Zahl der Mitglieder steigt immer weiter...

Insgesamt können über 500 Mitschüler dauerhaft oder vorübergehend rekrutiert und sogar in Kämpfen eingesetzt werden. Zur Wehr setzen muss man sich dabei nicht nur gegen Amok laufende Schüler, sogenannte Digiheads, sondern auch gegen mysteriöse Musiker, die mit μ sympathisieren und Mobius verteidigen.

Eine Gruppe mysteriöser Musiker kommt den Fluchtsuchenden in die Quere.


Neue Wege

Zudem gibt es neue Charaktere, Ereignisse und Spielenden. Auch Grafik und Handhabung wurden überarbeitet. Das Resultat ist allerdings eher ernüchternd: Die mit der Unreal Engine realisierten Kulissen wirken meist karg und trostlos, die Texturen verwaschen, die Charaktermodelle grob, die Animationen hölzern. Und auch die Bildrate könnte geschmeidiger sein. Hinzu kommt, dass die kleine Schrift vom Sofa aus oder im Handheld-Modus der Switch nur schwer zu lesen ist. Touch-Unterstützung wird auf Nintendos Konsole auch nicht geboten.

Auf PlayStation 4 und Nintendo Switch kann man sogar eine zweite Identität annehmen und insgeheim zwischen den zwei rivalisierenden Vereinigungen wechseln und so noch tiefer hinter die Heile-Welt-Kulisse des virtuellen Gefängnisses zu blicken.

Ähnlich düster sieht's in punkto Lokalisierung aus: Sprachausgabe gibt’s ausschließlich auf Japanisch, Untertitel nur auf Englisch. Zudem ist die Vertonung lückenhaft und Lippenbewegungen der Charaktere gibt’s weder bei den 2D-Portraits, noch den 3D-Modellen. Nur in seltenen Anime-Sequenzen machen die Figuren tatsächlich den Mund auf. Der Protagonist selbst bleibt hingegen trotz diverser Entscheidungsmöglichkeiten gänzlich stumm und profillos, was ebenfalls auf die Atmosphäre drückt.

Schwächelnde Inszenierung

Davon abgesehen ist die Soundkulisse aber durchaus stimmungsvoll, die sphärischen Klänge fast hypnotisierend. Und auch die Einbindung des virtuellen Smartphones gefällt.

Ein Diagramm hält die persönlichen Probleme und Beziehungen der über 500 Schüler fest.

So bleibt man über eingeblendete Chat-Nachrichten im Kontakt mit seinen Kommilitonen, kann gezielt Kontakte anschreiben, um Hilfe bitten oder nach ihrem Aufenthaltsort fragen. Trifft man andere Schüler, kann man sich sogar mit ihnen anfreunden, sie in die Gruppe einladen, sich ihre Probleme anhören und ihnen bei deren Lösung helfen.

Ein Aufwand, der sich durchaus lohnt. Denn wer anderen dabei hilft, bestimmte Personen zu treffen, Objekte auszurüsten oder Abenteuer zu erleben, kann dadurch auch seine eigenen Charakterwerte verbessern und neue Passiv-Fähigkeiten erwerben. Anderen Hauptfiguren erlauben sogar sehr persönliche Einblicke in ihr Leben. An fremde Personen kommt man hingegen oft gar nicht so leicht ran, muss sich erst mit Kollegen treffen und anfreunden oder deren Probleme lösen. Ein jederzeit aufrufbares Beziehungsdiagramm aller 524 Schüler hilft bei der Orientierung.

Ansonsten sagt einem die transparent eingeblendete und auf Knopfdruck vergrößerbare Karte grob wo's langgeht und wo überall potentielle Gegner patrouillieren.

Das rundenbasierte Kampfsystem bietet eine originelle taktische Spickfunktion.


Kampf mit Spickfunktion

Kommt man ihnen zu nahe oder trifft sie mit einem erfolgreichen Überraschungsangriff, kommt es direkt an Ort und Stelle zu einem räumlich begrenzten Kampf, dem sich auch weitere Akteure mitten im Geschehen anschließen können, wenn ihre Routen den Kampfbereich kreuzen.

In den rundenbasierten Auseinandersetzungen kann man seinen bis zu vier aktiven Kampfteilnehmern dann nicht nur individuelle Angriffs-, Abwehr-, Unterstützungs- und Bewegungsbefehle erteilen, sondern auch optisch simulierte Kampfprognose studieren, um vorteilhafte Angriffsarten und Aktionszeitpunkte festzulegen. Zudem kann man sich mit seinen Mitstreitern abstimmen, um gezielte Konterstiche zu setzen, Angriffsketten zu bilden oder Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen, in die Luft zu beförderte oder zu Boden zu stoßen.

Da es allerdings keine Treffergarantien gibt, kann sich das tatsächliche Kampfgeschehen schon aufgrund nur einer verpatzen Aktion letztendlich ganz anders präsentieren. Wer noch mehr Überraschung will, kann die Kampfaktionen seiner Mitstreiter auch automatisieren lassen und nur dem Protagonisten konkrete Befehle erteilen, was zumindest bei Standardgegnern schnell Usus wird, da man sonst zu viel Zeit mit eigentlich unnötiger Planung vergeuden würde.

Bei gefährlichen Feinden oder Bosskämpfen sollte man sich die Zeit hingegen lieber nehmen, da sonst schnell fatale Überraschungen drohen. Segnen alle Gruppenmitglieder das Zeitliche, heißt es auch knallhart "Game Over". Wiederholungsmöglichkeiten oder automatische Rücksetzpunkte gibt es nicht.

Die Charakterentwicklung verläuft automatisch. Nur Skills und Ausrüstung liegen in Spielerhand.


Keine zweite Chance

Dafür werden nach jedem gewonnenen Kampf oder jeder erfolgreicher Flucht sämtliche Verletzungen geheilt, Verstorbene wiederbelebt und verbrauchte Energien wiederhergestellt. Die generelle Charakterentwicklung erfolgt automatisch, nur die Vergabe kollektiver Fertigkeitspunkte zum Lernen und Verbessern individueller Charkterfertigkeitzen liegt in Spielerhand. Zudem kann man über die mit so kuriosen Bezeichnungen wie Psycho Killer, Legit Vegetarian oder Tsundere Time aufwartende Ausrüstung bestimmen und den vierstufige Schwierigkeitsgrad jederzeit beliebig anpassen. Darüber hinaus können über das gesamte Spiel verteilt versteckte Bonusgegenstände gefunden sowie Schlüsselwörter zum Öffnen geheimer Areale mit speziellen Kampfherausforderungen gesammelt werden.

Auch Spielstandssicherungen sind nur an vorgegebenen, aber meist fair platzierten Speicherpunkten möglich, die später zudem als Schnellreisepunkte fungieren.

Fazit

Die Overdose-Neuauflage von The Caligula Effect bietet nach wie vor spannende Anime-Unterhaltung in einer virtuellen Welt, die für ihre Bewohner zugleich Paradies und Gefängnis ist. Über 500 Charaktere mit individuellen Sorgen und Beziehungen können rekrutiert und in taktischen Rundenkämpfe mit origineller Vorschaufunktion eingesetzt werden. Hinzu kommen selbst für Kenner des Originals interessante Neuerungen, die noch tiefer hinter die Heile-Welt-Kulisse blicken lassen. In punkto Technik und Inszenierung ist der Sprung auf PS4 und Switch allerdings wenig überzeugend: Die Schauplätze wirken karg, die Texturen verwaschen, die Animationen hölzern. Die Figuren bewegen beim Sprechen nicht einmal ihre Lippen und der neuerdings wahlweise weibliche oder männliche Protagonist bleibt sogar komplett stumm. Sprachausgabe gibt’s nur selten und ausschließlich auf Japanisch, deutsche Untertitel überhaupt nicht. Zudem ist die englische Schrift zum Teil recht klein, was vor allem im Handheld-Modus der Switch negativ auffällt. Touch-Unterstützung gibt’s auf der Nintendo-Konsole ebenfalls keine. In dieses Comeback hätte man ruhig mehr investierten können...

Pro

  • über 500 rekrutierbare Charaktere
  • individuelle Sorgen und Beziehungsgeflechte
  • taktische Rundenkämpfe mit origineller Vorschaufunktion

Kontra

  • mäßige Technik und Inszenierung
  • stummer Protagonist
  • nicht lokalisiert

Wertung

PlayStation4

Interessant erweitertes, aber nicht lokalisiertes und nur mäßig inszeniertes Anime-Rollenspiel mit Schülern, die in einer virtuellen Welt gefangen sind.

Switch

Interessant erweitertes, aber nicht lokalisiertes und nur mäßig inszeniertes Anime-Rollenspiel mit Schülern, die in einer virtuellen Welt gefangen sind.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.