Space Junkies - Test, Shooter, VirtualReality, OculusRift, PC, PlayStationVR, HTCVive

Space Junkies
29.03.2019, Jan Wöbbeking

Test: Space Junkies

Die Zukunft des VR-Shooters?

Die Rayman-Macher zeigen, wie man einen Spieler in VR verkörpert: Einfach hinter einen Felsbrocken schweben, den Arm mit der Schrotflinte zum Verfolger ausstrecken – und schon frisst er Blei! Oder man zückt das Laserschwert für einen präzisen Hieb des Todes. Oder auch beides – wozu hat man schließlich zwei Arme? In kaum einem VR-Titel werden Extremitäten so glaubwürdig berechnet wie in Space Junkies. Wie schlägt sich der Mehrspieler-Shooter von Ubisoft Montpellier im Test?

Das Prinzip ist ähnlich einfach und packend wie in den frühen Tagen von Quake 3 Arena oder Unreal Tournament. Hier schwebt man allerdings als Astronaut frei durch die kleine kugelförmigen Arenen, in denen sich zwei bis vier Spieler mit diversen Waffen, Schilden und Lichtschwertern bekriegen. Je nach Abstimmungsergebnis in der Lobby legt man im Team-Deathmatch los, muss im King-Modus die Krone halten oder versucht sich als Einzelkämpfer im Free-for-all, das sich auch zu zweit bestreiten lässt.

Nomen est omen

Für Abwechslung sorgen die wenigen, aber sehr unterschiedlichen Waffen, die wie früher an festen Punkten der Karte erscheinen. Lauert der Gegner hinter der Biegung, ballert man mit den abprallenden Geschossen des Ricoshakers um die Ecke. Düst er zu ungestüm voraus, lässt man die Waffen ins Holster gleiten, greift blitzschnell über die Schultern und zieht Schild und Lichtschwert aus dem virtuellen Rucksack. Der Hieb sollte möglichst sitzen, denn danach muss sich die Batterie der Leuchtklinge ein paar Sekunden erholen. Wildes Fuchteln ist also sinnlos - ein schöner Weg, das anderswo fehlende Feedback von VR-Klingenkämpfen zu umgehen.

Da hat er sich also versteckt: Die kugelförmigen Arenen besitzen die passende Größe für die kleinen Grüppchen von bis zu vier Spielern.
Die fette Minigun lässt Präzision vermissen, mit ihr kann man sein Gegenüber aber sogar zweihändig malträtieren. Fernkampfwaffen wie die coole Railgun oder die kräftige Zwille mit explosiven Geschossen wirken zwar ein wenig zu stark, zwingen einen aber dazu, möglichst elegant und leise um die äußeren Deckungen der Karten zu huschen. Jedes Energieherzchen, jeder Kontakt mit der Wand und zu langes Boosten sorgen schließlich für verräterischen Lärm, der ungebetene Gäste herbei lockt. All das passt prima zum verwinkelten Leveldesign inmitten eisiger Tunnels, Felsnadeln und Raumschifftrümmer.

Auf leisen Sohlen – pardon - Düsen

Außerdem wird schon in den ersten Sekunden der Wert der Grundlagenforschung klar, die Ubisoft für die eigens entwickelte Brigitte-Engine investiert hat. Was will der Typ da von mir? Er streckt seine flache Hand in die Luft. Nachdem ich eingeschlagen habe, startet er ein infantiles Klatsch-Spiel wie auf dem Schulhof und wir brechen beide in Gelächter aus. Natürlich lassen sich die realistischen Armbewegungen nicht nur für Unsinn, sondern auch für Handzeichen im Team nutzen. Sogar Tänze nach dem Match fühlten sich für mein Empfinden zum ersten Mal nicht peinlich an. Hier drückt sich schließlich einfach jeder frei mit seinen Händen aus, statt per Knopfdruck steife Tanzanimationen abzuspulen. Jubeln, Daumen nach unten oder rhythmisches Gewackel – jeder kommentiert das letzte Match so intro- oder extrovertiert, wie er will.

Arme, Ellbogen, Gamer-Buckel und sogar die Hüfte: All das wird von KI-Routinen in fast jedem Moment derart überzeugend berechnet und bewegt, dass man es in der Action gar nicht mehr in Frage stellt, sondern als seinen eigenen Körper akzeptiert. Minimale Abweichungen fallen nicht ins Gewicht, da man ohnehin in einem bollerigen Raumanzug steckt.

Space Junkies + Touch + Drehhocker = Traumkombo

Zeit für ein Tänzchen: Die Krieger-Klassen unterscheiden sich nur durch etwas mehr Gesundheit, Geschwindigkeit oder Ausdauer. Ein Alien ist auch dabei.
Auch der (abschaltbare) Helm wird zum geschickt umgesetzten Rahmen gegen Übelkeit, der bei schnellen Drehungen von einer transparenten bzw. gepunkteten Vignette ergänzt wird. Mehr Durchblick, keine Kotzeritis – genial! Nachdem ich die ruckartige Rotation deaktivierte, hatte ich nicht einmal Probleme mit dem flüssigen Drehen. Probiert unbedingt die Profi-Steuerung für blitzschnelles Rotieren aus, die am besten auf einem Drehhocker funktioniert! Eine traumhafte Kombination, die von außen reichlich bescheuert aussieht, euch aber ohne störende Lehne blitzschnell in alle Richtungen zielen und fuchteln lässt. Alternativ kann man übrigens auch im Stehen oder nur nach vorne ausgerichtet spielen (z.B. für Besitzer von nur zwei Rift-Kameras; wir haben mit drei Exemplaren getestet).

Schön abgestimmt wurden auch die Gadgets, die vorm Spiel anstelle von Schwert und Schild in den Schulter-Slots platziert werden. Ein Sonar, ein Heiltrank oder aufblasbare Astronauten-Dummies können je nach Map und Modus durchaus nützlich werden. Oder man überfällt sein Opfer mit gebündelten EMP-Strahlen, die kurzzeitig seine Gadgets ausschalten. So viel Spaß das Gemetzel zu Beginn auch macht - nach einigen Stunden stellen sich trotzdem starke Abnutzungserscheinungen ein. Mit lediglich sechs Karten und vier Modi wirkt das Gebotene reichlich karg, zumal die Entwickler nicht mal an zusätzliche Mechanismen gedacht haben, um die Motivation aufrecht zu erhalten.

Sinnvoller Mix

Als ich gestern mit ein paar Veteranen in der Lobby abhing, diskutierten sie z.B. ausgiebig darüber, wie man die kleinen gesammelten Errungenschaften wie „Humiliation“ in Zusatz-Herausforderungen hätte unterbringen können. Dass sich lediglich optischer Schnickschnack freischalten lässt, ist natürlich schön für die Fairness, sorgt aber ebenfalls kaum für Langzeitmotivation. Neben den Beutekisten beim Level-Aufstieg gibt es glücklicherweise nur eine Spiel-Währung: Bislang scheinen diese Münzen lediglich als Gegenwert für Dubletten zu dienen. Es ist natürlich möglich, dass Ubisoft später auch einen Echtgeld-Store nachreicht. Bislang wurden aber noch keine derartigen Pläne verkündet. Weitere Schwachpunkte sind die minimalistische Bestenliste und der mickrige Übungskurs für Einzelspieler.

Waffe leer? Einfach wegwerfen - als Granatenersatz.
Ärgerlich sind zudem technische Problemchen wie gelegentliche Verbindungsabbrüche. Auch die hohen Systemanforderungen verwundern angesichts eher schlicht gehaltener Kulissen. Im Gegensatz zu frühen Betas benötigten wir mindestens eine übertaktete GeForce GTX 1070, damit es auf niedrigen Einstellungen flüssig genug blieb. Wer auf Supersampling für ein angenehm scharfes Bild, Schatten und Effekte besteht, braucht also einen noch flotteren Spiele-PC. Die Netz-Performance konnte im Match aber meist überzeugen, selbst mit US-Amerikanern oder asiatischen Mitspielern. Lags sind uns nur selten aufgefallen.

Die Segen des DRM

In die Fassung für HTC Vive konnten wir sogar erst heute hineinschnuppern, weil vorher ein DRM-Bug den Start verhinderte. Im Hintergrund ist nämlich zwingend eine Verknüpfung mit dem laufenden uPlay-Client nötig. Der System-Wirrwarr besitzt aber auch Vorteile: Da alle unterstützten Plattformen (Rift, Vive, WMR, PSVR) im Cross-play gegeneinander antreten dürfen, haben wir fast immer Mitspieler gefunden – im VR-Bereich beileibe keine Selbstverständlichkeit! Die Community ist momentan übrigens äußerst freundlich und hilfsbereit. Falls ihr mal nicht durch die ziemlich wirren Menüs durchsteigt, fragt einfach ein paar Mitspieler in der Lobby. Wer trotzdem keine Lust auf „Randos“ hat, kann auch ein privates Match starten oder sich im Zweierteam mit einem Freund Gegner vermitteln lassen.

Vive-Nutzer haben übrigens noch einen Nachteil: Die bewegungsintensive Steuerung geht mit den unzuverlässigen Touchpads nicht so intuitiv von der Hand wie mit den Analogsticks der Rift. Man merkt an jeder Ecke, dass die Steuerung auf die Touch-Controller von Oculus zugeschnitten wurden. In einem Blog-Post erwähnten die Entwickler allerdings, dass man bereits mit zukünftigen Controllern experimentiert habe. Es wird Zeit für die Knuckles-Controller – für die ein späterer Patch also nicht unwahrscheinlich ist.

Vorteil: Rift

Wusch!
PSVR-Besitzer schauen leider in die Röhre – oder besser gesagt auf ihre ausgestreckten Arme, denn  die Sony-Umsetzung wirkt wie mit der heißen Nadel gestrickt. Keine Move-Unterstützung, kein Aim-Controller, seltsam zuckende Arme. Hat Ubisoft vorm ehemals PC-exklusiven Launch kalte Füße bekommen und dem Team die halbherzige Umsetzung aufgezwungen? Zum Anlegen per Visier hält man hier also krampfhaft beidhändig den Dualshock-Controller vors Gesicht (mit manchen Waffen kan man zum Glück aus der Hüfte schießen). Außerdem sorgt der schmale Erfassungs-Winkel der PlayStation-Kamera dafür, dass man immer wieder aus dem Bereich flutscht, sich zu weit zur Seite dreht und in heiklen Situationen daneben schießt. Um das immerhin etwas zu kompensieren, laden manche Waffen in der Sony-Fassung automatisch nach. Wer sich einarbeitet, kann also durchaus mit PC-Spielern mithalten – der Spaß leidet aber massiv unter dem fehlenden Ziel- und Körpergefühl. Die grafische Darstellung blieb auf unserer PS4 Pro übrigens durchgehend flüssig; manchmal mussten wir allerdings mit einer dynamisch reduzierten Auflösung leben.

Fazit

Gibt es nach Space Junkies ein Zurück zu gewöhnlichen Shootern? Von Firewall-Fans habe ich solch eine Frage schon häufiger gehört – und auch ich bin gespannt darauf, wie es sich demnächst anfühlt, z.B. in Battlefield 5 nicht mehr die eigenen Arme zum Schießen zu benutzen. Die Umsetzung des eigenen Körpers ist Ubisoft Montpellier derart gut gelungen, dass ich sie in der Multiplayer-Action gar nicht mehr wahrgenommen habe! Es ist ein unheimlich erhebendes Gefühl, nach einer Verfolgungsjagd aus einem Krater aufzutauchen und dem um die Ecke schwebenden Gegner mit lässig ausgestreckter Pumpgun den Rest zu geben. Für solche Momente ist Roomscale-VR gemacht! Freies Schweben durch tückische Trümmer, cool abgestimmte Waffen, haarscharfe Matches – all das hat bei mir auf Anhieb diese Euphorie ausgelöst, die ich früher bei meinen ersten LAN-Matches in Quake 3 Arena oder Halo spürte! Und all das triggert nicht einmal meinen empfindlichen Magen. Die in die neue VR-Engine geflossene Energie hat aber auch ihre Tücken. In unserer Test-Phase hatten wir mit diversen Technik-, Verbindungs- und DRM-Bugs zu kämpfen, zumal die Systemanforderungen trotz eher schlichter Grafik ziemlich hoch liegen. Außerdem fehlten offenbar Ressourcen für einen vernünftigen Umfang. Nach rund fünf bis zehn Stunden kommt in den vier Modi auf nur sechs Karten schon mal Monotonie auf - zumal Zusatz-Herausforderungen fehlen. Die Stunden davor gehörten aber zu meinen bisher intensivsten in VR! Das Fundament steht – bleibt zu hoffen, dass Ubisoft ordentlich Inhalte nachliefert!

Pro

  • spannende Mehrspieler-Shootouts in kleinen kugelförmigen Arenen
  • intensive Immersion
  • passend verwinkeltes Level-Design
  • unglaublich cooles Körpergefühl mit korrekt berechnetem Avatar
  • intuitive, präzise Bewegungssteuerung (auf Vive und vor allem Rift)
  • sehr unterschiedliche Waffen sorgen für variantenreiche Gefechte
  • erstaunlich komfortabel für den Magen
  • Cross-Plattform-Unterstützung sorgt bislang fast immer für Mitspieler
  • nützliche und spaßige Interaktion mit Handgesten, Tänzen, etc.
  • gelungene Umsetzung des Monitor-Bildes für Scoreboard, Menüs und Streaming
  • verräterische Geräusche erfordern vorsichtiges Navigieren durch Trümmer und Extras

Kontra

  • keine Extra-Herausforderungen und kaum motivierender Fortschritt
  • hohe Systemanforderungen trotz technisch schlichter Kulissen
  • kleine Bugs und gelegentliche Verbindungsabbrüche
  • mickriger Umfang mit nur sechs Arenen und vier Modi
  • minimalistische Bestenlisten und nur ein mickriger Übungskurs für Einzelspieler
  • Waffenbalance noch nicht immer ideal
  • verwirrende Menüs
  • DRM-Bug verhinderte zu Beginn den Spielstart auf Steam (mittlerweile gepatcht)
  • halbherzige Steuerungs-Umsetzung für PSVR (ohne Move
  • oder Aim-Controller)

Wertung

VirtualReality

Immersiv, intensiv und mit cooler Bewegungssteuerung - nur beim Umfang und technischen Details schwächelt der Schwebe-Shooter für VR.

OculusRift

Immersiv, intensiv und mit cooler Bewegungssteuerung - nur beim Umfang und technischen Details schwächelt der Schwebe-Shooter für VR.

PlayStationVR

Die halbherzige PSVR-Umsetzung in letzter Sekunde hätte sich Ubisoft sparen können: Mit dem Dualshock-Controller vor der Nase schießt man nicht annähernd so intuitiv und verlässlich.

HTCVive

Aufgrund fehlender Analogsticks ist das Schweben nicht ganz so intuitiv, zumal auf Steam fiese DRM-Macken des verknüpften Uplay dazwischen funken können.

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