Overload - Test, Shooter, PlayStation4, OculusRift, Mac, PC, Linux, VirtualReality, XboxOne, HTCVive, XboxOneX, PlayStation4Pro

Overload
11.03.2019, Benjamin Schmädig

Test: Overload

Gute alte, neue Zeit!

Auf PC ist Overload ein Shooter der Extraklasse: Hervorragendes Leveldesign und ebenso fordernde wie packende Action zeichnen den geisten Nachfolger von Descent aus. Inzwischen ist das Spiel nicht nur auf PlayStation 4, sondern auch auf Xbox One erhältlich - doch wie gut fliegt man mit Gamepad durch die engen Gänge der vor Gefahren strotzenden Raumstationen? Für unseren Test sind wir auf beiden Konsolen erneut in Richtung Saturn aufgebrochen.

Hölle noch mal! Wie aus dem Nichts ächzt ein Gegner aus seinem Versteck auf mich zu. Panisch schiebe ich meinen Flieger rückwärts, während ich mit Schnellfeuer-Raketen sowie der mehrstrahligen Hauptfeuerwaffe aufs Cockpit des Angreifers ziele – bis ich endlich einen Knick erreiche, hinter dem ich abbiegen kann. Eine halbe Sekunde lang ist es totenstill. Dann donnert ein sich auflösendes Wrack wie ein Feuerball hinterher und kracht in die gegenüberliegende Wand!

Von Showdown zu Showdown

Ich könnte viele solcher Höhepunkte beschreiben. Es hätten auch die Minuten davor sein können, als ich mich vorsichtig durch die Höhlen des Saturn-Mondes schob, meine Leuchtfeuer wie Glühwürmchen durch stockfinstere Stollen rasten und ich minutenlang gerätselt habe, wie ich einen Schalter finde, der die Tür zu einem mächtigen Extra öffnet. Es hätte die Verfolgungsjagd sein können, die ich mir mit einem Roboter geleistet habe, der zwar mächtige Raketen verschießt, sich aber ständig zurückzieht. Wie schnell traut man sich an einen Gegner heran, wenn man nicht weiß, was hinter der nächsten Ecke lauert? Lässt man ihn lieber ziehen, auf dass er einem vielleicht irgendwann in den Rücken fällt? Und es hätte natürlich auch jeder andere Showdown sein können, in dem grelle Laserstrahlen etwa einen großen Reaktorraum erleuchten, bevor mehrere Explosionen das Finale des spektakulären Feuerwerks markieren.

Kein anderes Spiel seiner Art, also kein anderer „Six Degrees of Freedom Shooter“ (6DoF Shooter) fängt die Taktik und die Wucht schwereloser Grabenkämpfe so überzeugend ein. Kein anderes motiviert so intensiv zum Durchsuchen der teils meisterhaft designten Umgebungen sowie zum Entschlüsseln ihrer kleinen Rätsel. Kein anderer 6DoF Shooter klingt so

Auf PC gab es Descent - auf Konsole ist ein 6DoF-Shooter dieser Qualität einzigartig. (Xbox One)
knackig und sieht so verdammt gut aus!

Urgesteine

Kein Wunder, denn am Steuer sitzen die Entwickler, die vor mehr als 20 Jahren den Ersten seiner Art erschufen: Descent. Und auch wenn die offizielle Fortsetzung bei einem anderen Studio entsteht, sieht nur Overload aus wie seine geistigen Vorgänger, klingt genau danach und spielt sich auch so.

Dass die unter Revival Productions firmierenden Spielemacher ihr Handwerk verstehen, sieht man ihrem per Kickstarter finanzierten Projekt an allen Ecken und Enden an. Overload ist nämlich nicht nur eine Neuauflage von allem, was Descent mal gut gemacht hat. Es ist auch so, wie ein 6DoF Shooter sein muss, wenn er heute mitspielen möchte. Man denke sich eine Markierung zwischen Ion Maiden und Doom, die beide den Gedanken der alten Schule ähnlich zielsicher weiterführen.

Zehn Mann & ein Ziel

Overload ist ja keine AAA-Produktion; gerade mal zehn Mann haben daran garbeitet und inhaltlich ist ihr Spiel überschaubar. Im Kern ist das Fliegen durch die in Monde gebauten Anlagen seinem ehrwürdigen Vorbild zum Verwechseln ähnlich und daran ändert sich bis zum Schluss auch nichts. Extrem große Räume gibt es z.B. nicht und die Flucht aus einer explodierenden Station wird wie früher als Filmszene inszeniert; spielbar ist das knappe Entkommen mit dem Feuerball im Rücken nicht. Durch sinnvolle Neuerungen bringt Revival aber einen Schwung in das bekannte Prinzip, der sich gewaschen hat.

Da sind neben satten Explosionen etwa moderne Licht- und Schattenspiele die den teils imposanten, teils klaustrophobisch engen Schauplätzen einen Charakter verleihen, den ich so von keinem anderen Spiel kenne. Sie unterstreichen das Gefühl in einem riesigen Komplex gefangen zu sein – eine Präsenz der Umgebung, die man am ehesten gutem Horror zuschreiben würde.

Ein wohlvertrautes Schmatzen

Immerhin könnte hinter jeder Ecke ein Gegner lauern, was denn auch oft genug der Fall ist. Dabei ächzen die Roboter laut auf, sobald sie einen aufs Korn nehmen. Dieses Knarzen, das Kreischen der Raketen, das wohlvertraute Schmatzen beim Auflesen von Schildenergie sowie das Schleifen sich öffnender Türen unterstreichen die dichte Atmosphäre. Erinnert ihr euch an Alien: Isolation, wo man nie genau wusste, ob gerade ein Lüftungsschacht aufging oder das Alien geschnauft hat? Overload erzeugt keinen Grusel – aber vergleichbar spannende Momente.

Diese Intensität verdankt es nicht zuletzt den hervorragend designten Levels. Tatsächlich habe ich selten derart geschickt verschachtelte und aneinandergereihte Tunnel gesehen; weder in den drei Spielen der Descent-Reihe noch in der enttäuschenden Early-Access-Version deren offiziellen Nachfolgers oder der prozedural erzeugten Gleichförmigkeit eines Sublevel Zero. Kaum ein Raum besteht aus lediglich sechs Wänden plus einem Winkel zum Verstecken. Stattdessen führen oft mehrere Ecken jeweils in weitere Flure, sind Geheimtüren in Decken und Wänden versteckt, liegt eine zusätzliche Etage unter der aktuellen oder entdeckt man hinter einem Gitter eine versteckte Waffe.

Mehr als „+1“

Wie man an die ran kommt, ist dann die große Frage, denn viele Türen oder Schalter sind clever versteckt. Ich habe nach dem Säubern eines Abschnitts oft etliche Minuten mit dem Aufspüren aller Extras verbracht und trotzdem nicht alle gefunden.

Hervorragendes Leveldesign und anspruchsvolle Action kommen auch mit Gamepad zur Geltung. (PS4 Pro)
Nicht nur deshalb habe ich mitunter länger als eine Stunde in den 15 großen Levels verbracht. Immerhin lohnt sich das aufmerksame Erkunden. Die Entwickler verstecken nämlich keinen schnöden Sammelplunder, sondern ausschließlich große Munitionspakete, Upgrade-Punkte, kurzzeitige Unverwundbarkeit – wertvolle Gegenstände statt Zahlenspiele der Marke „Nummer fünf von achtzehn“. So müssen Geheimnisse funktionieren!

Und sie spielen besser als ihre Kollegen mit der Tiefe des Raums: Es ist immer interessant zu entdecken, wohin eine Tür in der Decke führt, welche Schächte sich teilweise in die Tiefe erstrecken oder wohin die vielen Löcher in einem Stollen führen. Man fliegt nicht durch die Gänge eines Ego-Shooters; Overload nutzt die Freiheit der Schwerelosigkeit voll aus. Oft muss man mit der Nase voraus in Richtung Decke fliegen, weil es in dieser Richtung eben weiter geht. Dann ist Oben plötzlich das neue Vorne; Aha-Erlebnisse dieser Art fühlen sich klasse an!

Richtungsweisend

Keine Sorge: Über kleine Lampen, Schilder und andere Hinweise erkennt man an vielen Stellen, was normalerweise Decke und Boden wäre. Eine übersichtliche Karte erleichtert zudem die Orientierung. Und wer will, schaltet eine Navigations-Boje ein, die auf Kommando den Weg zu verschiedenen Zielen vorgibt. Die steuert zwar keine manuell gesetzten Markierungen an, ist aber spätestens dann eine große Hilfe, wenn man binnen 40 Sekunden den Ausgang erreichen muss, bevor der explodierende Reaktor die Station in den Untergang reißt.

Bleibt die Frage, ob sich diese Aha-Erlebnisse auch auf PS4 und Xbox One so gut anfühlen, denn tatsächlich merkt man der normalen Xbox One an, dass sie hier an ihre Grenzen kommt. Das gleißende Licht zweier Scheinwerfer strahlt z.B. nicht aus weiter Ferne schon bedrohlich aus dem Dunkel heraus und die Bildrate erreicht nicht ansatzweise die magische 60. Die vertikale Synchronisation darf man trotzdem auf 60 Hz einstellen, was aber selbstverständlich nichts hilft. Man kann sie auch auf 30 reduzieren, um Tearing zu verhindern; die Bildrate wird dadurch aber auf ein unangenhm niedriges Niveau drückt. Ich bin mit abgeschaltetem V-Sync deshalb am besten geflogen und hatte damit genauso viel Spaß wie im vergangenen Jahr am PC. Und so stört lediglich das ärgerliche, weil relativ häufige Mikrostottern - die Xbox-One-Version erhält deshalb unsere niedrigste Wertung.

Auf Biegen und Brechen

Auf PlayStation 4 Pro ist der visuelle Eindruck dem PC hingegen sehr ähnlich und auch die Bildrate erreicht im Schnitt knapp 60 - wenn auch nur mit abgeschaltetem V-Sync und daher leichtem Tearing. Technisch perfekt ist die Umsetzung also nicht. Dem Spielgefühl kann das aber erstaunlich wenig anhaben. Obwohl ich jederzeit am PC spielen konnte, habe ich mich jedenfalls mehrere Stunden lang auf beiden Konsolen durch die fernen Raumstationen gekämpft.

Wer nach der Kampagne nicht genug hat, kann sich im Challenge-Modus austoben, wo man gegen immer stärkere Feinde um Punkte und Plätze in weltweiten Ranglisten spielt.

Was geschieht beim Saturn?

Doch was ist eigentlich los mit den Bewohnern der Anlagen? Immerhin haben sich die Roboter, die eigentlich der Sicherheit und Forschung dienen, scheinbar verselbstständigt, die Lebensversorgung wurde abgeschaltet und zu allem Überfluss droht der Leiter der Saturn-Kolonie seinem Arbeitgeber mit einem Computer-Virus. Der schickt deshalb unsereins auf den Weg, um die Komplexe kurzerhand auszulöschen.

Zusätzlich gibt es die Möglichkeit online bis zu acht Jeder-gegen-jeden oder in einem von zwei Teams zu kämpfen.

Auch Freunde der Kampagne kommen nach Abschluss der Mission auf ihre Kosten, denn im NewGame+ behalten sie nicht nur alle Upgrades, sondern finden auch einige neue Herausforderungen in den bekannten Levels.

Viele Hintergründe erfährt man dabei über kurze und somit nicht den Spielfluss störende Sprachnachrichten, die man mal aus den Resten eines geschrotteten Gegners angelt, mal in einem Versteck aufgabelt. Die Überlebenden der ursprünglichen Bewohner findet man in Kühlkammern und teleportiert sie von dort aus in Sicherheit...

... während die neuen „Bewohner“ zu den Stärken des Spiels zählen. Die Blechkisten haben nämlich mächtig was auf dem Kasten. Sie patrouillieren ja nicht nur oder jagen dem Eindringling hinterher.  Die bissigen Fieslinge zwingen einen durch prägnante Verhaltensmuster auch zu riskanten Aktionen.

Aufstand der Maschinen

Neben den Artillerie-Robotern, die sich ständig zurückziehen, so dass man in noch nicht erkundete Räume hineinmuss, gibt es z.B. flinke Nahkämpfer, die mit Hochgeschwindigkeit auf Zahnfühlung gehen. Nicht zu vergessen auch Minenleger, die ihre explosive Ladung direkt in den Raum werfen, von dem aus man in aller Ruhe die Feinde von nebenan beharken wollte. Oder Gegner, deren Laser von Wänden abprallen, wodurch an einer sicher geglaubten Position im Handumdrehen Chaos ausbrechen kann.

Derartige Variationen gibt es in anderen Shootern natürlich auch. Overload zwingt allerdings stärker dazu in Bewegung zu bleiben. Man kann nicht nur mit Waffengewalt und einem kurzen Deckungswechsel reagieren, sondern muss oft schnell relativ weite Distanzen überbrücken. In Verbindung mit den in alle Richtungen führenden Tunneln, die teilweise sogar innerhalb eines Areals den Wechsel der Oben/Unten-Ausrichtung erfordern, erlebt man daher einzigartige, ausgesprochen packende Positionskämpfe.

Interessant, dass die mechanischen Wächter dabei dieselben Waffen nutzen, die einem selbst zur Verfügung stehen. Mächtige Raketen feuert man etwa ebenso ab wie die von Wänden abprallenden Laser. Sogar den Nahkampf-Schubser setzt man ein. Und man kann jede Waffe verbessern – mit den erwähnten Upgrade-Punkten.

Mechaniker ans Werk!

Zwei Arten der Punkte gibt es: die häufiger vorkommenden verstärken lediglich die Leistung der Waffen- und Schiffssysteme, während die schwerer auffindbaren auch eine Entscheidung fordern: Verpasst man der Waffe eine höhere Schussfrequenz oder eine größere Streuung? Jede Waffe bietet ihre eigenen zwei Spezialisierungen.

Trotz kleiner grafischer Abstriche ist die Jagd auf Roboter auch auf Xbox One klasse! (Xbox One)

Und noch eine Art der Individualisierung muss ich unbedingt erwähnen, denn Overload ermöglicht eine Vielzahl an Einstellungen, von der sich fast alle Spiele eine dicke Scheibe abschneiden sollten. Viel zu selten lässt sich besonders das Umsehen und Bewegen so präzise den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen anpassen wie hier. Gerade auf Konsole ist das leider eine Seltenheit und deshalb umso wohltuender.

Bequem durchs All

Die Entwickler wissen natürlich, dass das freie Bewegen eine andere Herausforderung darstellt als normales Laufen, sprich sie haben mehr Gründe als andere, die Orientierung so bequem wie möglich zu gestalten. Dennoch ist sowohl die Anzahl als auch die Art der Optionen lobenswert. Nicht nur die Empfindlichkeit der Analogsticks ist z.B. variabel, je nach Einstellung zieht man das Cockpit auch unterschiedlich stark in bestimmte Richtungen, kann die Beschleunigung beim Umdrehen erhöhen, die Geschwindigkeit des Umsehens generell begrenzen usw. Jede Taste lässt sich zudem frei belegen.

Ganz allgemein gilt einfach: Die Sorgfalt, mit der Revival diesen Shooter erschaffen und an die Bedürfnisse der Konsolen angepasst hat, darf gerne Schule machen!

Fazit

Nun hätte ich keine vier Seiten tippen müssen, um Overload angemessen zu beschreiben. „Es ist Descent, so wie es die Erinnerung verklärt: todschick, einzigartig, hervorragend spielbar“ – mehr muss man eigentlich nicht wissen. Aber ich bin schlicht begeistert davon, wie durchdacht jeder Baustein dieses für mich einzig echten Nachfolgers ausgearbeitet ist. Wie deutlich die intensiven Licht- und Schattenspiele den engen Schächten und weiten Räumen Charakter verleihen. Wie sinnvoll die Areale verschachtelt und aneinandergebaut wurden. Wie clever Geheimnisse versteckt sind, während man sie schon vor Augen hat. Wie geschickt die bissigen Gegner zu überlegten, aber auch risikoreichen Positionswechseln zwingen. Und wie dadurch eine Dynamik entsteht, die von Bewegung und Taktik sowie kraftvollen Explosionen lebt. Sicherlich ist Overload im Kern nichts Neues, bietet über die Dauer der Kampagne keine echten Überraschungen und läuft vor allem auf Xbox One nur mit kleinen grafischen Abstriche. Trotzdem ist es auch auf den Konsolen ein auf den Punkt konstruierter, schnörkelloser Shooter und nahezu perfekt in dem, was er macht!

Pro

  • hervorragendes Leveldesign mit geschickt verschachtelten Gängen
  • sehr unterschiedliche Gegner, die zu verschiedenen Taktiken zwingen
  • großartige Licht- und Schattenspiele sowie satte Explosionen
  • mitreißender altmodischer Soundtrack und packende Geräuschkulisse
  • viele gute Verstecke mit wichtigen Munitionspaketen, Upgrade-Punkten und mehr
  • kurzer Vorwärtsschub als Waffe gegen nahe Roboter
  • motivierendes Verbessern des Schiffs einschließlich Spezialisierungen
  • etliche Möglichkeiten, die Steuerung genau an ganz unterschiedliche Vorlieben anzupassen
  • Navigations-Boje, die verschiedene, selbst wählbare Ziele ansteuert
  • knackige, meist kurze Sprachnachrichten rollen erzählerischen Hintergrund auf
  • NewGame mit neuen Herausforderungen
  • fordernde Punktejagd im unterhaltsamen Challenge-Modus und
  • Online-Gefechte Jeder-gegen-jeden oder im Team

Kontra

  • wenig Variation im grundlegenden Ablauf
  • schwache audiovisuelle Meldungen, wenn Schiff kurz vor Zerstörung steht
  • Navigations-Boje steuert keine manuell gesetzten Markierungen an
  • relativ niedrige Bildrate und gelegentliches Stottern auf älteren Versionen der Konsolen

Wertung

PlayStation4

Ein auf den Punkt konstruierter, schnörkelloser Shooter. Perfekt in dem, was er macht!

XboxOne

Trotz kleiner grafischer Schwächen ist Overload auch auf Xbox One ein erstklassiger Shooter.