Unravel 2 - Test, Plattformer, Switch, XboxOneX, PlayStation4Pro, PC, PlayStation4, XboxOne

Unravel 2
25.03.2019, Mathias Oertel

Test: Unravel 2

Yarny auch für unterwegs

2015 war das Abenteuer einer liebevoll animierten Figur aus Strickwolle die große Überraschung der E3-Pressekonferenz von Electronic Arts. Sein Name: Unravel. Etwa neun Monate nachdem die Fortsetzung auf der letzten Electronic Entertainment Expo nicht nur überraschend angekündigt, sondern gleichzeitig auf PC, PS4 sowie One veröffentlicht wurde, dürfen auch Switch-User mit Yarny und seinem Freund gefährliche Abenteuer erleben – mehr dazu im Test!

War der erste Ausflug von Strickmännchen „Yarny“ nach Aussage von Chef-Entwickler Martin Dahlin ein Puzzle-Adventure, das erzählerisch von autobiografischen Elementen geprägt war, dreht sich in Unravel 2 (ab 19,98€ bei kaufen) alles um Freundschaft. Und das spiegelt sich auch spielerisch wider. Nachdem Yarny in der Anfangssequenz in einem schweren Sturm aus einem Boot herausgeschleudert wird und sein Faden reißt, wird er ans Ufer gespült. Dort trifft er ein anderes Wollmännchen, das ebenfalls verloren scheint. Die beiden knüpfen ihre Fäden zusammen und müssen die vor ihnen liegenden Gefahren gemeinsam bewältigen. Dementsprechend wurden auch die Umgebungspuzzles auf kooperatives Spiel ausgelegt.

Gemeinsames Abenteuer

Im Gegensatz zu A Way Out ist es aber keine Pflicht, einen zweiten Spieler auf dem Sofa neben sich zu haben. In Unravel 2 kann man auch als Solospieler die sieben Abschnitte erleben, die unter dem Strich etwa zweieinhalb bis vier Stunden Zeit veranschlagen dürften – in diesem Fall schaltet man einfach zwischen den Figuren um und kann sie sogar miteinander „verknüpfen“, damit man schnell vorwärts kommt und nicht permanent hin und her wechseln muss, nachdem man ein paar Schritte gemacht hat. Doch mehr Spaß macht es natürlich mit einem menschlichen Mitspieler. Nicht nur, weil man dann gemeinsam über die Bildsprache diskutiert und versucht, die Bedeutung der häufig verschwommenen Ereignisse in der „menschlichen“ Welt zu erfassen, die abseits des Freundschaftsthemas viel Interpretationsspielraum zulassen.  

Anfänglich lassen sich die Umgebungsrätsel noch recht leicht lösen. Im weiteren Verlauf sowie bei den Herausforderungen muss man zunehmend um die Ecke denken.
Sondern vor allem, weil man gemeinsam überlegen kann, wie man mit dem Partner die clever eingesetzten sowie simplen, zumeist auf aus dem Vorgänger bekannten Elemente effektiv einsetzen kann, um die Puzzles zu lösen. So kann man die Umgebung manipulieren, indem man seinen Faden an vorgesehenen Punkten anbindet und schließlich z.B. per Schwerkraft oder durch Ziehen Schalter betätigt, Äste aus dem Weg räumt usw. Und man darf auch weiterhin an bestimmten, ebenfalls durch Bindfaden markierten Punkten eine Art Trampolin aufbauen, um höher springen zu können oder Gegenstände darüber zu schieben. Ein Fortschritt zum ersten Teil: man darf sich nicht nur von bestimmten Fixpunkten abseilen, sondern auch den Partner quasi als Ankerpunkt verwenden. Der Kumpel kann übrigens auch bewegliche Gegenstände in Positionen halten oder mit einem darauf bewegen, so dass man die gut platzierten Hindernisse überwinden kann.

Kooperativer Puzzlespaß

Sprungsequenzen, die in den letzten Abschnitten mitunter sehr gutes Timing erfordern, dabei gelegentlich hart an der Frustgrenze entlang schrammen oder Passagen, in denen man abwechselnd schwingen muss, sorgen für zusätzliche Anforderung. Vor allem auch, wenn man gleichzeitig die wenigen, aber dafür sehr gefährlichen Gegner entweder mit einer Figur ablenken oder komplett umgehen muss. Möchte man die 20 Herausforderungen bewältigen, die ihren Namen wirklich verdienen oder sämtliche Leuchtkugeln finden, mit denen man Gemälde freischaltet, die der offenen Erzählung weitere Facetten hinzufügen, ist im Fall des Koop-Spiels nicht nur eine gute Kommunikation, sondern auch Hand-Auge-Koordination gefragt. Die Fähigkeit, auch mal um die Ecke denken zu können, da die Lösung selten so offensichtlich ist wie in den sieben Story-Kapiteln, wird hier ebenfalls häufig abgefragt. Als Belohnung erhält man hier übrigens neue Garn-Figuren, deren Farben und Formen man für sein Duo frei kombinieren kann.

Obwohl das Thema Freundschaft definitiv interessant ist und hier von der Überschneidung von Ereignissen der Wollfiguren sowie den recht dramatischen Geschehnissen in der Welt der Menschen profitiert, konnte mich Unravel 2 erzählerisch nicht abholen. Selbst der Kniff mit der Personalisierung der Spielfiguren hat nicht geholfen, mich emotional mit den Protagonisten zu verbinden. Hat Yarni im Vorgänger mit dem ganzen Leid, das ihm teilweise auch von mir als Spieler zugefügt wurde, dafür gesorgt, dass er nicht nur niedlich wirkte, sondern einen gewissen Schutzinstinkt aktivierte, finde ich hier keinen Zugang. Vielleicht, weil ich mich so fühle, dass ich (im Zweifel mit meinem Kumpel) nur noch da bin, um die beiden Freunde mit leicht schützender Hand zu begleiten als sich wirklich für sie verantwortlich zu fühlen. Sprich: Für mich hat sich Yarny sehr subtil von einem „Anknüpfungspunkt“ zu „nur“ einem weiteren Jump&Run-Helden entwickelt, von denen es mit Lucky, Yooka, Laylee oder Mario schon genügend gibt. Dass mir trotz zahlreicher Andeutungen, die vollkommen gereicht hätten, am Ende eine Toleranz- bzw. Inklusions-Botschaft auf die Netzhaut gehämmert wird, habe ich zusätzlich als störend empfunden.

Emotionale Kälte

Im Detail zeigt die Kulisse auf Switch Texturschwächen, bleibt aber dennoch stimmungsvoll.
Wollte ich im Vorgänger in einigen Situationen am liebsten in den Bildschirm greifen und das putzige Wollmännchen aus seiner gefährlichen Umgebung reißen, bin ich bei Unravel 2 „nur“ noch Spieler. Aber als solcher weiß ich natürlich weiterhin die sehr ansehnliche Kulisse mit ihren fotorealistischen Elementen zu schätzen, die allerdings auf Switch mit ihrer verringerten Auflösung nicht mehr ganz so beeindruckend wirkt wie seinerzeit auf den anderen Systemen. Doch auch wenn die Umgebungen häufiger schwammige Texturen zeigen, bleibt es dabei, dass der Gesamteindruck auch dank der schicken Licht- bzw. Partikeleffekte weiterhin sehr stimmungsvoll ist – sowohl mobil als auch im Dock-Betrieb. Und ich freue mich sowohl über die akkurate Kollisionsabfrage als auch die sehr direkte Steuerung, die alle Aktionen am Pad sauber umsetzt. Das nimmt mir zwar die Entschuldigung beim Scheitern, das zweifelsfrei bei mir liegt. Doch da die Kontrollpunkte nicht nur automatisch, sondern auch gut gesetzt werden, gibt es keinen Grund, Frust aufzubauen.

Fazit

Etwa ein Dreivierteljahr nach seiner Premiere legt Yarny auch auf Switch los und zeigt sich als gute sowie schnörkellose Umsetzung eines charmanten, aber nicht mehr außergewöhnlichen Puzzle-Abenteuers. Zwar darf man kooperativ versuchen, sowohl die Sprungpassagen als auch die weiterhin intelligenten Rätsel zu lösen. Doch man wird nur selten vor Probleme gestellt (vor allem wenn man den Vorgänger kennt), da sich die Rätselanforderung nur geringfügig und im Hinblick auf Zusammenarbeit geändert hat. Dies wird allerdings durch die 20 abwechslungsreichen Herausforderungen aufgefangen, die nicht nur Kommunikation und Hand-/Auge-Koordination, sondern auch ein gewisses Um-die-Ecke-denken fordern. Dass das Wollmännchen-Abenteuer für mich nicht so zündet wie der Vorgänger, liegt aber auch an der Geschichte, die mich mit ihrem Freundschaftsthema emotional nicht so abholt wie im Vorgänger. Hat Unravel einen ganz nah mit Yarny zusammengebracht und verbunden, wird hier eine Distanz gewahrt, die genau diese Verbindung verhindert. Was bleibt, ist aber weiterhin ein interessanter Puzzle-Plattformer mit optionaler Koop-Mechanik vor einer trotz Detailabstrichen stimmungsvollen Kulisse. Da es allerdings keinerlei neuen Inhalte gibt, können Spieler, die Yarny und seinen Freund bereits auf einem anderen System gerettet haben, auf die Switch-Variante verzichten.

Pro

  • sehr stimmungsvolle Kulisse...
  • akkurate Steuerung, punktgenaue Kollisionsabfrage
  • 20 Herausforderungen
  • clevere Umgebungsrätsel
  • vorzugsweise kooperativ zu spielen, aber auch solo möglich
  • Figuren können angepasst werden

Kontra

  • ... die allerdings auf Switch Detail-Abstriche hinnehmen musste
  • eher schwache emotionale Anbindung
  • hinsichtlich des Rätseldesign keine wesentlichen Fortschritte
  • gelegentliche Spitzen innerhalb eines ansonsten moderaten Schwierigkeitsgrades

Wertung

Switch

Routiniert inszenierter Puzzle-Hüpfer, der komplett kooperativ gespielt werden kann, der aber emotional nicht die Intensität des Vorgängers erreicht und dessen stimmungsvolle Kulisse auf Switch Detailschwächen zeigt.

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