MLB The Show 19 - Test, Sport, PlayStation4, PlayStation4Pro
Wer einmal vom Baseball-Virus infiziert wurde, kommt nicht mehr so schnell los davon. Was bei mir als „Versuchssport“ begann, da ich meine Fußballschuhe nach dem Verlassen der A-Jugend an den Nagel hängte, beschäftigt mich bis heute. Ich habe mehrere Jahre im Verein gespielt. Ich versuche jedes Mal, wenn ich in den USA bin, ein Spiel zu besuchen – was leider nicht immer klappt. Und wo viele aus Stilgründen mit Kappen der LA Dodgers oder New York Yankees herumlaufen, obwohl sie mit Baseball ansonsten gar nix am Hut haben, habe ich mir gegen Ende meiner Teenager-Zeit Mützen mit Chief Wahoo aufgesetzt – dem ab dieser Saison aus politischer Korrektheit wegrationalisierten Merchandising-Symbol der Cleveland Indians. Dass in einem ähnlichen Zeitraum der Film Major League mit Charlie Sheen, Wesley Snipes und Tom Berenger erschien, der in Deutschland schmissig „Die Indianer von Cleveland“ hieß und einen prophetischen Blick auf die erfolglose World-Series-Jagd der Indians Mitte der 90er Jahre warf, ist purer Zufall. Oder Karma.
Einfach, aber nicht langweilig
Obwohl Baseball hierzulande zunehmend an Popularität gewinnt und momentan sogar zwei Deutsche in der amerikanischen Profiliga MLB (Major League Baseball) ihr Geld verdienen, werden viele weiterhin nicht mit diesen Sport warm – und betrachten ihn im schlimmsten Fall sogar als langweilig oder gar kompliziert. Und MLB The Show 19 tut wie seine Vorgänger herzlich wenig, um Neueinsteiger zu begrüßen und die letztlich unkomplizierten Mechaniken zu vermitteln. Im Gegensatz zu Madden NFL, wo zumindest rudimentär bestimmte Positionen oder Konzepte in Tutorials angepackt werden, ist und bleibt The Show nur etwas für Regel- und Spielkundige. Die jedoch werden momentan nichts Besseres im virtuellen Bereich finden.
Gefahr durch das Update-Gespenst?
Auch beim Laufverhalten und dem Feldspiel gibt es leichte Verfeinerungen, die von den Unmengen an neu eingepflegten Bewegungsabläufen profitieren und die Visualisierung mit den frischen Kameraperspektiven noch näher an die Übertragungen heranbringt, die man aus dem amerikanischen Fernsehen oder als Abonnent von MLB.TV kennt. Allerdings gibt es auch neue Diskrepanzen bei manchen Übergängen, so dass ein Feldspieler beim Aufnehmen des Balles in die Knie geht und dann plötzlich wieder steht, um die Wurfbewegung durchzuführen oder dem Läufer auf dem Weg zum nächsten Base den „Tag“ mitzugeben. Diese Unstimmigkeiten kommen in der Ausgabe 19 häufiger vor als in den letzten Jahren: In einem kompletten Spiel mit neun Innings ließen sich diese Bewegungsaussetzer bis zu fünf Mal bewusst wahrnehmen - die Grauzone, bei der diese Unstimmigkeiten in Bereichen passieren, die man nicht auf Anhieb sieht oder weitgehend unmerklich registriert, dürfte höher liegen. Natürlich ist dies nichts, was man nicht aus dem Spiel patchen könnte. Doch angesichts der ansonsten hohen Produktionsqualität sind diese ungewohnten Probleme störend.
Kleine Verbesserungen vs. Stagnation
Denn San Diego hat sich nicht nur visuell weiterentwickelt. Hinsichtlich der Modi macht man dieses Jahr einige Fortschritte. Die Karriere „Road to the Show“ z.B., in der man im umfangreichen Editor ein virtuelles Alter Ego erstellt und dann durch die kleineren Ligen seinen Weg in die Baseball Hall of Fame sucht, wird mit dem mechanischen Fundament der letzten Jahre gleich um ein paar interessante Elemente erweitert. So gibt es neben den neuen Spieler-Archetypen (dieses Konzept feierte letztes Jahr Premiere) jetzt auch vier „Persönlichkeits“-Formen wie Team Player, Captain oder den eher auf seinen persönlichen Fortschritt fokussierten Maverick. Je nach Gesprächsführung bei Dialogen mit dem Coach oder anderen Teammitgliedern verändern sich nicht nur ggf. die Freundschaftswerte, sondern auch der Status der jeweiligen Persönlichkeitsform. Erreicht man neue Stufen, werden neue Boni freigeschaltet. Dies ist ein spannendes System, um die Fähigkeiten des Spielers zusätzlich zu den automatischen sowie den frischen aktiven Trainingsoptionen zu verbessern. Noch spannender wäre es gewesen, wenn man nicht durch das jeweilige Symbol vor den möglichen Antworten auf die Auswirkung hingewiesen würde. Dann nämlich würde man sich vielleicht doch eher eine Antwort heraussuchen, die der echten oder imitierten Persönlichkeit entspricht, anstatt sich im Zweifelsfall für eine Reaktion entscheidet, die einem den schnellsten Fortschritt in diesem oder jenen Bereich verspricht.
In guten wie in schlechten Spieltagen
Ebenfalls in dieser Form neu und sich in erster Linie an Solo-Spieler gerichtet ist der „Moments“-Modus. Hier finden sich zig thematisch zusammengefasste Herausforderungen, bei denen man ähnlich der Momente in „March to October“ mal nur einige Innings unterwegs ist, aber mitunter auch mehrere Spiele bestreiten muss, um die Aufgaben erfolgreich abzuschließen. Dass es dabei nicht nur um z.B. Legenden wie Babe Ruth geht, bei denen man Schlüsselmomente ihrer Karriere nachspielt oder die Baseball-Historie verändert, sondern auch Geschehnisse der aktuell laufenden Saison nachgereicht werden, sorgt dafür, dass man immer wieder gerne einen Blick in diese Spielvariante wirft. Bei der Diamond Dynasty, einer Sammlung verschiedener On- und Offline-Spielformen, bei denen man sich aus allen gesammelten Baseball-Karten sein Team zusammenstellt, hat sich ebenfalls einiges getan.
Momente und Dynastien
Solisten werden dabei vor allem die kleinen Veränderungen im Conquest-Modus zu schätzen wissen. Während diese an Baseball angepasste „Risiko“-Variante inhaltlich nur marginal optimiert wurde, gibt es in MLB The Show 19 endlich die Auswahl, sich auch auf kleineren Karten mit weniger Gegnern die Zeit zu vertreiben. Musste man bislang stets quasi gegen alle 30 MLB-Teams auf einer Karte der Gesamt-USA versuchen, die Territorien der anderen Mannschaften zu übernehmen, gibt es mittlerweile eine Hand voll Spielbretter mit unterschiedlichen Gegner-Anzahlen. So hat man auch hier die Option, sich eine Variante herauszusuchen, die an die zur Verfügung stehende Zeit gekoppelt ist. Beim Franchise-Modus, in dem man sich als Manager versucht, aber sich auch quasi jederzeit aktiv betätigen kann, gibt es ebenfalls einige Änderungen, die allerdings erst in den unteren Ebenen greifen und für die insgesamt hohe Gesamtmotivation keine Rolle spielen.
Kartenwahn
Fazit
Mit dem Vorgänger scheint Sonys San Diego Studio an die Grenzen dessen gelangt zu sein, was spielmechanisch im virtuellen Baseball auf dieser Konsolengeneration möglich scheint. Anders lässt sich nicht erklären, dass man in MLB The Show 19 letztlich nur die Animationsbibliotheken massiv ausgebaut hat, während die Physik oberflächlich betrachtet nur mit wirkungsvollen Detailverbesserungen versehen wurde. Da zudem ausgerechnet die neuen Animationen zwar zusammen mit den frischen Kameraperspektiven den Realismus erhöhen, aber zu häufig brüchige Übergänge zeigen und es auch noch genug alte Bewegungen gibt, die nach Jahren der Verwendung ausgetauscht werden könnten, steht der Award aus technischer Sicht auf der Kippe. Dem steht jedoch ein wahres Inhaltsmonster gegenüber, bei dem vor allem die Auswahl für Solo-Baseballer aufgestockt wurde. March to October z.B. ist ein genau auf die richtige Länge sowie dramatische Höhepunkte zurecht gestutzter Mini-Saison-Modus. Mit den „Moments“ gibt es mehr als genug Herausforderungen. Und die in die Diamond Dynasty fallenden Ergänzungen der Risiko-Variante „Conquest“ ergeben ebenso Sinn wie die erweiterte Karriere, die man in „Road to the Show“ erleben kann. MLB The Show 19 zeigt sich zugänglicher als zuletzt, verpasst es aber immer noch, Neueinsteiger mit vernünftigen Tutorials oder Erklärungen an Bord zu holen. In diesem Bereich könnte man sich ruhig anschauen, wie EA bei der Madden-Serie versucht, Spieler einzusammeln, die bis dahin noch nichts mit der Materie zu tun hatten. Zudem sorgen die optionalen Mikrotransaktionen für kleinere Sorgenfalten: Diese wirken sich mit den Inhalten der zufälligen Kartenpacks sowohl eingeschränkt auf die Karriere als auch auf wenige Bereiche der Diamond Dynasty sowie den Online-Modus bei Nutzung eigener Teams aus – dies sorgt für eine Abwertung. Doch selbst damit stellen die in allen Bereichen deutlich gestiegenen Inhalte und die bekannt hohe Spielbarkeit von Sonys diesjährigem Baseballstreich erneut das Maß aller Dinge – MLB The Show holt sich das Gold-Triple.
Pro
- überarbeitete, realistischere Ballphysik
- umfangreiche Karriere mit neuen Entscheidungsmöglickeiten in Dialogen
- Karriere setzt auf sich dynamisch ändernde Fähigkeitenwerte
- fernsehreife Präsentation
- ansehnliche Kulisse
- komplett lizenziert
- sehr gute Kommentare und Analysen
- diverse Steuerungskonfiguration für alle Mechaniken
- Spannung der Duelle Pitcher vs. Batter wird sehr gut eingefangen
- Dynamik der Matches wird akkurat widergespiegelt
- optional: Schwierigkeitsgrad für Pitcher/Batter passt sich dynamisch an
- Reaktionstests sorgen bei Fokus auf einzelne Spieler für spannende Dynamik in den Matches
- March to October ein durchweg motivierender komprimierter Saison-Modus
- neue dynamische Herausforderungen sorgen für punktuelle Spannung (in Modus Road to the Show)
- aktive Trainingsspiele (in Modus Road to the Show)
- breites Spektrum an Missionen und Herausforderungen
- dynamisch gefüllte Stadien
- Kommentare und Motivation von Team-Kollegen über Pad-Lautsprecher
- cooler Retro-Modus mit reduzierter Kontrollmechanik
- Kartenmarkt wird von Angebot und Nachfrage reguliert
Kontra
- Mikrotransaktionen sind eine valide Option, sein Team zu verbessern (Diamond Dynasty)
- geringfügige Erleichterungen in der Karriere durch Mikrotransaktionen möglich
- Baseball-Neulinge bekommen kaum Hilfen zum Spiel, sondern nur mechanische Tutorials
- viele Kommentare wiederholen sich zu schnell
- Symbole bei den Dialogen der Karriere zeigen Auswirkungen an
- ungewohnt hoher Anteil "brüchiger" Animationsübergänge
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt Käufe für Fähigkeiten, Karten, Figuren, Waffen, Geld, XP oder Spielmodi.
- Man kann sich Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, Pay-to-win.
- Käufe können durch Zufallsfaktoren zum Glücksspiel werden.
- Käufe wirken sich nur in speziellen Spielmodi wie Ultimate Team oder GTA Online aus.