Unheard - Test, Adventure, PC

Unheard
24.04.2019, Benjamin Schmädig

Test: Unheard

Genau hinhören!

Detektivspiele erleben eine kleine Hochzeit: Her Story, Return of the Obra Dinn und andere haben vor kurzem erst gezeigt, dass man Kriminalfälle auch anders lösen kann als in der Manier klassischer Adventures. Und in genau diese Kerbe schlägt auch Unheard (ab 5,12€ bei GP_logo_black_rgb kaufen), in dem Detektive eine Hand voll Verbrechen aufklären. Über das Abhören von Sprachaufzeichnungen soll man dabei die richtigen Schlüsse ziehen, was sich im Test als interessantes Konzept entpuppt hat…

Wer hat die Bombe in das Gebäude geschleust? Wer hat sie gezündet und hinter welcher Person versteckt sich der geheimnisvolle Gangsterboss? Diese drei Fragen soll man klären, indem man die Aufzeichnungen einer Polizeistation anhört, in der zwölf Menschen gestorben sind. Man bedient aber kein klassisches Aufnahmegerät, sondern blickt auf den Grundriss des Gebäudes und schaut dabei zu, wie sich die anwesenden Opfer und Verdächtigen dort bewegt haben. Als wäre man vor Ort, bewegt man dabei eine Art geisterhaftes Alter Ego umher, sodass man stets nur Unterhaltungen in dessen unmittelbarer Nähe mitbekommt. Auf diese Art kann man sich auf einzelne Gespräche konzentrieren.

Ein Geist beim Spulen

Das ständige Hin und Her hat allerdings auch den Nachteil, dass man ständig vorspult, den Raum wechselt, zurückspult, sich wieder in einen anderen Raum begibt usw. Dabei hilft es nicht gerade, dass die Bedienung der schmalen Zeitleiste recht unkomfortabel ist, man keine Markierungen setzen und nur umständliche, im Grunde kaum lesbare Notizen einfügen darf. Obwohl beide Werkzeuge – die einen Bildschirm große Übersichtskarte sowie besagte Zeitleiste – denkbar profan sind, ist die Steuerung also überraschend unhandlich.

Das ist umso bedauerlicher, da das Spiel abgesehen davon keine Interaktion verlangt. Obwohl sich sämtliche Akteure durchs Bild bewegen, sieht man ja keine Figuren, sondern lediglich deren Positionsmarkierungen. Mit Blick auf das minimalistische

Das aufmerksame Anhören ausführlicher Sprachaufzeichnungen ist leider reine Fleißarbeit.
Konzept ist dieser Verzicht nachvollziehbar, trotzdem hätten zusätzliche Beobachtungen beim Aufspüren möglicher Hinweise eine Bereicherung sein können. Würde wenigstens die Handhabung plastischer Aufnahmegeräte stärker im Vordergrund stehen, sodass man sich besser in die haptische Arbeit als Detektiv hineindenken könnte…

Ein Mangel an Beweisen

… oder hätte man zumindest mehr zu tun, als maximal drei Beweise zu finden. Denn bis auf Ausnahmen muss man das Gehörte nicht einmal miteinander kombinieren. Es führt nicht ein Hinweis erst zum nächsten und übernächsten, bevor man endlich das entscheidende Puzzleteil findet – das gibt es zwar, doch im Wesentlichen hört man einfach ausufernd lange zu, bis eine Person irgendwann mal sagt, was Sache ist. Womöglich hätten optionale Entdeckungen oder mögliche weiterführende Überlegungen die Detektivarbeit motivierender gemacht. Die gibt es aber nicht.

Zu „guter“ Letzt ist Unheard außerdem sehr kurz. Das bezieht sich nicht einmal um die Spielzeit von wenigen Stunden, sondern auf die Tatsache, dass man gefühlt gerade erst das Tutorial verlassen und die ersten beiden „echten“ Fälle gelöst hat, wenn man auch schon das Ende erreicht.

Fazit

Schön ist natürlich, dass man frei nach Hinweisen sucht, nicht an die Hand genommen wird, und dass über ständig wechselnden Dialogsituationen glaubwürdige Abläufe entstehen, die es in anderen Spielen so nicht gibt. Schade aber, dass das Anhören der Sprachaufzeichnungen ein letztlich inhaltsleeres und vor allem monotones Durchhören langer Texte ist. Anders konzipiert hätte Unheard davon profitiert, wenn man die quietschenden Tasten alter Tonbandgeräte bedienen, umfangreiche Notizen wie in Return of the Obra Dinn durchblättern oder verdächtigen Personen wie in Her Story Fragen stellen dürfte. Wie man in einer futuristischen Umgebung audiovisuelle Aufzeichnungen studiert, hat Tacoma hingegen drei Klassen besser vorgemacht, weil man dort Abläufe auch visuell verfolgt und gleichzeitig die Umgebung erkundet. Unheard folgt der Tradition dieser einzigartigen Detektivspiele – ist von deren Klasse allerdings meilenweit entfernt.

Pro

  • freies Suchen nach Hinweisen ohne künstliche Hilfen
  • knifflige, relativ vielschichtige Fälle

Kontra

  • ermüdendes Abhören teils sehr langer Aufnahmen nach maximal drei Beweisen
  • nahezu kein Kombinieren von Indizien
  • Darstellung als visuelle Abfolge von Geschehnissen, aber ohne sichtbare Akteure, passt nicht zu reinen Audioaufzeichnungen
  • umständliches Handhaben des Fortschrittsbalkens
  • nahezu unbrauchbares Erstellen von Notizen und Fehlen sonstiger Hilfswerkzeuge
  • Spiel hört auf, wenn es gefühlt erst loszugehen scheint
  • keine deutschen Texte

Wertung

PC

Gut gedachte, aber spielerisch zähe Detektivarbeit, die ihr Potential nie ausschöpft.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.