Yakuza Kiwami 2 - Test, Action-Adventure, PC, XboxOne, PlayStation4, PlayStation4Pro

Yakuza Kiwami 2
06.05.2019, Benjamin Schmädig

Test: Yakuza Kiwami 2

Alte und neue Stärken

Stellt euch vor ihr macht als Kazuma Kiryu die Stadt unsicher. An eurer Seite: eine bezaubernde Frau, die ganz langsam so etwas wie Zuneigung entwickelt. Auf den Straßen herrscht eine ausgelassene Stimmung, Neonreklame spiegelt sich im nassen Asphalt. Ihr könntet Dart spielen, Essen gehen, Golfbälle schlagen, etwas trinken gehen und vieles mehr. Das ist Yakuza. Also kommt ihr schließlich an einer Karaoke-Bar vorbei, in der jede Gruppe ihr eigenes Zimmer bekommt. Und was macht Kazuma da? Ruft seinen Kumpel an - die Frau bleibt draußen! Denn auch das ist Yakuza. Und daran ändert sich in der PC-Version von Kiwami 2 selbstverständlich gar nichts.

Nun war wirklich nicht zu erwarten, dass Yakuza Kiwami 2 (ab 5,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) das Rad dieser offenen Welt neu erfindet. Immerhin handelt es sich „nur“ um die PC-Version des Remakes eines zwölf Jahre alten PlayStation-2-Spiels. Trotzdem fällt doch ein ums andere Mal auf, dass Ryu ga Gotoku Studio (die Serie heißt in Japan nicht Yakuza, sondern wie das nach ihr benannte Entwicklerstudio) zwar stets um Neuerungen bemüht ist, von einer modernen interaktiven Erzählweise aber weit entfernt ist. Und so hält auch die Neuauflage des zweiten Teils am starren „Gehe dorthin und klicke eine Mission an!“ fest.

Litfaßsäulen als Missionsgeber

Immerhin: In der Welt von Yakuza gibt es traditionell eine gigantische Menge solcher Missionen. Womit vor allem die vielen optionalen Beschäftigungen abseits des roten Fadens gemeint sind, sprich das Baseball-Training, Besuche in der Spielhalle, beim Second-Hand-Händler sowie Dutzende Kurzgeschichten, die Kazuma dort erlebt, wo er sich mit (eben fast immer starr postierten) „Passanten“ unterhält und einwilligt, sich ihrer Probleme anzunehmen.

Die Lösung findet er meist im Verdreschen gemeiner Bösewichte, die sich daraufhin gerne geläutert und dankend aus dem Staub machen. Kein Wunder: Auch Yakuza Kiwami 2 dreht sich um das brutale Prügeln mit Kleinganoven, mittelmäßig begabtem Mafia-Personal sowie dessen Bossen. Herr Kiryu reiht also Kombos aneinander, richtet mit Finishern besonders großen Schaden an und nutzt diesmal auch wieder Waffen.

Neue Technik, altes Spiel

"Diesmal", weil das in Yakuza 6 nicht ging – eins muss man nämlich wissen: Während Kiwami 2 selbstverständlich die in Kiwami erzählte Geschichte fortführt, nutzt es die Dragon-Enginge aus Yakuza 6, das auf PlayStation 4 direkt vor Kiwami 2

Weil es Yakuza 6 nicht für PC gibt, kommt hier zum ersten Mal die Dragon-Engine zum Einsatz.
erschien. Und weil „Engine“ mehr ist als nur Grafik, betrifft das auch sämtliche Inhalte. Sprich, Minispiele und Steuerung fühlen sich für PC-Spieler anders an, als sie es gewohnt sind, und auch die Kämpfe laufen anders ab.

Daher wechselt Kazuma nicht zwischen verschiedenen Kampfstilen, kann aber wie gehabt auf dem Boden liegende Fahrräder, Pylonen usw. als Waffen nutzen. Zusätzlich rüstet er jetzt aber auch bis zu drei Messer, Sprühdosen oder andere Gegenstände dauerhaft aus, die ihm dann per Knopfdruck zur Verfügung stehen. Neu sind außerdem Finisher, die man freischaltet, nachdem man bestimmten Personen in verschiedenen Stadtteilen einen Gefallen getan hat. Diese unterstützen ihn dann, wenn er in ihrer Nähe einen solchen Finisher auslöst. Kampfentscheidend sind ihre Aktionen nicht – für unterhaltsame Abwechslung sorgt es aber allemal, wenn ihm die Domina eine Peitsche zuwirft.

Die Peitsche der Domina

Alles in allem sind zumindest Schlägereien im Rahmen der Handlung angenehm forderndernd; besonders Kämpfe gegen stärkere Feinde verlangen aufmerksames Blocken bzw. Ausweichen. Was dabei leider gewaltig stört, sind die relativ engen Räume, in denen zahlreiche Prügeleien stattfinden. Klar: Die wurden vom Original vorgegeben. Vielleicht hätte Ryu ga Gotoku Studio in solchen Momenten aber gut daran getan, stärker davon abzuweichen. Die Übersicht war vor zwölf Jahren schon keine Offenbarung; mit dem aktuellen Kampfsystem ist sie in manchen Augenblicken unzumutbar!

Überhaupt ist Kiwami 2 nicht in jeder Hinsicht eine Weiterentwicklung. Anders als in Yakuza 6, also dem technischen Vorläufer, wurde etwa nicht jeder Text vertont. Dafür läuft Kazuma einmal mehr durch das originalgetreu nachgestellte Vergnügungsviertels Kabukicho, in dem die Handlung zu großen Teilen stattfindet und wer Teil sechs noch nicht gespielt hat: Dank der Dragon-Engine vermittelt der mit großem Aufwand virtualisierte Stadtteil ein intensives Mittendringefühl!

Groß- und Kleinstadt

Das liegt nicht nur an grafischen Details - tatsächlich könnte man gerade mit leistungsfähigen PCs eine technisch weit aufwändigere Kulisse erschaffen. Doch zum einen betritt Kazuma fast alle begehbaren Gebäude ohne Ladepause und zum anderen vermittelt sein neues Schrittempo viel mehr den Eindruck, sich wie ein Großstadt-Tourist durch Tokio zu bewegen, anstatt als ein Videospiel-Sprinter lediglich den nächsten Wegpunkt über die schnellste Route anzusteuern.

Der andere Teil der Handlung findet in Sotenbori statt, was dem Stadtteil Dotonbori in Osaka nachempfunden wurde. Und eins fällt dort auf: War der zusätzliche Schauplatz in Yakuza 2 noch eine gelungene Abwechslung zu Kamurocho, wirkt er heute wie ein weniger interessanter Ableger des namhaften Vergnügungsviertels. Das liegt zum einen daran, dass die kleineren Orte Okinawa sowie Onomichi im dritten und sechsten Yakuza eine erfrischende Erholung von den rechteckigen Straßenzügen einer Großstadt waren. Zum andern spielten auch Yakuza 5 und Zero in Sotenbori, weshalb die allzu vertraute Umgebung nicht gerade aufbauend wirkt. Auch hier gilt: Das kann man einem Remake schlecht vorwerfen. Aber es fällt nun mal auf.

Die Spiegelungen im Wasser von Sotenbori hätten zudem auch auf PC ohne Screen Space Reflexions besser ausgesehen. Die gespiegelten Objekte sind nämlich so groß und klar sichtbar, dass man sie beim Spaziergehen gerne genauer anschaut – woraufhin sie naturgemäß abgeschnitten werden. Und das schadet dem Eindruck stärker, als es ausschließlich die

Wahlweise genießt man das eindrucksvolle Mittendringefühl aus der Ego-Perspektive.
vorgefertigten Spiegelungen getan hätten. In kleinen Pfützen ist der Effekt hingegen perfekt aufgehoben, denn nicht nur dadurch sehen besonders Kamurocho, aber auch Sotenbori fantastisch aus und vermitteln den plastischen Eindruck realer Straßenzüge besser als jedes andere Spiel!

Einen Schritt vor, einen zurück

Spielerisch macht die Umgebung in Kiwami 2 hingegen u.a. deshalb einen kleinen Schritt zurück, weil es die vielen, aus Yakuza 2 bekannten Schlüssel auch hier gibt. Mit denen erhält Kazuma Bonusgegenstände aus Schließfächern, was eine angenehme Belohnung für aufmerksames Erkunden sein könnte. Leider sind die Schlüssel nur dermaßen zahlreich, dass man ständig auf der Suche nach etwas Blinkendem ist. Stimmt: Theoretisch könnte man diesen Sammelwahn ignorieren. Praktisch ziehen sie aber so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass die Umgebung stärker wie eine funktionale Kulisse wirkt, als sie es müsste.

Ein Wort außerdem zur Technik der PC-Umsetzung, denn immerhin handelt es sich dabei um die Windows-Premiere der Dragon-Engine. So überzeugend Ryu ga Gotoku Studio damit urbane Umgebungen erschafft, so viele Kompromisse musste man dafür offenbar eingehen. Das lässt sich jedenfalls aus der Tatsache ableiten, dass das Spiel in einer Auflösung von 1080p nicht durchgehend, aber weitgehend stabil mit 60 Bildern pro Sekunde läuft - für eine vergleichbare Darstellungsqualität in höheren Auflösungen aber einen sehr schnellen Rechner benötigt. Die auf PlayStation 4 Pro erzielten 30 Bilder pro Sekunde dürften zudem auch viele PC-Besitzer nur dann in 4K erzielen, wenn sie die native Auflösung auf 75% herunterregeln. Saubere 1080p sehen mit 60 Bildern pro Sekunde deutlich besser aus.

Lebendig wirken sowohl Kamurocho als auch Sotenbori dafür einmal mehr durch etliche Beschäftigungen, die mit der erzählerischen Entwicklung nicht das Geringste zu tun haben – von denen viele aber altbekannt sind und seltsamerweise in schlechterer Form auf das Remake übertragen wurden als sie in Yakuza 6 vorhanden waren. Das Baseball-Training wird jetzt z.B. von einer ausgesprochen nervigen Melodie begleitet, während die Clan-Kämpfe aus Teil sechs stark verändert wurden.

Fragmentierte Tower Defense

Griff man dort nämlich andere Clans an, verteidigt man hier ein Gebiet gegen Gegner-Wellen. Dafür stellt man einen Trupp aus acht Männern zusammen, von denen jeder über eine Spezialfähigkeit verfügt. Nur vier Kämpfer können ihre Fähigkeit aber im Kampf nutzen, bei den anderen zählen grundlegende Werte wie Angriffsstärke daher stärker als ihre Begabungen. Das verleiht dieser Art Tower Defense eine interessante Portion Taktik. Im Gegenzug sortiert man die Charaktere jedoch nicht in ein hierarchisches System, um sie zusätzlich zu stärken; diese oder eine ähnliche zusätzliche Ebene fehlt also.

Auch Online-Duelle mit den Trupps anderer Spieler gibt es nicht und leider sind vor allem die Gefechte selbst nicht besonders unterhaltsam. Denn erstens verliert man hin und wieder die Übersicht, wenn man die Kamera in alle vier Richtungen anstatt nur nach vorn bewegen muss, und zweitens ist die Steuerung seltsam fragmentiert. Jede Spezialfähigkeit darf man nämlich auslösen, ohne den entsprechenden Kämpfer anzuwählen. Ist die entsprechende Figur in dem Moment nicht aktiv, weiß man aber oft nicht, wo sie sich eigentlich befindet. Diese seltsame Trennung von Charakter und Fähigkeit sowie die ohnehin schlechte Übersicht stellen leider oft größere Herausforderungen dar als das eigentliche Taktieren und behindern es dadurch.

Mit dem Managen eines Cabaret-Clubs kehrt schließlich ein ganz anderes Minispiel zurück, denn anstatt selbst zu flirten (nur

Viele enge Räume machen manche Kämpfe etwas ungemütlich. Was das angeht, könnte Kiwami 2 gerne vom Original abweichen.
gegen Ende trifft sich Kazuma kurz mit verschiedenen Hostessen) führt der feine Herr Kiryu diesmal sein eigenes Lokal. Dort kleidet er Angestellte ein, kauft ihnen Schmuck und teilt sie schließlich ankommenden Gästen zu, die gelegentlich Sonderwünsche äußern oder anderweitig Aufmerksamkeit verlangen. Es ist das gleiche Verwalten, das man als Goro Majima in Yakuza Zero erlebt hat – und damit auch ähnlich unterhaltsam.

Was Herrn Majima so umtreibt

Apropos: Eine ganz andere Art Zeitvertreib findet man abseits des eigentlichen Spiels, genauer gesagt in einem zweiten Modus namens Majima Saga. Der Publikumsliebling erhält nämlich einmal mehr seine eigene Geschichte, die es vor zwölf Jahren in der Form noch gar nicht gab. Man schaltet also nach und nach einzelne Kapitel frei, in denen man aus Majimas Sicht in geradlinigen Abschnitten erlebt, was Kazumas „Lieblingsfeind“ damals hinter den Kulissen widerfuhr.

Dafür alleine lohnt sich das Remake freilich nicht und die Episoden sind ohnehin so kurz, dass man sie erst nach Abschluss der eigentlichen Geschichte starten sollte; die Wartezeit zwischen dem Freischalten neuer Teile kann sonst unangenehm lang werden. Interessant ist der zusätzliche Einblick aber schon.

Daran liegt es aber freilich nicht, dass Kazuma oft mürrisch dreinschaut. Schön, dass seine persönliche Geschichte diesmal mehr als sonst im Vordergrund steht!

Überhaupt ist die Handlung die große Stärke des Remakes – hauptsächlich, weil sie das schon damals war. Sie beleuchtet immerhin wie üblich die politischen Wirrungen der Yakuza, bleibt gleichzeitig aber mehr als jeder andere Teil näher an den persönlichen Geschichten der Hauptfiguren. Und zu denen zählt ausnahmsweise auch eine Frau: Kaoru Sayama, die als Polizistin einen alten Fall aufklären will und Kazuma dabei auf mehr als eine Weise näherkommt.

Keck statt aufgeklärt

Schade nur, dass Kaorus damalige Sprecherin nicht mehr zur Verfügung stand! Sämtliche Filmszenen wurden ja wie in Kiwami neu vertont und ihre jetzige Stimme klingt kecker, bissiger – und lässt damit die aufgeklärte Ruhe vermissen, die Kaoru damals auszeichnet hat. Doch sei’s drum: Auch mit neuer Stimme erzählt Kiwami 2 die bis heute beste Geschichte der gesamten Serie!

Fazit

Alles in allem haucht Sega dem ursprünglich auf PS2 veröffentlichten Yakuza 2 auf gelungene Art neues Leben ein. Vor allem, weil die Geschichte bis heute die beste der Serie ist, lohnt sich die Rückkehr ins virtuelle Japan des Jahres 2006. Dabei sorgt die Dragon-Engine dafür, dass die Neuauflage ein beeindruckendes Gefühl der Immersion entstehen lässt – auch wenn der Fortschritt nicht überall spürbar ist und die Technik selbst auf PCs schnell an ihre Grenzen kommt. Die interaktive Welt wirkt zudem seltsam starr und viele für die Handlung wichtige Prügeleien finden in so engen Räumen statt, dass man zu oft den Überblick verliert. Abgesehen davon überzeugen die brachialen Kämpfe aber, zumal man in wichtigen Duellen nicht gedankenlos auf einen Gegner einschlagen sollte. Unterm Strich ist Yakuza Kiwami 2 also ein ganz typischer Vertreter der langjährigen Serie: So viel Spaß es auch macht, sich die Zeit in der detaillierten und spielerisch vielseitigen Welt zu vertreiben, so vertraut und altmodisch wirkt all das.

Pro

  • sorgfältige Restauration eines zwölf Jahre alten Spiels mit zusätzlichen spielerischen und erzählerischen Inhalten
  • große, persönliche Geschichte die beste der gesamten Serie
  • grafisch aufwändige und spielerisch umfangreiche Schauplätze
  • freie Charakterentwicklung mit vielen Fähigkeiten und Werten
  • viele optionale, mal kuriose, mal ernste Kurzgeschichten bzw. Missionen
  • teils fordernde, herrlich brachiale Prügeleien
  • wahlweise Herumlaufen aus Ego-Perspektive

Kontra

  • fehlende Übersicht in vielen wichtigen Kämpfen
  • relativ langes Warten vor Prügeleien auf Straße
  • starres Anklicken von Missionsgebern statt dynamische offene Welt
  • praktisch alle Inhalte werden aus Vorgängern recycelt
  • unübersichtliche Clan-Kämpfe mit seltsamer Steuerung
  • etliche sammelbare Schlüssel lenken von ruhigem Erkunden ab
  • weder deutsche Sprache noch Texte

Wertung

PC

Auch auf PC ist Yakuza Kiwami 2 ein gelungenes Remake des erzählerisch besten Teils, das inhaltliche und spielerische Wünsche offenlässt.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.