Saints Row: The Third - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation4, PlayStation3, PC, Switch, XboxSeriesX, Stadia, XboxOne, PlayStation5
Mitunter ist die Erinnerung eher von Wunschdenken und wohligen Gedanken geprägt als von einer realistischen Einschätzung. Diese Erkenntnis überfiel mich, als ich zur Sicherheit nochmal die 360-Version von Saints Row The Third einlegte, nachdem mich die Switch-Variante mit ihrer visuellen Qualität eher negativ überraschte. Die Kanten, das Flimmern, die geringe Auflösung oder Bildratenprobleme gab es doch früher nicht? Doch es gab sie. Zumindest die Kanten und das Flimmern sind sowohl in der 360- als auch in der ebenfalls nochmals aus dem Archiv gekramten PS3-Version deutlich sichtbar. Bildratenprobleme waren damals deutlich seltener, wurden aber durch Tearing erkauft. Ein prüfender Blick in den Test aus dem Jahr 2011 zeigt dies ebenso wie einen Gold-Award, den sich die Action in der offenen Welt des neuen Schauplatzes Steelport (Teil 1 und 2 spielten in Stilwater) seinerzeit verdient hatte.
Die gute (?) alte Zeit
Inhaltlich hätte die Switch-Version keine Probleme, sich diesen Award ebenfalls zu schnappen. Das Action-Fundament ist ebenso cool wie damals, für die Figuren und die komplett abgedrehte Story mit ihren ganzen Popkultur-Referenzen und –Anspielungen gilt das ohnehin. Die Kampagne gehört für mich zu den besten, die man in einem Spiel mit offener Welt erleben kann. Doch bevor ich es ebenso mache wie Deep Silver bzw. Fishlabs als für die Umsetzung verantwortliches Team und die acht Jahre alten Inhalte recycle, ein paar Erklärungen zur Technik auf Switch sowie den Auswirkungen, die sie auf die Wertung hat. Denn auch wenn sich oberflächlich betrachtet grundsätzlich nicht allzu viel am visuellen Eindruck verändert hat, leidet Saints Row 3 auf Nintendos Hybrid-System zusätzlich darunter, dass Fishlabs massiv an die technischen Grenzen der Switch stößt – sowohl mobil als auch gedockt.
Spielerischer Spaß, technischer Frust
Die Third Row Saints, die vor mittlerweile 13 Jahren mit ihrem Aufstieg einer Hinterhofgang zur führenden Bande Stilwaters das erste Mal eine Visitenkarte in der Videospielewelt hinterließen, sind zu Beginn von Saints Row The Third auf dem Zenit angekommen: Sie werden wie Popstars gefeiert, sie besitzen Klamottenläden, es ist ein Film von, über und mit ihnen in Planung und mit einem weiteren Standbein im Bereich Energy Drinks müssten sie sich eigentlich nicht mehr mit krummen Dingern beschäftigen. Doch ein Gangster kann nicht aus seiner Haut. Also macht man sich flugs auf, um eine Bank zu überfallen – inkl. eines Schauspielers im Schlepptau, der für seine nächste Rolle recherchieren will.
Neue Stadt, neues Glück?
Nach einigen wilden Schießereien (u.a. auf dem Tresor, der von einem Helikopter aus der Bank geschleppt wird!), werden die Saints mit ihrem Anführer (verkörpert vom Spieler) dingfest gemacht und hinter Gitter gesteckt – und das, obwohl sie die Polizei eigentlich in der Tasche haben. Das Geheimnis: Die Saints haben eine Bank des Syndikats überfallen, eine multinationale kriminelle Organisation, die eigentlich aus Steelport heraus operiert, nun aber alle Trümpfe in der Hand zu halten scheint, um die Saints in Stilwater zu schlagen. Doch die vornehmlich in lila Klamotten gekleideten Gangster denken gar nicht daran, auf das lächerliche Angebot des Syndikats einzugehen. Was folgt, ist ein Kampf an Bord eines Großraumflugzeugs, der in einem spektakulären Finale gipfelt, bei dem man sich fragt, wieso Drehbuchautoren in Hollywood (oder Hong Kong) noch nicht auf diese Idee gekommen sind. Wie dem auch sei – die Saints sind in Steelport gestrandet und schwören Rache.
Mein Held, dein Held, unser Held
Für die etwa 50 Hauptmissionen sowie die über 50 Nebenmissionen aus dem Hauptspiel, die durch neue Erzählstränge aus den seinerzeit veröffentlichten sowie hier integretierten Download-Inhalten ergänzt werden, bedient man sich bei einem prall gefüllten Ideen-Koffer: Kein Thema ist zu heilig, keine Idee zu abstrus, solange sie nur in überzogener Action münden kann. Man geht z.B. in ein Etablissement des horizontalen Gewerbes, um aus der „Pony-Abteilung“ einen Homie zu befreien, der mit einem Gagball versehen und nur leicht bekleidet ist, aber immerhin einen wunderschönen Ledersattel auf dem Rücken geschnallt hat. Als ob das nicht reicht, kann er sich nur über ein Kehlkopfmikrofon verständigen und hat einen sehr stark an
GlaDOS erinnernden Sprachgesang. Und um dem jetzt noch die politisch inkorrekte Krone aufzusetzen, jagt man ihn an eine Rikscha geschnallt durch die Stadt, während man versucht, die Verfolger mit Waffengewalt abzuschütteln. Und dies ist noch eines der harmloseren Beispiele.Viel zu tun
Im Laufe der gut 10 bis 15 Stunden, in der man die Kampagne bewältigen kann, legt man quasi die halbe Stadt in Schutt und Asche, versenkt einen Flugzeugträger, räumt als Toiletten- oder Sexpuppen-Avatar im Cyperspace auf, ist Teilnehmer an einem herrlich inszenierten Wrestling-Match und muss sogar einer Zombieplage Herr werden - die meisten Hauptaufgaben und deren klimaktische Auflösung sind derart abgefahren, dass man es sehen muss, um zu glauben. Zwar zeigen die Saints bei der Inszenierung immer wieder Schwächen, so dass man insgesamt nur selten über B-Film-Niveau hinauskommt. Aber ähnlich wie Expendables macht SR3 überhaupt keinen Hehl aus seinem Vorhaben, einfach „nur“ zu unterhalten. Und das gelingt ihm immer noch so gut und so explosiv wie kaum einem anderen Open World-Spiel – auch, wenn in der Zwischenzeit einige andere Genre-Vertreter ihr großen Spuren hinterlassen haben.
Mit seinen Zitaten, Kameraperspektiven und Anspielungen auf einschlägige Action aus Spiel und Film von Karate Kid über Terminator bis hin zu Walking Dead oder Modern Warfare wirkt SR3 wie eine gewaltige Hommage an alles, was auch nur annähernd mit Action zu tun hat – egal aus welcher Epoche und gleichgültig ob auf B-Film-, Blockbuster- oder Serien-Niveau. Eingeleitet werden die Missionen durch zumeist sauber untertitelte Telefon-Dialoge oder Cutscenes (häufig auch in Kombination), bei denen ich mich immer wieder dabei ertappte, lauter zu lachen als eigentlich beabsichtigt. Dabei ist es nicht nur die Qualität der englischen Sprachausgabe, die von Anfang bis Ende nahezu perfekt besetzt wurde (u.a. mit Hulk Hogan als gescheiterter Wrestler Angel), sondern vor allem die inhaltliche Klasse.
A wie Action
Mit Dialogen, die von der Absurdidität eines Tarantino-Skriptes bis hin zur ernsten Leichtigkeit eines Martin Scorsese reichen, ist das Drehbuch filmreif und geizt auch nicht mit Überraschungen. Von Zeit zu Zeit kann man sogar Entscheidungen treffen, so etwa, ob man den Transporter mit Zombiegas ins eigene Hauptquartier karrt und von nun an zombiefizierte Saints zu Hilfe rufen kann oder ob man ihn vernichtet und damit einen permanenten Respekt-Zuwachs bekommt. Doch bis auf die allerletzte Mission, die je nach Entscheidung zu gewaltig unterschiedlichen Enden führt, kann man sie nicht wiederholen, um die „andere“ Auswirkung kennenzulernen, sondern muss eine neue Kampagne starten.
Doch auch abseits der Geschichte gibt es wieder haufenweise Aktivitäten, die man erledigen kann. Dass viele davon wie Snatch (Prostituierte abwerben und in den eigenen Stall bringen), Mayhem (richte so viel Schaden an wie möglich) oder Versicherungsbetrug (man muss sich in Autounfälle verwickeln lassen und dabei maximalen Schaden nehmen), stört mich nicht. Denn bei denen, die es von Stilwater nach Steelport geschafft haben handelt es sich um die interessanten Varianten. Außerdem gibt es auch einige neue Gelegenheiten, Geld und Respekt zu verdienen, von denen vor allem die Eskorte und Dr. Genkis S.E.R.C. (steht für Super Ethical Reality Climax) im Gedächtnis bleiben. Bei Ersterem sitzt man à la Hangover mit einem Tiger im Auto und muss versuchen, das Tier durch seine Fahrweise zu besänftigen –was nicht so einfach ist, da das Schmusekätzchen auch gerne mal mit der Tatze ausholt und man kurzzeitig die Kontrolle über das Fahrzeug verliert – was allerdings angesichts der eingangs erwähnten technischen Probleme Nährboden für weiteren Frust liefert.
Respekt, Geld und Spaß
Großen Anteil daran hat die Akustik: Die Qualität der Hauptsprecher wurde schon erwähnt. Doch auch solche Kleinigkeiten wie die Reporterin Jane Valderamma, die stets süffisant und reißerisch das kommentiert, was man in der letzten Mission erlebt hat, sind absolut hörenswert. Ganz zu schweigen von dem grandiosen Soundtrack, der mit seinen Radiostationen nicht nur ein breites Spektrum von Rap über Techno-Elemente bis Rock und die Hits der 80er/90er Jahre anbietet, sondern in entscheidenden Szenen wunderbar auf das Geschehen geschnitten wurde. Kanye Wests „Power“ z.B. passt wie die Faust aufs Auge, wenn man sich aus einem Helikopter stürzt um ein Penthouse als eigene „Crib“ einzunehmen. Und wenn Bonnie Tyler zum Finale „I need a Hero“ schmettert, kommt man gar nicht umhin, als mit einem breiten Grinsen im Gesicht den Turbo zu zünden und auf Rettungsmission durch Steelport zu düsen.
Hör mir zu
Ein zweischneidiges Schwert ist jedoch das KI-System. Dass die eher auf Masse denn auf Taktik setzenden Gegner wie in einem klassischen Actionfilm der 80er Jahre eigentlich nur da sind, um über den Haufen geknallt, gefahren oder geprügelt zu werden, stört mich letztlich weniger. Ich bin in Steelport, um Chaos anzurichten – und je mehr Leichen meinen Weg pflastern, umso besser. Dass allerdings meine Kumpel zu häufig das Zeitliche segnen, weil sie keine Anstalten machen, sich aus dem Kugelhagel hinter eine schützende Mauer zu begeben, ist ärgerlich.
Freunde? Feinde? Alle doof
Fazit
Man merkt dem dritten Saints Row bei seiner Switch-Premiere vor allem visuell an, dass die Gangster-Action in der offenen Welt schon acht Jahre auf dem Buckel hat. Schon damals hatten die 360- und die PS3-Versionen mit Defiziten wie Flimmerkanten, Tearing und leicht schwächelnder Bildrate zu kämpfen. Diese technischen Schwächen hatten Wertungs-Auswirkungen, konnten aber den Gold-Award nicht verhindern, da das Spielgefühl eigentlich nicht betroffen war. Davon kann die Switch-Version jedoch nicht mehr zehren. Abgesehen davon, dass das Artdesign im Allgemeinen nicht besonders gut gealtert ist, beeinflusst die Bildrate auch die Action stärker - die Switch hat sowohl im mobilen Betrieb als auch im gedockten Zustand Probleme, das Geschehen flüssig abzubilden. Und das, obwohl an manchen Details schon gespart wurde. Wenn man sich mit zig Feinden Feuergefechte liefert, kann es genauso zu empfindlichen Rucklern kommen wie beim Fahren durch Steelport. Und das führt leider zu häufig entweder zu Unfällen oder Bildschirmtoden, wenn man die an die Bildrate gekoppelte Steuerung partout nicht dazu bewegen kann, das Fadenkreuz über einem Gegner stabil zu halten. Die Optimierung an die Switch-Hardware ist also nur leidlich gelungen. Das wiederum ist umso bedauerlicher, da Saints Row 3 inhaltlich nach wie vor ein absoluter Knaller ist. Nicht ganz so comichaft überdreht wie der Nachfolger hatte Volition seinerzeit bei der Story eine grandiose Balance zwischen Comedy und überkandideltem Gangsterdrama mit coolen Charakteren gefunden. Es gibt immer noch brachiale Gefechte, kompromisslose, dabei überzeichnete Gewalt mit größtenteils ausgeflippten Waffensystemen und abwechslungsreiche Missionen. Sie werden aber allesamt durch die Technik ausgebremst, mit der das System in einigen entscheidenden Momenten überfordert ist.
Pro
- herrlich überzogene, politisch häufig inkorrekte Gang-Action
- kooperativ spielbar
- cooles Drehbuch mit herrlich überzogenen Dialogen
- sehr gute Sprecherriege
- klasse Lizenz-Soundtrack
- haufenweise Nebenmissionen
- umfangreiche Personalisierung
- passable Arcade-Fahrphysik
- viel zu entdecken
- alle wesentlichen Download-Inhalte integriert
Kontra
- technisch bieder
- immer wieder massive sowie Spiel beeinflussende Slowdowns und Ruckler
- Steelport mit wenig markanten Momenten
- KI-Schwächen
- Nebenmissionen weitgehend ohne Überraschungen
Echtgeldtransaktionen
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- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.