Rage 2 - Test, Shooter, XboxOneX, PC, PlayStation4, XboxOne, PlayStation4Pro

Rage 2
13.05.2019, Benjamin Schmädig

Test: Rage 2

Wuchtiges Ballett im Ödland

Auf einen Gegner springen, während des Abschießens zweier Schrotladungen in der Luft stehen bleiben, um mit einem vernichtenden Faustschlag schließlich gen Boden zu krachen: Das ist Rage 2 (ab 7,60€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)! Klingt nicht unbedingt nach einem Shooter von id Software, aber schon mit dem Vorgänger wollten die Doom-Macher ja eine ganz neue Zielgruppe erschließen. Ob ihnen das nun mit der Hilfe eines zweiten Studios gelingt, besprechen wir im Test. Auf ins Ödland!

Und dieses zweite Studio, das kennt sich aus. Immerhin stammen sowohl Just Cause als auch Mad Max und Generation Zero aus der schwedischen Spieleschmiede Avalanche Studios. Mit anderen Worten: Offene Welten sind das Ding der Skandinavier. Kein Wunder also, dass id Software und Publisher Bethesda dort Unterstützung gesucht haben, denn Rage 2 soll als Open-World-Titel mit der Zeit gehen. Deshalb zeichnet Avalanche auch nicht nur als rechte Hand, sondern als federführendes Team verantwortlich. ID leistete lediglich Schützenhilfe – buchstäblich, denn die Shooter-Könner sorgten mit ihrem Know-how dafür, dass sich die Action trotzdem wie ein waschechtes id-Spiel anfühlt.

Schützenhilfe

Wobei diese Frage ja noch nicht geklärt ist. Fühlt sich Rage 2 denn wirklich so fließend und direkt an wie aktuell Doom oder Quake Champions? Ich komme darauf zurück.

Zunächst mal: Worum geht‘s überhaupt? Im Gegensatz zu Teil eins ist man diesmal nämlich nicht in relativ großen Arealen unterwegs, die mehr schlecht als recht eine offene Welt darstellen. Stattdessen ist das Ödland, also die verdächtig an Borderlands erinnernde Postapokalypse, diesmal tatsächlich offen. Man erkundet also – wahlweise als weiblicher oder männlicher Ranger – meist felsige, relativ weitläufige Umgebungen und arbeitet dort so viele Aufgaben ab wie die Übersichtskarte Symbole darstellen kann.

„Die Natur findet einen Weg.“

Findet man im Süden des verfügbaren Gebiets dabei vor allem Felsen und Sand, bereist man weiter nördlich sogar einen saftigen Wald. Die Rage-Welt hat sich verändert; das Leben hat auch im Ödland einen Weg gefunden. Warum man diese Dünen und Grünflächen durchkämmt? Weil eine paramilitärische Gruppe namens Authority mit größenwahnsinniger Genetik experimentiert, die Basis der Heldin bzw. des Helden plattmacht und überhaupt irgendwas Gewaltiges plant, während so ganz

Ein paar hübsche Postkarten-Motive entdeckt man allemal...
nebenbei eine Reihe durchgeknallter Banden und Mutanten ihr Unwesen treiben.

Nun ist die Geschichte kaum der Rede wert. Alte und neue Bekannte reden sich den Mund fusselig – hauptsächlich auf der Suche nach Erklärungen, weshalb man diesen oder jenen Wegpunkt ansteuern muss. Also steuert man diesen und jenen Wegpunkt an, tötet ein paar Dutzend Bösewichte und kehrt zu den Gesprächspartnern zurück, um sich die nächste Erklärung anzuhören. Das Ganze ist in keiner Form spannend, witzig oder sonst irgendwie interessant, nur wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel. Rage 2 befindet sich auf einem seltsam emotionslosen Mittelweg zwischen verrücktem Comic-Flair und einer gewissen Ernsthaftigkeit. Bewegende Momente sind hier jedenfalls so selten wie Regengüsse.

Es wird sonnig

Apropos: Nicht einmal Sandstürme oder sonstige Wettererscheinungen gibt es. Ganz allgemein fehlen Rage 2 herausragende visuelle Reize. Auf eine routinierte Art hat Avalanche zwar einen sehr ansehnlichen Schauplatz kreiert. Ich vermisse allerdings prägende Felsformationen, interessante Architektur oder andere Besonderheiten. Ein paar alte Archen verschönern hier und da den Horizont, das war’s aber schon. Viele verfallene Städte sehen dafür erstaunlich hässlich aus – nicht auf postapokalyptische Art, sondern im Sinne von Hochhäusern, die gefühlt der PS2-Ära entstammen. Zu allem Überfluss wirkt das Ganze aus der Luft seltsam klein, beinahe wie Spielzeug, denn die eigene Figur ist relativ groß im Vergleich zu Bergen und Gebäuden.

Auch die plötzlichen Übergänge zwischen den Zonen tun dem Erlebnis nicht gut. Lieber wäre mir eine durchgehend gleichbleibende Felslandlandschaft mit vereinzelten, dafür umso stärker herausgearbeiteten „Sehenswürdigkeiten“. Die handelsübliche Aufteilung in klar abgesteckte Zonen verstärkt zudem den Eindruck des erwähnten Spielzeuglands. Rein visuell macht das Ödland seinem Namen somit alle Ehre. In meinen Augen gibt der Vorgänger heute noch ein wesentlich besseres Bild ab.

Egal! Allzu wichtig ist die Fassade nicht, wenn der Schauplatz spielerisch fesselt und mit krachender Action protzt. Und die bekommt Avalanche glatt hin. Nun ist Rage 2, das merkt man durchaus, kein waschechtes id-Spiel. Manche Stege sind eine Idee zu eng, man bleibt an Steinen oder Stühlen hängen – alles für den Spielfluss ärgerliche Kleinigkeiten, die viel zu selten Erwähnung finden, die Shooter aus Texas aber seit jeher vermeiden.

Was zählt ist aufm Sand

Beim Waffenhandling sind die Schweden dafür nah dran. Und ganz unabhängig davon: Wie man sich zwischen Deckung und Feinden hin und her bewegt, mit explodierenden Fässern Chaos anrichtet oder auf einen Gegner zu schlittert, um ihm aus nächster Nähe die Schrotflinte aufs Zahnfleisch zu drücken, das macht mächtig Laune! Manche Aktionen sind zwar nicht so schnell kombinierbar, wie es mir lieb wäre (mitunter dauert es z.B. relativ lange, bis man wieder schießen oder zuschlagen kann), und ich finde es schade, dass einige Aktionen, darunter das schnelle Ausweichen sowie das Rammen anderer Fahrzeuge, nur über Spezialfähigkeiten möglich sind. Insgesamt wütet man aber herrlich energiegeladen unter den Bösewichten.

Der Clou sind akrobatische Fähigkeiten, mit denen man Gegnern einen heftigen Stoß verpasst oder in die Luft springt, um mit einem harten Schlag wieder zu landen. Entscheidend ist außerdem ein Overdrive, der einige Sekunden lang nicht nur Gesundheit wiederherstellt, sondern mit dem alle Waffen besonders großen Schaden anrichten und teils sogar anders funktionieren als im Normalzustand. Kombiniert man all das mit Schlittern, Doppelsprung und Nahkampf-Faust, wirbelt man bald im Mittelpunkt eines kraftvoll überzeichneten Kampf-Balletts.

Die Action ist klasse! Rage 2 vereint klassische Shooter mit akrobatischer Wucht.

Großen Anteil daran hat ein markantes Treffer-Feedback, das glatt dem Vorgänger entsprungen sein könnte. Wie Gegner hier ins Taumeln geraten, hat mich jedenfalls sofort an Rage erinnert. Klasse auch die Wucht, mit der Rüstungsteile wegbrechen. Das fühlt sich fast besser an als mancher Todesstoß – so lange der kein Kopfschuss ist. Dann knackst es nämlich in etwa so, als hätte man eine Erdnussschale sauber in der Mitte aufgebrochen, was als unverschämt befriedigende Rückmeldung dient.

Nüsse knacken

Hinzu kommen Hilfsmittel, genauer gesagt Granaten, Geschützdrohnen sowie die aus Teil eins bekannten Wingsticks, die sogar um Hindernisse herum in Richtung aufgeschaltete Mutanten & Co. fliegen. Richtig begeistert bin ich aber erst von den Drohnen, weil sie Gegner so zuverlässig und stark unter Beschuss nehmen, dass man sich damit sehr zuverlässig aus kniffligen Situationen befreien kann. Ach, und eins noch: Feindliche Granaten direkt zum Werfer zurück zu kicken, ist ein fantastisch fieses „Nein, danke!“.

Es dauert nur eine ganze lange Weile, bis man das alles auch in vollen Zügen genießen kann. Denn Rage 2 kommt erstaunlich spät zur Sache. Es liegt daran, dass man ausgesprochen lange damit beschäftigt ist, grundlegende Fertigkeiten überhaupt erst zu erlernen, von ihrem kompletten Ausbau ganz zu schweigen. Doch dazu später mehr, denn PC-Spieler müssen zunächst einmal eine ganz andere Hürde nehmen, wenn sie mit Maus und Tastatur ins Ödland wollen: Sie bekommen es mit einer Steuerung zu tun, die komplett für Gamepad-Akrobaten entworfen und denkbar schlecht übertragen wurde.

Glücksrad

Nun bin ich auch mit Controller kein Fan des im ersten Teil der Stick-Bewegung recht trägen, später viel zu rasanten Umsehens. Das automatische Drehen der Kamera in Fahrtrichtung, wenn man eine Kurve fährt, gefällt mir ebenso wenig. Beides ist jedoch verschmerzbar. Mit Maus und Tastatur kämpfe ich hingegen auch nach ein paar Dutzend Stunden noch um das Gelingen einzelner Aktionen; für Details werft einen Blick auf den blauen Kasten hier am Rand.

Mir ist klar, dass es sich dabei um Kleinigkeiten handelt, die schnell behoben sein könnten. Aber wenn man einen vermeintlich großen Shooter am PC partout nicht so spielen kann, wie es aus guten Gründen längst etabliert ist, dann ist das nun mal spätestens dann ein Problem, wenn man nach etlichen Stunden noch ständig auf die falschen Waffen wechselt. Tatsächlich habe ich Rage 2 nur deshalb nicht auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad gespielt, weil das haptisch einfach keinen Spaß macht. Jammerschade, dass Avalanche an diesem Punkt nicht sorgfältig gearbeitet hat!

Probleme der Steuerung mit Maus und Tastatur

Nicht zuletzt ist es (unabänderlich) so, dass das Drehen des Mausrads nach oben zur nächsten Waffe wechselt, obwohl seit Jahren der umgekehrte Fall Standard ist. Abgesehen davon wechselt man mit einem langen Dreh gleich mehrere Waffen durch.

Zwar darf man fast alle Tasten frei belegen, kann aber nicht verhindern, dass der Modifikator zum Auslösen der akrobatischen Fähigkeiten auch die Taste zum schnellen Ausweichen ist - das Doppeldrücken der Richtungstasten gibt es hier nicht.

Zum Benutzen von Schaltern, Fahrzeugen usw. muss man eine Taste gedrückt halten, was sich auf Tastatur fremd anfühlt. Manche Teile des trägen Menüs sind zudem nicht mit Maus, sondern ausschließlich per Tastatur bedienbar.

Es ist ja nicht das Einzige, das nicht stimmt. Denn so gut die Action für sich genommen ist, so leblos ist die offene Welt. Ja, es gibt vorbeifahrende Konvois, die man in unterhaltsamen Verfolgungsjagden ausschalten kann. Man könnte außerdem Rennfahrer erwähnen, die man zum Duell herausfordert, sowie wiederkehrende Kopfgeldaufträge oder Straßensperren und ein paar weitere Ereignisse. Damit erschöpft sich das Thema lebendige offene Welt aber schon, zumal es sich sowohl bei den Straßensperren als auch den Kopfgeldern um extrem schnell erledigten Kleinkram handelt, der das Herausholen der Fliegenklatsche kaum wert ist.

Das ist die Fliegenklatsche nicht wert

Der Rest sind eine Vielzahl kleiner Banditen- und anderer Lager, in denen man für ein bisschen Beute ein paar Minuten lang wütet. Der Rest sind weiterhin schrecklich langweiliges Zerschießen von Geschütztürmen der Authority, minutenlanges Verteidigen kleiner Kraftwerke sowie das immer gleiche Beseitigen von Gegnern an vielen anderen Orten. Wenig dreht sich im Ödland um das Aufspüren versteckter Geheimnisse oder das Entdecken erzählerisch interessanter Orte. Als Belohnung winken fast ausschließlich ein paar Ressourcen, aber nie ein geheimes Versteck, eine witzige Anektode oder etwas sonst irgendwie Interessantes. Man darf zum Vergleich gar nicht an die dynamischen Kontrollpunkte sowie die eigenständig zwischen ihnen agierenden Freunde und Feinde in The Division 2 denken...

Die starr auf der Karte verteilten Aktionspunkte stechen auch deshalb ins Auge, weil die Action so sehr auf Nahkampf getrimmt wurde. Man fährt (oder besser: fliegt) deshalb stets unbehelligt umher, bis man aussteigt, kämpft, weiterzieht usw. Es gibt keine fließenden Übergänge wie z.B. in den Far Crys, deren Welt ähnlich strukturiert ist, wo man aber auch unterwegs attackiert wird und schon aus der Entfernung angreifen kann. Sind dort besonders die großen Lager interessant, weil man sowohl aus der Distanz heraus mit Gegnern spielt oder sie gar schleichend ausschaltet, gibt es hier nur den direkten Weg vors Lager, um schon deshalb stets das gleiche Feuer zu eröffnen, weil die verschiedenen Schauplätze auch in Sachen Leveldesign wenig Abwechslung bieten.

Rein funktional statt lebendige Dynamik

Tatsächlich hat mich das akrobatische Austoben mit Doppelsprung, mächtigem Nahkampf und einfallsreichen Waffenfunktionen an Crackdown 3 erinnert – das dort allerdings stärker mitreißt, weil seine Aktionspunkte näher beieinander liegen, weil es auf dem Weg zu ihnen mehr zu tun gibt und weil sich Abläufe und Herausforderungen ständig entwickeln . Rage 2 wirkt also vor allem konzeptionell schlecht durchdacht. Interessanterweise empfand ich bereits Just Cause, vor allem aber Mad Max und Generation Zero als ähnlich leblose, rein funktionale Beschäftigungstherapien ohne nennenswerten Esprit. Wer mit diesen seinen Spaß hat, darf meine Abneigung gerne entsprechend einordnen.

Das zieht sich bis in die Siedlungen, die für sich schon seltsam sterile Anordnungen von Händlern und Auftraggebern sind. Die vor allem aber als Zentren der Charakterentwicklung dienen, weil man gesammelten Schrott dort loswird, Munition kauft sowie Erweiterungen für die Charakterentwicklung. Und Letztere sind ein Problem.

Bin ich im richtigen Spiel?

Man kauft ja nicht einfach, was man gerne hätte. Vielmehr benötigt man sehr viel mehr als zehn Ressourcen, um etliche Fähigkeiten, Fahrzeug sowie Granaten, Geschützdrohnen und Wingsticks zu verbessern. Teilweise gibt es dafür Upgrade-Menüs innerhalb von Upgrade-Menüs, wofür auch jeweils verschiedene Materialien benötigt werden – was für ein horrender, unübersichtlicher Irrsinn! Rage 2 erreicht ganz locker die überbordende Ressourcen-„Komplexität“ eines Free-to-play-Titels,

Manche Aktivitäten, darunter Verfolgungsjagden, sorgen für ein wenig Abwechslung im spielerischen Ödland.
die hauptsächlichen einem Ziel dient: Spieler möglichst lange zu binden.

Im besten Fall könnte man ihm Eigenschaften eines Loot-Shooters zugestehen, der ebenfalls lange am Leben gehalten werden soll – die frisch veröffentlichte Roadmap deutet das an. Nur gibt es hier partout nichts, was die übermäßig vielen Ebenen inhaltlich rechtfertigt. Die Charakterentwicklung ist ja bedeutend überschaubarer als in Anthem oder Destiny. Sprich, anders als da setzt man sich keine langfristigen Ziele, sondern ballert schlicht drauf los. Die irrsinnige Vielschichtigkeit behindert also zum größten Teil nur den Zugang zum eigentlichen Spiel.

Und so umfangreich die Charakterentwicklung dadurch auch sein mag, so sehr besteht sie wie erwähnt nur aus dem zähen Freischalten dessen, was den Spielspaß im Kern ausmacht. Vielleicht liegt es ja an diesem langen Prozess, dass man den Showdown selbst auf hohen Schwierigkeitsgraden ganz locker packt, ohne auch nur ansatzweise alle Fähigkeiten oder Waffen erworben zu haben. Nur welches Konzept steckt hinter einer ausführlichen Charakterentwicklung, deren Ergebnis erst richtig Spaß bringt, zum Weiterkommen aber gar nicht gebraucht wird?

Überhaupt: die Missionen. Sie unterscheiden sich kaum vom Einnehmen gewöhnlicher Stützpunkte – mit dem Unterschied, dass sie oft ins Innere von Gebäuden führen, deren Architektur meist aus geraden Gängen und einigen großen Räumen besteht. Von gutem Leveldesign kann zumindest keine Rede sein. Zu allem Überfluss trifft man ganz allgemein viel zu selten

Einen Großteil der Zeit ist man allerdings damit beschäftigt, nach Kisten und anderen Behältern Ausschau zu halten.
auf Mitglieder der Authority, erledigt dafür aber gleich viermal den gleichen Bosskampf, weil Avalanche offenbar die Zeit ausging weitere Figuren zu kreieren. Dabei sind die ersten Bosse noch spannend und einfallsreich. Insgeheim hatte ich zudem auf eine Wendung in der Geschichte gewartet, die auch der Spielwelt eine neue Facette zufügt. Man denke an Batman: Arkham Knight oder eben Division 2. Aber „natürlich“ blieb auch diese Hoffnung unerfüllt.

Wenig Autorität

Stattdessen habe ich Millionen von Kisten geöffnet oder zerschossen sowie andere Ressourcen gesammelt, nachdem die Action längst vorbei war. Zum einen ist das für die zuvor beschriebene Charakterentwicklung und Munitionsbeschaffung unbedingt notwendig und zum anderen weist das Spiel ständig darauf hin, dass man eine von zwei Archentruhen, drei von sechs Lagerkisten, zwei von vier belanglosen Textnachrichten sowie die Überwachungsdrohne am jeweiligen Standpunkt noch nicht gefunden hat. Schon mit Mad Max und Generation Zero ging Avalanche davon aus, dass ich ein Spiel spiele, um X von Y Kisten zu finden – tatsächlich kann ich mir nichts Langweiligeres vorstellen.

Moment, das stimmt nicht! Ich kann mir inzwischen immerhin vorstellen, wie es ist, eine Ressource aus einem Asteroiden zu ziehen, indem ich nacheinander etwa ein Dutzend Rohstoff-Konzentrationen anvisiere, ein paar Sekunden lang die „Staubsauger“-Taste drücke, die nächste Konzentration anvisiere, den Staubsauger aktiviere...

Fazit

Rage 2 macht es mir ähnlich schwer wie die letzten Teile der Far-Cry-Serie. Denn während ich die Action in vollen Zügen genieße, reißt mich die furchtbare offene Welt immer wieder aus dem Geschehen. Es geht nicht um Realismus oder episches Geschichtenerzählen. Für mich sind Crackdown 3 und The Division 2 mit ihren rein zweckmäßigen Handlungsschablonen starke Highlights moderner Action - u.a. deshalb, weil sie Schauplatz und Spielprinzip sinnvoll verbinden. Avalanche kombiniert hingegen rein auf Nahkampf ausgelegte Scharmützel mit strikt voneinander getrennten Aktionspunkten, sodass sich das Ödland zwar offen, aber nie wie eine Welt anfühlt. Es gibt ja kaum etwas zu entdecken. Stattdessen grast man nach einem Gefecht jedes Areal nach dermaßen viel Material, Munition und Bauteilen ab, dass einem glatt die Augen zufallen. Die absurde Masse an Ressourcen bremst die Charakterentwicklung dabei mehr, als dass sie motiviert, und nach schrecklich langweiligen Unterhaltungen mit Siedlungs-Anwohnern erhält man Markierungen von Banditen-Lagern, an denen man gefühlt stets denselben Kampf austrägt. Fließende Übergänge zwischen dem Reisen und Kämpfen gibt es praktisch nicht und auch die denkbar schlecht auf Maus und Tastatur übertragene Steuerung muss erwähnt sein. Mit Wettrennen, explosiven Verfolgungsjagden sowie viel zu wenigen Entdeckungsreizen findet man durchaus Abwechslung. Und wütet man erst mal auf dem Boden und in der Luft in einer Meute Gegner, während man ihnen ihre eigenen Granaten zurück wirft, um sie anschließend mit satten Finishern zu erledigen, ist Rage 2 gar ein berauschendes Spiel. Große Teile davon begräbt Avalanche allerdings unter einem erschreckend leblosen Open-World-Skelett.

Pro

  • brachiale, teils herrlich akrobatische Action
  • Gegner reagieren gut sichtbar auf Beschuss
  • unterschiedliche Aufgaben bringen Abwechslung ins Spiel
  • taktische Gadgets sind praktische Hilfen
  • umfangreiche Charakterentwicklung mit vielen Möglichkeiten der Spezialisierung
  • Helikopter-ähnliches Vehikel erlaubt schnelles Überbrücken großer Entfernungen
  • durchdachte Einstellmöglichkeiten für unterschiedlich schnelle Rechner

Kontra

  • die dank zäher Charakterentwicklung erst spät richtig zündet
  • uninteressante Geschichte und sowohl erzählerisch als auch stilistisch langweilige Welt
  • sind aber so starr und spärlich verteilt, dass sich der Ablauf trotzdem monoton anfühlt
  • absurdes Übermaß verschiedener Ressourcen mit schwer überschaubarer Zuordnung zu unterschiedlichen Upgrades
  • spielerisch leblose Welt ohne nennenswerte dynamische Ereignisse oder erzählerische Veränderungen
  • starre Trennung von Reisen und Aktionspunkten, keine fließenden Übergänge zwischen Erkunden und Kämpfen
  • meist einfältiges Leveldesign im Inneren von Gebäuden und mit Gegnern besetzte Lager unterscheiden sich kaum voneinander
  • umständliche, furchtbar schlecht an Maus und Tastatur angepasste Steuerung, der einige wichtige Optionen fehlen
  • relativ lange, meist witz
  • und emotionslose Dialoge zum Setzen neuer Wegpunkte
  • nicht abschaltbare Anzeigen, wie viele Kisten usw. man an jedem Ort bereits gefunden hat
  • ermüdendes aktives Sammeln extrem vieler Ressourcen
  • häufige Unterbrechungen durch Tutorials, Hinweisbildschirme oder Trainingssimulationen beim Finden neuer Waffen und Fähigkeiten
  • Dialogzeilen sind manchmal nicht hörbar, Schnellreise ist gelegentlich nicht möglich, für Mission wichtige Unterhaltung nicht auslösbar und andere kleine Fehler

Wertung

PC

Die teilweise berauschende Action wird unter einem leblosen Open-World-Skelett und einer inflationären Masse an Ressourcen begraben. Ärgerlich ist auch die schlecht auf Maus und Tastatur übertragene Steuerung.

PlayStation4

Die teilweise berauschende Action wird unter einem leblosen Open-World-Skelett und einer inflationären Masse an Ressourcen begraben.

XboxOne

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
  • Man kann die Spielzeit über Käufe nicht verkürzen, kein Pay-to-Shortcut.
  • Käufe haben keine Auswirkungen auf das Spieldesign.
Kommentare
xKepler-186f (f*ck marquard)

Zugegeben, ich liebe beides. Einerseits ein TLOU2 und andererseits blutrünstige Spiele wie Rage oder Doom. Oder eben die Vermengung von beidem: God of War.

Ich liebe es in dramatische Spiele einzutauchen und die Story aufzusaugen. Dann sind mir manche Gameplayelemente sogar gar nicht so wichtig. Zuletzt habe ich auch gerne zu Walking-Simulatoren gegriffen. Auch weil diese mitunter eine recht kompakte Spiellänger haben. Andererseits spiele ich dann aber auch MP-Spiele, die ja (fast) nur auf Gameplay ausgelegt sind. Was mich in dieser Hinsicht übrigens immer fasziniert hat ist Metal Gear Solid. Das Spiel war immer sehr videogamey, hat es aber trotzdem geschafft eine ernste Story zu erzählen.

vor 3 Jahren
NoCrySoN

Nö, schreibst du doch selbst. Muss es halt nicht, nur andere Vertreter dieses Genre machen es wohl einfach besser, wie z.B Doom eben.

Und zusätzlich Subjektivität und so, aber das beantwortest du dir ja auch selbst. Nur mal so zum Vergleich, 4players bewertet gar besser als der UserScore bei meta.

Hab doch einfach Spaß am Spiel. Nimmt dir keiner weg.
Ein Forum ist ja dazu da sich auszutauschen, und wenn man eine andere Meinung als der Tester hat, darf man das ja auch darlegen und beschrieben wieso und warum. Kritik geht in alle Richtungen. Oder soll man hier nur Beifall und Zustimmung posten? Und ja, ich hatte meinen Spass an dem Spiel und den nimmt mir auch keiner weg.
Dein Post liest sich halt recht aggressiv gegenüber dem Redakteur. Meinung ist ja ok, aber warum so laut?

Ansonsten fühl dich gedrückt, heute ist ein trauriger Tag.

vor 3 Jahren
MaxDetroit

Nö, schreibst du doch selbst. Muss es halt nicht, nur andere Vertreter dieses Genre machen es wohl einfach besser, wie z.B Doom eben.

Und zusätzlich Subjektivität und so, aber das beantwortest du dir ja auch selbst. Nur mal so zum Vergleich, 4players bewertet gar besser als der UserScore bei meta.

Hab doch einfach Spaß am Spiel. Nimmt dir keiner weg.
Ein Forum ist ja dazu da sich auszutauschen, und wenn man eine andere Meinung als der Tester hat, darf man das ja auch darlegen und beschrieben wieso und warum. Kritik geht in alle Richtungen. Oder soll man hier nur Beifall und Zustimmung posten? Und ja, ich hatte meinen Spass an dem Spiel und den nimmt mir auch keiner weg.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
NoCrySoN

Ich glaube der allgemeine Zeitgeist ist eher das man sich nicht mehr an so einer banalen Action-Gewalt-Orgie erfreuen darf. Das ist zu niveaulos, zu platt. Wo kommen wir denn da hin? Wenn, dann muss man das wie in Last of US 2 verpacken, wo nach der Gewaltorgie immer der erhobene moralische Zeigefinger kommt,...

Aber dann bekommt ein Doom Eternal (das ich aus den gleichen Gründen wie Rage 2 abgefeiert habe) hier eine 91%. Da ist die Story auch nur schmückendes Beiwerk und nicht der Rede wert, und genauso ein "frühpubertäres Märchen". Ja, anderer Tester, anderer Geschmack.
Nö, schreibst du doch selbst. Muss es halt nicht, nur andere Vertreter dieses Genre machen es wohl einfach besser, wie z.B Doom eben.

Und zusätzlich Subjektivität und so, aber das beantwortest du dir ja auch selbst. Nur mal so zum Vergleich, 4players bewertet gar besser als der UserScore bei meta.

Hab doch einfach Spaß am Spiel. Nimmt dir keiner weg.

vor 3 Jahren
traceon

Spoiler
Show
Da ich es gerade auf der XBox Series X spiele, ich muss mich da jetzt nochmal zu äußern. Ich glaube meine spielerischen Vorlieben scheinen sich mittlerweile in gänzlich andere Richtung zu entwickeln, als die der meisten Kritiker heutzutage. Ich hatte fast gar keinen Spass an einem Last of Us 2, habe aber meine helle Freude an einem Rage 2. Warum? Hier wird nicht viel geschnackt, hier geht es um Gameplay, hier geht es einfach darum ein Videogame zu sein und nicht mehr.

Gamplay-Loop:
Und es ist ein Videogame, im klassischen Sinne, das gar nicht erst versucht mit einer tiefgreifenden Story daherzukommen, dafür hat es aber einen dermaßen exzellenten Combat, der extrem gut durchdacht ist. Die Mechaniken greifen hier richtig gut ineinander, und auch das Progression System ist extrem motivierend, denn Jedes Upgrade das man findet erweitert den Combat-Loop sinnvoll. Hätte man alle Abilities von Start an wäre man überfordert, so baut man sein Skillset über Zeit weiter aus und grast die Map nach weiteren Upgrades (die Arks) ab, weil sich die Sachen, die man da findet jedes mal lohnen und nicht nur schmückendes Beiwerk wie in anderen Games sind.

Nahkampf:
Und wenn man den Nahkampf kritisiert, dann hat man sich auf das Spiel nicht eingelassen und wollte das Spiel anders spielen als es gedacht ist - bei Spielen geht es auch immer darum das Spielprinzip zu verstehen und sich darauf einzulassen. Sorry. Ich spiele ja auch nicht Dark Souls wie ein God of War, nur weil ich gerade Bock auf God of War habe - dann kommt man halt nicht weit und es wird frustrierend und macht kein Spass.

Sammelkram:
Der Sammelkram hält sich auch definitiv in Grenzen (ist vielleicht aber auch eine der QOL mit den Updates), meistens grase ich das Gebiet nach erledigen der Gegner nochmal ab, und dann geht's direkt weiter - es gibt auch Upgrades die einem das finden von Kisten, Datapads usw. extrem erleichtern.

Story:
Und ja, die Story ist rein funktional, du hast drei NPCS für die Du Aufträge erledigen musst, hast du alle drei durch, dann geht's zum Endboss Level. Das war früher in Metroid Prime oder Zelda auch nicht anders, hier hast du drei Tempel in denen drei Gegenstände liegen die wir brauchen damit sich der Pfad zum Endboss öffnet. Die Story ordnet sich dem Gameplay unter, nicht andersherum, und ich finde das gut so.

Spielerfahrung:
Es kann sein das ich eine andere etwas Erfahrung habe, weil ich es mit 60 FPS, HDR und 4K auf der XBox spiele, es immer noch verdammt gut aussieht und das Spiel zwei umfangreiche Updates (Patches) erhalten hat, die viele Bugs behoben und ne Menge QOL Features hinzugefügt hat. Trotzdem habe ich das Gefühl das es nicht hier dran lag. Ich glaube der allgemeine Zeitgeist ist eher das man sich nicht mehr an so einer banalen Action-Gewalt-Orgie erfreuen darf. Das ist zu niveaulos, zu platt. Wo kommen wir denn da hin? Wenn, dann muss man das wie in Last of US 2 verpacken, wo nach der Gewaltorgie immer der erhobene moralische Zeigefinger kommt, der eine sagt: Du weiß schon, das du eigentlich gar keinen Spass daran haben darfst. Das war richtig böse und gemein, was du gerade getan hast. Und jetzt metzel hier noch wieder 20 Gegner ab, aber bitte fühl dich schlecht danach.

Wenn ich beim Tester das hier lese:
Was gefällt dir nicht an der Spielebranche?
Dass die meisten Geschichten frühpubertäre Märchen sind, die einem Herausgeber von Groschenromanen das Recyclingpapier nicht wert wären.
Dann ist mir ja auch sofort klar warum ihm Rage 2 nicht gefällt. Und das ist ja auch sein gutes Recht so zu urteilen, subjektiv und so. Aber dann bekommt ein Doom Eternal (das ich aus den gleichen Gründen wie Rage 2 abgefeiert habe) hier eine 91%. Da ist die Story auch nur schmückendes Beiwerk und nicht der Rede wert, und genauso ein "frühpubertäres Märchen". Ja, anderer Tester, anderer Geschmack. Aber bei Doom drücken wir ein Auge zu, Tradition und so, da weiß man halt vorher schon was Phase ist. Schade das man Rage 2 nicht als das erkannt hat, was es ist, sondern etwas anderes erwartet hat und enttäuscht wurde.
+1

vor 3 Jahren