VA-11 Hall-A: Cyberpunk Bartender Action - Test, Adventure, PlayStation4, PC, Switch, PS_Vita

VA-11 Hall-A: Cyberpunk Bartender Action
20.05.2019, Benjamin Schmädig

Test: VA-11 Hall-A: Cyberpunk Bartender Action

Mix mir einen Drink...

Barkeeper sein: fremder Leute Drinks mixen und zuhören, wie sie einem das Ohr abkauen – nicht gerade meine Vorstellung eines Traumjobs. Und trotzdem wollte ich wissen, was es mit VA-11 HALL-A auf sich hat, seit es schon 2016 auf PC erschienen ist. Mir fehlte nur immer die Zeit für einen Test der im Cyberpunk verorteten Visual Novel. Halt, halt, halt! Das hier ist keine dieser drögen Klickorgien, mit denen vor allem Steam in den vergangenen Jahren geflutet wurde. VA-11 HALL-A ist ein kleines Stück große interaktive Erzählkunst.

Wer mit lesen ähnlich viel anfangen kann wie mit Kakerlaken im Kleiderschrank, der ist hier natürlich falsch. Denn lesen tut man. Und zwar richtig viel. Im Kern ist es schließlich das, was Barkeeperin Jill auf Arbeit macht: zuhören. Gelegentlich setzt sie ihren Gästen natürlich frische Drinks vor, aber das hier ist keine Stress-Simulation, in der man binnen weniger Minuten möglichst viele Cocktails mixt.

Zuhören statt Drinks am Fließband

VA-11 HALL-A stellt vielmehr die Arbeit in einer kleinen Bar nach, wobei der Name die offizielle Bezeichnung des Orts ist, den Kenner aber wie das Walhalla der nordischen Mythologie aussprechen. Dorthin verlaufen sich jedenfalls selten mehr als zwei Gäste gleichzeitig. Die setzen sich dann an den Tresen, sagen hallo, verlangen das Übliche und plaudern drauf los. Und dieses unverbindliche Plaudern bekommt Entwickler Sukeban Games eben so gut hin: Man liest keine ellenlangen Abhandlungen und Erklärungen und Hintergründe und was einen sonst noch kaum interessiert. Die Personen halten sich vielmehr kurz und kommen direkt zum Punkt.

Jill schaltet sich zudem häufig ein, fragt nach oder soll selbst antworten. Es ist die Dynamik der Unterhaltungen, die hier so überzeugend ist, weil sich manche Figuren untereinander kennen, die Chefin mit einem kurzen Hinweis den Plausch

Jills Arbeitsplatz: der Blick hinterm Tresen vor.
unterbricht oder andere Bekannte das Zwiegespräch aufbrechen. So hat man nie das Gefühl in einer gleichförmigen Textflut zu versinken.

Nicht zuletzt erzählen die Beteiligten immer interessante Sachen. Informationen stecken dabei oft in Nebensätzen, sodass man nie das Gefühl hat rein funktionale Texte zu studieren. Auf diese Art lernt man nach und nach Jills Kollegen kennen sowie Einzelheiten über künstliche Körperteile, Androiden, Gehirne in Gläsern, eine mysteriöse Hackergruppe, öffentliche Proteste, einen geplanten Anschlag und irgendwann auch Wichtiges über Jill selbst. Nebenbei lauscht man dem starken Synthwave-Soundtrack , dessen Playlist man vor jedem Arbeitstag eigenhändig zusammenstellt.

Synthwave und Science-Fiction

Selbstverständlich ist das alles nicht neu. Sukeban verbindet es aber so elegant, dass ich hier wie in einem spannenden Buch versunken bin. Einen gehörigen Anteil daran haben die interessanten Figuren – allesamt mit einem Spleen gesegnet, alle aber gleichzeitig auf ihre Art liebenswert, geheimnisvoll oder irgendwie anders interessant.

Dazu hat außerdem beigetragen, dass ich VA-11 HALL-A hauptsächlich auf Switch gespielt habe, was das „Lesen wie ein Buch“ freilich vereinfacht. Ärgerlich nur, dass kleine Ärgernisse das Erlebnis auf der Nintendo-Konsole stören. Anfangs konnte ich das Tutorial etwa nicht beenden, später wollten die Schultertasten nicht funktionieren und leider lässt sich nicht das komplette Spiel per Touchscreen bedienen. Schade außerdem, dass das PC-Original bis heute keine Xbox- und PS4-Controller unterstützt.

Kleine Ärgernisse

Genau zuhören bzw. lesen sollte man jedenfalls auf allen Plattformen, denn welche Drinks manche Stammgäste bevorzugen, lernt ihr bei ihren vorherigen Besuchen. Manches Hintergrundwissen über die Getränke erfährt man ebenfalls in den Unterhaltungen und gelegentlich verlangt ein Gast später etwas, das eine bestimmte Geschichte hat.

Subtile Verzweigungen

Es geht immer auch dann weiter, wenn Jill das Falsche serviert. Aber die Gespräche entwickeln sich durch solche Kleinigkeiten auf verschiedene Art. Manchmal nehmen sie sogar einen anderen Verlauf, wenn ihr doppelte Portionen mixt oder besonders viel Alkohol verwendet. Es gibt also keine starren Weg-A-oder-Weg-B-Entscheidungen. Alles entwickelt sich fließend aus dem Spiel heraus und weil mich das so stark vereinnahmt, habe ich sogar eine Liste mit Stichpunkten angelegt, um stets im Bilde zu

Für ihr Zuhause kauft die Barkeeperin neue Deko, Minispiele und mehr. Außerdem liest sie in Zeitungen und Online-Foren.
sein. Man beeinflusst weniger, als es jetzt vielleicht klingt. Doch was man tut, fühlt sich einfach richtig an.

Gut möglich, dass es zugunsten der natürlich wirkenden Verzweigungen keine herkömmlichen Dialogoptionen gibt – auch wenn ich meine, dass die an manchen Stellen nicht geschadet hätten. Wenn Jill nicht im Dienst ist, kann sie nämlich nicht nur ihr Zuhause dekorieren oder ein kleines (vernachlässigbares) Shoot-‘Em-Up zocken, wofür man das Geld von richtig servierten Drinks benötigt, sondern zusätzlich Forenbeiträge sowie Nachrichten lesen. Auch in denen erfährt man viel über das Cyberpunk-Szenario und ich hätte dieses Wissen gerne in die Gespräche eingebracht. Ein zusätzliches Trinkgeld hätte als Belohnung schon gereicht.

Mixen und Zocken

Umso mehr mag ich dafür das Mixen der Getränke, denn die klickt man ja nicht einfach an. Vielmehr sucht man im Rezeptbuch das gewünschte heraus, gibt die erforderlichen Zutaten in den Shaker, mixt und serviert. Eine anspruchsvolle Herausforderung ist das nicht. Vertut man sich, kann man zudem von vorn beginnen. Aber die Tatsache, dass man die Drinks überhaupt selbst herstellt, passt hervorragend zum Barkeeper-Sein.

Fazit

Das ist es eben, was VA-11 HALL-A so gut hinbekommt: Die Verbindung des Szenarios mit dem Spielerlebnis ist erstaunlich überzeugend. Man lehnt sich zurück und folgt den spannenden Unterhaltungen, erfährt dabei interessante Geschichten mit ebenso schrägen wie liebenswerten Charakteren und stellt Getränke bereit, um die Zungen in Schwung zu halten. Es ist spannend zu sehen, mit welcher Dynamik Gäste kommen und gehen sowie untereinander interagieren. Welche Drinks man wie mixt, macht dabei einen subtilen, gleichzeitig aber entscheidenden Unterschied für den Verlauf der Handlung. Auch wenn die Möglichkeit zum aktiven Eingreifen größer sein könnte: Lasst euch ruhig auf diesen Nebenjob ein!

Pro

  • lebendige Charaktere mit interessanten Geschichten
  • sehr gut geschriebene, glaubhafte Gespräche
  • glaubwürdige, weil beinahe unsichtbare Möglichkeiten Unterhaltungen zu beeinflussen
  • spielerische Interaktion passt hervorragend zu dargestelltem Szenario
  • vernachlässigbare, aber nette Minispiele für gelegentliche Abwechslung
  • cooler Synthwave-Soundtrack

Kontra

  • keine verschiedenen Antwortmöglichkeiten z.B. über im Hintergrund laufende Ereignisse
  • nicht komplett per Touchscreen spielbar und seltene kleine Fehler auf Switch
  • nicht mit Gamepad am PC spielbar
  • ausschließlich englische, japanische oder chinesische Texte

Wertung

PlayStation4

Gut geschriebenen Gesprächen lauschen, während man Drinks mixt und interessante Charakterköpfe kennenlernt - das macht VA-11 HALL-A zu einem kleinen Stück großer Erzählkunst.

PC

Gut geschriebenen Gesprächen lauschen, während man Drinks mixt und interessante Charakterköpfe kennenlernt - das macht VA-11 HALL-A zu einem kleinen Stück großer Erzählkunst.

Switch

Gut geschriebenen Gesprächen lauschen, während man Drinks mixt und interessante Charakterköpfe kennenlernt - das macht VA-11 HALL-A zu einem kleinen Stück großer Erzählkunst.

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