Close to the Sun - Test, Adventure, Switch, PC, XboxOne, PlayStation4
Ganz recht: Close to the Sun (ab 11,99€ bei
Nikolas Tesla alias Andrew Ryan
Abgesehen davon bewegt man sich Ende des 19. Jahrhunderts auf strikt vorgegebenen Wegen durch den Ozeanriesen. Nur hin und wieder öffnet man einen Raum, der fürs Weiterkommen nicht dringend nötig ist. Man darf Close to the Sun also ruhigen Gewissens zu den „Wander-Simulatoren“ im Geiste von Dear Esther zählen.
Doch warum ist man als Rose Archer überhaupt auf der Helios unterwegs? Auslöser ist ein Brief, den sie von ihrer Schwester erhielt. Die hat nämlich unter Tesla an einem Projekt geforscht, das sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse auf den Kopf stellt – und so ganz nebenbei eine Katastrophe auslöst. Was genau passiert, will ich gar nicht verraten. Wissen solltet ihr allerdings, dass sich Close to the Sun nicht nur um das Auflesen der erzählerischen Brotkrumen dreht; ihr erlebt vielmehr
einen waschechten Gruseltrip.Die Grenzen der Wissenschaft
„Grusel“ deshalb, weil ich anders als Entwickler-Studio Storm in a Teacup nicht von ausgewachsenem Horror sprechen würde. Ein paar überraschend gute Schockmomente habe ich durchaus erlebt! (Auch wenn ausgerechnet der „Fear Effect“ in dieser Form nicht funktioniert, doch das nur am Rande.) Alles in allem lebt die Inszenierung aber vor allem von der durchgehend bedrohlichen Stimmung. Denn wo brutal zugerichtete Leichen die matt erleuchteten Hallen des Meereskreuzers „zieren“, wird die ständige Gefahr schnell greifbar.
In Wirklichkeit ist sie das nur leider nicht. Denn man erkennt recht bald, dass es zwar Gegner gibt, vor denen man allerdings nur in klar abgesteckten Verfolgungs-Szenen davonläuft. Es gibt keine selbstständig durch die Flure schlürfenden Bösewichte, vor denen man sich Zähne klappernd verstecken müsste, und man weiß auch stets, dass die Verfolgung an einem festgelegten Punkt beendet sein wird. So lange man die Taste zum Rennen gedrückt hält, ist man in Sicherheit. Es fehlt Ungewissheit, sprich Nervenkitzel. Eine einzige, spielerisch jedoch ebenfalls stark beschränkte Ausnahme zeigt, wie spannend ein echtes Katz-und-Maus-Spiel sein könnte.
Entspanntes Davonlaufen
Und das ist nicht der einzige Punkt, an dem der Thriller schwächelt, denn auch beim ruhigen Erkunden sowie dem Lösen einfacher Rätsel fühlt sich die Kulisse im Grunde wie eine sterile Schleuse an. Hier und da liest man zwar Notizen der Besatzungsmitglieder, doch zum einen erzählt Storm in a Teacup bis auf ein, zwei kurze Ausnahmen keine interessanten Geschichten abseits des roten Fadens und zum anderen kann man die allermeisten Zettel oder Zeitungsschnipsel überhaupt nicht lesen – jedenfalls nicht, ohne die Texte über
einen weiteren Tastendruck als HUD-Nachricht über dem Spiel einzublenden. Die eigentlichen Gegenstände wirken dadurch nicht wie Objekte der Spielwelt, während das in ähnlichen Abenteuern die Immersion spürbar erhöht.Auch der restlichen Interaktion fehlt oft die Verbindung zwischen Spieler und Spielwelt. Immerhin öffnet Rose zwar Türen, indem sie die Klinke herunterdrückt. Man sieht, wie sie auf Leitern klettert und ihre Beine über Hindernisse schwingt. Hebel, Knöpfe oder Ventile fasst sie aber nicht an und auch das ist in meinen Augen eine vertane Chance. Zu allem Überfluss ist die akustische Abmischung stellenweise so misslungen, dass man Rose oder ihre Gesprächspartner nicht hört. Wer genau was in einer entscheidenden Szenen kurz vor Schluss tut, habe ich deshalb nur spekulieren können.
Und Schluss!
Ganz allgemein fühlt sich auch der Abschluss wie ein Versäumnis an, denn der Besuch auf der Helios endet, als wäre Close to the Sun nur die Vorgeschichte dessen, was im eigentlichen Abenteuer geschehen soll. Dabei genügt die Handlung sehr wohl dem Anspruch einer vollständigen Geschichte. Entscheidende Punkte werden aber so abrupt fallengelassen oder so zurückhaltend ausgearbeitet, dass ich den Abspann mit dem Gefühl verfolgt habe: ‚Irgendetwas fehlt hier.‘
Fazit
Nicht falsch verstehen: Close to the Sun ist durchaus unterhaltsam, erzählt eine interessante Geschichte und lebt ganz besonders von seiner opulenten Kulisse – man stelle sich BioShock als Wander-Simulator vor. Ein paar gelungene Schockmomente würzen das Ganze, sodass das Abenteuer vor allem als Gruseltrip funktioniert. Gleichzeitig verschenken die Entwickler aber leider viel Potential, wenn sie zwar viel nutzlosen Sammelkram fallenlassen, aber keine interessanten Geschichten abseits des roten Fadens erzählen. Ganz allgemein läuft man meist nur geradeaus und betätigt wichtige Schalter oder rennt in eng geskripteten Szenen einen vorgegebenen Weg entlang, interagiert aber nicht auf eine Weise mit der Umgebung, die den Schauplatz lebendig wirken lässt. Kleine technische Ärgernisse wie eine durchwachsene akustische Abmischung stören zusätzlich. Als interaktiver B-Movie ist die Helios also eine Reise wert – die straffe, durchgehend spannende Erzählweise macht manche Schwäche wett. Ein großes Abenteuer ist dieses Erzählspiel nur eben nicht.
Pro
- spannende Geschichte mit abwechslungsreichem Verlauf...
- prachtvolle Kulissen
- teils intensive Stimmung und einige gelungene Schreckmomente
Kontra
- ... aber recht unbefriedigendem Ende
- sinnloser Sammelkram statt interessante Geschichten abseits des roten Fadens
- Rose interagiert aktiv u.a. mit Türen, aber nicht mit z.B. Schaltern
- Notizen usw. können nicht also solche, sondern fast immer nur über Transkription im HUD gelesen werden
- starre Verfolgungsszenen an vorgegebenen Punkten keine ständige Bedrohung, kein Schleichen o.ä.
- Stimmen sind dank schlechter akustischer Abmischung mitunter kaum hörbar
- gelegentliche Einbrüche der Bildrate und einige spät auftauchende Texturen
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