Descenders - Test, Rennspiel, XboxSeriesX, XboxOne, XboxOneX, PlayStation4, Switch, PC

Descenders
24.05.2019, Benjamin Schmädig

Test: Descenders

Mit Tricks & Drum and Bass

Zugegeben, auch wir kommen nur mit Verspätung ins Ziel – aber warum hat eigentlich kaum jemand dieses Descenders (ab 19,42€ bei kaufen) auf dem Radar? Es spielt sich klasse, hat einen herrlich gechillten Soundtrack und ist trotz zahlreicher Unterschiede so etwas wie die sommerliche Alternative zu Ubisofts Steep. Nachdem der frühere Early-Access-Titel jetzt als komplettes Spiel veröffentlicht wurde, haben wir uns für einen Test aufs Rad geschwungen und sind gen Tal gerollt.

Downhill-Biken statt Snowboarden: Das erwartet euch, falls ihr euch von Steep oder SSX kommend aufs Rad schwingt. Anders als bei Steep seid ihr dabei nicht in einer offenen Welt unterwegs, sondern auf prozedural erstellten Hängen, die an den Seiten zwar begrenzt, aber deutlich offener sind als die Schläuche eines SSX. Für gewöhnlich dauert eine Abfahrt hier etwa 30 bis 60 Sekunden – falls ihr dem markierten Weg folgt. Ihr dürft jedoch gerne den Kurs verlassen und euren eigenen Weg suchen.

Roguelike-Radeln

Zunächst einmal geht es ja nur darum, ins Ziel zu kommen, und sollte euch das auf der Bremse stehend nach einer Stunde erst gelingen: bitteschön! Genießt einfach den coolen Drum-and-Bass-Cocktail, während ihr von einem Areal ins nächste radelt. Jedes Gebiet besteht nämlich aus einer Reihe von Strecken, denen ihr wie in einem verzweigten Roguelike à la FTL folgt, bis ihr den finalen Abschnitt erreicht. Dort müsst ihr einen sehr hohen Sprung meistern und schon reist ihr zum nächsten Schauplatz. So geht es vom Hügelland über einen Wald in die Steppe usw. Habt ihr den „Boss-Sprung“ (der heißt wirklich so) eines Gebiets dreimal gemeistert, könnt ihr das folgende Szenario sogar dauerhaft direkt anwählen.

Alle paar Strecken wählt ihr zudem ein Team-Mitglied aus, was nichts anderes bedeutet, als dass ihr einen bestimmten Parameter der Zufalls-Strecken modifziert. Damit werden die markierten Wege breiter, weniger kurvig, vielleicht auch steiler

Über Stock und Stein: Wie fordernd das Radeln sein soll, entscheidet ihr selbst.
oder mit weniger Hindernissen versehen und vieles mehr. Es kann also hilfreich sein, vor dem finalen Sprung ein paar Strecken mehr zu fahren, um später kleine Vorteile zu genießen. Hin und wieder gelangt ihr so nämlich auch zu Bonus-Kursen, die nicht nur komplett anders aussehen, sondern auf denen auch etwas andere Regeln gelten als auf den regulären Strecken...

Fahrt nicht im Dunkeln!

Ihr solltet nur keine allzu lange Route wählen, da es irgendwann Nacht wird und das Fahren im Dunkeln zwar möglich, die Wahrscheinlichkeit von Stürzen dank stark eingeschränkter Sicht aber auch drastisch höher ist. Und mit jedem Sturz verliert ihr ein Leben. Zusätzliche Leben gibt es zum Glück für das Meistern von Bonus-Aufgaben wie dem Gelingen bestimmter Tricks, einer Abfahrt ohne zu Bremsen oder dem Absolvieren zahlreicher Sprünge – auch dafür lohnt eventuell also eine längere Route. Für diese Herausforderungen muss man allerdings spätestens dann große Risiken eingehen, wenn man das Ziel erreichen soll ohne auch nur ein einziges Mal zu bremsen.

Im Grunde entscheidet ihr also immer selbst, welche Herausforderung ihr annehmt. Wer einfach nur ankommen will, um alle Gebiete zu sehen, kann das gerne tun. Vielleicht schielt ihr aber lieber auf Punkte, die ihr für Tricks erhaltet und für die es Multiplikatoren gibt, wenn ihr mehrere Stunts aneinanderreiht. Auch schnelles Fahren, Wheelies oder um enge Kurven zu schlittern halten den Multiplikator aufrecht, sodass ein ununterbrochener Flow für eine hohe Punktzahl unerlässlich ist. Und immerhin befinden sich auf fast allen Strecken zahlreiche Rampen, Stege sowie natürliche Hindernisse, die dazu einladen kreativ zu sein. Oder versucht ihr euer Glück lieber abseits des Wegs? Nur zu! Entsprechende Team-Mitglieder unterstützen auch diese Spielweise.

Weg vom Weg?

Die Punkte benötigt ihr zum Freischalten einer zweiter Kampagne sowie von Helmen, Hemden, Hosen und mehr. Abgesehen davon geht es um Highscore-Listen, ein gutes Abschneiden in täglichen Herausforderungen, Online-Turnieren – hauptsächlich aber um den eigenen Anspruch. Nicht zuletzt trifft man sich mit Freunden und Fremden in Online-Gruppen oder übt in der offenen Lobby ein paar Tricks, bevor sie auf der Strecke funktionieren „müssen“.

Die Königsklasse ist dann schließlich das Absolvieren einer kompletten Kampagne, also mehrerer Gebiete am Stück, und das gleichzeitige Erzielen eines hohen Flow-Wertes, womit die durchschnittlichen Anzahl an Trickpunkten pro Minute gemeint ist.

Welche Route ihr nehmt, um den Boss-Sprung zu erreichen, ist eure Sache. Ihr solltet nur spätestens bei Dämmerung am Ziel sein.
Schade nur, das man zwar einzelne Gebiete anhand verschiedener Parameter prozedural oder über das Eingeben konkreter Zeichenfolgen erstellen kann, aber keine Kampagne mit zufälliger Reihenfolge aller freigeschalteten Gebiete starten darf.

Wem beim Lesen von „Tricks“ übrigens Angst und Bange wird oder wer bei „prozedural erstellte Abhänge“ den Teufel an die Wand malt: Ich kann euch beruhigen. Descenders gelingt die Gratwanderung zwischen Simulation und Arcade. Sprich, das Fahrverhalten ist keineswegs realistisch, ahmt das Radfahren aber glaubhaft nach. Die Anzahl der Tricks ist hingegen so überschaubar, dass man nicht erschlagen wird, während das unkomplizierte Tweaken, Drehen und Überschlagen so gut von der Hand geht, dass man immer eine Möglichkeit findet Punkte abzustauben bzw. den Multiplikator am Laufen zu halten.

In jeder Kampagne wählt ihr Team-Kameraden, die je eine bestimmte Eigenschaft der kommenden Strecken modifzieren.


Leicht gemacht

Das funktioniert alles ganz hervorragend – falls man am PC spielt. Dort läuft das Spiel auf einem halbwegs aktuellem Rechner schließlich mit mindestens 60 Bildern pro Sekunde. Doch nicht so auf Xbox One: Dort müssen 30 Bilder reichen. Und das schadet dem Abfahrtsradeln. Schon in den frühen Game-Preview-Versionen (Microsofts Gegenstück zum Early Access auf Steam) fiel mir die fehlende Präzision auf – auf den Strecken späterer Gebiete und im Vergleich zur PC-Fassung wurde mir der Unterschied jetzt überdeutlich. Rutscht man unter Windows ganz lässig über einen schmalen Steg in eine enge Kurve oder gar umgekehrt, sind solche Manöver auf der Konsole mehr vom Glück abhängig als gut wäre. Mitunter kann man die Strecke einfach nicht schnell genug erfassen oder genau genug reagieren.

Nicht ganz im Bilde

Das mutet schon deshalb seltsam an, weil Descenders bei aller Liebe nicht so aussieht, als könnte es die hohe Bildrate nicht wenigstens auf Xbox One X darstellen. Die überschaubaren grafischen Elemente des prozeduralen Baukastens sind ansehnlich hübsch – strahlen aber auch einen nüchternen Pragmatismus aus, bei dem von Opulenz keine Rede sein kann.

Fazit

Descenders ist kein großes Spiel - dazu ist die prozedurale Umgebung viel zu gleichförmig; ihr fehlen sowohl grafische als auch spielerische Höhepunkte. Die technischen Einschränkungen auf Xbox One machen Konsolen-Bikern zudem das Leben ärgerlich schwer. Besonders am PC liebe ich aber, wie entspannt es hier zur Sache geht! Völlig relaxt schlittert man zu coolem Drum and Bass Abhänge herab, streut Tricks ein und versucht schnell ans Ziel zu kommen, viele Punkte einzuheimsen oder beides. Die Steuerung ermöglicht auf einfache Art zahlreiche Finessen, während das optionale Online-Spiel ein wenig Leben auf die Pisten bringt. Ranglisten, tägliche Herausforderungen sowie das Freischalten von Kleidung und Ausrüstung motivieren zusätzlich. Descenders ist eine wundervolle Erfrischung im warmen Spielesommer – wie es sich für ein gutes Radler eben gehört!

Pro

  • leicht beherrschbare Steuerung ahmt Radfahren glaubhaft nach und ermöglicht zahlreiche Finessen
  • eigene Zielsetzung von einfachem Ankommen bis zu anspruchsvollen Stunts
  • prozedural erzeugte Kurse bieten ständig neue Herausforderungen...
  • freies Fahren mit zahlreichen Tricks, Komboketten u.m.
  • freies Trainieren auf Übungsplatz und freies Erstellen zufälliger Kurse (einschließlich Keys zum Reproduzieren)
  • tägliche Herausforderungen und Aufgaben motivieren auf lange Sicht
  • entspannter Drum-and-Bass-Soundtrack

Kontra

  • weniger Kontrolle mit 30 Bildern pro Sekunde auf Xbox One und auch One X
  • relativ spröde, eher zweckmäßige Grafik
  • ... haben aber auch wenig eigenen Charakter

Wertung

XboxOne

Auf Xbox One leidet das ansonsten gleiche Spiel unter einer halbierten Bildrate, was präzises Fahren erschwert.

PC

Zu entspanntem Drum and Bass schlittert man Abhänge herab und streut Tricks ein - Descenders ist eine gelungene Alternative zu Steep und SSX.

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