Sea of Solitude - Test, Adventure, PC, Switch, XboxOne, PlayStation4
Gerade schipperte das Mädchen noch entspannt durch eine pastellfarbene Stadt, während der Himmel strahlte und die Sonne lachte. Aber plötzlich wechselt das Wetter, das Wasser steigt, der Wind tost und aus dem freundlichen Licht wird bedrückende Dunkelheit. Hände greifen nach ihr und Monster lauern in der Tiefe. Wo soll sie hin? Sie kann eine Leuchtrakete abschießen, um den Weg zu finden.
Von der Idylle zum Alptraum
Man beginnt das Spiel ohne erkennbares Gesicht als schwarze Kreatur mit rot leuchtenden Augen, in einem Boot kauernd. Wie kann man sich wieder in einen Menschen verwandeln? Als Fremde erkundet man eine zunächst unbekannte Welt, zu Fuß oder über das Wasser schippernd in Schulterperspektive.
Allerdings ist die Freiheit auf kleinere Areale begrenzt, denn es geht meist linear vorwärts.Das einsame Monster
Nach der Begegnung mit einem strahlenden Mädchen, das wie ein hoffnungsvoller Wegweiser agiert, setzt langsam die Erinnerung ein, wirken die Stadt und manche Figuren seltsam vertraut. Aber selbst wenn man weiß, dass man Kay heißt und in einem surrealen Berlin seiner eigenen Vergangenheit unterwegs ist, bleibt vieles angenehm rätselhaft und symbolisch.
Auch wenn die über die Unity-Engine inszenierte Kulisse auf einen Zeichentrick-Stil ohne fotorealistische Details setzt, entstehen eindrucksvolle Momente. Man fühlt sich fast an Ghibli-Filme erinnert, wenn riesige Monster auftauchen, die mal ihren Hass unverholen hinaus brüllen oder verräterisch aus der Distanz flüstern, dass man doch näher kommen soll. Manche wirken auf den ersten Blick so majestätisch und friedlich, dass Kay sich an sie schmiegt, lassen aber dann ihre Maske fallen und zischen ihre Wut hinaus.
Unangenehm wird es thematisch, denn Kay hat es nicht nur mit ihrer Angst vor diffusen Monstern, sondern mit ganz konkreten Erinnerungen zu tun, die all diese Furcht einflößenden Kreaturen symbolisieren. Sie muss sich ihrer Familie sowie ihren Beziehungen stellen, die psychologische Narben hinterlassen haben. Es geht um Ignoranz, Hass, Liebe, Lügen, Oberflächlichkeit, Egoismus, Mobbing, Gewalt und Depressionen.
Ernste Themen
All das wird in Dialogen und Konflikten sowie gespielten Szenen zwar sehr deutlich, aber es wahrt immer eine gewisse ethische Grenze, und bietet eine auflösbare Perspektive. Das passt natürlich zu einer visuellen Inszenierung, in der man die
Finsternis wieder in eine Idylle verwandeln kann, hat dramaturgisch allerdings Vor- und Nachteile: Einerseits wird man als Erwachsener vielleicht nicht so ergriffen wie in einem The Cat Lady, das die Depression noch abgründiger bzw. grausamer darstellte. Und man wird nicht so schockiert oder verstört wie in einem Silent Hill oder Survival-Horror der extremen Art. Andererseits fühlt man sich wie in einem modernen Märchen mit einem Ausblick auf ein gutes Ende. Hier kann das Spiel mit seinen direkten Verwandlungen tatsächlich heilsam wirken. Trotzdem wirken einige Gespräche und Situationen auch deshalb etwas künstlich, weil man ahnt, dass sie Dinge bewusst weglassen.Katz und Maus
Manchmal muss man schnell etwas an sich nehmen, wegrennen und irgendwo einsetzen oder kleinere Monster besiegen, indem man sie clever ins Licht lockt. Und immer wieder wird es überaus gruselig, wenn man sich langsam an Kreaturen im Dunkeln vorbei schleichen oder schnell mit gutem Timing über das Wasser springen muss, damit einen die schwimmende Kreatur nicht frisst, die einen stets verfolgt - gerade bei ihren Angriffen wird die Angst im Nacken spürbar.
Die lokale Dunkelheit besiegt man, indem man die Verderbnis eines Ortes findet und sie wie ein Ghostbuster in seinen Rucksack saugt - so wird die Welt wieder freundlicher. Was man zunächst noch ungestört machen kann, wird erst um Katz- und Mausjagden und dann zu mehrstufigen Bosskampfsituationen ausgeweitet.
Fazit
Zum Video-Epilog: Das Spiel als Heiler
Zur Kolumne: Das Spiel, der große Heiler
Pro
- interessante Story um reale Ängste
- einige emotionale Momente, ohne Kitschalarm
- guter Einsatz von Symbolen und Metaphern
- stimmungsvolle Wechsel von Idylle und Bedrohlichkeit
- tolle Wetter- und Wasserveränderungen
- viel Interaktion und Spielmechanik für ein Erzählspiel
- Hüpfeinlagen, Fluchtaction, Kämpfe und "Bosse"
- ansehnliche architektonische Inszenierung
- gelungenes Monster- und Figurendesign
- englische Sprachausgabe und deutsche Untertitel
- faires Speichersystem
Kontra
- linearer Ablauf
- weitgehend einfache Herausforderungen
- einige redundante Phasen (Kämpfe etc.)
- freie Erkundung nur in Ansätzen (künstliche Grenzen)
- kleinere Inkonsequenzen (Klettern etc.)
- Potenzial von Flaschen und Möwen nicht genutzt
- kleinere Widersprüche im deutschen Text
- keine deutsche Sprachausgabe, obwohl deutscher Schauplatz
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