Field of Glory: Empires - Test, Taktik & Strategie, PC
Wie kann man interessierte Spieler daran hindern, möglichst motiviert in eine 4X-Strategie abzutauchen, die von komplexen Zusammenhängen lebt? AGEod macht es vor: Die Franzosen verzichten auf ein interaktives Tutorial und schicken mich nach der Installation aus dem Spiel raus zu YouTube, wo mich fünf Videos erwarten. Die erklären mir einiges über Gebäude, Handel, Diplomatie, Staat und Kampf, aber hinterlassen viele Fragezeichen, so dass man nach dem Start des ersten Szenarios "Grand Campaign" natürlich auf selbige klickt. Die Symbole wiederum führen zwar zu einer In-Game-Hilfe, die aber immer noch lückenhaft ist - es gibt im Spiel lediglich eine Suchfunktion für antike Orte, aber keine umfassende interaktive Enzyklopädie à la Civilization.
Natürlich zählen für diesen Test nur die vorhandenen Möglichkeiten. Deshalb werde ich die Geländetaktik aus FoG2 hier nicht berücksichtigen, die übrigens von Richard Bodley Scott konzipiert wurde, der Field of Glory im Jahr 2008 als Tabletop-Brettspiel mit historischen Schlachtsimulationen in diversen Epochen schuf. Und gerade deshalb bin ich als Wargamer von
diesem militärischen Aspekt des Spiel enttäuscht, das sich letztlich mit Imperator: Rome messen muss. Es inszeniert trotz dieser möglichen Grundlage lediglich passive Gefechte, sowohl an Land als auch zur See, die zwar das Würfelregelwerk sowie Werte für Defensive, Offensive und Boni im Gelände sowie Frische und Erfahrung nutzen: Daher siegt hier oft nicht die größere, sondern letztlich effizientere Armee. Aber ich habe keinerlei taktischen Einfluss - obwohl das bekanntlich die große Schwäche der Paradox-Strategie ist.Der General als Statistiker
Was darf ich also selbst vor einer Schlacht entscheiden? Ich darf lediglich einen General aussuchen sowie die Armee aus Truppentypen wie leichte und schwere Infanterie, Plänkler sowie Kavallerie zusammen setzen. Zwar muss man auf dem Weg zum Ziel auf die Versorgung achten, die übrigens gerade zur See mit den Flottenverbänden ebenfalls nicht gut visualisiert wird: Man kann aber weder Aufstellung, Formationen noch Staffelungen, weder Reaktionen noch Reserven oder Taktiken festlegen - man hat hier sogar weniger indirekte Möglichkeiten als in Imperator: Rome, wo man ja u.a. einzelne historische Spezialmanöver sowie Platzierungen von Truppentypen wählen konnte! In einer Schlacht schaut man also zu, wie sich die Einheiten leidlich animiert in fader Kulisse ohne Zoomfunktion erst aus der Distanz beschießen, dann in den Nahkampf gehen, teilweise mehrmals, bis es einen Sieger gibt. Sehr schnell geht man angesichts dieser schwachen Inszenierung dazu über, sich einfach die Ergebnisse anzeigen zu lassen.
Von Dekadenz und Stabilität
Aufstieg und Verfall von Weltreichen
Außerdem gefällt mir die kombinierte Siegbedingung: Hier sorgt ein Mix aus Regierungsstatus, der gewonnenen Kultur, den Wundern oder einzigartigen Gebäuden sowie territorialer Zielerreichung durch Eroberungen für einen speziellen, ebenfalls dynamisch wechselnden Vermächtniswert, der in einer weltweiten Rangliste abgebildet wird. Erreicht dieser zu irgendeiner Zeit das Fünffache des Tabellenzweiten, hat man sofort gewonnen! Und selbst wenn man im Multiplayer-Modus vernichtet werden sollte, kann man das Spiel am Ende noch gewinnen, wenn das eigene Vermächtnis höher bewertet wurde. Das sind alles gute Ideen, die den Verfall und den Aufstieg eines Volkes je nach Spielweise abbilden. Aber in der Praxis der Regierungsgeschäfte gibt es zu viele Defizite, Unklar- sowie und Indirektheiten.
Das fängt schon beim Handel an, der mit seinen zig Rohstoffen und Waren eigentlich sehr interessant ist, der mich aber ebenfalls zum passiven Zuschauer macht: Ich kann weder selber Routen anlegen noch Waren manuell anfordern oder verschicken - je nach Bedarf in einer Region wird das komplett automatisiert. So wird das benötigte Olivenöl dann je nach Reichweite günstiger oder teurer importiert, teilweise bis zum Dreifachen an Gold. Apropos: Warum wird die Reichweite nicht umgehend von der Region aus visualisiert? Wenn man richtig expandiert und alles automatisch klappt, staubt ein Gebäude die wertvollen Boni ab, die es bei Überschüssen gibt - das ist cool.
Automatisierter Handel
Widersprüche und offene Fragen
Ich soll als Karthager z.B. einen Hafen bauen - die Bedingung lautet "Hafen = mind.1". Dass ich nicht auf einen Blick alle Gebäude dieses Typs auflisten kann, ist schonmal ärgerlich, aber verschmerzbar, denn ich kann sie ja manuell zählen, indem ich in die Regionen und Städte gehe. Da komme ich dann auf ein halbes Dutzend Häfen! Wieso ist die Bedingung dann nicht erfüllt? Dann schalte ich das Spiel auf Englisch und sehe unter demselben Ziel die Aufforderung, dass ich einen "Commercial Port" brauche. Aha, also eine falsche Übersetzung! Ich spiele also auf Englisch weiter und will wissen, wie ich diesen Wirtschaftshafen errichten kann - und da sind wir wieder bei der fehlenden interaktiven Hilfe, denn ich kann nur nach Orten suchen, nicht nach Gebäuden; es gibt keinen alphabetischen Index und keine Mouseover-Hilfe. Ich weiß nur, dass es kein "Harbour", kein "Major Harbour" und kein "Anchorage" ist...
Wichtige Gebäude
Große Auswahl an Völkern
Das wird auch bei den Entscheidungen deutlich, die man immer wieder mal treffen darf und die eher beim Spielen einer antiken Großmacht authentisch wirken. Denn woher sollen die Cherukser nach zehn, zwölf Runden so viel Geld herhaben, um für 500 oder 1000 neue Gesetze oder Aushebungen zu organisieren? Hier fehlt die Balance, zumal man auch in der Rolle der Römer oder Karthager viele Entscheidungen auf die Halde schieben muss, weil man sie noch nicht bezahlen kann. Trotzdem sorgen diese wenigen manuell beeinflussbaren Fixpunkte zumindest für etwas Spielraum, wenn es um die Höhe der Steuern oder Grundrechte geht, in einem sonst so automatisierten Spielablauf.
Beschränkte Diplomatie
Auch in der Diplomatie hat man keinen Einfluss auf Waren oder Routen als Verhandlungsmittel: Besondere Verträge zu Luxusgütern? Gegenseitige Angebote von Waren oder Ähnlichem? Durchgangsrechte oder spezielle Angebote? Alles nicht möglich. Gerade im Vergleich zu Imperator: Rome, in dem ebenfalls über indirekte Art herrschen kann, wirkt dieses Field of Glory wie ein sprödes Relikt, das unterm Strich an ein komplexes Risiko erinnert. Aber Vorsicht: Immerhin sorgt die aggressive KI schon auf der empfohlenen zweiten von sieben Stufen ("ausgewogen") dafür, dass man selbst als Großmacht wie Karthago sehr geschickt aufbauen und vorsichtig expandieren muss. Vor allem die neutralen Völker erobern gerne mal eigene Regionen, es gibt Bürgerkriege und man hat seine Vermächtnispunkte bei all zu gieriger Spielweise schnell verloren.
Neben der großen Kampagne, die von 310. bis 190 v.Chr. spielt, kann man als Solist noch auf das 15 Züge kurze Pyrrhus-Szenario zugreifen, um sich ab 281 v.Chr. als Römer ganz Italien einzuverleiben. Wer mit Freunden spielen will, kann sich im asynchronen Multiplayer mit Freunden oder Fremden messen.
Fazit
Meine Herren, ist das spröde, indirekt und lückenhaft! Selbst wenn man sich über YouTube-Videos (!) in die Spielmechanik einarbeitet, gibt es einfach zu viele inhaltliche Defizite. Ich bin ja ein Freund von Tabletop und Wargames, aber AGEOD und Slitherine kriegen es einfach nicht hin, epische Strategie in all ihren Facetten wirklich unterhaltsam zu digitalisieren. Es gibt zwar interessante Ansätze wie das Dekadenz-System und die drei Staatsformen mit ihrem dynamischen Status, aber die vielen Fragezeichen und Automatismen nerven. Ich bin nicht nur beim passiven Handel, sondern in jeder Schlacht bloß Zuschauer ohne taktischen Einfluss. Ich soll erst das Spiel beenden, dann Kämpfe ins veraltete Field of Glory 2 exportieren, um einzelne Befehle zu geben? Hallo, geht's noch? Selbst wenn man sich auf Expansion, Infrastruktur und Außenpolitik konzentrieren will, wird man von einer beschränkten Diplomatie, keinerlei Einfluss auf Anführer und einer seltsamen Bauwillkür wieder ernüchtert. An der Oberfläche kann man sein Imperium durchaus managen, aber es fehlt an clever verknüpften Interaktionen, an ansehnlicher Präsentation, an kontextsensitiver Information und vor allem fehlt es an manueller strategischer Freiheit! Falls ihr euch in der Antike als weitsichtiger Herrscher beweisen wollt, kann euch nur wärmstens empfehlen, das zwei Klassen bessere Imperator: Rome zu spielen.
[ Mittlerweile hat ein Patch die im Test erwähnten Probleme mit dem Hafen behoben. Allerdings konnten wir das nicht mehr berücksichtigen. Anm.d.Red.]
Pro
- etwa 70 Völker wählbar
- aggressive KI schon auf 2. Stufe
- interessantes Dekadenz-System
- Staatsformen mit dynamischem Status
- ab und zu relevante Entscheidungen
- gutes Siegpunktesystem über Vermächtnispunkte
- asynchroner Multiplayer
- sieben Schwierigeitsgrade
- deutsche Lokalisierung
- Mod-Support
Kontra
- sehr zäher Einstieg mit vielen Fragezeichen
- schwache Präsentation und Kulisse
- sehr enttäuschende Diplomatie
- möglicher Gebäudebau aus Zufallspool
- zu viele Automatismen (Handel, Anführer etc.)
- kein direkter Einfluss auf Gefechte oder Formationen
- taktische Kämpfe nur bei Besitz von Field of Glory II
- Tutorials nur als YouTube-Video
- In-Game-Hilfe lückenhaft, keine komplette Enzyklopädie
- einige fehlerhafte deutsche Texte
- lange Ladezeiten
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Taktische Kämpfe nur bei Besitz von Field of Glory II
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.