Defector - Test, Action, OculusRift, VirtualReality
Eine Verschwörung um ein geheimnisvolles Kästchen, gefährliche Technologien, Schießereien, Faustkämpfe mit Bewegungs-Controllern und jede Menge Gadgets: Twisted Pixels Action-Adventure aus der Ego-Sicht hat fast alles, was sich ein Fan von James Bond oder Mission Impossible für ein VR-Spiel wünschen kann – nur noch übertriebener! Bereits in der ersten Mission liefere ich mir im rüttelnden Flugzeug Schießereien mit einem zwielichtigen Waffenhändler, um an ein begehrtes technisches Artefakt zu gelangen. Die Shootouts gehen dank der Touch-Controller und des gelungenen Inside-out-Trackings der Rift S gut von der Hand. Für Headsets der Konkurrenz sind übrigens keine Umsetzungen geplant; auch fürs hauseigene Mobil-Headset Quest gibt es noch keine Ankündigung.
Übertrieben wild!
Im späteren Spielverlauf wird es dank der begrenzten Energie auch mal richtig spannend, so dass ich mich geschickt von Deckung zu Deckung vorarbeiten muss, statt ungestüm Rambo zu spielen. Manchmal hätte ich mir allerdings eine Waffe gewünscht, die besser zum Fernkampf passt, etwa bei einer Verfolgungsjagd über die Dächer. Sei‘s drum, denn immerhin handelt es sich bei den technischen Nahkampf-Spielereien um äußerst coole elektrische Kampfhandschuhe oder sogar einen abgerissene Roboterarm mit eingebauter Kanone! Außerdem dabei sind ein paar Pistolen, Sturmgewehre und Flinten.
Erstaunlich komfortabel
Zwischendurch werden immer wieder ruhige Verhörsequenzen eingestreut, in denen ich mich gegenüber meinen Vorgesetzten für unorthodoxen Entscheidungen rechtfertigen darf. Ein schöner Weg, dem Spieler eine kleine Pause zu gönnen und die Erzählung aufzulockern (wie übrigens auch in Blood & Truth)! Während der Action haben die Entwickler ebenfalls ein Händchen für eine passende Mischung aus Krawall und Erholung: Bei Schießereien in Casinos, zwischen Hallen und Containern empfiehlt es sich, gelegentlich in die Knie zu gehen, um sich z.B. hinter Sofas und halbhohen Barrikaden in Deckung zu schlagen. Die Kniebeugen und Verrenkungen nehmen aber nie so stark Überhand wie beim notorischen Muskelkater-Spiel Raw Data. Schön, dass Widersacher wie fette Kampfroboter auch mal eine Reihe von Containern umrunden, um mich hinterrücks zu erschrecken. Die menschlichen Schergen wirken mit ihrem gescripteten Auftreten und ihren einfachen Animationen aber etwas zu schießbudenhaft.
Als Teil einer verdeckten Einheit begebe ich mich zunächst auf die Suche nach dem mysteriösen Kästchen und danach auf eine Reise um die Welt. Warum ich das Artefakt nicht sofort retourniert habe? Und worum handelt es sich beim mysteriösen "Ereignis" auf Liberty Island, von dem im Verhör ständig die Rede ist. Auf Fragen wie diese gibt es erst im späteren Verlauf Antworten, auch wenn meine Vorgesetzte sie gerne schon früher hören würde. Zudem verläuft die Geschichte je nach meinen Entscheidungen ein wenig anders. Jedes der fünf Kapitel hat eine Abzweigung zu bieten, welche zusammen mit ein paar coolen kleinen Zusatz-Herausforderungen viel Wiederspielwert schafft. Ich hatte eine Menge Spaß daran, auch die alternativen Handlungsstränge kennenzulernen, so dass sich die Standard-Spielzeit von rund drei auf etwa fünf Stunden erhöhte. Für schlanke 25,99 Euro also ein angemessenes Paket.
Auf der Jagd nach dem Kästchen
Außerhalb der Verhöre wirken die Gespräche und Umgebungsrätsel aber nicht immer überzeugend. Vor allem der erstaunlich leere Schwarzmarkt-Level in Mumbai mit Wahrsagerin und Würfelspielchen durchbricht immer wieder die Illusion, sich wirklich in einem spielbaren Agenten-Thriller zu befinden. Schuld daran sind vor allem die platten Charaktere und ihre unglaubwürdigen Smalltalk-Dialoge. Davon abgesehen tragen die Unterhaltungen und kleinen Dialog-Rätsel aber viel zum Gefühl der Präsenz bei. Immer wieder nimmt Instrukteur Doran Kontakt zu mir auf - per Knopf im Ohr und AR-Bildschirm in der Kontaktlinse. Mit Hilfe meiner Hacker-Platine infiltriert er feindliche Netzwerke oder kommentiert süffisant meine opportunistischen Entscheidungen. Nachdem ich mich per Latexmaske als Gangsterboss Jimi Brodigan verkleidet habe, muss ich mich natürlich auch ums Tagesgeschäft kümmern, um nicht aufzufliegen. Ein kleiner Anschlag hier, eine harmlose Exekution dort - und Doran macht einfach die Augen zu: „Ich denke mal das Allgemeinwohl geht vor!“. So sehe ich das auch und drücke eigenhändig den roten Knopf. Rumms!
Echter als das Original?
Schade, dass sich dabei das Aktivieren der technischen Gadgets manchmal hakelig gestaltet. Eine Zeigenfinger-Geste etwa funktioniert in brenzligen Situationen nicht immer wie gewünscht. Auch in den stark choreografierten Boxkämpfen mit den eigenen Fäusten passierte es mitunter, dass ich nicht wusste, was die Entwickler überhaupt von mir wollten.
Hübsch und flüssig
Fazit
Was für eine Überraschung – und was für ein mitreißender Virtual-Reality-Thriller! Defector schafft das, was ich mir von Blood & Truth gewünscht hätte! Endlich ein vollwertiges Action-Adventure, das den Spieler mit Hilfe einer sehr aktiven VR-Dramaturgie in die Rolle eines Bond-artigen Geheimagenten versetzt. Und zwar mit allem, was dazugehört: Volle Bewegungsfreiheit ohne Übelkeit, völlig überdrehte Stunts und Schießereien, coole Gadgets und Ideen, lustige Kommentare und ansehnliche Grafik. Schade, dass Entwickler Twisted Pixel nicht mehr Zeit ins Feintuning investiert hat, denn dann hätte Defector zum coolsten VR-Titel überhaupt werden können! Dafür wirken einige nervige Details aber einfach zu unausgegoren. Auf die Nerven gingen mir vor allem die faden Rätsel-Passagen in Mumbai, die halbgaren Boxkämpfe und die mitunter hakelige Gestensteuerung. Trotzdem empfehle ich jedem Besitzer von Rift oder Rift S (wir haben übrigens mit dem neuen Modell gespielt), sich in den überdrehten Agenten-Thriller zu stürzen – denn im VR-Bereich gibt es nichts Vergleichbares!
Pro
- cineastische Agenten-Atmosphäre
- wahnwitzig inszenierte Stunts
- bizarre Wendungen
- lustige Ideen und coole Undercover-Aufgaben
- intensive Präsenz dank viel Bewegungscontroller-Einsatz
- später spannende Schießereien mit begrenzter Gesundheit
- aufwändig designte Kulissen im räumlichen Comic-Look
- viel Abwechslung
- zahlreiche Abzweigungen schaffen Wiederspielwert
- coole Technik-Spielereien, Prototypen-Waffen und Hacking
- schön umgesetzte Dialog-Rätsel mit wichtigen Charakteren
- aufpeitschender Electro-Soundtrack passt bestens
- trotz wilder Action erstaunlich wenig Übelkeitspotenzial
Kontra
- Faust
- und Bosskämpfe manchmal nur schwer durchschaubar
- ödes Schwarzmarkt-Level in Mumbai mit unglaubwürdigen Rätseln
- stumpfe Dialoge mit hölzern agierenden Nebenfiguren
- etwas hakelige Handhabung von Technik-Gadgets
- Gegner in Schießereien nur schlicht animiert
- Schusswaffen oft zu sehr auf Nahkampf ausgerichtet
- manche Szenen wirken selbst im überdrehten Kontext lächerlich übertrieben
- Text und Vertonung nur auf Englisch
Echtgeldtransaktionen
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- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.