Everybody's Golf VR - Test, Sport, PlayStation4Pro, PlayStation4, PlayStationVR, VirtualReality
Das Enttäuschende vorweg: Inhaltlich steckt hier nicht viel drin. Drei Kurse, auf denen man einsam um Punkte spielt – das war’s. Es gibt weder Kontrahenten noch nimmt man an Turnieren teil, erlebt eine Karriere, entwickelt die eigenen Fähigkeiten oder sonst irgendetwas. Man misst sich auch nicht mit menschlichen Spielern und obwohl eigene Bestmarken in Online-Highscorelisten eingetragen werden, darf man nicht einmal eigene Leistungen mit denen von Freunden vergleichen.
Kleiner DLC zum Mid-Price
Im Grunde fehlt hier alles, was ein komplettes Spiel ausmacht, und tatsächlich frage ich mich, was den nicht gerade kleinen Preis rechtfertigt. Andere VR-Experimente mit ähnlichem Umfang werden als kostenlose Erweiterungen angeboten, manche machen gar das komplette Spiel in VR spielbar. Für normalerweise knapp 30 Euro (als aktuelles Angebot knapp 20) möchte ich jedenfalls nicht nur ziellos Punkte erspielen, sondern hätte mir mindestens einen motivierenden Wettkampf-Modus gewünscht.
Zumal auch die VR-Einbindung selbst Wünsche offenlässt. Erstens bewegt sich die Umgebung beim Umsehen selbstständig hin und her, was in der virtuellen Realität Unwohlsein verursachen sowie desorientierend wirken kann und für mich ein Grund ist, Everybody’s Golf VR nicht im Stehen zu spielen. Der
Effekt ist zwar hauptsächlich in der Lobby beobachtbar, also dem Hauptmenü, aber das reicht schon.VR-Erlebnis ohne Immersion
Weiterhin verzichtet Entwickler Clap Hanz auf etliche Möglichkeiten, mit VR-typischen Aktionen ein umfassendes Erlebnis zu schaffen. Man darf z.B. den Stift auf dem Tresen der Lobby nicht anfassen. Man geht auch nicht in die Hocke, um mit der Hand virtuelles Gras zu greifen und es anschließend loszulassen, um die Windstärke abzuschätzen – ein profaner Tastendruck erledigt stattdessen, was eine immersive Interaktion hätte sein können.
Zu allem Überfluss gehört Everybody’s Golf zu jenen Titeln, in denen man die Blickrichtung nicht frei wählen darf, sondern dazu gezwungen wird, direkt in Richtung des Referenzpunkts, also die PlayStation-Kamera zu schauen. Dabei ist Golfen ohnehin nicht das am besten für PSVR geeignete Genre, da sich Kopf und Schläger in relativ weiter Entfernung voneinander befinden. Das Blickfeld der Kamera ist im Vergleich zu den Sensoren anderer VR-Hardware aber relativ klein, sodass ich mich zumindest ungewohnt weit weg von der Kamera stellen bzw. setzen muss. Rücke ich näher heran, verliert die Kamera den Schläger ständig aus dem „Blick“ - und ich als Spieler damit die Kontrolle.
Als sehr unangenehm empfinde ich außerdem das auffällig häufige Verletzen der Intimzone, wenn ein Caddy oder die Empfangsdame der Lobby extrem nah an mich herankommen. Wozu gibt es diese unbequemen Situationen? Und warum muss man sich gelegentlich nicht abzubrechende Monologe der Caddys anhören, die mehr vom Spiel ablenken als in irgendeiner Form zu unterhalten?
Bleib mir fern!
Könnte man ihnen wenigstens den Tee zuwerfen. Oder würden sie sich doch beschweren, wenn man sich von ihnen wegdreht. Oder einfach irgendetwas tun, das mit Interaktion und Immersion zu tun hat – beides nicht komplett unwichtige Teile einer VR-Erfahrung. Gerade für einen Ableger, in dessen Hauptserie die Reaktionen der Caddies viel zu einem lebendigen Umfeld beitragen, hätte das der nächste Schritt sein müssen. Stattdessen muss man hier alle paar Löcher ein erschreckend spaßfreies „Event“ ansehen, in dem die Caddys mal über einen Baumstamm balancieren oder sich ein anderes Mal vor einer Spinne fürchten, auf jeden Fall aber den Spielfluss unterbrechen.
Und so schlägt man ein paar Löcher, geht zurück ins Menü, schlägt ein paar Löcher mehr, wechselt wieder ins Menü, ärgert sich über den mageren Inhalt… stellt gleichzeitig aber auch fest, dass Clap Hanz zumindest das zentrale Golfen tatsächlich auf gelungene Weise in die digitale Wirklichkeit übertragen hat. So ärgerlich es etwa ist, dass ich darauf zurückgreifen muss, so dankbar bin ich doch dafür, dass Everybody’s Golf überhaupt im Sitzen spielbar ist. Es handelt sich ja nicht nur um eine Notlösung, sondern wird in den Optionen eingestellt, da sich beim Sitzen und beim Stehen Kleinigkeiten unterscheiden. Man gibt sogar die eigene Körpergröße an, damit die Höhe der Perspektive über dem Boden stimmt.
Überzeugendes Golfen?
Nicht zuletzt hat man die Wahl zwischen Move-Controller und Dual-Shock, wobei Move einen Schläger natürlich am besten nachahmt. Ich bin allerdings überrascht davon, wie gut das Ausholen und Schlagen mit Gamepad funktioniert. Immerhin führt
Interessanterweise war das schon bei EAs Tiger-Woods-Titeln der Fall, in denen ebenfalls Move zum Einsatz kam, während die gleichzeitig erschienenen Wii-Versionen eine höhere Präzision bzw. Stärke beim Schlagen erforderten. Womöglich handelt es sich also um eine technische Einschränkung der Move-Technik. So oder so
braucht es eine Menge Übung, den Ball nicht nur mittig zu treffen (andernfalls verpasst man ihm seitlichen Spin), sondern ihn auf dem Green auch weder zu hart noch zu schwach anzuschieben. Deshalb ist es praktisch, dass man wahlweise Schläger nutzt, mit denen man zwar keine Entfernungsrekorde setzt, die Ungenauigkeiten allerdings sehr großzügig verzeihen.Wenig Drive im Move
Bedauerlich ist zusätzlich, dass manche Tastenbelegung relativ umständliche Handgriffe erfordert, gleichzeitig aber auch nicht perfekt an das neue Format angepasst scheint. Das Umschalten zwischen beliebig vielen Übungsschwüngen und dem endgültigen Schlag geschieht etwa nicht über den Abzug an der Unterseite des Controllers, sondern eine Taste, für die man leicht umgreifen muss. Dadurch geht ein Teil der gerade einstudierten Bewegung direkt vor dem Schlag wieder verloren und den Sinn des Übens infrage stellt.
Fazit
Hätte Clap Hanz ein vollwertiges Spiel aus Everybody’s Golf VR gemacht, würde ich glatt dranbleiben! Trotz kleiner Schwächen funktioniert das Schlagen und Putten nämlich einwandfrei, ahmt das Golfen zwar nicht im Sinne einer Simulation nach, ist aber sowohl sitzend als auch stehend – Tradition verpflichtet eben – unterhaltsamer Arcade-Sport. In jeder anderen Beziehung fehlt es hier allerding an allen Ecken und Enden. Es gibt weder Kontrahenten noch eine Karriere oder Online-Wettbewerbe. Nicht einmal das Vergleichen eigener Bestmarken mit denen von Freunden ist möglich. Seltsam auch, dass das komplette Drumherum weit von der quirligen Spritzigkeit der Hauptserie entfernt ist. Man interagiert weder mit der Kulisse noch mit den Caddys auf VR-typische Weise, schaut Letzteren aber beim Abspielen langweiliger Theaterstückchen zu, während man eigentlich Golfen möchte. Hinzu kommen weitere Ärgernisse wie eine sich selbstständig bewegende Kulisse im Hauptmenü sowie andere Kleinigkeiten, die in einem VR-Titel nicht vorkommen sollten. Es ist jammerschade, aber unterm Strich ist dieser Abstecher in die virtuelle Welt nur eine höchst unbefriedigende Tech-Demo!
Pro
- sowohl sitzend als auch stehend spielbar
- weitgehend überzeugend nachgeahmtes Golfen mit Dual-Shock oder Move
- wahlweise weniger starke, dafür Fehler verzeihende Schläger
Kontra
- sich selbstständig bewegende Kulisse, besonders im Hauptmenü
- keine VR-typischen Interaktionen mit Umgebung oder Figuren, sondern klassisches Tastendrücken
- Headset muss direkt auf Kamera ausgerichtet sein
- keine Karriere, Turniere, Meisterschaften, Charakterentwicklung, kein Vergleich von erzielten Punkten mit Freunden
- Caddys kommen mitunter unangenehm nah an Intimzone heran oder herein
- spaßfreie, nicht abzubrechende Filmszenen unterbrechen Spielfluss
- keine Möglichkeit zum Senken bzw. Einstellen der Lautstärke
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Zusätzliche Caddys und Kostüme sind zum Kauf erhältlich.
- Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
- Man kann die Spielzeit über Käufe nicht verkürzen, kein Pay-to-Shortcut.
- Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
- Käufe haben keine Auswirkungen auf das Spieldesign.