Trover Saves the Universe - Test, Action-Adventure, OculusQuest, Switch, PlayStation4, PlayStationVR, PlayStation4Pro, HTCVive, XboxOne, OculusRift, VirtualReality, PC

Trover Saves the Universe
26.07.2019, Jan Wöbbeking

Test: Trover Saves the Universe

Spielbarer VR-Fiebertraum

Wie geht man als Entwickler am besten mit übereifrigen politisch korrekten Moralaposteln um? Man zieht sie einfach selbst durch den Kakao und überhäuft den Spieler mit so vielen Obszönitäten, dass er irgendwann derart desensibilisiert ist, um sich auf die Persönlichkeiten und Motivationen hinter den Flüchen konzentrieren zu können: So lautet zumindest die Patentlösung von Rick-and-Morty-Mitschöpfer Justin Roiland in seinem VR-Abenteuer Trover rettet das Universum.

„Spacist! Chairist! Racist!“ - diese Worte fallen auf dem Weg durch die Schließmuskel von Fleischland (die übrigens mit Nippeln geöffnet werden) im Sekundentakt. „Warum stapelst du Boxen? Wo ich herkomme ist sowas rassistisch!“, ätzt ein Standard-Scherge, als ich versuche, eine Leiter aus Kisten zu bauen. „Wieso schleimst du dich jetzt ausgerechnet beim Chairopean ein, Trover?“, bohrt kurze Zeit später unser Boss nach. Gute Frage. Schließlich ist gerade herausgekommen, dass mein geschätzter Partner gestern noch hemmungslos Sprüche über meinen Mangel an Mobilität geklopft hat. Das scheint eben so üblich zu sein bei seinem sportlichen Volk der Augenhöhlenmonster. Ich als Chairopean bin dagegen an den Weltraumrollstuhl gefesselt, während Trover vor meinen Augen durch das Action-Adventure hüpft und Gegner aufmischt.

That‘s spacist!

Auch abseits von Aufreger-Themen ist die Fluchrate exorbitant: „F-Worte“ habe ich irgendwann nicht mehr mitgezählt, weil ich sonst schnell im vierstelligen Bereich gelandet wäre. Es gibt sogar die Möglichkeit, eine zensierte Fassung zu starten, die aber um ein Vielfaches weniger lustig ausfallen dürfte. Fans von Rick and Morty dürften in etwa einschätzen können, auf welche Art von Humor sie sich einlassen. Grafisch protzen die glatten Oberflächen, Figuren und Hintergründe nicht gerade mit Details, trotzdem ist der Ekelfaktor gar nicht so niedrig - z.B. wenn Fiesling Glorkon seine sexuellen Vorlieben in minutiösen Details schildert. Noch unbehaglicher ist natürlich der Umstand, dass er in seinem Wahn das komplette Universum auslöschen könnte.

An Orten wie der grünen Shleemy World oder der obligatorischen Industriezone gibt es einen angemessen bizarren experimentellen Electro-Soundtrack zu hören.
In mein Leben als friedliebender, leicht spießiger Chairopean tritt Glorkon zum ersten Mal, als er unvermittelt meine zwei geliebten Hunde kidnappt und sich in die Augenhöhlen stopft. Ja, in die Augenhöhlen; ein allgegenwärtiges Thema in diesem spielbaren Fiebertraum. Viele Kreaturen in diesem Universum erlangen besondere Fähigkeiten durch diese wundersame Koexistenz mit anderen Kreaturen, die sie eben in ihrem Schädel herumtragen. Warum auch nicht? Mir als gewöhnlichem menschlichem Spieler fallen zwar massenhaft Argumente dagegen ein, mein Partner Trover sieht das aber anders. Er wird kurzzeitig tierisch high, wenn er sich zwei „Power-Babys“ in den Schädel kloppt.

Zu viel Information!

Außerdem baut er dadurch eine telepathische Verbindung zu mir auf, mit der ich ihn durch die Levels steuere. Meine Rolle erinnert an die Beobachter aus Moss oder Ghost Giant. Auf meinem schwebenden Hightech-Stuhl kann ich nur ruckartig von Warp-Knoten zu Warp-Knoten zischen. Oder ich „schwuppse“ für einen besseren Überblick in drei Stufen in die Höhe. Ein sehr komfortables, übelkeitsarmes System, das mich als Spieler zudem schön ins Geschehen einbindet. Von dort aus steuere ich Trover mit dem Analogstick und den Knöpfen meines galaktischen Controllers, damit er mit seinem Lichtschwert auf allerlei grantige Gegner eindrischt.

Schade, dass sich seine einfachen Attacken und Kombos im Laufe des Spiels nur leicht aufrüsten lassen, z.B. mit einer Ausweichrolle. Ab und zu wird es auch nützlich, mit Hilfe der Telekinese ein paar fallen gelassene Waffen in die Gegnermeute zu schleudern. Allgemein wagen es die Entwickler nicht, dem Spieler komplexe Mechaniken zuzumuten: Ein paar Kisten-Puzzles hier, ein kleines Suchspiel mit Alien-Säuglingen dort – alles in allem durchaus unterhaltsam, aber nicht gerade übermäßig anspruchsvoll. Boxen werden direkt mit der präzisen Blick-Steuerung in Position gebracht. So gelangt man meist schnell zu sich streitenden Gegnern auf Burgzinnen oder platziert Findlinge in ein paar Wandnischen, damit Trover sie als Plattformen benutzen kann. Leider fühlt sich die Sprungsteuerung einen Deut weniger griffig präzise an als bei Astro Bot Rescue Mission oder Lucky's Tale, so dass man hier leichter mal vom Rand einer Plattform glitscht.  

Spielerisch leichte Kost

Ein hundsgemeiner Kerl, dieser Glorkon!
Die Idee der Power-Babys wirkt wie ein bizarrer Mix aus Anspielungen an Death Stranding und Astro Bot: Wie in Sonys VR-Klassiker wurden die kleinen „Schützlinge“ auch hier hinter allerlei Winkeln und kleinen Abzweigungen versteckt. Ein netter kleiner Kniff, um die Kämpfe und ausgiebigen Story-Passagen aufzulockern. Spielerisch am besten gefallen haben mir aber die Bosskämpfe, weil sich Roilands Wahnsinn darin am deutlichsten manifestiert. Im Gefecht mit gigantischen Unholden und schrecklichen Schreddermaschinen führt meist eine Reihe kleiner verketteter Rätsel zum Ziel, bei denen man z.B. telekinetisch mit Kugeln hantiert.

Die spielerischen Aspekte an sich können also nur solide bis gut unterhalten, woran auch die schwache KI der variierenden Schergen Schuld ist: Sie rennen meist nur stupide auf Trover zu, statt auch mal zu flankieren oder andere Tricks zu starten. Erzählerisch erweist sich das Abenteuer aber als erstaunlich rührend. Hinter all dem Wahnsinn und lockerem Gelaber steckt eine Geschichte um die Freundschaft zwischen Trover und dem Spieler (bzw. dem Chairopean): Nachdem das violette Augenhöhlenmonster ein wenig auftaute und endlich mehr in seinem Abenteuer sah als nur einen Job mit einem fremden Partner, ist es mir richtig ans Herz gewachsen!

Trash-Talk nonstop

Auch aus Roilands grenzgenialem Sinn für Inprovisation ergeben sich alle möglichen Metaphern und bizarren Momente – z.B. wenn der vom schlechten Gewissen geplagte Trover versucht, sich beim Spieler einzuschleimen: Auch er habe schließlich schon einmal Sex mit einem Chairopean gehabt - und es habe ihm sogar gefallen! Im Grunde ist es nur Unsicherheit, die Trover zwischen dem traditionellen „Chairismus“ seiner Kneipenkumpels und übertriebener politischer Korrektheit schwanken lässt. Interessant ist auch, wie beiläufig die Autoren immer wieder Details über bizarre gesellschaftliche Hintergründe einstreuen: In dieser Ecke des Universums werden offenbar vor allem ältere Personen als sexuell begehrenswert betrachtet, so dass man nebenbei immer wieder von marodierenden Zuhälter-Gangs hört, die komplette Seniorenresidenzen ausbeuten.

Der improvisierte Smalltalk zwischen Trover & Co. wirkt ähnlich natürlich wie in der Uncharted-Reihe - sogar während der Kämpfe.
Besonders cool sind die einschneidenden Dialog-Konsequenzen, in denen man zustimmend nickt oder mit dem Kopf schüttelt. Manche Figuren gingen mir mit ihrem endlosen Gelaber und Getrolle derart auf die Nerven, dass ich sie irgendwann einfach von der Klippe geschubst hab. Ich habe keine Ahnung, ob ich die Situation auch anders hätte lösen können. Doch nachdem Doopy Dooper mir trotz der drohenden Apokalypse endlos mit Smalltalk auf den Senkel ging und mich zu sinnlosem Kistenstapeln zwang, riss irgendwann mein Geduldsfaden. Anderswo kann eine unbedachte Entscheidung sogar zur Auslöschung einer kompletten Zivilisation führen! Nehmt die kleinen Abzweigungen in der Handlung also nicht zu sehr auf die leichte Schulter! Der vorherrschende lockere Ton kann auch täuschen.

Gar nicht so unwichtig

Auf der Jagd nach dem Fiesling Glorkon trifft man auf jede Menge seiner Klone in unterschiedlich albernen Kostümen sowie andere herrlich obskure Figuren wie der altehrwürdige Rat der allwissenden „Abstainers“. Ihr Design wirkt zwar schrecklich billig (wie Glorkon, nur in anderen Farben), im Gegenzug haben sich ihre Autoren aber einige äußerst alberne Dialogzeilen ausgedacht. Bleibt nach einem Gespräch mit ihnen ruhig noch ein Weilchen stehen, bevor ihr zum Telepod-Transporter zurückkehrt!

In diesem Spiel klingen zwar fast alle Stimmen wie Rick und Morty, doch selbst das nutzt ihr Sprecher Roiland immer wieder dafür, sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Sogar unwichtige Standard-Gegner zanken sich hier in minutenlangen Dialogen über ihren Alltag als Klone, ihre heimlichen Techtelmechtel oder philosophische Fragen. Oder sie beleidigen einfach endlos den Spieler! Wer sich all das nicht unterm VR-Headset geben will oder kann, darf das Abenteuer übrigens auch auf einer gewöhnlichen PS4 (Pro) und einem Fernseher bestreiten. Dann wirken allerdings die Perspektiven und Proportionen reichlich seltsam.

Bist du es, Rick?

Im Laufe der Reise trifft man auf allerlei seltsamen Figuren, gescheiterte Weltraum-Comedians und sogar Trovers rachsüchtigen Ex-Mitbewohner.
Auch die auf VR zugeschnittene Steuerung mit ihren Warp-Knoten passt nicht wirklich zu einer klassischen Darstellung auf der flachen Scheibe. Technisch lief es auf der PS4 Pro übrigens stets perfekt sauber und flüssig – egal ob mit oder ohne VR-Brille. Auf der Rift S konnten wir keine einschneidenden Unterschiede entdecken. Dort fühlt es sich (bei Nutzung der Touch-Controller) natürlich etwas seltsam an, zwei Controller in der Hand, im Spiel aber nur einen vor Augen zu haben. Im Gegenzug profitiert der Komfort aber von der höheren Auflösung des Headsets. Vertont wurde das Spiel leider nur auf Englisch, es sind aber deutsche Untertitel und Menüs verfügbar.

Fazit

Was für ein Trip! Als ich mit Trover rettet das Universum fertig war, fühlte ich mich inspiriert, überrascht und angeekelt - vor allem aber richtig gut unterhalten! Unter spielmechanischen Gesichtspunkten sind die einfach gestrickten Kämpfe und Rätsel meist nur solider Durchschnitt. Doch Erzählung, Bosskämpfe und der völlig überdrehte, respektlose Humor bringen Roilands kompletten Wahnwitz zum Vorschein, den ich auch an Rick & Morty liebe! Ich fühlte mich wie in einem interaktiven VR-Cartoon, in dem ich clever ins bizarre Geschehen einbezogen werde - sei es dadurch, dass ich immer wieder direkt von verschrobenen Kreaturen angesprochen werde, telekinetische Puzzles löse oder brenzlige Entscheidungen treffen muss. Auch wenn es spielerisch nicht ganz für Gold reicht also eine klare Empfehlung für Freunde bizarrer interaktiver Unterhaltung! 

Pro

  • völlig bescheuerte Geschichte
  • überdrehte bizarre Dialoge
  • Unterhaltungen wirken trotzdem sehr authentisch
  • komplett respektlos und humoristisch inkorrekt
  • viele selbstironische, popkulturelle Seitenhiebe
  • selbst Standard-Gegner führen ewige philosophische Diskussionen
  • überaus eklige Aliens und Welten
  • abgespaceter experimenteller Electro-Soundtrack
  • lustige Bosskampf-Ideen
  • tolle Einbeziehung des Spielers erinnert an Astro Bot
  • rührende Anfreundung zwischen den beiden Protagonisten

Kontra

  • Kampfsystem bleibt auf Dauer zu simpel
  • nur wenige Rätsel-Mechaniken wie Telekinetik
  • strunzdumme KI
  • arschglatte Figuren und Oberflächen meist kaum texturiert
  • fast alle Figuren klingen wie Rick und Morty
  • nur englisch vertont

Wertung

PlayStation4

PlayStationVR

Völlig bescheuert - und genau deshalb so gut: Die durchgeknallte, teils rührende Erzählung macht Trover rettet das Universum trotz nur solider Kämpfe zu einem Highlight für VR!

OculusRift

Völlig bescheuert - und genau deshalb so gut: Die durchgeknallte, teils rührende Erzählung macht Trover rettet das Universum trotz nur solider Kämpfe zu einem Highlight für VR!

Kommentare
Gummirakete

Rick und Morty (Serie) fand ich genial. Diese Mischung aus philosophisch-tiefgründig und Humor unter der Gürtellinie... klasse!
Freue mich auf die vierte Staffel im November.

vor 5 Jahren
artmanphil

Ich habe SELTEN so hart gelacht. Und noch nie in einem Videogame. Meine Freunde und ich haben uns am Freitag in die Rift S gespannt und hatten am Ende Muskelkater in den Wangen. Tierisches Vergnügen! Und spätestens, wenn man merkt, dass jedes einzelne Collectible-Powerbaby einen eigenen Namen und eine (zumeist urst komische) Backstory hat, weiß man, wie viel Liebe in dieses Game geflossen ist.

vor 5 Jahren
MrLetiso

Ah... na Gott sei Dank

vor 5 Jahren
Swar

Die deutsche Version hat englische Sprachausgabe mit deutschen Untertitel.

vor 5 Jahren
HardBeat

Funktioniert der Humor auch in der deutschen Fassung?
Welche deutsche Version? Hab ich was verpasst?

vor 5 Jahren