A Place for the Unwilling - Test, Adventure, PC, Linux, Mac

A Place for the Unwilling
26.07.2019, Alice Wilczynski

Test: A Place for the Unwilling

In 21 Tagen ist alles vorbei!

Die spanischen Entwickler von AlPixel Games haben sich mit A Place for the Unwilling ganz schön viel vorgenommen: Nach eigenen Angaben soll ihr narratives Adventure von Sunless Sea, The Legend of Zelda: Majora's Mask, H. P. Lovecraft und Charles Dickens inspiriert worden sein. Ob man etwas davon im Spiel spüren kann, erfahrt ihr im Test.

Von Henry ist nach seinem Selbstmord nicht viel übrig geblieben. In seinem Abschiedsbrief vermacht er seinem besten Freund (Name und Geschlecht der Spielfigur sind frei wählbar) die eigene Wohnung und den Job als Warenhändler. Der Protagonist soll sich gut um Henrys Mutter und Frau kümmern und den dunklen Geheimnissen seines Wohnorts auf den Grund gehen. Dann würde er schon verstehen, wieso Henry keine andere Wahl blieb. 

21 Tage bis zum Ende

Das sind ja nicht gerade die besten Aussichten für einen Umzug! Vielleicht sind ja zumindest die Nachbarn nett... Visuell sind sie es schon mal, denn das Artdesign von A Place for the Unwilling ist fabelhaft und  einer der Hauptgründe, wieso ich auf das Spiel aufmerksam wurden. Durch den verspielten Zeichenstil kommt umgehend Stimmung auf, wenn man durch die viktorianischen Gassen spaziert oder dem knollnasigen Buchhändler bei seinen Vorträgen lauscht. 

So viele Charaktere, so wenig Zeit! Hilft man lieber den Armen oder den Reichen?
Wie in Majora's Mask bleibt dem Spieler nur wenig Zeit. In 21 Tagen sollen Stadt und Bewohner, die zum Großteil nur noch als graue Schatten erkennbar sind, für immer verschwinden. Jeden Morgen wacht man in Henrys ehemaliger Wohnung auf und kann frei entscheiden, welchen Aufträgen der Stadtbewohner man nachgehen möchte. Dabei kann man die Stadt frei zu Fuß erkunden oder gegen ein Entgelt mit der Kutsche fahren, um ein bestimmtes Ziel direkt anzusteuern. Dabei gibt es keinerlei Wegweiser, man muss die Aufträge gut durchlesen und sich die wichtigen Orte der Stadt einprägen. Teilweise hatte ich sogar Probleme, mich zu erinnern, wo jetzt nochmal das Krankenhaus oder der Zeitungshändler war, denn Straßennamen werden meist nur beim ersten Besuch eines Ortes genannt.

Im Verlauf der Woche lernt man immer mehr Stadtbewohner kennen, die alle recht unterschiedliche Anfragen haben: Während ein schmieriger Verkäufer aus dem Armenviertel Hilfe braucht, um die Schulden seiner Kunden

Das Auftragsbuch füllt sich schnell, den Weg zum Ziel muss man meist selbst herausfinden.
einzutreiben, verlangt ein kleiner rauchender Zeitungsjunge, dass ich die Rebellion unterstütze. Aber auch im Reichenviertel gibt es zahlreiche Anfragen: Während der Buchhändler einen immer wieder mit zahlreichen Zitaten und Autoren der Hochliteratur vollquatscht und danach auf Botengänge schickt, baut man eine freundschaftliche Beziehung zur liebevollen französischen Händlerin auf, die darum bittet, Essen an die Armen zu verteilen. Nett ist, dass viele der täglich aufpoppenden Anfragen nur an diesem Tag erledigt werden können. Als ich einen Tag später die exklusive Einladung des Gentleman-Clubs wahrnehmen wollte, erhielt ich keinen Zutritt mehr. 

Schon nach wenigen Tagen wird klar, dass man sich ganz genau überlegen muss, wie mans eine Zeit einteilt und vor allem auf welche Seite man sich schlagen möchte. Das bedeutet konkret: Hilft man den Armen oder den Reichen? Immer wieder spürt man die von den Entwicklern erwähnte Inspiration durch Charles Dickens. Das Viertel für die Reichen und die Armen ist durch einen Fluss voneinander abgetrennt, man sieht Kinderarbeit und wird damit konfrontiert, dass der Bürgermeister sich vor allem für die Interessen reicher Bürger interessiert. Da die eigene Wohnung im Reichenviertel liegt, ist der Weg in das Armenviertel oft so weit, dass gar nicht die Zeit bleibt, auch noch Aufgaben für die reicheren Bürger zu erledigen. Dadurch, dass alle Entscheidungen Auswirkungen auf den nächsten Tag haben, lohnt es sich auf jeden Fall, A Place for the Unwilling mehrmals durchzuspielen, um verschiedene Wege auszuprobieren. Laut Angaben der Entwickler gibt es über 100 „erzählerische Events“, die auf den eigenen Entscheidungen basieren. 

Robin Hood oder Rockefeller?

Manchmal dauert es, bis man die richtige Position gefunden hat, um Gegenstände endlich anzuklicken.
Gewöhnungsbedürftig und unnötig nervig ist jedoch leider die Steuerung. Was macht man mit „WASD“? Nein, nicht laufen, sondern das Menü bedienen, während man mit den Pfeiltasten läuft. Hat man sich endlich an dieses ungewöhnliche Prinzip gewöhnt, macht einem immer wieder die unpräzise Steuerung des Protagonisten einen Strich durch die Rechnung. Teilweise dauert es sehr lange, bis man die Figur endlich in der richtigen Position hat, um Gegenstände anklicken zu können. Nach etwa einer Stunde hatte ich mich daran endlich gewöhnt und kam durch die vielen Geschichten der Dorfbewohner in einen angenehmen Spielfluss. Hinzu kommt allerdings, dass das Spiel trotz aktueller Updates mehrfach abgestürzt ist. Kann natürlich sein, dass es an den extrem warmen Temperaturen lag, aber das ist eher zu bezweifeln. Wählt daher zu Beginn lieber die Option, die es euch ermöglicht, jederzeit zu speichern. 

Dickens hätte sich nicht so gesteuert

Zwar spürt man hier und da Inspiration durch Autoren wie dem zuvor erwähnte Dickens oder auch Lovecraft, aber die Geschichten und Aufträge in A Place for the Unwilling unterhalten auf Dauer nur solide. In den ersten Stunden ist es unterhaltsam, die vielen Orten zu erkunden, neue Charaktere kennenzulernen und sich auf eine bestimmte Seite zu schlagen. Aber zu schnell stehen die oft eher langweiligen Hol-und Bringdienste im Vordergrund, die anders als bei klassischen Point&Click-Adventures nicht mal Rätsel beinhalten. Die Charaktere und ihre Bedürfnisse bleiben oft sehr oberflächlich und man hat nur selten das Gefühl, Personen wirklich kennenzulernen. Dadurch, dass täglich neue Aufträge mit neuen Personen eintrudeln, fällt es schwer, einige wenige Charaktere wirklich kennenzulernen. Sobald ich eine Spielwelt gut kenne, braucht es für mich vor allem die emotionale Bindung zu den Figuren, um die Faszination am Leben zu erhalten. Leider hat A Place for the Unwilling das nicht geschafft.

Fazit

A Place for the Unwilling illustriert seine atmosphärische offene Welt mit einem wundervollen Artdesign, in der man sein eigenes narratives Adventure gestalten kann. Es stehen einem 21 Tage zur Verfügung, um zu entscheiden, welche Aufträge der Stadtbewohner man annehmen möchte und ob man sich eher auf die Seite der Reichen oder Armen schlägt. Nach und nach deckt man das Geheimnis der mysteriösen Stadt auf, die Freund Henry keine andere Möglichkeit ließ, als sich umzubringen. So unterhaltsam diese Freiheit ist, so schnell langweilen einen die Hol- und Bringdienste sowie die recht oberflächlichen Geschichten der Charaktere. Hinzu kommt, dass es mir schwer fiel, mich an die Menü-Bedienung über WASD und das teils fummelige Anklicken von Gegenständen zu gewöhnen. Durch die zig Entscheidungs-Möglichkeiten wird einem zumindest genug Spielzeit geboten, da man beim mehrfachen Durchspielen auf neue Ereignisse stößt.

Pro

  • hübsches Artdesign
  • interessante Erkundung der Stadt ohne auffällige Wegweiser
  • interessante Geschichte...

Kontra

  • Aufträge laufen immer nach demselben Hol-und Bring-Schema ab
  • Geschichten der Charaktere kratzen zu sehr an der Oberfläche
  • ...die im Verlauf zu schnell langweilt
  • teils fummelige Steuerung und Menü-Bedienung über WASD

Wertung

PC

Hübsches narratives Adventure mit interessanten Ideen, dessen Aufträge in den 21 Tagen zu schnell zur Routine werden.

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