Fantasy General 2: Invasion - Test, Taktik & Strategie, PlayStation4, XboxOne, PC, Switch
...ist vor dem Krieg: Man schlüpft in die Rolle des jungen Prinzen Falirson, der bald das Erbe seines Vaters antreten wird. Ob es ihm gelingt, den Clan erfolgreich zu führen und Keldonia als Hochkönig zu einen? Der letzte Versuch endete jedenfalls mit einer Niederlage gegen das Imperium. Die Kampagne spielt 300 Jahre nach den Ereignissen aus dem Klassiker. Sie inszeniert einen typischen Grenzkonflikt zwischen "Barbaren" und einer an Rom erinnernden Großmacht, wobei mitunter auch keltische und germanische Motive auftauchen. Aber es geht natürlich in erster Linie um epische Fantasy - es gibt Magie und Mana, Trolle und Greife, Echsenwesen, Hirschreiter und eine besondere Rolle der Untoten auf Seiten des Imperiums.
300 Jahre nach dem Krieg...
Je nach Antwort kann es andere Verbündete oder direkte Auswirkungen für die wichtige Moral der Truppe geben, die sich sofort auf die Schlagkraft der Einheiten sowie begleitende Helden auswirkt - bis hin dazu, dass sie einen verlassen, weil ihnen der Befehl nicht passt! So werden Story und Spielmechanik spürbar verbunden, zudem gibt es weniger langatmige Brüche zwischen Erzählphasen und Kampftaktik. Die Armee besteht zunächst aus nicht mal zehn Einheiten, so dass sich eine Runde recht zügig spielt - später hat man an die 25 unter Kontrolle. Karte, Menüs und Bilder sind edel designt, die Gefechte werden
im Gegensatz zum Klassiker als 3D-Scharmützel animiert. Die sehen in der Totalen nicht spektakulär, aber ordentlich aus; nur hätte ich mir ein weiteres Herauszoomen für noch mehr Übersicht gewünscht. Außerdem vermisse ich animierte Portraits, die hier gerade aufgrund der emotionalen Rolle der Moral super gepasst hätten. Unterm Strich wirkt die Präsentation jedoch deutlich stimmungsvoller als in anderen Wargames von Slitherine.Entscheidungen mit Konsequenzen
Angenehm ist, dass das Verstecken in Wäldern oder die Aufklärung unbekannter Gebiete auch aufgrund möglicher Hinterhalte, die auch die Moral sinken lassen, relevant ist und dass es nach einigen Scharmützeln zum Üben schon auf dem zweiten der vier Schwierigkeitsgrade fordernd zur Sache geht. Was zu Beginn noch wie ein Spaziergang anmutet, wenn man einen mysteriösen Barden von A nach B begleitet oder seine Schwester befreit, entpuppt sich spätestens als herausfordernder Feldzug, wenn man von vier Seiten gleichzeitig vom Imperium angegriffen wird. Und wenn man dann noch bemerkt, dass alte Taktiken à la "Speerkämpfer gegen Kavallerie" hier nicht die einzige militärische Weisheit darstellen, macht das richtig Laune. Denn man muss endlich mal wieder umdenken. Das sorgt zwar für einige Frustmomente und Trial&Error, aber mit etwas Erfahrung eben auch für frischen Wind im Gelände!
Denn die Effizienz im Kampf richtet sich nicht nach Truppentyp, sondern nach Manöver und vor allem der Bewaffnung: Speere sind gegen Berittene zwar immer noch gut, aber auch einsetzbar gegen gepanzerte Einheiten der schweren Infanterie oder gegen einen Ansturm. Wer Schilde trägt, kann einen Wall bilden und auch Einheiten hinter sich gegen Beschuss schützen. Es ist schön, dass die Entwickler das etablierte Schere-Stein-Papier-Prinzip auf diese Art öffnen, denn so muss man sich etwas genauer mit den vielfältigen Möglichkeiten beschäftigen, denn man hat mehr Optionen zur Verfügung. Dabei hilft, dass man den Waffentyp einer Einheit sofort anhand der Icons erkennt und sich vor einer Attacke die erwarteten Verluste auf beiden Seiten anzeigen lassen kann. Diese Prognose kann nicht nur überraschend sein, weil man z.B. alte Fire-Emblem-Routinen im Hinterkopf hat, sondern auch, weil sie in der ersten Anzeige nicht komplett akkurat ist - denn je nach Erfolg des ersten Schlags kann sich etwas ändern.
Die Waffe zählt
Zu Beginn eines Szenarios platziert man seine Einheiten in vorgegebenen Zonen, dann bewegt man sie in freier Reihenfolge über
die Hexfelder, wobei es nicht nur Wälder, Flüsse, Hügel etc. mit unterschiedlichen defensiven Boni oder Mali, sondern auch Schreine und Siedlungen zum direkten Plündern gibt; man kann auch mal Schätze, Artefakte & Co à la Heroes of Might & Magic finden, so dass zwischen den Gefechten gemütliches Erkundungsflair entsteht - da es keine Zugbegrenzung gibt, kann man übrigens alles in Ruhe abgrasen. Außerdem gefällt mir, dass man jede Einheit erst bewegen kann, bevor man irgendjemanden angreifen lässt - so ist man nicht gezwungen erst alle Aktionen einer Truppe auszuführen. Berge sind nur für Flieger zugänglich, es gibt also keine Höhenvorteile hinsichtlich der Reichweite für Fernkämpfer, aber wer mit ihnen Türme besetzt, bekommt Kampfboni. Sehr lobenswert ist angesichts der Details von Rüstung über Tempo bis hin zu Magie oder kollektiven Boni, dass die Benutzeroberfläche übersichtlich designt ist und dass es über Farben, Menüs und Pop-ups stets zusätzliche Informationen gibt. Neben dem Terrain gilt es Flankierungen und vor allem die Unterstützung durch Fernkämpfer wie die überraschend starken Schleuderer & Co zu beachten, denn die sorgen proaktiv für Beschuss, so dass man sie optimal zur Unterstützung hinter der ersten Linie einsetzen kann: dann feuern sie einmal automatisch auf den Angreifer und sind später selbst nochmal manuell dran.Auch die solide, in mehreren Stufen einstellbare KI nutzt das, so dass man sie bei gestaffelter Aufstellung nicht so leicht überrennen kann. Bei einem Kampf gibt es zunächst einen direkten Schlagabtausch zwischen Angreifer und Verteidiger, die in der Regel beide Verluste hinnehmen, wobei ein siegreicher Angreifer das Feld besetzt. Eine weitere gute Idee ist übrigens, dass Truppen bei derartigen Verlusten nicht nur an Kampfkraft, sondern auch an Erfahrung verlieren, selbst wenn sie knapp mit einem Mann überleben! Man überlegt sich also zweimal, ob man überhaupt
Schaden nehmen will, wenn man kurz vor dem Aufstieg steht. Will man seine Truppen retten, muss man sie frühzeitig evakuieren und irgendwo rasten lassen, wobei es mitunter auch Heiltränke gibt oder Burgen & Co, in denen man gegen Gold komplett regeneriert. In diese Situation und auch zum Nachspielen einer Schlacht wird man des Öfteren kommen, denn die Schwierigkeit kann plötzlich anziehen - was vor allem daran liegt, dass man das Kampfsystem trotz seiner lobenswerten Vielfalt manchmal in einer Art umsetzen muss. Also: Als Barbar gilt es, seine Agilität einzusetzen.Verluste und Moral
Für militärtaktische Effizienz sorgen hier Plänkler und Scharmützler, die selbst keinen Gegentreffer nach dem Angriff einstecken oder in Hit&Run-Manier zuschlagen und dann zurück zum Ausgangspunkt galoppieren - nur muss man diese auf bestimmte Art schützen bzw. positionieren. Auch Hilfstruppen zur Belagerung oder Flieger bringen weitere Würze in eine Schlacht. Hinzu kommen die wichtigen magischen Attacken, für deren Gebrauch man Mana benötigt, das über Quellen im Gelände gesichert oder über die Seelen verstorbener Truppen gewonnen werden kann. Die Magie ist vor allem gegen Truppen mit geschwächter Moral sehr effizient. Letztere spielt eine entscheidende Rolle, denn selbst eine nominell stärkere Armee kann durch "Terror" in Form von Heldenfähigkeiten, Artefakten, Hinterhalten, Sturmangriffen oder höherem Schaden in direkten Duellen an Kampfkraft verlieren. Krieger können
zerrüttet werden und ganze Verbände fliehen sogar! Schön ist auch, dass eigene Artefakte gestohlen werden, wenn man eine Schlacht verliert - will man es zurück haben, muss man die feindliche Truppe besiegen. Eine derartige Dynamik ist in rundenbasierten Hexfeldschlachten selten zu beobachten. Eigene Truppen werden u.a. durch die Nähe des Anführers oder eigene Entscheidungen moralisch stabilisiert werden. Schade ist allerdings, dass das Töten des feindlichen Anführers nahezu keine Effekte auf dessen Truppenmoral zu zeigen scheint.Egal ob Helden oder einfache Truppen: alle gewinnen Erfahrung, alle können über Artefakte, Waffen weiter ausgerüstet oder über eigene Techtrees in der Anwendung von Fähigkeiten bzw. der Waffengattung spezialisiert werden - lediglich die angeheuerten Söldner verändern sich nicht. Dabei hat man ausgehend von zwei Basiseinheiten die freie Wahl der Entwicklung. So kann aus einfachen jungen Schwertkämpfern oder Speerträgerinnen bei den Barbaren alles Mögliche werden - eine stärkere Variante, Berserker oder Schleuderer, Scouts, Hirschreiter,
Wolfsmütter, Beschwörer, Axtkämpfer oder Plänkler, so dass man sehr individuelle gemischte Verbände inkl. magischer Fähigkeiten zusammen stellen kann; insgesamt stehen 75 Truppentypen zur Verfügung. Für die Rekrutierung braucht man Gold, Waffen & Co, die man als Ressourcen findet, bei Plünderungen oder Abschluss eines Szenarios bekommt.Erfahrung und Spezialisierung
Abseits der Kampagne kann man über seinen Steam-, GoG- oder Slitherine-Account gegen die KI oder Freunde spielen, wobei auch eine neutrale Kraft wie in der Kampagne zuschaltbar ist. Dabei geht es entweder um die Eroberung von Burgen oder die komplette Vernichtung des Gegners. Allerdings ist der Umfang überschaubar: Es gibt lediglich fünf Karten und zwei Fraktionen, die sich aber angenehm unterschiedlich spielen. Während die Truppen der Barbaren leicht gerüstet sind und im Stile der Guerilla-Taktik schneller und hinterhältiger aus dem Wald zuschlagen können, vor allem in einem Gelände ohne weite Ebenen, agiert das Imperium mit schwer gepanzerten Reitern, Langbogenschützen & Co etwas behäbiger im Stile einer formierten Großmacht, aber kann Untote beschwören, die wiederum die Moral stark beeinflussen. Man kann zig Optionen hinsichtlich Gelände, Truppenerfahrung & Co voreinstellen. Und schließlich gibt es die Möglichkeit, eigene Szenarien zu erstellen.
Fazit
Die vergilbte Box von Fantasy General steht noch auf einem Regal im Keller. Die Rundenstrategie von SSI habe ich Ende der 90er immer wieder gerne gespielt. Als ein Nachfolger angekündigt wurde, war ich skeptisch, denn zu oft wurden selbst Nostalgiker in letzter Zeit enttäuscht. Doch dem österreichischen Studio von Owned by Gravity gelingt eine sehr gute Premiere, weil sie den Klassiker kreativ wiederbeleben, anstatt ihn einfach aus der Mottenkiste zu zerren und in einen Unity-Anzug zu stecken. Sie führen die Tradition dieses Fantasy Wargames fort, indem sie es mit frischen Ideen weiter entwickeln. Im Gelände gelten nicht nur Schere, Stein, Papier, sondern vor allem die Waffen, so dass man sich intensiver mit seinen Truppenmanövern beschäftigen muss und letztlich mehr militärische Optionen hat. Hinzu kommt die wichtige Rolle der Moral, die zu Flucht und Magieanfälligkeit führt, sowie die angenehm freie Spezialisierung der Einheiten. Zwar zoomt die Kamera nicht weit genug raus, Gebirge bieten keine Höhenvorteile und die Gefechte verlangen manchmal eine spezielle Taktik, was zu Trial&Error führen kann. Aber die Präsentation ist stimmungsvoll, zudem gefällt mir der Rhythmus der Kampagne, die auch Entscheidungen mit Konsequenzen bietet, so dass man erzählerisch neugierig bleibt. Mit lediglich zwei Fraktionen und fünf Karten ist der Multiplayer-Bereich eher mager, aber unterm Strich bekommt man hier richtig unterhaltsame, angenehm durchdachte und auf Spieltiefe fokussierte Hexfeldtaktik.
Pro
- stimmungsvoll inszeniertes Fantasy Wargame
- gut erzählte Kampagne mit Entscheidungen
- frisches Kampfsystem abseits von Schere-Stein-Papier
- sehr gute Integration der Moral mit Auswirkungen
- angenehm freies Bewegungs- & Aktionsprinzip
- freie Spezialisierung in diverse Truppentypen
- Truppen gewinnen Erfahrung und Ausrüstung
- Helden verlassen Truppe bei falschen Befehlen
- hohe Verluste sorgen für Erfahrungsabzüge
- Multiplayer-Modus und Skirmish gegen die KI
- zig Optionen im Multiplayer
- gut designte Benutzeroberfläche, hilfreiche Menüs
- optional deutsche Texte
- vier Schwierigkeitsgrade
- Szenario-Editor
Kontra
- nur zwei Fraktionen
- keine Höhenvorteile für Fernkämpfer
- Töten gegnerischer Anführer mit zu wenig Moralverlust
- ab und zu Trial & Error, weil eine Spielweise nötig
- keine Undo-Funktion
- Kamera zoomt nicht weit genug raus
- lediglich statische Portraits
- nur fünf Karten im Multiplayer
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt allerdings zwei Deluxe-Editionen mit exklusiven Inhalten.
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.