Vigor - Test, Shooter, XboxOne, Switch, PlayStation4, XboxSeriesX, PlayStation5
Wenn man Beute und Hunt: Showdown im Zusammenhang mit Vigor erwähnt, muss man eins klarstellen: Hier sammelt man nicht die Hinterlassenschaften getöteter Kreaturen, sondern Nägel, Glas, Draht und was man sonst noch so im postnuklearen Norwegen des Jahres 1991 findet. Als einer der letzten Überlebenden, oder Outlander, läuft man dort über schneebedeckte Felsen, durchsucht verlassene Häuser und Fahrzeuge oder wartet auf den Abwurf einer Kiste mit besonders vielen Materialien – selbstverständlich mit der Gewissheit im Kopf, dass man nicht als Einziger diese Idee hatte…
Woher nehmen und von wem stehlen?
Allzu viel Zeit steht einem dafür auch gar nicht zur Verfügung, denn nach zehn Minuten, kurz nach Abwurf der Kiste, nimmt die radioaktive Strahlung im Einsatzgebiet so stark zu, dass man sich relativ schnell zu einem der Ausgänge begeben sollte, um nicht langsam Lebenspunkte zu verlieren. Bis zuletzt warten also meist mehrere Outlander, bis einem von ihnen der Geduldsfaden reißt. Dann fliegen die ersten Kugeln, es beginnt eine Jagd auf denjenigen, der sich die große Beute schnappt und während sich die Einen irgendwann die Ausrüstung ihrer getöteten Gegner schnappen, gehen die Anderen leer aus.
Man muss an diesem Spielchen ja nicht teilnehmen! Man kann auch in Ruhe die Umgebung nach Ressourcen durchsuchen und das Gebiet kurz darauf wieder verlassen. Man könnte außerdem zu einem Signalmast gehen, der die Position aller Spieler vorübergehend auf der Karte markiert, oder an einer Funkstation den Landepunkt der Kiste ändern. Und es gibt einen Safe, in dem nicht die ganz fette, aber dennoch sehr lohnenswerte Beute
wartet. Den zu öffnen, dauert allerdings seine Zeit und sobald der Vorgang startet, werden alle Outlander darüber informiert.Beute statt Punkte
Man muss übrigens nicht mal eine Waffe mitnehmen, was zu spannenden Situationen führt, falls man von einem Gegner entdeckt wird und sich daraufhin in einem Baum oder Gebüsch versteckt, um bloß nicht gefunden zu werden. Mir gefällt diese teils entspannte, teils aufregende Beutejagd wirklich sehr: Man spielt, wie man sich gerade fühlt, und erzielt oft genug entsprechende Erfolge. Dass man dabei verschiedene Ressourcen sammelt, spornt stärker an als das Einsacken symbolischer Erfahrungspunkte in Hunt.
Diese Ressourcen sind ohnehin der Dreh- und Angelpunkt in Vigor, denn aus ihnen stellt man Waffen, Munition und weitere Ausrüstung her – was es umso wertvoller macht, dass man auch ohne Gewehr oder Pistole losziehen kann. Denn die verliert man, sollte man das Zeitliche segnen. Abgesehen davon benötigt man verschiedene Materialien, um die heimatliche Hütte auszubauen. Dadurch lassen sich irgendwann noch schneller noch bessere Waffen herstellen und das Haus sieht mit jedem Upgrade auch ein Stückchen schöner aus.
Ein echtes Zuhause
Nun verschlingt dieser Prozess ausgesprochen viel Zeit und erfüllt zudem keine übergeordnete Funktion, sondern verändert lediglich Parameter dessen, was man von Beginn an tut. Trotzdem fühle ich mich mit dem plastischen Ausbau wohler als mit der rein menübasierten Charakterentwicklung in anderen Spielen. Das ganze Anwesen bietet ja kleine Interaktionsmöglichkeiten, etwa zum Verschicken von Nahrungsmitteln an andere Spieler oder dem Aufsammeln automatisch generierter Ressourcen. In einem Minispiel löst oder verzweifelt man sogar an einem Zauberwürfel und am Schießstand macht man sich mit der Handhabung aller Waffen vertraut, sodass man nicht erst im nervenaufreibenden Onlinespiel sehen kann, wie man damit klarkommt.
Weniger gefällt mir hingegen, dass verschiedene Aspekte an z.B. DayZ erinnern, das ja ebenfalls von Bohemia Interactive entwickelt wird. So schwebt man etwa recht gleichförmig über dem Boden, bleibt trotzdem an manchen Vorsprüngen hängen, kann im Liegen nicht aus jeder Position frei zielen und mehr. Die gerade mal 30 Bilder pro Sekunde sind ohnehin kein Glanzpunkt. Als Shooter ist Vigor daher deutlich schlechter als das konzeptionell ähnliche Hunt. Ich bin übrigens auch hier kein großer Freund davon, dass man mitunter nach einem Treffer schon am Boden liegt. Besser finde ich, wenn man auf Wegelagerer zumindest reagieren kann.
Starre Tapete
Außerdem ist die Umgebung hier nur starre Tapete, in der man neben den erwähnten Stationen sowie dem Öffnen und Schließen von Türen und Fenstern nur Beute auflesen kann. Weder schreckt man Tiere auf noch aktiviert man z.B. Maschinen, um Gegenspieler anzulocken oder abzuschrecken. Zumindest stellen zahlreiche Sträucher und Bäume mögliche Verstecke dar, während Schneetreiben und Nebel die Sicht behindern. Das eigentliche Umherstreifen ist aber wesentlich profaner als in dem packenden Crytek-Shooter.
Pay-to-not-lose-anything
Richtig ärgerlich finde ich schließlich, dass man durch Echtgeld einen wichtigen Aspekt der Beutejagd komplett aushebeln und sich dadurch Vorteile im Kampf gegen andere Spieler erkaufen kann. Vor jeder Partie darf man nämlich einen Betrag der für Echtgeld erhältlichen Kronen ausgeben, um seine Ausrüstung zu „versichern“ – was nichts anderes bedeutet, als dass man auch im Todesfall sämtliche Waffen behält. Wer es sich leisten kann, könnte also ständig mit sehr mächtiger Ausrüstung anderen Outlandern auflauern, die meist mit deutlich schlechterem Material unterwegs sind.
Ich verstehe umso weniger, warum Bohemia diese Option anbietet, weil die Entwickler gleichzeitig eine sehr gelungene Möglichkeit anbieten, um echtes Geld zu investieren, denn vor jedem Einsatz kann man Kronen auch dafür einsetzen, dass sich ganz allgemein mehr Beute auf der Karte befindet oder noch wertvollerer Inhalt in der Kiste. Davon profitieren nämlich alle Teilnehmer derselben Partie.
Fazit
Schade, dass es eine Art Pay-to-win ermöglicht, häufiger mit deutlich stärkeren Waffen gegen andere Spieler in den Kampf zu ziehen. Die Wenigsten machen zwar davon Gebrauch, weshalb man meist faire Schusswechsel erlebt, trotzdem fühlt sich das Vorhandensein der Bezahloption wie eine Prise Salz im Kakao an. Bedauerlich auch, dass ausgerechnet Bewegung und Waffenhandling recht schwammig sind und die Umgebung eine weitestgehend starre Kulisse ist – und trotzdem genieße ich die Beutejagd im postnuklearen Norwegen! Das liegt zum einen daran, dass sich selbst das entspannte Sammeln von Ressourcen schon lohnt, und zum anderen daran, dass der Ausbau der eigenen Hütte sehr motivierend ist. Das Haus ist als interaktiver Fixpunkt viel ansprechender als eine Charakterentwicklung im Hauptmenü. Als auf den Punkt gebrachter Shooter ist Vigor anderen Spielen also klar unterlegen. Als aufs Wichtigste reduzierte, mal entspannte, mal aufregende Variante eines Survival-Abenteuers lohnt sich der Abstecher nach Skandinavien aber allemal.
Pro
- Wahl zwischen besonders wertvoller, risikoreicher Beute oder relativ entspanntem Sammeln
- Suche und Verwerten zahlreicher, teils ganz bestimmter Materialien
- Riskieren selbst hergestellter Ausrüstung
- motivierender Ausbau der eigenen Hütte
- verschiedene Aktionspunkte erlauben Manipulation des Spielverlaufs
- Trennung zwischen Solospiel und Partien mit Zweierteams
- zahlreiche Optionen zum Einstellen der Steuerung
- Waffen am Schießstand ausprobieren und andere Interaktionen in Basishütte
- Zauberwürfel (Rubiks Cube) als Minispiel
Kontra
- relativ geringe Bildrate
- etwas ungenaue Steuerung
- was man durch Echtgeld-Einsatz komplett unterbinden kann
- aber (noch) keine Personalisierungsoptionen derselben
- Umgebung selbst ist spielerisch kaum interessant
- manche Treffer sind tödlich, ohne dass man reagieren kann
- man ist immer nur in eigener Hütte unterwegs, kann die eines Partners nicht besuchen
- gelegentliche Verbindungsabbrüche (außerhalb der Einsätze)
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Man kann sich Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, Pay-to-win.