Dragon Quest 11 S: Streiter des Schicksals - Definitive Edition - Test, Rollenspiel, Switch, XboxOne, Stadia, PlayStation4, PC
Dragon Quest 11 entführt den Spieler in die Fantasy-Welt Erdria, wo man sich in einem kleinen Dorf zusammen mit Kindheitsfreundin Sandra einem Initiationsritus unterzieht. Doch der frei benennbare Held ist, wie sollte es anders sein, für Größeres bestimmt.
Das wissen auch die Dorfbewohner, die den mit einem mysteriösen Mal versehenen Protagonisten einst als Findelkind aus dem Fluss gefischt hatten und den jungen Mann nun schweren Herzens auf den Weg zu ihrem König schicken.Schweres Erbe
Am königlichen Hof wird man allerdings alles andere als mit offenen Armen empfangen und gar als Spross der Finsternis beschimpft und inhaftiert. Zwar gelingt einem kurz darauf zusammen mit einem anderen Kerkerinsassen die Flucht, doch um mehr über das Mal und die Reaktionen der Leute drauf herauszufinden, müssen noch weit mehr Hindernisse überwunden und Gefahren gemeistert werden.
Auf seiner Suche nach Antworten ist man aber zumindest nicht allein, denn neben Zellengenosse Erik schließen sich bald auch noch weitere Weggefährten der abenteuerlichen Reise quer durchs ganze Land an. Dabei ist man zu Fuß, zu Ross oder per Schiff unterwegs und besucht fremde Dörfer, Städte und Ruinen, um mehr über seine Herkunft und Bestimmung zu erfahren.
Illustre Gesellschaft
Natürlich geht es auch dieses Mal wieder um den Kampf zwischen Licht und Finsternis - eine klassische Heldengeschichte um einen Auserwählten wie sie in mittlerweile über 30 Jahren Dragon Quest schon so oft erzählt wurde. Trotzdem verliert man nie das Interesse Teil dieser unglaublich charmant inszenierten Abenteuergeschichte zu sein.
Für die Veröffentlichung im Westen hat Square Enix vielen Charakteren sogar eine Stimme gegeben und englische Synchronsprecher engagiert. Auf Switch kann man alternativ auch japanische Sprachausgabe genießen.Nur der Protagonist bleibt leider nahezu stumm und wirkt so in den Dialogen immer wieder wie ein Fremdkörper oder Sonderling. Diskrepanzen gibt es auch im Zusammenhang mit der deutschen Lokalisierung, die an sich sehr gut gelungen ist und sogar Reime, Akzente und Dialekte bietet, aber eben auch viele Eigennamen aufweist, die nicht mit der englischen Vertonung harmonieren.
Auf den Mund gefallen
Manche Soundeffekte klingen zudem reichlich angestaubt. Beim Soundtrack hat man sich für die Switch-Adaption hingegen nicht lumpen lassen und neben dem Synthesizer-Original auch voll orchestrierte Fassungen von Koichi Sugiyamas Kompositionen implementiert, zwischen denen man ebenso frei wie zwischen den Tonspuren der Dialoge via Optionsmenü wechseln kann. So kann jeder sein ganz persönliches Anime-Flair bestimmen.
Zudem gibt es stimmungsvolle, wenn auch teils gescriptete Zeit- und Wetterwechsel. Und die sind nicht nur optisches Beiwerk, sondern haben auch Einfluss auf Flora, Fauna und diverse Ereignisse. Manche Kreaturen lassen sich sogar nur zu bestimmten Zeiten überhaupt blicken, während andere ein Nickerchen halten und man unbehelligt an ihnen vorbeischleichen kann. Auch wer bestimmte Personen treffen oder Materialien sammeln will, sollte im richtigen Moment aufbrechen oder sich wecken lassen.
Alles zu seiner Zeit
Neben örtlichen Gasthäusern können auch fest installierte Lagerplätze in freier Natur zum Rasten und Erholen genutzt werden, die man im Gegensatz zu Hotelzimmern auch erst abends oder nachts verlassen kann.
Zudem kann man sich am Lagerfeuer mit seinen Gefährten unterhalten und eine mobile Schmiedestation nutzen, um neue Ausrüstungsgegenstände herzustellen oder bereits im Besitz befindliche zu verbessern.Das Crafting-System ist rezeptbasiert und interaktiv. So muss man zunächst Hinweise auf neue Waffen, Rüstungen oder Schmuckstücke in Büchern oder Ähnlichem suchen, die nötigen Materialien finden und dann mit handwerklichem Feingefühl und einem stetig wachsenden Aktionsrepertoire den Schmiedehammer kreisen lassen. Dabei versucht man mit geschickt gewählten, aber begrenzten Aktionen vorgegebenen Idealpunkten möglichst nahe zu kommen, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen - ein ebenso spannendes wie motivierendes Unterfangen.
Motivierende Bastelstunde
Auch sonst werden unternehmungslustigen Abenteurern einige interessante Nebenbeschäftigungen angeboten: Von der serientypischen Hatz nach versteckten Schätzen und Minimedaillen über lukrative Kasino- und Arenabesuche bis hin zu Schnitzeljagden für Armbrustschützen und Jockey-Einsätzen auf der Pferderennbahn. In freier Wildbahn kann man sogar besiegte Monster gelegentlich als Fortbewegungsmittel nutzen und mit deren einzigartigen Sprung-, Kletter- oder Flugfähigkeiten sonst unzugängliche Orte erreichen.
Auf der Switch gibt es sogar zusätzliche Monsterexemplare, Ausflüge in frühere Dragon-Quest-Welten und charakterspezifische Nebengeschichten.Die mit Angriffsvorteilen initiierbaren Kämpfe laufen in klassischer Rundenmanier ab, wobei man die Aktionen der bis zu vier einsetzbaren Charaktere entweder selbst wählen oder der KI überlassen kann. Wer will, kann auch nur eine Figur selbst dirigieren und die anderen nach vorgegebenen Verhaltensmustern agieren oder alles vollautomatisch ablaufen lassen. Selbst auf die Darstellung der Kampfhandlungen kann Einfluss genommen, passive Gruppenmitglieder jederzeit eingewechselt, Ausrüstungen angepasst werden. Auf der Switch stehen sogar drei Geschwindigkeitsstufen zur Wahl, die das Kampfgeschehen auf Wunsch merklich beschleunigen.
Auf in den Kampf
Neben waffenspezifischen Angriffen, können auch gelernte Zauber und Fertigkeiten eingesetzt, mitgeführte Gegenstände benutzt, Abwehrhaltungen eingenommen oder Fluchtversuche unternommen werden. Mit zunehmender Kampfdauer können die Beteiligten sogar vorübergehend über sich hinauswachsen und mit erhöhten Werten agieren. Befinden sich mehrere Gruppenmitglieder zur gleichen Zeit in dieser Verfassung können je nach Zusammensetzung auch besonders verheerende oder rettende Koop-Manöver ausgeführt werden. Amüsant sind auch wieder Statusleiden wie notorisches Tanzen oder Lachen sowie Gegner, die ohne ausreichend MP zu zaubern versuchen und kläglich scheitern.
Schade nur, dass es nach wie vor keine Zugfolgenanzeige gibt, um Aktionen besser abstimmen zu können, und auf See nach wie vor altmodische Zufallskämpfe bestritten werden müssen. Auch das Formationssystem ist sehr rudimentär. Nicht einmal der Schwierigkeitsgrad lässt sich anpassen.
Zwar haben die Entwickler für den westlichen Markt sogenannte Drakonische Spielregeln eingeführt, durch die man sich vor Spielbeginn diverse Handicaps wie keine Fluchtversuche, Item-Einsätze oder Ausrüstungskäufe auferlegen kann. Doch die können im Nachhinein nur wieder deaktiviert, nicht aber nachträglich hinzugefügt werden.Luft nach oben
Ansonsten hängt der Schwierigkeitsgrad natürlich hauptsächlich von der aktuellen Charakterstufe und Ausrüstung sowie den freigeschalteten Fertigkeiten ab. Exzessives Aufleveln wie in früheren Serienteilen ist in Dragon Quest 11 jedoch nicht nötig. Zudem können in Zauber, Fertigkeiten und Wertesteigerungen investierte Talentpunkte an Speicherpunkten jederzeit gegen einen Obolus zurückerlangt und neu verteilt werden.
Ein freies Sichern des Spielstands ist aber leider immer noch tabu, die Anzahl der Save-Slots mit neun sehr begrenzt. Zwar wird gelegentlich auch ein automatischer Speicherpunkt gesetzt, gezielte Sicherungen des Spielfortschritts sind aber nach wie vor nur in Kirchen und an gesegneten Statuen möglich, wo man obendrein gegen Bezahlung Wiederbelebungen durchführen und Statusleiden kurieren kann.
Segnen alle Gruppenmitglieder das Zeitliche, hat man zudem mehrere Optionen wie und wo man wieder ins Abenteuer einsteigen will - den verlorenen Kampf einfach zu wiederholen zählt aber leider nicht dazu...Umstrittene Altlasten
Ähnlich veraltet wie das Speichersystem ist auch das Inventar mit all seinen Taschen und persönlichen Beuteln, die man immer wieder umsortieren und nachfüllen muss. Auch die Menüführung wirkt trotz nachträglicher Anpassungen und Komfortoptionen wie automatischen Heilungen und Ausrüstungen wie ein Relikt aus der Rollenspielurzeit. Auf Touch- oder Bewegungsunterstützung, die gerade im Fotomodus praktisch gewesen wäre, wurde ebenfalls verzichtet. Dass nicht jeder Ausrüstungswechsel optisch dargestellt wird, ist hingegen okay, da dies eben nur bestimmten Kombinationen vorbehalten ist, die es zu finden und sammeln gilt.
Zur Orientierung dient eine variable Kartenfunktion mit eingetragenen Sammelstellen, Questgebern und Reisepunkten, die man per Teleport-Zauber erreichen kann. Penetrante Zielmarker für jede Kleinigkeit gibt's jedoch keine. Wer Hilfe braucht, fragt einfach seine Gefährten um Rat. Praktisch sind auch die kurzen Rückblicke, wenn man sein Abenteuer nach einer Auszeit fortsetzt, oder die zahlreichen Tipps und Erklärungen, die bei längeren Ladepausen eingeblendet werden. Wer will, kann auch in Datenbanken stöbern oder Statistiken wälzen, wenngleich die Schriftgröße speziell im Handheld-Modus mitunter etwas klein geraten ist.
Viel zu tun
Für besonders ambitionierte Sammler gibt es spielinterne Ehrungen, die man für bestimmte Leistungen erhält. Der Clou ist allerdings der neue 2D-Modus durch den man das Spiel komplett in nostalgischem 16-Bit-Stil, mit traditionellen Zufallskämpfen und ohne lange Ladezeiten erleben kann.
Der Wechsel zwischen 2D und 3D ist zwar nur zu bestimmten Story-Punkten möglich, bietet aber nicht nur Retrofans und Kennern des Originals eine interessante und kompakte Alternative zum eigentlichen Abenteuer, mit dem man sich problemlos über 100 Stunden beschäftigen kann.Gerade Entdecker können sich auf viele Schätze, Verstecke und Geheimnisse freuen. Man kann wieder in Brunnen steigen, auf Dächer klettern, über Seile balancieren und verborgene Bereiche erkunden. Zudem gibt es viele liebevolle Details wie Charaktere, die sich beschweren, wenn man in ihr Haus kommt und ihre Sachen durchwühlt oder wenn man versucht Schilder von der falschen Seite zu lesen. Schön ist auch, dass selbst nicht an Kämpfen beteiligte Gruppenmitglieder Erfahrung sammeln und man so völlig frei mit Aufstellungen experimentieren oder sich auf sein Dream-Team konzentrieren kann.
Fazit
Dragon Quest 11 bietet auch auf Switch ungemein charmante Rollenspielunterhaltung alter japanischer Schule: Von den klassischen Rundenkämpfen ohne anpassbaren Schwierigkeitsgrad, die sich auf Switch zumindest beschleunigen lassen, über das angestaubte Speicher- und Inventarsystem bis hin zum nahezu völlig stummen Protagonisten. Veteranen wird's freuen, jüngere Semester womöglich zunächst abschrecken. Wer sich aber auf die Zeitreise einlässt, erlebt ein durch und durch liebevoll inszeniertes Rollenspiel-Abenteuer, wie man es heute nur noch selten findet. Doch nicht nur die inneren Werte wie die individuelle Charakterpflege, das interaktive Crafting-System oder die abwechslungsreichen Nebenaufgaben sorgen für Begeisterung, auch die schmucke Zeichentrickgrafik mit ihren prächtigen Animationen kann sich sehen lassen. Switch-Spieler können sich außerdem über zusätzliche Geschichten und Monster freuen, einen nostalgischen 2D-Modus aktivieren und zwischen Orchester- und Synthesizer-Soundtrack sowie englischer und japanischer Sprecher wählen. Vorbildlich!
Pro
- charmante Anime-Optik im 3D-Modus
- nostalgische 16-Bit-Grafik im neuen 2D-Modus
- individuell formbare Charaktere
- anpassbares und beschleunigbares Rundenkampfsystem
- Gegner als Fortbewegungsmittel mit speziellen Fähigkeiten
- zeit- und wetterabhängige Besonderheiten
- abwechslungsreiche Nebenaufgaben
- motivierendes Crafting-System
- viele liebevolle Details
- praktische Kartenfunktion
- optionale Handicaps
- zusätzliche Nebengeschichten und Monster
- Wahl zwischen Synthesizer- und Orchester-Soundtrack
- Wahl zwischen englischer und japanischer Tonspur
Kontra
- nahezu stummer Protagonist
- antiquiertes Speicher
- & Inventarsystem
- keine Zugfolgenanzeige
- kein fliegender Wechsel zwischen 2D
- und 3D-Modus
- keine Touch
- oder Bewegungsunterstützung
- mitunter etwas kleine Schrift (Handheld-Modus)
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