Frostpunk - Test, Taktik & Strategie, Mac, PC, PlayStation4, XboxOne

Frostpunk
10.10.2019, Jörg Luibl

Test: Frostpunk

Überleben im Eis

Im Mai 2018 inszenierte Frostpunk (ab 16,88€ bei kaufen) auf dem Rechner ebenso ungewöhnliche wie unterhaltsame Aufbau-Strategie: Als Anführer einer Gruppe apokalyptischer Exilanten musste man in eisiger Kälte eine funktionierende Siedlung aufbauen. Und dabei setzten die 11bit studios den Spieler ähnlich wie in This War of Mine mit moralischen und ethischen Fragen unter Druck. Wie spielt sich der Hit aus Polen auf Konsolen?

Als Jakub Stokalski im April den Sommer als Termin für die Konsolen-Version in Aussicht stellte, war er wohl zu optimistisch. Aber die zusätzlich Arbeit, die der Senior Lead Designer und sein Team in die Steuerung sowie die Balance investiert haben, zahlt sich aus: Frostpunk spielt sich auf PlayStation 4 und Xbox One sehr gut. Und das ist nicht selbstverständlich, denn hinter dieser vermeintlich überschaubaren Aufbau-Strategie, die man in einem Krater mit ein paar Hütten und Reaktor startet, verbergen sich viele visuelle Kleinigkeiten und Mechaniken, Anzeigen und Technologiebäume, Dialogfenster, Interaktionen sowie eine Oberwelt mit Adventure-Flair. Es gibt einige Perspektivwechsel, dazu kleine Icons & Co, für die Maus und Tastatur prädestiniert scheinen.

Die Arbeit hat sich gelohnt

Die Steuerung an der Konsole ist trotz voll belegtem Gamepad überaus intuitiv.
Aber all das lässt sich dank intuitiver Belegung von Analogsticks und Schultertasten sowie hilfreichen Kreismenüs so gut bedienen, dass auch Einsteiger keine Probleme am Gamepad bekommen sollten - auch das Platzieren von Gebäuden oder Straßen geht in einer Draufsicht präzise von der Hand. Dazu trägt das subtil in die Kampagne integrierte Tutorial sowie die Option bei, sich alle Hilfen über Gebäudefunktionen, Lager & Co separat anzeigen zu lassen. Man kann jederzeit auf Knopfdruck pausieren oder in drei Stufen beschleunigen, die Kamera drehen und zoomen - wie auf dem PC aber leider nicht weit genug hinein, so dass es bei einer gewissen visuellen Distanz zur Bevölkerung bleibt, die ameisenhaft malocht oder demonstriert.

In einem Krater einer Eiswüste kämpft man bei bis zu minus 60 Grad ums Überleben - in der Mitte der wichtige Reaktor, der Kohle in Wärme verwandelt.
Trotzdem kann man jeden einzelnen Exilanten aufrufen, seinen Namen, Gesundheit, Arbeit sowie Aktion erkennen; außerdem melden sich Bewohner immer wieder in persönlichen  Portraits und geben Feedback zur aktuellen Lage: Man freut sich über Zusatzrationen oder äußert seine Hoffnung oder Angst angesichts gerade verabschiedeter Gesetze oder Ereignisse. Zwar hätte man die Schrift hier und da noch einen Tick größer gestalten können, aber unterm Strich kann man die Texte und Beschreibungen gut lesen, so dass recht zügig ein angenehmer, auch erzählerisch umrahmter Spielfluss auf der Couch entsteht.

Überleben in der Eiswüste

Was soll man als Gesetz verabschieden? Alles hat Vor- und Nachteile.
Aber so gemütlich das hervorragende Artdesign der 11 bit studios wirkt, wenn glutrote Öfen in der eisblauen Kälte wummern oder die Sonne am Morgen für etwas Wärme und Licht sorgt: Es geht knallhart zur Sache, denn die aus London vertriebenen Menschen kämpfen in der kargen Eiswüste mit ihren zweistelligen Minusgraden, die bis zu 60 Grad erreichen, jeden Tag ums Überleben - Eike hat das in seinem Test damals herausgearbeitet. Während es in vielen normalen Strategiespielen meist um die Wirtschaft und Warenketten geht, muss man hier neben Wohnraum und Nahrung, Holz, Stahl und Kohle nicht nur die Unzufriedenheit und Hoffnung seiner Bewohner im Auge behalten, sondern auch schwere politische Entscheidungen über Gesetze treffen, die fast alle das eigene Gewissen kitzeln und sich auf die Moral auswirken. Was für eine Art Anführer will man sein? Man kann auf verschiedene Art radikal regieren, aber auch mal ein Auge zudrücken oder sogar stets das Wohl der Bevölkerung im Auge behalten.

Dabei entsteht schon in den ersten Stunden eine eindringliche Atmosphäre, die mit Themen wie Kinderarbeit, Hunger & Co an die Schattenseiten des viktorianischen England erinnert. Man fühlt sich fast wie in einem düsteren Steampunk-Roman von Charles Dickens, wenn Mütter für ihre Kinder um Extrarationen bitten. Lässt man Ausnahmen zu oder bleibt man hart? Hinzu kommt eine futuristische Orwell'sche Komponente, wenn Suchscheinwerfer alles abdecken oder ein Riesenroboter auf zwei Beinen durch die engen Gassen stakst. Plötzlich formiert sich eine Gruppe Aufständischer, die die Enklave verlassen und nach London zurückkeheren will - kann man ihre Anhänger zurückgewinnen, vielleicht Arenen, Wirtshäuser und Bordelle bauen?

Zurück nach London

An der Oberwelt schickt man Scouts auf Erkundungen oder ganze Expeditionen los.

Egal ob man Suppen mit Holzspänen verdünnt, schwer Kranke sterben lässt oder die Leute zu 24-Stunden-Schichten zwingt - alles wirkt sich aus. Hat man zu Beginn noch das Gefühl, dass es reichlich Nahrung, Kohle, Stahl und Holz gibt, werden die Rohstoffe immer seltener und die ersten Engpässe führen dazu, dass man noch konsequenter regieren muss. Dann fällt der Reaktor aus, weil die Kohle zur Neige geht, die Kälte führt zu mehr Unzufriedenheit, zu mehr Kranken, für Zulauf bei den Aufständischen und man wartet verzweifelt auf die Expedition, die irgendwo da draußen 800 Einheiten Kohle ins Lager schleppt - sie braucht noch acht Stunden, die ersten Toten werden beerdigt...

Wenn man dem Weg der Ordnung folgt, kann man auch Wachtürme und -stationen bauen, um die Aufständischen "Londoner" im Auge zu behalten.


Überwachung oder Opium fürs Volk

Trotz der gnadenlosen Themen gibt es aber auch Grund zur Hoffnung, muss man nicht alles auf die harte Tour lösen, kann man Kompromisse finden und so clever haushalten, dass alle eine Bleibe haben und versorgt sind - zumindest für ein paar Tage. Hinzu kommt Abenteuerflair über Scouts an der Oberfläche, denn die schickt man auf Erkundungstour und kann auch dort kleine Entscheidungen treffen, Beute finden oder Außenposten gründen - ganz so depressiv wie in This War of Mine wird es hier nicht. Aber die Dramaturgie zieht irgendwann spürbar an, wenn man zwischen zwei grundsätzlichen Strategien mit eigenen Technologiebäumen wählen muss: Auf der einen Seite den Weg der Disziplin und Ordnung inkl. Überwachungs- und Polizeiapparat, auf der anderen Seite Glaube und Spiritualität inkl. religiöser Propaganda und Heilsbotschaften. Es gibt also keinen "demokratischen" Weg der Vernunft hinaus.

Neben der Kampagne gibt es einen Endlos-Modus sowie drei Szenarien.

Auch wenn man vielleicht Waren-Management en detail vermisst und der Widerstand gegen das Regime ähnlich abläuft: Da sich unterschiedliche Ereignisse und Reaktionen ergeben, wird der Wiederspielwert der Kampagne zumindest auf ideologischer Ebene erhöht. Dazu trägt auf der Konsole bei, dass alle bisher erschienenen kostenlosen Updates der PC-Version enthalten sind. Es gibt also sofort einen Endlos-Modus, den man auch mit reichlich Ressourcen gemütlich angehen kann, und drei Szenarien mit eigenen Zielen. Beide Spielmodi kann man zudem in mehreren Punkten hinsichtlich des vierstufigen Schwierigkeitsgrades anpassen, außerdem andere Regionen wie Schlucht oder Felsen wählen. Darüber hinaus sind für die Zukunft weitere Inhalte geplant.

Fazit

Frostpunk spielt sich sehr gut auf der PlayStation 4 und Xbox One. Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man seine Siedlung in der eisigen Kälte hochzieht. Zum einen ist die Steuerung über Analogsticks, Kreismenüs & Co intuitiv, zum anderen sorgt das außergewöhnliche Spieldesign dafür, dass neben der rein wirtschaftlichen auch eine erzählerische Anziehungskraft entsteht: Moral und Ethik werden gekitzelt, Entscheidungen und Konsequenzen verlangt. Das hervorragende Artdesign sorgt für eine trügerische Gemütlichkeit, wenn glutrote Öfen in einem eisblauen Krater wabern. Hinzu kommt Abenteuerflair über die Scouts und Expeditionen. Man fühlt sich fast wie in einem Steampunk-Roman von Charles Dickens: Denn auch hier lauert unter der Oberfläche eine gnadenlose Realität voller Frostbeulen, Leid und Tod. Für mich gehört Frostpunk zu den innovativsten Aufbau-Strategiespielen der letzten Jahre. Und die 11bit studios demonstrieren, dass man solche Highlights auch auf der Konsole inszenieren kann. Da auch alle Erweiterungen enthalten sind, die teilweise einige Kritikpunkte beheben, heben wir die Wertung nochmal an.

Pro

  • sehr gute Konsolen-Umsetzung
  • intuitive und präzise Steuerung
  • enthält alle Updates und Erweiterungen
  • anspruchsvolle Aufbau-Strategie
  • Wahl zwischen religiösem Kult oder Polizeistaat
  • einfache, aber durchdachte Mechaniken
  • sehr gutes Artdesign, tolles Steampunk-Flair
  • übersichtliche Statistiken
  • moralische Entscheidungen mit Konsequenzen
  • lebendiges Feedback der Bewohner
  • freies Spiel oder Szenarien
  • manuelles Speichern
  • Schwierigkeitsgrad mehrstufig anpassbar
  • viele Optionen

Kontra

  • man vermisst näheres Heranzoomen an Bewohner
  • Entscheidungen werden zu Checklisten bei erneutem Durchgang
  • wenig komplexe Warenstrukturen

Wertung

PlayStation4

Frostpunk spielt sich sehr gut auf der PlayStation 4 und Xbox One. Da auch alle Erweiterungen enthalten sind, die teilweise einige Kritikpunkte beheben, heben wir die Wertung nochmal an.

XboxOne

Frostpunk spielt sich sehr gut auf der PlayStation 4 und Xbox One. Da auch alle Erweiterungen enthalten sind, die teilweise einige Kritikpunkte beheben, heben wir die Wertung nochmal an.

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  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
CritsJumper

Wie sieht es denn mit der Wiederspielbarkeit aus, ist das eher "one and done" oder gibts etwas das einen motiviert noch einen Durchlauf zu starten?
Vielleicht bei dem Endlosspiel? Ich bin noch am Anfang, und da ist es halt wie bei Dark Souls. Man spielt immer für einige Stunden, speichert.. lädt neu, probiert es besser zu machen und hat dabei Erfolg oder keinen Erfolg.

Ist wie bei einem Sim City oder Anno, wo hin und wieder ein etwas anderer Anlauf bei ehemals 75% erfolgen muss. Aber hier macht es mir mehr Spaß als bei einem Wirtschafts-Simulator weil so vieles unheimlich persönlich ist.. hier sterben Menschen! Die man mit dem Namen kennt und man tut alles, wirklich alles um noch ein wenig Hoffnung zusammen zu kratzen.

Das Probelm mit one and done... ist halt das wenn man ein mal alles, wirklich alles von einem Spiel gesehen hat, wird es uninteressant. Ich kann den Zufall noch nicht abschätzen. Aber bis zu dem one and done, vergehen bestimmt 150 Stunden.

Edit: Wenn Noughty Dog mal nichts zu tun hat. Können sie zu dem Game einfach Motion Capturing Support anbieten für Texte und Videos. Ich wette das Spiel wäre ein nächstes Herr der Ringe oder Star Wars... die Story gefällt mir wirklich sehr gut auch wegen dem hohen Wiederspielwert.

Edit 2: Ich bin weiter, hab jetzt aber einen ärgerlichen Bug der mir fast das Weiterspielen verdirbt. Ich hab fast 300 Essensvorräte auf Lager, aber die Menschen Hungern. Brauchen die Quasi einen Speisesaal-Platz um zu Essen?
Hab den Eindruck das es eben nicht weitergeht, weil der Speisesaal keine Nahrung mehr produziert weil das Lager voll ist. Dennoch hungern die 14 Menschen, obwohl doch genug Essensvorräte da sind?
Ich probiere es heute Abend mal mit einem weiteren Rohstoff-Depot oder einem weiteren Speisesaal. Hab halt neue Mitbewohner durch eine Suche erhalten und jetzt wollen alle trotzdem Richtung London reisen wenn ich nicht die Hoffnung auf 15% steigere. Da sie aber zuvor Zufrieden waren, fällt mir das jetzt richtig schwer die Hoffnung zu steigern... ist eine seltsame Ungläubige Situation die ich da hab. (Ah ich hab Reißbretter erforscht und halt schon einen Automaten und zwei Karawanen gerettet.)

Edit 3: Scheinbar essen die Bewohner auch ausschließlich im Speisesaal und der kann Maximal Y Bewohner in den Stunden der Mahlzeit bedienen. Es hilft mehrere Speisesäle zu bauen und ein Gleichgewicht an Kindern/Arbeitern herzustellen. Aber keine Sorge, das Spiel Zwingt euch neu anzufangen und den Ansatz (noch mal) zu überdenken und es vielleicht alternativ auszugleichen. Wirklich gut ausbalanciert... Viel Spaß!

vor 5 Jahren
CritsJumper

Das Spiel ist sehr gut aber mir fehlt ein wenig ein Handbuch oder ein gutes Tutorial. Hier heißt es halt "Learning by Doing" was natürlich auch klappt aber es müssen erst mal einige Einwohner sterben bevor man die Siedlung perfekt plant.

Auch wird hier alles Stück für Stück frei geschaltet und setzt auf ein Trail and Error.

Für mich ein wenig ärgerlich weil ich lieber zuerst das Handbuch komplett lesen würde, mir dann in Gedanken einen optimale Stadt aufbauen würde um zu sehen ob es sich so verhält. Aber jetzt dann doch erst mal so. Ein gutes Spiel ist es auf jeden Fall!

So nach Tag 14, der bin ich gerade mal über das Anfänger-Tutorial hinaus.

Eigentlich ist ja immer alles Knapp und man muss den Ofen oft aus schalten, schauen das Rechtzeitig das richtige gesammelt wird und die entsprechenden Gesetze erlassen werden.

Erst jetzt bemerke ich, das dieser Versuch und Irrtum, eben die Besonderheit an dem Spiel ist. Nur so wird man auf Probleme Aufmerksam und kann beim nächsten mal gegensteuern. Es entwickelt auch eine schöne Tiefe. Gleich zu Beginn frage ich mich ob es anders gelaufen wäre wenn meine Signalstation direkt gesendet hätte. Vielleicht fange ich noch mal neu an. Dennoch. Alle liegen einem so richtig am Herzen. Tolles Spiel!

vor 5 Jahren
4P|Mathias

Aloha,

klassischer Früh- bzw. Fehlstart des Tests. Autsch und Pardon für die entstandene Euphorie,
Thread wird am 10.10. wieder geöffnet,

Cheers,

vor 5 Jahren
Seitenwerk

Sau gutes suchtendes Spiel. Kann mit aber kaum vorstellen das, auch noch so innovative und gut gemachte Gamepad Steuerung das es an Maus und Tastatur ran kommt.
Ich finde sogar das viele Spiele auf der Konsole mit Controller noch besser zu spielen sind. Bestes Beispiel ist sicher unter anderem Xcom. Da wurde damals oft gesagt das die Konsolen Umsetzung sogar noch ein ticken besser ist. Ich denke es liegt daran das man eben am Pad einserstes alle relevanten Tasten direkt erreichbar ist und weil sich die Entwickler hinsetzen und die ganzen Menüsund das Interface allgemein mal richtig optimieren. Am Pc hat man oft das Gefühl das da einfach gesagt wird "Noch mehr Menüs und Funktionen, egal, gibts halt noch extra Tastaturkürzel". Wenn ich zb grad an Tropico 6 denk: Die optimierten Ring Menüs sind so sauber und schnell, dass ich mit der Maus vermutlich nie so schnell sein könnte ein bestimmtes Gebäude oder Element zu selektieren, wie ich dort schon blind nur in die Richtung drücken muss um das gewünschte Gebäude zu haben. Am PC ginge das in der Form vermutlich wieder über 50 Tastaturkürzel die man sich merken dürfte.

vor 5 Jahren
Spiritflare82

Wie sieht es denn mit der Wiederspielbarkeit aus, ist das eher "one and done" oder gibts etwas das einen motiviert noch einen Durchlauf zu starten?

vor 5 Jahren