Stormland - Test, Action-Adventure, OculusRift, VirtualReality

Stormland
15.11.2019, Jan Wöbbeking

Test: Stormland

Das erste große Action-Adventure?

Oculus hat derzeit einen Lauf: Nach dem erfreulich umfangreichen Rollenspiel Asgard‘s Wrath (zum Test) soll jetzt das Action-Adventure in VR neu definiert werden. Eine mysteriöse offene Welt, zahlreiche Upgrades und eine futuristische Geschichte sollen Interessierte PC-Spieler unters Headset locken. Gelingt dem Entwickler von Marvel's Spider-Man und Edge of Nowhere der große Wurf?

Mittlerweile wurde Insomniac Games sogar vom Konkurrenten Sony aufgekauft, doch vor dem Abgang liefert das Studio natürlich trotzdem noch sein großes exklusives Action-Adventure für Rift und Rift S ab. Die Bewegung durch die surreale Welt ist ein wahr gewordener Traum: Wenn man mit ausgestreckten Händen über Wolkenflächen gleitet, sich auf die felsigen Inseln katapultiert, durch die Luft schwebt und faszinierend fremdartige Festungen hinaufklettert, weckt das sofort Erinnerungen an den Kinofilm „Der Rasenmähermann“.

Abschlussarbeit für Oculus

Trotz hoher Geschwindigkeit haben die Entwickler Wege der Fortbewegung gefunden, die sich unheimlich gut anfühlen und nicht einmal bei empfindlichen Spielern für Übelkeit sorgen. Nach etwas Eingewöhnung katapultiert man sich metergenau hinter feindliche Stützpunkte. Dank magnetisch haftender Haken und rettender Hilfsdüsen klettert man flink wie ein Affe an Gesteins-Massiven empor, die ein ähnlich beeindruckendes Panorama abgeben wie in The Climb von Crytek. Auch aus der Nähe wird klar, wie viel Aufwand in die Grafik geflossen ist. Anders als in Asgard‘s Wrath protzt sie nicht mit großen Texturen, sondern eher mit hübschen Spiegelungen und Effekten.

Lust auf eine Runde Wolkensurfen? Man kann jederzeit direkt zum Sprung von einer Klippe ansetzen - um dann erstaunlich schnell zu einem entfernten Missionsziel zu düsen.
Die Welt ist schließlich zum Teil prozedural generiert. Charakteristische Versatzstücke wie Kuppelhallen oder im Sturm blitzende Festungsflügel wurden aber von Level-Designern gestaltet. Der Anfang der professionell auf Englisch vertonten Geschichte wirkt vielversprechend. Als Botanik-Androide mit Gedächtnisverlust wacht man in der verwüsteten Welt auf und begibt sich auf die Suche alter Kollegen wie der todkranke Robo-Gärtnerin Nix. Nachdem man dem Notsingal der KI Eco gefogt ist, hilft diese dabei, allerlei Fähigkeiten im eigenen Androiden-Körper freizuschalten. Diese Extras hängen mit der geheimnisvoll glühenden Pflanze zusammen, die sich im metallischen Körper festgesetzt hat. Hierbei werden die Vorteile des Mediums VR im Bereich der Präsenz deutlich: Als die Knospe quasi langsam ins eigene Herz schwebte, sorgte das für ein deutlich mulmigeres und gleichzeitig aufregenderes Gefühl als das auf dem TV möglich wäre.

Land der Panoramen

Arm-Upgrades wie einen Energieschild, einen aufladbaren Schuss aus der Hand oder einen Schwebe-Boost hat man auch dringend nötig, denn die fragmentierte Welt aus Inseln zwischen Wolkenflächen ist mit den so genannten Tempest-Kriegern übersäht. Warum haben sie die hoch gelegene Anvil-Sphäre mit Kriegsmaschinerie übersäht? Und wohin sind all die menschlichen Forscher verschwunden, von denen lediglich einige Labore und Audio-Logs übrigblieben? Schade, dass diese Ausgangslage nicht mit spannenden Handlungssträngen oder Wendungen fortgeführt wird. Stattdessen spielt die Story in der späteren Aneinanderreihung von Quests nur noch eine untergeordnete Rolle. Nach und nach rüstet man sein metallenes Alter-Ego auch mit diversen Pflanzen-Perks auf, die z.B. mehr Munitionskapazität für bestimmte Waffentypen, einen explosiven Aufprall oder eine Verstärkung des Schildes mit sich bringen.

Hat man den Gegnern einige Waffen entrissen oder selbst welche an der Werkbank weiterentwickelt, geht es in die Schlacht. Auf der Suche nach Schlüsseln und ein paar feindlichen Schildgeneratoren stößt man z.B. auf Peilgeräte, welche den nächsten Einsatzort eingrenzen. Die Tempest-Außenposten lassen sich relativ frei angreifen: Mit Hilfe eines Scharfschützengewehrs pflückt man z.B. Sniper von Bäumen oder Felsen, schmeißt eine der Brand- oder EMP-Granate in die Meute und liefert sich schließlich eine Schießerei mit einfachen Patrouillen und fetteren Mechs. Wer möchte, kann zur Ablenkung auch einen Stein schmeißen, sich per Predator-Tarnung anschleichen und gleich mehreren Wachen die Batterie aus dem Rücken rupfen. Schade, dass ihre Stimmen so schlecht abgemischt sind. Sie ertönen zwar aus der passenden Richtung, aber oft viel zu laut und mit zu wenig räumlichem Hall, um ihren Abstand vernünftig orten zu können.

Erkunden, craften, ballern

Dank der allgemein hohen Immersion kommt durchaus ein unterhaltsamer Spielfluss auf, wenn man die knarzig plappernden Blechbüchsen mit seinem Arsenal überrascht. Aufgrund der schwachen KI wehren sich viele davon aber deutlich zu spät. Haben sie die Gefahr entdeckt, ist es für sie meist schon zu spät, sich passend auszurichten oder den sehr agilen Spieler zu flankieren. Anders als in den schmalen Arealen von Asgard‘s Wrath schaffen es die Tempest nur selten, ihren Feind wirklich unter Druck zu setzen. Außerdem gibt es kaum echte, fordernde Bosskämpfe mit mehreren Phasen oder Puzzle-Anteilen. Lediglich am Rande der großen Festungen kommt man durch die Überzahl der Feinde angenehm ins Schwitzen.

Ab hinter den Schild: Allzu komplex fallen die Angriffsstrategien der Tempest leider nicht aus.
Die Vielzahl der Waffen, Gadgets und Upgrades ist ebenfalls ein zweischneidiges Schwert: Einerseits hat man so auch nach der rund sechs Stunden kurzen Haupt-Story noch angenehm viel zu experimentieren - z.B. mit dem zweihändigen Alternativmodus der Kanonen. So düst man irgendwann immer geschickter und stilvoller durch die Welt, um die Tempest über den Haufen zu schießen. Andererseits wird man aber zu früh mit den Neuerungen überfrachtet: Bevor man sich richtig an seinem coolen neuen Robo-Arm gewöhnt hat, wird er schon mit dem nächsten für eine Spezialmission ersetzt.

Massenhaft Upgrades

Hinzu kommt, dass die Steuerung manchmal überbelegt wirkt, so dass man beim Klettern versehentlich eine starke Waffe wegwirft oder neben einem Holster ins Leere greift. Nach ein wenig wirrem Geruder durch die Luft steht man plötzlich wie mit heruntergelassenen Hosen vor einem Grüppchen Gegnern – und muss sich wieder zurückziehen. Insomniac setzt insgesamt zu stark auf Gesten. Ein paar Knopf-Kommandos mehr hätten hier Wunder gewirkt! Auch das Sammeln von Ressourcen wie Metallen oder Früchten nimmt manchmal Überhand. Besser gefallen hat mich das Scannen der Umgebung, weil man hierbei tatsächlich das Gefühl hat, eine fremde Welt zu erfassen – inklusive stimmungsvoll inszenierter Witterung und entspannten Synthie-Klängen.

Technisch gehört Stormland zu den bisher anspruchsvollsten VR-Titeln. Die offene Welt bringt laut den Entwicklern vor allem den Prozessor ins Schwitzen. Meist blieb es mit unserem Core i7 8700k und einer GeForce GTX 2080 Ti sogar auf Ultra-Einstellungen flüssig. Manche Grotten oder lebhaft animierte Sturmszenen sorgten aber für kleine Ruckel-Einlagen – sogar auf Medium. Eine Hand voll Abstürze, HUD-Fehler und in der Luft schwebende Objekte habe ich zwar auch erlebt, die Probleme ließen sich im Extremfall aber durch einen Neustart aus der Welt schaffen.

Technik-Perle für VR

Wer möchte, darf außerdem einen Freund oder Fremden zum Beitreten einladen und kooperativ spielen, was bei mir sogar mit einem Partner aus den USA recht gut und flüssig klappte. Zu Beginn darf allerdings nur der Spieler den Fortschritt behalten, der schon mehr von der Story erlebt hat. Es empfiehlt sich daher, dass der Neueinsteiger den erfahrenen Partner einlädt. Danach kann der Neuling aufholen, und sobald beide am gleichen Punkt angelangt sind, zählt der Fortschritt schließlich für beide.

Die Ausrüstung wirkt dank feinster Spiegelungen, Unebenheiten und angelaufenem Metall fast schon fotorealistisch - vor allem unterm VR-Headset.
Nach dem ziemlich abrupten Ende der Haupt-Story öffnet sich die so genannte „Cycling World“: Einmal pro Woche ändert sich für alle Mitspieler fast die komplette Welt – inklusive neu zusammengesetzter Inseln, Festungen, Upgrades und Missionen. Solange der Timer zählt, darf man sich erneut in die höchsten Sphären hocharbeiten. Bei Erfolg startet in der Woche drauf eine noch kniffligere Variante der Welt. Ein schöner Weg, um auch nach der Geschichte die Motivation aufrecht zu erhalten, da man sich irgendwann immer wohler in der virtuellen Haut fühlt und mit mehr Selbstvertrauen gegen stärkere Widersacher antritt. Da die neue Umgebung für alle gleich ist, kann man mit anderen Spielern über Strategien und Fundorte diskutieren.

Neu gemischt

Fazit

Stormland war für mich ein echtes Auf und Ab der Gefühle: In den ersten Stunden war ich komplett fasziniert von der surrealen, wunderhübsch umgesetzten Science-Fiction-Welt, der professionellen Inszenierung, dem flüssigen Wolkensurfen und dem allgemein tollen Schema der Fortbewegung. Und das sogar ganz ohne Nebenwirkungen in der Magengegend - trotz der Wahnsinnsgeschwindigkeit! Schwächen bei der Gegner-KI, die fummelige Holster-Handhabung und vor allem das abrupte Ende der Story verpassten meiner Euphorie aber nach rund sechs Stunden einen ordentlichen Dämpfer. Das soll es schon gewesen sein? Das war also das lange beworbene große VR-Action-Adventure von den Machern des genialen Sunset Overdrive? Als ich die Enttäuschung überwunden hatte, zog mich der zweite Durchgang aber schnell wieder in die Welt, die sich übrigens wöchentlich ändert - inklusive neu zusammengesetzter Inseln, Festungen, Upgrades und Missionen. Schön auch, dass man problemlos mit einem Freund oder Fremden übers Netz losziehen darf. Alles in allem also trotz einiger Macken ein empfehlenswerter Exklusiv-Titel für Besitzer der Rift bzw. Rift S – vor allem, weil es im VR-Bereich bislang fast nichts Vergleichbares gibt!

Pro

  • praktisches Bewegungs-Schema mit Klettern und Schweben
  • Wolken-Surfen fühlt sich großartig an
  • trotz hoher Geschwindigkeit sehr komfortabel
  • traumhafte traumartige Naturkulissen
  • beeindruckende Effekte und Spiegelungen
  • zahlreiche aufrüstbare Waffen und Gagdets
  • stimmungsvolle Inszenierung von Natur und Unwettern
  • wöchentlicher Welten-Remix sorgt für Wiederspielwert
  • komplettes Spiel kooperativ übers Netz spielbar

Kontra

  • Haupt-Story endet abrupt nach nur rund sechs Stunden
  • schwache Gegner-KI setzt den Spieler nur selten unter Druck
  • fummelige Holster-Handhabung
  • Ressourcen-Sammeln nimmt mitunter Überhand
  • kleine Bugs und seltene Abstürze
  • nur komplett Englisch erhältlich

Wertung

OculusRift

Faszinierendes offenes Action-Adventure mit einem mitreißendem Bewegungsschema - aber auch Problemen bei KI und Waffen-Handling.

VirtualReality

Faszinierendes offenes Action-Adventure mit einem mitreißendem Bewegungsschema - aber auch Problemen bei KI und Waffen-Handling.

Echtgeldtransaktionen

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  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
mellohippo

Hingegen finde ich die Grafik bei Asgards Wrath nicht soooo gut. DIe Arme haben zB keine Ellenbogen und es fühlt sich an, als seien meine Arme am Hals angewachsen.
Probier mal in diesem Fall neu zu kalibrieren (also Arme ausstrecken und Sticks drücken), dann müsste es von den Proportionen her wieder passen. Da scheint bei zu viel Herumgefuchtel manchmal was zu 'verrutschen'. Kann durchaus sein, dass das unlängst gepatcht wurde, grad kam umfangreiches Update.

Grafik in Asgards Wrath ist doch 'awesome', wie der Engländer sagt
Ja, ich weiß, durch drücken der Stick kann ich zB aufstehen, neu kalibrieren und zocken. Dann wieder hinsetzen, Sticks drücken, und weiter zocken. Dass die Kopfpostion immer angepasst wird.
Aber die Arme wachsen trotzdem aus dem hals heraus.,

Ich finde aber, dass dieser klinisch saubere Look wie zb bei Lone Echo viel schicker ist. Ist für mich eher sogar pure awesomeness. Aber Asgard Wrath ist trotzdem toll.
Wenn du beim Kalibrieren die Arme links und rechts ausstreckst, wird die Position der Hände ebenfalls angepasst. Bei mir befinden sich die Arme jedenfalls dann immer in der richtigen Position, genau wie bei Stormland, inkl. Ellenbogen.

vor 4 Jahren
kagrra83

Hingegen finde ich die Grafik bei Asgards Wrath nicht soooo gut. DIe Arme haben zB keine Ellenbogen und es fühlt sich an, als seien meine Arme am Hals angewachsen.
Probier mal in diesem Fall neu zu kalibrieren (also Arme ausstrecken und Sticks drücken), dann müsste es von den Proportionen her wieder passen. Da scheint bei zu viel Herumgefuchtel manchmal was zu 'verrutschen'. Kann durchaus sein, dass das unlängst gepatcht wurde, grad kam umfangreiches Update.

Grafik in Asgards Wrath ist doch 'awesome', wie der Engländer sagt
Ja, ich weiß, durch drücken der Stick kann ich zB aufstehen, neu kalibrieren und zocken. Dann wieder hinsetzen, Sticks drücken, und weiter zocken. Dass die Kopfpostion immer angepasst wird.
Aber die Arme wachsen trotzdem aus dem hals heraus.,

Ich finde aber, dass dieser klinisch saubere Look wie zb bei Lone Echo viel schicker ist. Ist für mich eher sogar pure awesomeness. Aber Asgard Wrath ist trotzdem toll.

vor 4 Jahren
Fyleth



Danke, immer wieder schön, von VR-Fans (plus denen unserer Arbeit) zu hören! Hast du auch eine Rift S oder andere Headsets?
Sehr gerne! Angefangen hat es für mich mit der PSVR & Skyrim (after pro patch), dann habe ich mir die Lenovo Explorer + Project Cars 2 geholt und DA wurde mir das Zukunftspotenzial auf einen Schlag bewusst. HOLY CRAP! Dieses Gefühl, da drin zu sein Seit dem Tag spare ich für eine neue VR Brille. Es wird definitiv die Valve Index. Sogottwill schon Anfang 2020....kann's kaum erwarten. Und dann muss natürlich sofort Asgard's Wrath und Stormland her. Hoffentlich mit guter Revive Unterstützung.
Ah, quasi schon eine komplette Reise durch die VR-Hardware. In punkto Project Cars bin ich neidisch, Auto-Rennspiele mag mein Magen meist nicht (Future Racer wie WipEout oder Radial G aber komischerweise schon).
Bei mir ist es genau umgedreht. Bei Wipeout muss ich erstmal ne Runde in Schrittgeschwindigkeit fahren, damit es mir nicht schwindelig wird Aber nach ner gewissen Eingewöhnung läuft's dann. Project Cars 2 hingegen hat bei mir nicht den Hauch von Übelkeit verursacht.

vor 4 Jahren