Concrete Genie - Test, Action-Adventure, VirtualReality, PlayStation4, PlayStationVR
Ash mag es geahnt haben – und das übersinnliche Zeichengerät gibt ihm die Gewissheit, als es beim Gerangel mit den Übeltätern in Kontakt kommt. Hat man erst einmal ein paar telepathische Einblicke in ihr kaputtes Familienleben bekommen, fühlt man schon eher Mitleid als eine Bedrohung, wenn sie Ash grölend auf die Dächer jagen oder sich über sein Skizzenbuch lustig machen. Ist es der Neid auf Ashs Kreativität? Dass er die Fähigkeit besitzt, sich in seine Bilder statt in sinnloses Gezanke zu flüchten?
Fluch oder Begabung?
Concrete Genie versteht es, diese Themen eher beiläufig und unauffällig anzusprechen. Und mit dem verfallenen Fischerstädtchen haben die Entwickler genau den richtigen Schauplatz für den angenehm entschleunigten Spielablauf gefunden. Fans verlassener Orte finden hier eine traumhaften Spielplatz zum Sammeln herumflatternder Seiten, welche die Bande aus Ashs magischem Skizzenbuch gerupft hat. Die Kulisse kann sich sehen lassen, vor allem wenn Ash einige Ortsteile zum Glühen gebracht hat: Urige Hütten, gefährliche Kraftwerkshallen und der alles überthronende Leuchtturm bieten einen angenehm hohen Detailgrad. Ab und zu geriet allerdings der Grafikchip unserer PS4 Pro ins Schwitzen, so dass es zu leichten, aber erträglichen Rucklern kam.
Entspannte Entdeckungstouren
Eine zentrale Rolle bei der Beleuchtung von Ashs alter Heimat sind die zweidimensionalen Geister, die er per Pinsel zum Leben erweckt und mit Hörnern ausstaffiert. Danach huschen sie an den verbundenen Wänden der Fischerhütten und Fabrikhallen entlang. Die Entwickler haben sich dabei offenbar von Titeln wie The Legend of Zelda: A Link Between Worlds inspirieren lassen. Der Feuerteufel flämmt störende rote Tücher aus dem Weg, um Durchgänge zu öffnen oder den platten Geistern den Weg zu neuen Wänden zu öffnen. Der Elektro-Genie ist sich nicht zu schade, als lebendige (oder untote?) Stromleitung zu fungieren. Manchmal müssen die ätherischen Wesen auch zusammen herbeigerufen werden, um zu kooperieren: Zwei Windgeister von rechts und links können einen Block schließlich besser in die Mitte pusten als einer.
Über diesen Würfel gelangt Ash wiederum auf neue Anhöhen, von denen aus er ähnlich wie Nathan Drake auf Kränen oder in der Kanalisation herumklettert. Sprungpassagen sind ebenfalls schön eingebunden. Schade, dass Handhabung und Animationen dabei mitunter etwas abgehackt wirken oder die Kamera spinnt. Für die meist ruhigen Rätsel und die Erkundung des Ortes bleibt die Steuerung aber präzise genug. Nebenbei lockt man auch mal die durchs Städtchen randalierende Jugendbande mit Rufen hinter eine Hütte, um schnell übers Dach zu flüchten und einige eben noch bewachte Glühbirnen mit Geisterfarbe zum Leuchten zu bringen.
Etwas haklig
Dieses Anpinseln der Wände ist eine zentrale Aufgabe des Spiels: Man kann zwar nicht wirklich kreativ werden und eigens gezeichnete Graffiti hinterlassen, doch auch das Herumspielen mit den freigeschalteten Vorlagen macht Spaß. Einfach mit der Bewegungsfunktion des DualShock-Controllers den Cursor bewegen und schon hat man ein paar Sterne, Glühpilze, Totempfähle oder diverse Pflanzen an die eben noch kahle Wand gepinselt. Das erfreut wiederum die Geister. Hat man ihre speziellen Mal-Aufträge erfüllt, helfen sie einem beim nächsten Puzzle oder füllen den Tank für Superfarbe auf. Diese Spezialflüssigkeit befreit schimmlige Wände von der oben erwähnten negativen Energie.
Geister und Dämonen
Auch die Kommandos für die KI-Partner, welche die Biester z.B. kurzzeitig blenden, helfen nur wenig. Offenbar haben auch die Entwickler irgendwann bemerkt, dass die Gefechte etwas wirr geraten sind: Der Schwierigkeitsgrad liegt dementsprechend niedrig, sowohl bei Attacken als auch beim Geschicklichkeitstest zum Zähmen der Geister. Vermutlich wollte man den an den Puzzles und an der Story interessierten Kunden nicht zu sehr mit der halbgaren Action auf die Nerven gehen.
VR-Spielerei
Spielerisch wird man hier aber nur gefordert, wenn man die Vorgaben und passend ausgerichteten Pinselstriche deuten muss. Daraus entsteht eine idyllische Landschaft für den kleinen „3D-Bob-Ross“ mit dem Namen Klecks. Das Maskottchen kann zwar nicht sprechen, aber Ash und die Bandenmitglieder wurden überzeugend vertont. Wir haben hauptsächlich mit der englischen Synchro gespielt - es ist aber schön, dass ein Spiel mit dieser Botschaft und Zielgruppe auch eine kompetente deutsche Vertonung bekommen hat.
Fazit
Concrete Genie verpackt seine rührende Story um einen Einzelgänger und seine Drangsalierer in einem magischen Action-Adventure: Vor allem der nächtlich glühende Fischerort hat es mir sofort angetan. Das nach einer Katastrophe aufgegebene Denska ist ein wunderhübscher Spielplatz für Freunde verlassener Orte, auf dem nur manchmal das Ruckeln die Idylle stört (getestet wurde auf einer PS4 Pro). In den Malerei-Puzzles mit an den Wänden herumwuselnden Geister-Helfern kann man zwar nicht so kreativ werden wie z. B. im ersten Scribblenauts und Crayon Physics Deluxe. Die leichter gehaltenen Rätsel passen aber gut zur sehr entspannenden Erkundung. Die hektischen und etwas hakeligen Kämpfe wirken wie ein seltsamer Bruch mit dem gemütlichen Spieltempo. PSVR-Spieler kommen zudem kaum auf ihre Kosten: Ein Stündchen lang sind der freie Mal-Modus und die Interaktion mit Maskottchen Klecks ein lustiges Extra, viel mehr wird aber nicht geboten. Im Zentrum des Hauptspiels auf dem TV steht aber die emotionale Geschichte – und in diesem Bereich beweist Entwickler Pixelopus viel Fingerspitzengefühl! Da die kleinen separaten PSVR-Extras nicht als komplettes Spiel anzusehen sind, haben wir bei dieser Plattform auf eine eigene Wertung verzichtet.
Pro
- herzerwärmende Geschichte
- faszinierender verlassener Fischerort
- hübsch glühende Beleuchtung (vor allem in HDR)
- entspannter Mix aus Erkundung, Malen und Geister-Rätseln
- dynamischer Soundtrack
- gelungene englische Vertonung
Kontra
- Steuerung manchmal hakelig
- leichtes Ruckeln
- halbgare, etwas wirre Kämpfe
- Rätsel weitaus weniger kreativ als in anderen magischen Pinsel-Spielen
- VR-Modus bleibt nur eine kurzfristig lustige Spielerei