Indivisible - Test, Rollenspiel, Linux, Mac, PC, XboxOne, Switch, PlayStation4
Indivisible ist eine ungewöhnliche Mixtur aus Plattformer nach Metroidvania-Muster und taktischen Rollenspiel-Kämpfen japanischer Bauart. Zunächst einmal zu der größten Stärke des Spiels, dem charmanter Look: Die Welt und die Charaktere sind handgezeichnet, mit vielen Details versehen und hübsch animiert, vor allem in den Kämpfen ist Indivisible ein Augenschmaus. Während die Figuren zweidimensional sind, besteht die Umgebungsgrafik aus drei Dimensionen mit handgezeichneten Texturen. Trotz der optischen Klasse sieht Ori and the Will of the Wisps aber noch zwei Spuren besser aus, gerade die Nutzung von Vorder- und Hintergrund hat Luft nach oben. Untermalt wird das Geschehen von einem Soundtrack von Hiroki Kikuta, der u.a. für die Musik in Secret of Mana und Trials of Mana verantwortlich war. Man erkennt seinen Stil sofort wieder, wobei es hin und wieder Macken bei der Audio-Abmischung gibt.
Charmanter Look als Stärke
Die Geschichte ist eher "praktischer Natur" und schnell erzählt. Es geht um kopflose Rache, eine große Bedrohung, die falschen Antworten auf diese Bedrohung und blinden Gehorsam mit überraschendem Ausgang. Jedoch sind die Dialogtexte und das Figurenverhalten qualitativ arg durchwachsen. Bestes Beispiel ist die Hauptfigur Ajna zu Beginn. Ihr Vater wird umgebracht. Ihr Dorf niedergebrannt. Sie trauert kurz. Fertig. Kein Durchsuchen der Ruinen. Kein Hadern, ob des Ablebens ihres einzigen Elternteils. Es geht einfach und schnell weiter. Ajna ist ohnehin eine schwierige Figur. Sie ist anfangs so rebellisch, dass die Göre nur nervt. Erst mit der Zeit entwickelt sie sich in teils überlangen Dialogsequenzen weiter und wird erträglicher.
Von Gören, Pyromanen und Klischees
Ajna kann andere Figuren in ihren Verstand aufsaugen, die dann in ihrem inneren Reich leben. So nimmt sie den Mörder ihres Vaters unfreiwillig auf und liefert sich zickige Gedankenduelle. Diese aufgesaugten Figuren können bei Bedarf wieder reinkarniert werden, wenn gesprochen werden muss oder es zu einem Kampf kommt. So kann sie mit drei weiteren Charakteren in den Kampf ziehen.
Fast zwei Dutzend Figuren trifft sie, die oft nicht über bloße Klischees hinwegkommen. Manche Dialoge mit ihnen sind richtig gut, andere Gespräche sind belanglos bis peinlich. Zumindest die Loyalitätsquests, die zu spät auftauchen, helfen bei der Charakter-Vertiefung. Dennoch hätte es dem Spiel gutgetan, wenn sich die Entwickler auf weniger Figuren konzentriert und diese besser ausgearbeitet hätten. Die meisten Charaktere stellt eh Razmi in den Schatten. Sie ist eine morbide Schamanin, die einen knochenlosen Tiger auf dem Kopf trägt, dessen Seele in einer Lampe wohnt und alles niederbrennen möchte. Leider sind die wenigsten Charaktere so abgefahren und interessant wie sie.
Plattform-Parcours
Ajna springt, schlittert und schlägt sich aus der seitlichen Perspektive durch die gemalte Welt. Sie kann von Wänden abspringen, sich unter schmalen Passagen hindurchzwängen und mit der Axt an Vorsprüngen festhalten, um weiter nach oben zu gelangen. Diese Jump-&-Run-Passagen sind recht weitläufig und teilweise mit Schalterrätseln auf Zeit versehen. Manche Areale werden erst durch später erworbene Fähigkeiten in Metroidvania-Manier zugänglich - weshalb man an bereits durchforstete Passagen zurückkehren kann, was aber mit zu viel Backtracking verbunden ist, da es zu wenige Schnellreisepunkte gibt.
Darüber hinaus fehlt es der Steuerung in den 2D-Parcous-Elementen gelegentlich an Präzision und Reaktionsfähigkeit. Manchmal wirkte es so, als würde eine Aktion erst mit leichter Verzögerung ausgeführt, was das Vorankommen unnötig erschwert - diese Macke tritt nur sporadisch auf, aber auf Switch häufiger als auf dem PC. Trotz ordentlicher Level und versteckter Bereiche fällt Indivisible in diesem Bereich hinter anderen Plattformern wie Ori zurück.
Bei der Erkundung trifft man auf andere Charaktere, die Ajna meist überraschend schnell und blauäugig in ihre Party aufnimmt, wobei es möglich ist, Leute zu verpassen, wenn man sich im Level nicht umschaut. Hier hilft die Karte ein bisschen. Auch Gegner treiben sich in den Levels herum: wenn man sie zuerst mit Bogen, Axt oder Speer erwischt, erhält man beim Kampf-Übergang einen Bonus.
Gekämpft wird reichlich, allerdings nicht im klassischen Runden-Modus. Stattdessen geht es in Pseudo-Echtzeit zur Sache. Das System erinnert an Valkyrie Profile oder Active-Time-Battles mit klarem Fighting-Game-Bezug durch Combo-Bonus - was auch kein Wunder ist, denn die Entwickler hatten vorher Skullgirls abgeliefert. Aufmerksamkeit, Timing und Planung unter Zeitdruck sind beim Einsatz der Kampffertigkeiten erforderlich. Jedem der vier Charaktere ist eine Taste auf dem Controller zugeordnet. Hat sich eine Attacke aufgeladen, was der Kreis unter der Spielfigur veranschaulicht, kann die Fähigkeit mit entsprechendem Knopfdruck ausgeführt werden. Der Angriff lässt sich modifizieren, indem man zusätzlich "nach oben" oder "nach unten" drückt. So werden Flächenangriffe, Schwächungszauber und Heilungen gewirkt. Auch auf dem PC spielt man daher am besten mit Controller.
Ungewöhnliche Kämpfe
Mit zunehmendem Fortschritt erhalten die Charaktere mehr Angriffskreise, wodurch man wilde Combos entfesseln kann. Durch offensive Aktionen wird in der Gruppe "Iddhi" aufgebaut, was für die Spezialfähigkeiten benötigt wird. Ähnlich wichtig ist es, ankommende Attacken zu blocken, und zwar zum richtigen Zeitpunkt, was in der Kampfhektik nicht immer leicht ist. Neben dem einzelnen Block pro Charakter gibt es auch den Iddhi-fressenden Gruppenblock, weswegen es am besten ist, möglichst im letzten Moment zu blocken. Timing ist entscheidend.
Nur die Gruppe ist wichtig
Je nachdem, ob man Heiler, Fernkämpfer, Leute mit Schwächungszaubern oder Charaktere mit hohem Initialschaden in der Party hat, legt man also den gewünschten Kampfstil fest. Generell sind die Fertigkeiten pro Figur eher überschaubar, nur bei Ajna wird es umfangreicher. Je größer die Gruppe im Verstand ist, desto eher wünscht man sich eine "Move-List", um Synergien zu entdecken. Dämlicherweise wird das Trainingsareal erst zu spät durch einen weiteren Charakter (George) freigeschaltet. Immerhin verzichtet das Spiel weitgehend auf Gevatter Zufall.
Dieses ungewöhnliche Kampfsystem braucht einige Zeit, bis es in Fleisch und Blut übergeht, zumal die einleitenden Tutorials und Hilfetexte lückenhaft sind. Der direkte Einstieg mit einem Bosskampf ohne überhaupt irgendwas zu erklären, ist gewagt und bescheuert zugleich. Gerade die ersten Kämpfe hätten anders gestaltet werden müssen, um den "Kampfflow" zu verinnerlichen, damit sie nicht im hektischen und kontrolllosen Button-Mashing enden, was aber überraschend oft ausreicht. Und da die eigene Gruppe nach dem Kampf eh vollgeheilt wird, muss man bei Standard-Gegnern sowieso nicht so genau aufpassen. Schwierigkeitsgrade, anpassbare Kampfoptionen oder ein optionaler Runden-Modus fehlen. Oder die Entwickler hätten sich gleich für Fighting-Game-typische Duelle mit ihrem Skullgirls-Kompetenzen entschieden. Trotzdem haben die Kämpfe ihren ganz eigenen Reiz.
Bis es "Klick" macht
Dennoch fällt das Entwicklungssystem der Charaktere zu seicht aus. Abseits von Level-Ups und sammelbarer Artefakte, mit denen Angriff und Verteidigung gesteigert werden kann, gibt es nicht viel. Zumindest Ajna entwickelt sich an bestimmten Stellen der Story mächtig weiter und danach steigen die Zahlen in den Kämpfen gewaltig. Auch die Balance zwischen normalen Gegnern und Bosskämpfen ist seltsam unausgewogen. Während man manche Gegner mit überlanger Lebensleiste förmlich niedermäht, dauern die Kämpfe gegen Standard-Gegner zu lang, ohne wirklich herausfordernd zu sein. Sie fordern eher Geduld als Können. Dafür gilt es in gewissen Bossduellen eingeschobene Plattformer-Zwischenphasen zu überstehen, bei denen man Attacken ausweichen, Pfeile einsetzen oder Zusatzgegner besiegen muss. Irgendwie fühlen sich die Kämpfe zunächst wie eine bizarre Mischung aus pseudo-komplex und undurchsichtig an, bevor es dann "Klick" macht und man mit der richtigen Gruppenzusammenstellung durch die Gegnerhorden fegt.
Die Hauptstory bei Indivisible ist ungefähr 18 Stunden lang, je nachdem wie schnell man sich mit dem Kampfsystem anfreundet. Schaut man sich in der Spielwelt weiter um, können weitere Stunden hinzukommen. Mit einem Update ist auch ein Couch-Koop-Modus nachgeliefert worden, mit dem bis zu vier Spieler die Charaktere in den Kämpfen direkt steuern können.
Fazit
Indivisible ist eine eigenwillige Mischung aus Plattformer und Action-Rollenspiel, die hauptsächlich von der charmanten Präsentation lebt. Die Geschichte ist eher zweckmäßig, die Qualität der Dialoge schwankt stark und es gibt zwar viele, aber zu wenige interessante Charaktere. Die akrobatischen Passagen sind unterhaltsam, jedoch reagiert die Steuerung gelegentlich etwas träge. Die Timing-intensiven Kämpfe sind actionreich, hübsch inszeniert, aber arg chaotisch und kaum entwickelbar. Sie haben ihren eigenen Reiz, sind allerdings schnell durchschaut. Trotz im Ansatz guter Ideen kommt Indivisible nicht über solide Unterhaltung hinaus.
Pro
- sehr charmante Präsentation
- Animationen und Cutscenes
- außergewöhnliche Charaktere wie Razmi
- weitgehend gute Plattformer-Passagen
- Level-Erkundung wird gefördert und belohnt
- actionreiches und flüssiges Kampfsystem
- Timing ist entscheidend; keine Zufallselemente
- mehrstufige Bosskämpfe
- meist abgefahrenes Gegnerdesign
- starker Soundtrack
Kontra
- vernachlässigbare Story
- ziemlich chaotisch wirkende Kämpfe
- schwacher Einstieg; unzureichendes Tutorial
- zu wenig gut ausgearbeitete Charaktere
- stark eingeschränkte Charakter-Entwicklung
- gelegentlich zickige/träge Steuerung
- nicht alle Dialoge vertont
- kleine Ruckler auf Switch
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Mit Razmi's Challenges ist ein DLC mit Herausforderungen für 7,99 Euro verfügbar.
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.