Indivisible - Test, Rollenspiel, Linux, Mac, PC, XboxOne, Switch, PlayStation4

Indivisible
30.06.2020, Marcel Kleffmann

Test: Indivisible

Eine Göre auf Rachefeldzug

Die 4Players-PUR-Nutzer haben entschieden und Indivisible (ab 9,89€ bei kaufen) im Juni 2020 zum Wunschtest gekürt. Also haben wir uns die Mischung aus Plattformer und Action-Rollenspiel, die im Oktober 2019 für PC, PS4 und Xbox One und kürzlich für Switch erschien, ausführlich angeschaut.

Indivisible ist eine ungewöhnliche Mixtur aus Plattformer nach Metroidvania-Muster und taktischen Rollenspiel-Kämpfen japanischer Bauart. Zunächst einmal zu der größten Stärke des Spiels, dem charmanter Look: Die Welt und die Charaktere sind handgezeichnet, mit vielen Details versehen und hübsch animiert, vor allem in den Kämpfen ist Indivisible ein Augenschmaus. Während die Figuren zweidimensional sind, besteht die Umgebungsgrafik aus drei Dimensionen mit handgezeichneten Texturen. Trotz der optischen Klasse sieht Ori and the Will of the Wisps aber noch zwei Spuren besser aus, gerade die Nutzung von Vorder- und Hintergrund hat Luft nach oben. Untermalt wird das Geschehen von einem Soundtrack von Hiroki Kikuta, der u.a. für die Musik in Secret of Mana und Trials of Mana verantwortlich war. Man erkennt seinen Stil sofort wieder, wobei es hin und wieder Macken bei der Audio-Abmischung gibt.

Charmanter Look als Stärke

Die Geschichte ist eher "praktischer Natur" und schnell erzählt. Es geht um kopflose Rache, eine große Bedrohung, die falschen Antworten auf diese Bedrohung und blinden Gehorsam mit überraschendem Ausgang. Jedoch sind die Dialogtexte und das Figurenverhalten qualitativ arg durchwachsen. Bestes Beispiel ist die Hauptfigur Ajna zu Beginn. Ihr Vater wird umgebracht. Ihr Dorf niedergebrannt. Sie trauert kurz. Fertig. Kein Durchsuchen der Ruinen. Kein Hadern, ob des Ablebens ihres einzigen Elternteils. Es geht einfach und schnell weiter. Ajna ist ohnehin eine schwierige Figur. Sie ist anfangs so rebellisch, dass die Göre nur nervt. Erst mit der Zeit entwickelt sie sich in teils überlangen Dialogsequenzen weiter und wird erträglicher.

Von Gören, Pyromanen und Klischees

Wichtige Story-Elemente werden in animierten Zwischensequenzen erzählt.

Ajna kann andere Figuren in ihren Verstand aufsaugen, die dann in ihrem inneren Reich leben. So nimmt sie den Mörder ihres Vaters unfreiwillig auf und liefert sich zickige Gedankenduelle. Diese aufgesaugten Figuren können bei Bedarf wieder reinkarniert werden, wenn gesprochen werden muss oder es zu einem Kampf kommt. So kann sie mit drei weiteren Charakteren in den Kampf ziehen.  

Fast zwei Dutzend Figuren trifft sie, die oft nicht über bloße Klischees hinwegkommen. Manche Dialoge mit ihnen sind richtig gut, andere Gespräche sind belanglos bis peinlich. Zumindest die Loyalitätsquests, die zu spät auftauchen, helfen bei der Charakter-Vertiefung. Dennoch hätte es dem Spiel gutgetan, wenn sich die Entwickler auf weniger Figuren konzentriert und diese besser ausgearbeitet hätten. Die meisten Charaktere stellt eh Razmi in den Schatten. Sie ist eine morbide Schamanin, die einen knochenlosen Tiger auf dem Kopf trägt, dessen Seele in einer Lampe wohnt und alles niederbrennen möchte. Leider sind die wenigsten Charaktere so abgefahren und interessant wie sie.

Plattform-Parcours

Razmi schließt sich der Gruppe an.

Ajna springt, schlittert und schlägt sich aus der seitlichen Perspektive durch die gemalte Welt. Sie kann von Wänden abspringen, sich unter schmalen Passagen hindurchzwängen und mit der Axt an Vorsprüngen festhalten, um weiter nach oben zu gelangen. Diese Jump-&-Run-Passagen sind recht weitläufig und teilweise mit Schalterrätseln auf Zeit versehen. Manche Areale werden erst durch später erworbene Fähigkeiten in Metroidvania-Manier zugänglich - weshalb man an bereits durchforstete Passagen zurückkehren kann, was aber mit zu viel Backtracking verbunden ist, da es zu wenige Schnellreisepunkte gibt.

Stacheln, Vorsprünge und zeitbegrenzt aktive Blöcke gilt es zu überwinden.

Darüber hinaus fehlt es der Steuerung in den 2D-Parcous-Elementen gelegentlich an Präzision und Reaktionsfähigkeit. Manchmal wirkte es so, als würde eine Aktion erst mit leichter Verzögerung ausgeführt, was das Vorankommen unnötig erschwert - diese Macke tritt nur sporadisch auf, aber auf Switch häufiger als auf dem PC. Trotz ordentlicher Level und versteckter Bereiche fällt Indivisible in diesem Bereich hinter anderen Plattformern wie Ori zurück.

Bei der Erkundung trifft man auf andere Charaktere, die Ajna meist überraschend schnell und blauäugig in ihre Party aufnimmt, wobei es möglich ist, Leute zu verpassen, wenn man sich im Level nicht umschaut. Hier hilft die Karte ein bisschen. Auch Gegner treiben sich in den Levels herum: wenn man sie zuerst mit Bogen, Axt oder Speer erwischt, erhält man beim Kampf-Übergang einen Bonus.

Gekämpft wird reichlich, allerdings nicht im klassischen Runden-Modus. Stattdessen geht es in Pseudo-Echtzeit zur Sache. Das System erinnert an Valkyrie Profile oder Active-Time-Battles mit klarem Fighting-Game-Bezug durch Combo-Bonus - was auch kein Wunder ist, denn die Entwickler hatten vorher Skullgirls abgeliefert. Aufmerksamkeit, Timing und Planung unter Zeitdruck sind beim Einsatz der Kampffertigkeiten erforderlich. Jedem der vier Charaktere ist eine Taste auf dem Controller zugeordnet. Hat sich eine Attacke aufgeladen, was der Kreis unter der Spielfigur veranschaulicht, kann die Fähigkeit mit entsprechendem Knopfdruck ausgeführt werden. Der Angriff lässt sich modifizieren, indem man zusätzlich "nach oben" oder "nach unten" drückt. So werden Flächenangriffe, Schwächungszauber und Heilungen gewirkt. Auch auf dem PC spielt man daher am besten mit Controller.

Ungewöhnliche Kämpfe

Mit zunehmendem Fortschritt erhalten die Charaktere mehr Angriffskreise, wodurch man wilde Combos entfesseln kann. Durch offensive Aktionen wird in der Gruppe "Iddhi" aufgebaut, was für die Spezialfähigkeiten benötigt wird. Ähnlich wichtig ist es, ankommende Attacken zu blocken, und zwar zum richtigen Zeitpunkt, was in der Kampfhektik nicht immer leicht ist. Neben dem einzelnen Block pro Charakter gibt es auch den Iddhi-fressenden Gruppenblock, weswegen es am besten ist, möglichst im letzten Moment zu blocken. Timing ist entscheidend.

Nur die Gruppe ist wichtig

Der Kombo-Zähler saust in die Höhe.

Je nachdem, ob man Heiler, Fernkämpfer, Leute mit Schwächungszaubern oder Charaktere mit hohem Initialschaden in der Party hat, legt man also den gewünschten Kampfstil fest. Generell sind die Fertigkeiten pro Figur eher überschaubar, nur bei Ajna wird es umfangreicher. Je größer die Gruppe im Verstand ist, desto eher wünscht man sich eine "Move-List", um Synergien zu entdecken. Dämlicherweise wird das Trainingsareal erst zu spät durch einen weiteren Charakter (George) freigeschaltet. Immerhin verzichtet das Spiel weitgehend auf Gevatter Zufall.

Dieses ungewöhnliche Kampfsystem braucht einige Zeit, bis es in Fleisch und Blut übergeht, zumal die einleitenden Tutorials und Hilfetexte lückenhaft sind. Der direkte Einstieg mit einem Bosskampf ohne überhaupt irgendwas zu erklären, ist gewagt und bescheuert zugleich. Gerade die ersten Kämpfe hätten anders gestaltet werden müssen, um den "Kampfflow" zu verinnerlichen, damit sie nicht im hektischen und kontrolllosen Button-Mashing enden, was aber überraschend oft ausreicht. Und da die eigene Gruppe nach dem Kampf eh vollgeheilt wird, muss man bei Standard-Gegnern sowieso nicht so genau aufpassen. Schwierigkeitsgrade, anpassbare Kampfoptionen oder ein optionaler Runden-Modus fehlen. Oder die Entwickler hätten sich gleich für Fighting-Game-typische Duelle mit ihrem Skullgirls-Kompetenzen entschieden. Trotzdem haben die Kämpfe ihren ganz eigenen Reiz.

Bis es "Klick" macht 

Die Bosskämpfe erstrecken sich oft über mehrere Phasen und haben zwischen durch auch Jump-&-Run-Passagen.

Dennoch fällt das Entwicklungssystem der Charaktere zu seicht aus. Abseits von Level-Ups und sammelbarer Artefakte, mit denen Angriff und Verteidigung gesteigert werden kann, gibt es nicht viel. Zumindest Ajna entwickelt sich an bestimmten Stellen der Story mächtig weiter und danach steigen die Zahlen in den Kämpfen gewaltig. Auch die Balance zwischen normalen Gegnern und Bosskämpfen ist seltsam unausgewogen. Während man manche Gegner mit überlanger Lebensleiste förmlich niedermäht, dauern die Kämpfe gegen Standard-Gegner zu lang, ohne wirklich herausfordernd zu sein. Sie fordern eher Geduld als Können. Dafür gilt es in gewissen Bossduellen eingeschobene Plattformer-Zwischenphasen zu überstehen, bei denen man Attacken ausweichen, Pfeile einsetzen oder Zusatzgegner besiegen muss. Irgendwie fühlen sich die Kämpfe zunächst wie eine bizarre Mischung aus pseudo-komplex und undurchsichtig an, bevor es dann "Klick" macht und man mit der richtigen Gruppenzusammenstellung durch die Gegnerhorden fegt.

Die Hauptstory bei Indivisible ist ungefähr 18 Stunden lang, je nachdem wie schnell man sich mit dem Kampfsystem anfreundet. Schaut man sich in der Spielwelt weiter um, können weitere Stunden hinzukommen. Mit einem Update ist auch ein Couch-Koop-Modus nachgeliefert worden, mit dem bis zu vier Spieler die Charaktere in den Kämpfen direkt steuern können.

Fazit

Indivisible ist eine eigenwillige Mischung aus Plattformer und Action-Rollenspiel, die hauptsächlich von der charmanten Präsentation lebt. Die Geschichte ist eher zweckmäßig, die Qualität der Dialoge schwankt stark und es gibt zwar viele, aber zu wenige interessante Charaktere. Die akrobatischen Passagen sind unterhaltsam, jedoch reagiert die Steuerung gelegentlich etwas träge. Die Timing-intensiven Kämpfe sind actionreich, hübsch inszeniert, aber arg chaotisch und kaum entwickelbar. Sie haben ihren eigenen Reiz, sind allerdings schnell durchschaut. Trotz im Ansatz guter Ideen kommt Indivisible nicht über solide Unterhaltung hinaus.

Pro

  • sehr charmante Präsentation
  • Animationen und Cutscenes
  • außergewöhnliche Charaktere wie Razmi
  • weitgehend gute Plattformer-Passagen
  • Level-Erkundung wird gefördert und belohnt
  • actionreiches und flüssiges Kampfsystem
  • Timing ist entscheidend; keine Zufallselemente
  • mehrstufige Bosskämpfe
  • meist abgefahrenes Gegnerdesign
  • starker Soundtrack

Kontra

  • vernachlässigbare Story
  • ziemlich chaotisch wirkende Kämpfe
  • schwacher Einstieg; unzureichendes Tutorial
  • zu wenig gut ausgearbeitete Charaktere
  • stark eingeschränkte Charakter-Entwicklung
  • gelegentlich zickige/träge Steuerung
  • nicht alle Dialoge vertont
  • kleine Ruckler auf Switch

Wertung

PC

Die charmante und eigenwillige Mischung aus Plattformer und Action-Rollenspiel kämpft leider mit einigen Ungereimtheiten und Design-Macken.

Switch

Die charmante und eigenwillige Mischung aus Plattformer und Action-Rollenspiel kämpft leider mit einigen Ungereimtheiten und Design-Macken. Kleine Ruckler auf Switch stören zusätzlich.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Mit Razmi's Challenges ist ein DLC mit Herausforderungen für 7,99 Euro verfügbar.
  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
Wulgaru

Ich verstehe zwar die Wertung, weil das Spiel ein paar Ecken und Kanten hat, aber ich kann es trotzdem nur wärmstens empfehlen für alle die das Konzept halbwegs anspricht. Der Metroidvaniapart beginnt simpel wird aber immer weiter ausgebaut und nun zum Finale des zweiten Aktes ist es sogar richtig anspruchsvolles Plattforming geworden.

Die Kämpfe kann man gerade am Anfang noch viel durch Buttonmashing gewinnen, aber das Spiel setzt ein, zwei Punkte die spätestens dann dazu zwingen sich das mal zu verinnerlichen, weil man ohne gezieltes angreifen und richtig gesetztes Blocken sonst nicht weiterkommt (und das meine ich auch so, man wird an diesen Stellen garantiert sterben). Die Charas bieten dabei je nach Vorliebe genug Auswahl zum experimentieren und ausprobieren.

Animationen und Musik sind sehr schön und ganz stark sind natürlich die lustigen Dialoge. Die Handlung ist dabei zwar recht simpel, aber die Moral die das Spiel offensichtlich erzählt, könnten sich viele RPGs eigentlich mal hinter die Ohren schreiben, denn nachdem der Tyrann besiegt ist, bleibt man als Held selten in der Stadt. Die vielen Charas bleiben oft blass, aber soviel ich weiß haben wohl alle eine personalisierte Quest im Endgame-Content...das ist wohl der Kickstarter/Indie-Struktur geschuldet, wenn da noch was kommt ist es halt einfach komisches Pacing.

Das einzige was man vielleicht kritisieren kann, sind hier und da seltsam gesetze Speicher- und Rücksetzpunkte...manchmal scheint in jedem Screen einer zu sein und manchmal 10 Minuten lang nicht. Außerdem kann man in den Städten nicht so viel machen. Die NPCs scheinen eher Cameos, Insidergag oder ev. sogar Fanartkrams zu sein. Auch im Inner Real würde ich mir mehr Möglichkeiten wünschen.

Freu mich nun auf das letzte Drittel, vor allem ganz Metroidvaniamäßig nochmal mit mehr Fähigkeiten durch die alten Gebiete zu gehen.

vor 4 Jahren
cM0

Ja, ich kann mir auch vorstellen, dass es beim Kampfsystem noch "klick" macht. Abseits davon fand ich das Spiel auch recht interessant. Schönes Artdesign, das Erkunden macht Spaß und der Plattform-Teil ist auch gut. Im Moment steht zu viel anderes auf der Liste, aber kommt irgendwann nochmal dran

vor 4 Jahren
Sylver001

So richtig gepackt hat mich das Spiel noch nicht, aber ich habe es auch noch nicht weit gespielt. Das Kampfsystem ist... Gewöhnungsbedürftig. Ich denke, der Test ist fair und ich gebe dem Spiel irgendwann nochmal eine Chance, denn es bringt durchaus viel mit, was ich mag.
Bei mir hat es auch ne Weile gedauert.. es war ne Liebe ab der 2. Hälfte. Wenn man erstmal mehr als 2 Attacken / Char ausführen kann und sich ein gewisser Flow einstellt.. Razmi hats bei mir primär gerissen ^^

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
cM0

So richtig gepackt hat mich das Spiel noch nicht, aber ich habe es auch noch nicht weit gespielt. Das Kampfsystem ist... Gewöhnungsbedürftig. Ich denke, der Test ist fair und ich gebe dem Spiel irgendwann nochmal eine Chance, denn es bringt durchaus viel mit, was ich mag.

vor 4 Jahren
Sylver001

Fand zum Ende die „Sidequests“ ein wenig nervig und ein wenig zu viel Backtracking, aber letztendlich hatte ich ne Menge Spaß.

vor 4 Jahren