Blasphemous - Test, Action-Adventure, PlayStation4, PC, PS_Vita, Mac, Linux, XboxOne, Switch
Schwere Bürde oder schöne Vorschusslorbeeren? Schon lange vor Release mit Dark Souls verglichen zu werden, den Stempel 2D-Dark-Souls aufgedrückt zu bekommen, kann beides sein. Dabei haben die Entwickler von Blasphemous nicht darum gebeten: In ihrer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne aus dem Jahr 2017 wird der große 3D-Bruder mit keinem Wort erwähnt! Und schlussendlich sind Dark Souls, Bloodborne oder Nioh auch nur ein paar der ähnlich gelagerten Spiele. Schätzt ihr die Castlevania-Serie oder die Thematik von Dante's Inferno, steht ihr auf schön gepixelte, actionreiche Action-Abenteuer à la Dead Cells oder The Messenger - auch dann dürfte dieses spanische Indiespiel nach Eurem Geschmack sein.
Big Brother
In jedem Fall solltet ihr leidensfähig sein, und zwar in doppelter Hinsicht: Denn zum einen ist Blasphemous angenehm anspruchsvoll - ihr sucht mitunter eine Weile nach dem richtigen Weg, müsst euch eine komplexe Levelstruktur einprägen, Sprungpassagen über tödliche Stacheln meistern und mit tückischen Standardfeinden plus ausgefeilt attackierenden Bossen ringen. Kurz gesagt: Ihr sterbt dutzendfach. Zum anderen ist das Motiv Leid - verknüpft mit Buße, Läuterung, Schmerz - das allgegenwärtige Grundthema des Titels. Ihr spielt den Büßer, einen stummen Ritter, der das wüste Land Cvstodia durchwandert - es geht auf windumtoste Gipfel und durch Bibliotheken voller Geistwesen, in finstere Kerker und mächtige Sakralbauten. Dabei ist die christliche Mystik nicht nur ein ständiger Begleiter, vielmehr sogar grundlegende Inspiration für die Orte und Geschöpfe dieser Welt.
Virtueller Vatikan
Nicht nur die außerordentlich schön gepixelten Landschaften und Hintergründe, sondern auch ihre sehenswert animierten Bewohner sind voller religiöser Anspielungen, geradezu ein wandelndes kirchliches Gruselkabinett: Da gibt es den traurigen Ritter, der seinen eigenen Steinsarg auf dem Rücken schleppt, oder den aschfahlen Bischof, der auf einem Kirchenthron durchs Level schwebt. Ihr begegnet Flagellanten, die sich selbt den Rücken geißeln, und alten schlurfenden Weibern, die euch mit einem Gefäß den Schädel einschlagen wollen, aus dem der Arm eines Toten heraushängt. Auch beim Design der Levelwächter haben sich die Grafiker selbst übertroffen: „Unsere Dame mit dem verbrannten Antlitz“ entpuppt sich als entstellter Riesenschädel mit klaffender Stirnwunde, der exhumierte Erzbischof Helquiades wird von mehreren riesigen Armen durchs Level getragen und dem Riesenknaben Expósito, gehalten von Händen aus verknöchertem Holz, tropft Blut unter der Augenbinde heraus.
Raue Sitten
Auch wenn Optik und Inszenierung vermutlich einen stattlichen Teil der Arbeitskraft von Entwickler The Game Kitchen in Beschlag nahmen, ist auch das Leveldesign klug und motivierend: Während ihr euch mühevoll Raum für Raum vorkämpft, tun sich immer mehr Abkürzungen, Geheimgänge (ruhig mal gegen scheinbar massive Mauern schlagen!) und Wege durch die 2D-Welt auf. Ihr nutzt Fahrstühle, aktiviert per Schalter bewegliche Leitern oder gewinnt nach ein paar Stunden die Fähigkeit, im Nichts schwebende Blutplattformen zu sehen, die Euch zu neuen Orte führen. Euer Fortschritt wird auf einer Karte vermerkt, so wisst ihr stets, ob ihr einen Raum schon besucht habt - allerdings lässt die kleine Map viel Komfort vermissen, gerne hätten wir gezoomt, dort alle wichtigen Punkte (Händler!) gefunden oder natürlich selbst Markierungen gesetzt. Aber gut, als Büßer muss man wohl leiden…
Blut, Plattformen und Blutplattformen
Wenn Dark Souls als Vorbild im Raum steht und Leiden das zentrale Thema eines Spiels ist, muss es neben anspruchsvollen Kämpfen (Check!) und Instant-Toden (Check!) natürlich ein weiteres bestrafendes Element geben. Hier waren die Macher aber vergleichsweise gnädig: Eure Erfahrungspunkte (Tränen der Versöhnung), die ihr für das Kaufen neuer Moves braucht, gehen nach eurem Ableben nicht verloren. Unser Ritter mit dem Spitzhut taucht am letzten besuchten Altar wieder auf, muss allerdings eine Schmälerung seiner Inbrunst in Kauf nehmen - das ist die magische Leiste von Blasphemous. Lest ihr seine Seele am Ort des Todes wieder auf, verschwindet dieser Malus. Zudem könnt ihr an einigen Statuen im Spiel für relativ kleines Geld auch die gesamte Inbrunst-Leiste reinigen und fortan durch besiegte Feinde wieder komplett füllen. Im Kampf nutzt Ihr die Inbrunst für einen (mäßig hilfreichen) Fernkampf-Angriff sowie diverse magische Attacken - diese reichen von der Schockwelle über ein Blitzgewitter bis hin zu einem Energieschild.
Voller Inbrunst
Blasphemous verwöhnt euch mit stimmungsvollen, meist ruhig-bedrohlichen Klängen und einer englischen Sprachausgabe, die hervorragend zur erhabenen Atmosphäre und archaischen Gewalt des Spiels passen - die deutschen Texte sind gelungen, lassen bisweilen aber etwas von der Dramatik der englischen Stimmen vermissen. Seine interessante Geschichte serviert euch das Spiel nicht auf dem Silbertablet, hier tritt die Nähe zu den Souls-Titeln am deutlichsten zu Tage: Ihr müsst euch die tragische Story des Büßers sowie des Landes Cvstodia selbst erlesen, wann immer ihr ein neues Item oder einen alten Knochen findet.
Nichts genaues weiß man nicht
Fazit
Den Urteilsspruch Grafikblender verdient Blasphemous nicht. Doch ist nicht von der Hand zu weisen, dass opulente Pixel-Inszenierung und düstere Bildsprache ein Hauptgrund dafür sind, lange am Ball zu bleiben. Ihr leidet beträchtlich und ärgert euch schon mal über unfaire Stellen, doch stets obsiegt die Neugier, wie der nächste Raum aussieht und welch grausige Feinde dort warten. Die 2D-Welt mit ihren Aufzügen, Verzweigungen und dem rudimentären Schnellreisesystem ist kompetent gebaut - dieser Aspekt ragt im Gegensatz zur Inszenierung jedoch nicht aus Genre-Konkurrenz heraus. Auch das block- und ausweichlastige Kampfsystem funktioniert klasse, entwickelt sich im Spielverlauf aber nicht so sehr weiter, dass ihr aus der Evolution des Kämpfens eure Hauptmotivation ziehen könntet. Auch finde ich nicht optimal, dass es mehrere Ausrüst-Menüs gibt (Rosenkranzkette hier, Mea-Culpa-Herzen da) und ich meine Move-Palette nur an wenigen Orten aufpeppen kann - das empfand ich nicht als zusätzliche Herausforderung, sondern als notwendiges Gehe-nochmal-zurück-Übel. Trotzdem ist Blasphemous ein richtig gutes Spiel, auch weil Geschichte, Musik und Sprecher eine große Sogwirkung ausüben. Obgleich die Settings kaum unterschiedlicher sein könnten, reiht es sich in puncto Spielspaß nahtlos ein neben Owlboy und The Messenger, zwei ebenfalls sehr hübschen Pixelabenteuern ähnlicher Bauart.
Pro
- interessante Story-Fetzen und Legenden-Schnipsel...
- sehenswert inszenierte Bosskämpfe...
- anspruchsvolle, taktische Kämpfe...
- fantastisch aussehende Landschaften, Kirchen & Co
- elegante 2D-Animationen (Spielfigur & Gegner)
- starke englische Sprecher
- voller Anspielungen und Symbole aus dem Christentum
- Tod wird bestraft, allerdings nicht zu streng
- motivierend aufgebaute Spielwelt
- Kampfsystem mit Ausweichen und Blocken funktioniert gut
Kontra
- ...die man aber mühsam zusammentragen muss
- ...die aber anfangs zu leicht, später recht fies sind
- ...jedoch auch unfaire Stellen mit Teleport-Feinden
- Micro-Ladepause bei jedem Bildschirmwechsel
- Karte unübersichtlich und nicht zoombar
- unnötig: mehrere Upgrade
- und Ausrüst-Systeme
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- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.