Mary Skelter 2 - Test, Rollenspiel, PlayStation4, Switch
Wo einst eine der geschäftigsten Städte Japans stand, klafft heute ein tiefer Krater, aus dem ein Turm herausragt, der die verbliebene Bevölkerung überwacht, während sie tagein, tagaus von schrecklichen Kreaturen namens Marchen gequält wird. Der Name der Stadt ist längst vergessen, der Ort nur noch als lebendiges Gefängnis bekannt. Doch es regt sich Widerstand und zwar in Form der Rebellengruppe Dawn, zu der auch Otsuu und die kleine Meerjungfrau gehören.
Bizarres Märchen
In der bizarren Spielwelt begegnet man noch weiteren märchenhaften Figuren wie Rotkäppchen, Schneewittchen oder Däumelinchen, die bis auf die Namen aber nur wenig mit ihren literarischen Vorbildern gemein haben. In der Welt von Mary Skelter sind sie alle so genannte Blutjungfern, die im Gefängnis zur Welt kamen und übermenschliche Kräfte besitzen, die es ihnen erlauben, sich gegen die Marchens aufzulehnen.
Ansonsten wird aber leider kaum von der Touch-Funktion der Switch Gebrauch gemacht. Nur beim Aufrufen und Navigieren der Automap kann optional auf sie zurückgegriffen werden. Die Bewegungssensoren bleiben ebenfalls inaktiv, obwohl sich ihre Nutzung gerade beim Balancieren über gespannte Drahtseile, wie man sie immer wieder in den Dungeons findet, regelrecht angeboten hätte. Stattdessen wird das Gleichgewicht per Stick ausbalanciert.
Verschenktes Potenzial
Eine deutsche Übersetzung gibt es allerdings nicht. Und auch die wahlweise englische oder japanische Vertonung erklingt nur sporadisch, was die ohnehin schon schlichte, dialogbasierte Inszenierung weitere Atmosphärepunkte kostet.
Das technische Grundgerüst ist ebenfalls wenig imposant: Man stapft durch generisch strukturierte Raster-Dungeons, deren Bewohner meist durch Zufallskämpfe auf den Plan gerufen und dann in klassischer Rundenmanier vermöbelt werden. Doch die Auseinandersetzungen warten mit einigen interessanten Funktionen auf, mit denen sich Mary Skelter 2 von anderen Dungeon-Crawlern abhebt. Vor allem die Auswirkungen von vergossenem Blut sind spannend.
So erzeugt das Attackieren von gegnerischen Schwachstellen, Landen von kritischen Treffern oder Ausschalten von Gegnern per Overkill Blutspritzer auf den Gruppenmitgliedern, die von Verbündeten abgeleckt werden können, um individuelle regenerative Wirkungen zu erzielen. Wird das Blut nicht entfernt, sammelt es sich immer weiter an, bis der Betroffene vorübergehend mutiert und mit neuen Kräften und Fähigkeiten seine Widersacher massakriert.
Die Macht des Blutes
Die schlägt allerdings wie jede Säuberung auf die Psyche der beschützerischen Albtraumkreatur. Wird es Jack zu viel, wird er zu Ripper Jack und damit unkontrollierbar, bis Otsuu ihn beruhigt. Geschieht das dreimal in einem Kampf, heißt es „Game Over“. Interessant ist auch, dass Jack und Otsuu stets als eine Einheit agieren. Sind sie an der Reihe, kann man mit jedem von ihnen eine Aktion direkt hintereinander durchführen oder mit nur einem von beiden zweimal agieren.
Vom Jäger zum Gejagten
Durch die Nutzung individueller Blutfertigkeiten kann man seinen Verfolger aber auch mit klug platzierten Bambuskugeln aufhalten, die sonst zum Überwinden von Fallgruben dienen, aber eben auch den Weg versperren können. Mit anderen Blutfertigkeiten können unterwegs Feuer gelöscht oder metallische Objekte bewegt werden. Jack kann sogar Warp-Punkte platzieren, an denen man den Spielstand sichern oder sich aus dem aktuellen Dungeon zurückziehen kann.
Erst wenn man den Kern eines meist mehrstöckigen Dungeons erreicht und zerstört hat, kann der dazugehörige Albtraumwächter verwundet und getötet werden. Auf dem Weg dorthin lauern allerdings allerlei Fallen, Hindernisse und andere Gefahren. Auch Schalter- und Schlüsselrätsel wollen bewältigt, Schätze geborgen werden. Die Erkundungsergebnisse werden Schritt für Schritt kartografiert, wobei sich auch über mehrere Stockwerke hinweg Zielpunkte setzen und automatisch ansteuern lassen.
Lebende Spielwelt
Es gibt sogar Statusleiden, die, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden, andere Gruppenmitglieder anstecken können. Der Schwierigkeitsgrad lässt sich abseits von Kämpfen und Dialogen jederzeit in drei Stufen an persönliche Vorlieben anpassen. Zudem kann man sich temporär lukrative Handicaps auferlegen sowie im Hauptquartier Charakterklassen wechseln und sogar Stufenrücksetzungen erwirken, um mit diversen Neustartboni noch mehr aus seinen Charakteren herauszuholen.
Fazit
Mary Skelter 2 bietet klassische Dungeon-Crawler-Kost im Stil von Etrian Odyssey, Demon Gaze und Co. Das bizarre Welt- und Figurendesign dürfte dabei insbesondere Shin-Megami-Tensei-Fans ansprechen. Wo irrt man schon durch lebendige Dungeons, die Stimmungswechseln unterliegen und mal Hunger haben, nach Liebe dürsten oder einfach nur schlafen wollen? Zudem werden trotz an sich rundenbasierter Spielmechanik spannende Verfolgungsjagden inszeniert, bei denen man in Echtzeit vor auftauchenden Alpträumen fliehen und darauf achten muss, nicht verrückt zu werden. Mit den passenden Gruppenmitgliedern kann man auf der Flucht auch Wege blockieren, Fallgruben schließen, Feuer löschen, magnetische Gegenstände bewegen oder andere Interaktionen durchführen. Es lassen sich in den Dungeons sogar spezielle Kristallsamen pflanzen und später Waffen und Ausrüstung ernten, während Blutspritzer in Kämpfen für offensive Verwandlungen eingesetzt oder für regenerative Manöver abgeleckt werden können. Die Hege und Pflege der illustren Charaktere macht bis auf die voyeuristischen Säuberungen Laune, während Technik und Inszenierung nur auf Sparflamme kochen. Zudem ist die Schrift gerade im Handheld-Modus teils sehr klein, die Touch-Unterstützung limitiert und eine deutsche Lokalisierung nicht vorhanden. Dafür gibt’s den überarbeiteten Vorgänger Mary Skelter: Nightmares aber inklusive.
Pro
- bizarres Welt- und Figurendesign
- interessante Spielfunktionen
- facettenreiche Charakterpflege
- überarbeiteter Vorgänger inkludiert
Kontra
- angestaubte Technik und Inszenierung
- halbgare Handheld-Anpassung
- voyeuristische Säuberungen
- keine deutsche Lokalisierung
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