Shenmue 3 - Test, Action-Adventure, PlayStation4, PC
Der Wow-Effekt, dieser grafische Erdrutsch, diese damals unglaublich realistische Spielwelt - ausgelöst im Jahr 2000 vom ersten Shenmue bei der überschaubaren Gemeinde der Dreamcast-Besitzer. Wer das nicht selbst erlebt hat, konnte wohl weder den bei der Ankündigung von Teil 3 aufbrandenden Jubel auf der E3 2015 nachvollziehen noch das geduldige, fast schon demütige Herbeisehnen des Releasetages. Was macht schon die Verschiebung um ein paar läppische Monate, wenn man bereits 15 Jahre mit dem Cliffhanger-Ende von Teil 2 gelebt hat? Zudem wissen echte Serienfans, dass die Saga auch mit Teil 3 nicht abgeschlossen sein wird - Yu Suzuki hatte stets mindestens elf Kapitel, verteilt auch vier, fünf oder mehr Spiele, geplant.
Geduld wird belohnt
Shenmue 3 beginnt erzählerisch nahtlos da, wo Shenmue 2 endete: in einer Höhle in den Bergen der chinesischen Region Guangxi. Wer beide Vorgänger verschlungen hat - sei es auf Dreamcast, Xbox (dort erschien nur Teil 2) oder als Remastered-Fassung für PS4 und Xbox One - frischt mit der „Zusammenfassung“ im Hauptmenü seine Erinnerungen auf. Neueinsteiger, die Ryo Hazuki erst mit dieser Episode kennenlernen, sind mit ausführlicheren Clips aber besser bedient - „Shenmue - The Movie“ (das einst der Xbox-Fassung von Teil 2 als DVD beilag) beinhaltet alle Sequenzen des Erstlings und findet sich auf YouTube & Co.; Ähnliches findet sich, dank umtriebiger Fans, auch für Shenmue 2.
Genau hingeschaut
Los geht’s: Mit Shenhua im Schlepptau, dieser rätselhaften aber freundlichen Landpomeranze, schaut man sich das Dörfchen Bailu an. Und ich muss anerkennen: Trotz hüftsteifer Animationen, trotz teils deutlichem Draw-In von Personen und Objekten, trotz teils grober Geometrie und Texturierung ist Shenmue 3 hübsch geworden. Chinesische Tempel protzen mit ausladendem Holzschmuck, Blühwiesen leuchten in der Nachmittagssonne, Marktplätze quillen nur so über von Händlern, Tischen und Gegenständen. Ryos Antlitz, natürlich nur echt mit Pflaster, wirkt wie das von Shenhua zu glatt und etwas emotionslos (was aber häufig zu seiner dummen Fragerei passt), andere Gesichter neigen mehr zu Falten oder comichafter Überzeichnung - und wie damals ist es erstaunlich, wie viele grundverschieden aussehende NPCs das Entwicklerteam gebaut hat.
Ryo wird zunächst etliche Stunden im beschaulichen, mit vielen kleinen Wegen verbundenen, schön designten Gebiet des Dörfchens Bailu verbringen - die serientypische Schnitzeljagd schickt ihn mehrfach kreuz und quer durch das hügelige Areal. Anfangs sind dort nicht alle Locations zugänglich: Auf dem Weg zum Fischteich kehrt Ryo anfangs freiwillig um („Ich sollte mich hier vorher noch gut umsehen.“), anderswo versperren ein Karren oder ein verschlossenes Tor den Weg. Wer Spiele gern im Turbomodus absolviert, Gespräche wegdrückt (in Shenmue 3 ist das nur bei wiederholten Dialogen möglich) oder generell keinen Nerv für Suchen und Fragen hat, sollte einen großen Bogen um dieses gemütliche Abenteuer machen - Shenmue 3 kann man eigentlich nicht schnell zocken.
Langer Besuch in Bailu
Man würde als Spieler nicht nur all die wunderbaren, kleinen Dinge am Wegesrand und in den Arcades oder Teestuben übersehen, es würde auch schlicht nicht zu Ryo passen. Ein ums andere Mal lässt sich der nicht gerade wortgewandte Bursche von grantigen Greisen abspeisen oder bekommt nur eine heiße Teigtasche statt der erhofften Information. Wäre er nicht so sympathisch und angenehm zurückhaltend - man müsste ihn ohrfeigen und anbrüllen, warum ausgerechnet er als schlechtester und zögerlichster Detektiv der Welt einen Mord aufklären will. Der Musterknabe geht sogar jeden Abend zeitig ins Bett und kann nicht mal sprinten, wenn in der Spielwelt gerade ein Schild mit „Do not run“ herumsteht!
Die Steuerung von Ryo geht in Ordnung: Ähnlich wie in den Vorgängern lenkt ihr den jungen Japaner per linkem Analogstick, die R2-Taste sorgt dafür, dass er rennt. Die Kameradrehung per rechtem Stick funktioniert gut und zickt nur in wenigen Fällen an besonderen Engstellen herum. Apropos Engstellen: Im Gegensatz zu einem Nathan Drake oder Asassins’s-Creed-Helden ist Hazuki-san schwerfällig - er bleibt schon mal an Kanten hängen oder bockig stehen, wenn ihm ein Passant den Weg versperrt; Abhänge und kniehohe Hindernisse mag er auch nicht. Weil Ryo während des normalen Spiels aber auch nicht schnell sein muss, stört das kaum. Verfolgungsjagden werden als bekannte Quick-Time-Sequenzen inszeniert - Ryo rennt dann, von coolen Kamerawinkeln in Szene gesetzt, der Spieler muss nur rechtzeitig z.B. nach unten oder A drücken, um über eine Mauer zu hechten, einer alten Frau auszuweichen oder unter einem Tritt hindurchzutauchen. Leider ist das Spiel an dieser Stelle zu fordernd - wer nicht über besonders gute Reflexe verfügt, muss diese Szenen mehrfach absolvieren; hier wäre ein gnädigeres Zeitfenster angebracht gewesen.
Das gilt nicht für die Keilereien: Wer fleißig trainiert (dazu später mehr), immer heilendes Schlangenöl in der Tasche hat und sich die Ausführung einiger kerniger Moves einprägt, kommt mit den Schlägereien gut zurecht. Man blockt eifrig, weicht in die Tiefe aus und lässt per R2 eine vorher trainierte und eingestellte Spezialattacke vom Stapel - mit einer Prise Taktik werden so auch Kämpfe gegen drei oder mehr Gegner zur angenehmen Fingerübung. Die fortgeschrittenen Moves kauft ihr teuer in Martial-Arts-Geschäften, andere Händler oder mancher NPC geben sie euch aber auch im Tausch gegen Waren oder als Dank für die Erledigung eines Nebenauftrags. Richtig gelesen: Erstmals in der Serie gibt es kleine Quests, die auch in Ryos Tagebuch als solche markiert werden. Musste man im Erstling noch selbst herausfinden, dass es im Park eine kleine Katze gibt, die gern Milch hätte, macht euch eine leuchtende Button-Einblendung nun auf die Verfügbarkeit einer solchen Aufgabe aufmerksam. Und Ryo wäre nicht Ryo, wenn er nicht liebend gerne und mit einer stoischen Ruhe Dinge für ihm völlig unbekannte Passanten kaufen oder einem klammen Knaben das gewünschte Capsule-Toy-Spielzeug besorgen würde.
Virtua Fighter light
Hunger Games
Waren in den alten Teilen Ausdauer und Energie nur in den Kämpfen von Belang, wurde das Energiesystem nun auf das komplette Spiel ausgeweitet: Egal ob Ryo arbeitet, die Stadt abläuft, Kampfsport trainiert oder sich beim Glücksspiel vergnügt - seine Energie nimmt stets ab. Ist sie im Keller kann er nicht mehr rennen und im Falle einer körperlichen Auseinandersetzung fiele er beim ersten Treffer um. Also kauft man regelmäßig Obst und Gemüse, Snacks und Getränke, Teigtaschen und Fleischspieße - und füllt damit seine Energie auf. Eine Schnellzugriff-Taste für das letzte ausgewählte Essen eurer Wahl hat sich das Team leider gespart, doch weil die Lebensmittel gleich auftauchen, sobald man das Menü öffnet, ist der Umweg verschmerzbar. Grundsätzlich ist Ryos Dauerhunger kein anspruchsvolles oder gar nerviges Feature, von einem Survival-Aspekt zu sprechen wäre verfehlt - man hat dank rasch erledigter Arbeiten oder Besuche beim Glücksspiel stets genug Geld zusammen für dieses körperliche Bedürfnis. Ein wenig anders verhält es sich mit zwei, drei Hürden im Spiel, welche euch die Entwickler bewusst vorsetzen: Mal möchte ein Kampfkunstmeister mit einem immens teuren Fusel beschenkt werden, andernorts ist der Oberrüpel einer Bande doch noch eine Nummer zu groß für Ryo.
Dann heißt es: Kräuter sammeln und Arbeits- oder Trainings-Minispiele absolvieren. Ryo kann an vielen Stellen Heilpflanzen vom Boden auflesen. Die werden aber nicht per Crafting in Tränke umgewandelt, sondern beim örtlichen Medizin-Dealer zu barer Münze gemacht. Gebt aber nicht alle so verdienten Yuan auf einmal aus - die Kräuter wachsen nicht nach! Alternativ hackt Ryo Holz im simplen aber spaßigen Minigame, fängt Enten mit bloßen Händen oder klemmt sich hinters Lenkrad von einem (Halleluja!) Gabelstapler. All das füllt seine Geldbörse - so kann er neben Lebensmitteln auch eine ungeheure Zahl an Plunder, Capsule-Toy-Spielzeugen und sogar Kleidungsstücken kaufen; leider sind vor allem Jacken, Shirts, Jeans und Schuhe so teuer, dass man es sich zweimal überlegt, ob man dafür wirklich eine Stunde lang Holzscheite spalten möchte.
Beutekisten mit zufälligem Inhalt oder gar Echtgeld-Beschleuniger für mehr virtuellen Lohn gibt es in Shenmue 3 nicht. Das Thema Glücksspiel wird viel altmodischer angepackt: Ryo kann an vielen Orten im Spiel seine Yuan in Tokens tauschen und damit am Simpel-Roulette, beim Würfeln oder in diversen Schildkröten- und Frosch-Rennen schnelles Geld machen. Das Zurückverwandeln in bare Yuans ist aber umständlich: Erst müsst ihr die gewonnenen Tokens (helft Fortuna durch neues Reinladen auf die Sprünge!) in Preise tauschen und diese Gegenstände dann beim Pfandleiher verkaufen. Die serientypischen Pawn Shops können aber noch mehr: Habt ihr eine komplette Serie von Capsule-Toy-Spielzeugen (z.B. Bälle aus acht verschiedenen Sportarten, Buddhas oder Shenmue-Figuren) oder ein bestimmtes Set von Kräutern, gibt euch der Händler dafür einen Kampfmove - das ist oft billiger, als die Kräuter zu verkaufen und die Moves dann beim Martial-Arts-Dealer zu erstehen.
Übung macht den Meister
Seine Ausdauer und Kampfkünste verbessert Ryo durch monotone Trainingsdisziplinen (z.B. Schlag-Timing) oder durch Sparring in Martial-Arts-Dojos oder freundschaftliche Handgemenge mit einigen NPCs. Leider steht hier das Einstudieren eines davor ausgewählten Moves stark im Vordergrund: Alle paar Sekunden verlangt eine Bildschirm-Einblendung die Eingabe einer bestimmten Buttonfolge, den Rest der Trainingsrunde kann man getrost verbummeln. Das gilt nicht für die tatsächlichen Fights in den Kampfkunstakademien - hier steigt Ryo durch das Besiegen immer stärkerer Gegner Rang um Rang auf und treibt nebenbei seine Ausdauer und Kung-Fu-Skills in die Höhe. Glücklicherweise erlaubt sich aber selbst ein so strenger, durch die harte Schule seines Vaters gegangener Charakter wie Ryo einigen Freizeitspaß: Man spielt eine Art altmodisches Pachinko am Lucky-Hit-Stand, bugsiert an Flipper-ähnlichen Maschinen Metallkugeln in Löcher oder besucht die örtlichen Arcades. Dort warten im Gegensatz zu den früheren Teilen zwar keine Sega-Automaten, dafür aber Hau-den-Maulwurf-Maschinen, Quick-Time-Event-Automaten, ein rustikales Rennspiel sowie Minigolf- oder Basketball-Varianten. All diese Dinge reißen zwar spielerisch keine Bäume aus - man ertappt sich aber immer wieder, dort ein paar der verdienten Yuan auf den Kopf zu hauen.
Wenn Ryo nicht gerade Hinweisen nachspürt, trainiert, shoppt oder mit Shenhua am Abend seichte, aber anheimelnde Gespräche führt, entdeckt er in der überschaubar großen Spielwelt unzählige Anspielungen und Gimmicks - das ist Fanservice pur für Shenmue-Liebhaber: Im Bilderladen findet sich ein Porträt von Shenmue-2-Schurke Dou Niu, an den Wänden kleben Plakate von Virtua Fighter, in Capsule-Toy-Automaten warten Lan Di, Joy, Ren & Co. In den zahllosen Shops und Restaurants der Hafenstadt Niaowu sucht ihr nach gut versteckten, knubbeligen Plastikenten, im Holzfiguren-Café fühlt man sich wie in einer Freakshow und der Besuch im Tomato-Supermarkt löst wehmütige Gefühle aus. Eingekauft wird in Shenmue 3 übrigens per Menü, das behäbige Hinzoomen und Auswählen jeder einzelnen Ware ist passé. Ähnliches gilt auch für die Handhabe beim Untersuchen eines Zimmers: Wenn Ryo Schubladen öffnet, Schnapsflaschen anhebt oder Kommoden rückt, geht das erheblich angenehmer von der Hand als in den alten Teilen.
Mehr Komfort?
Grundsätzlich gelingt der Spagat zwischen Serientreue und heutzutage üblichen Komfortfunktionen: Außerhalb von Sequenzen und Fights könnt ihr jederzeit speichern, vier Schwierigkeitsgrade regeln den Anspruch der Kloppereien, gelegentlich bietet das Spiel sogar an, zu bestimmten Orten zu springen oder Zeit verstreichen zu lassen. Nervig hingegen ist, dass man die zum Angeln nötige Ausrüstung stets nur leihen und einmal benutzen kann - das mindert den Spaß an der ansonsten entspannenden Beschäftigung. In seinem Tagebuch notiert Ryo nach wie vor alle Story-Hinweise zu seiner Schnitzeljagd, dort findet ihr außerdem Tipps zum Trainieren und Jobben, Infos zu den Nebenquests und grobe Karten der Schauplätze. Die Move-Ausrüst-Menüs und Einkauf-Bildschirme wirken allesamt altbacken, verrichten ihren Dienst aber tadellos.
Störender ist, dass sich abgesehen von Ryos wichtigsten Kontakten kein NPC an ihn erinnern kann: Fischhändler, Soda-Verkäufer, Tempel-Wächter oder Kung-Fu-Opa labern ihn stets mit denselben Worten an - egal ob man sie zum ersten Mal trifft oder zehn Sekunden zuvor mit ihnen geplaudert hat. An dieser Stelle wirkt das Spiel dann tatsächlich mal wie aus der Zeit gefallen. Andererseits kann ich es immerhin tun im Spiel - dieses Anlabern aller möglichen Zivilisten und Betreten von zahllosen Geschäften. Grundsätzlich ist es nämlich sehr schön zu sehen, dass überall Essen angeboten wird, dass in Geschäften dutzende Artikel in der Auslage stehen, dass so viele kleine Läden ihre Pforten öffnen - da kann man als verwöhnter PS4-Zocker schon mal darüber hinwegsehen, dass es wenig realistisch ist, dass im zweiten Stock eines Restaurants überall dampfende Gerichte am Tisch stehen, sich dort aber kein Gast niedergelassen hat. Serienfans freuen sich zudem in der zweiten Spielhälfte über die Option zu telefonieren. Zum Glück hat Ryo die Nummern von Fuku-san, Nozomi oder Joy in seinem Büchlein vermerkt…
Apropos Gespräche: Sämtliche Dialoge in Shenmue 3 sind vertont - ob ihr sie euch auf Englisch oder Japanisch anhört, bleibt euch überlassen. Die Qualität der Sprachausgabe geht in Ordnung. Zwar wirken manche Stimmen billig oder albern, dass Corey Marshall als englischer Sprecher von Ryo zurückkehrt, trägt aber deutlich zur schönen Atmosphäre bei. Da macht es gleich doppelt Spaß, wenn man treudoof bei der Blumenhändlerin nachfragt, ob sie auch schon Ärger mit den fiesen Typen der Red-Snakes-Bande hatte! Die deutschen Texte wurden ansprechend übersetzt, nehmen sich aber einige Freiheiten im Vergleich zum gesprochenen Englisch heraus.
Auf PS4 hat Shenmue 3 angenehm kurze Ladezeiten und läuft meist flüssig, die Kameradrehung wird allerdings von Rucklern getrübt und die eingangs erwähnten grafischen Mankos sind freilich nicht von der Hand zu weisen; verschiedene Modi (Grafik oder Performance) beim Betrieb auf einer PS4 Pro spart sich die Software, HDR-Unterstützung ebenso. Die nur über den Epic Games Store erhältliche PC-Fassung protzt mit flüssigerer Kameradrehung und nur ganz seltenen Grafik-Stotterern; im Menü gibt es neben der Option V-Sync an/aus lediglich vier Grafikstufen: Auf „niedrig“ verschwinden jede Menge Umgebungsdetails wie Gras, auf „sehr hoch“ ist die Optik einen Tick schicker als auf PS4.
Wer Shenmue 3 im Jahr 2015 via Kickstarter mitfinanziert hat und brav seine „Bitte teile uns nochmal deine Lieferadresse“-Mails beantwortet hat, erhielt das Spiel in englischer Ausführung samt exklusiver (aber hässlicher) Papphülle am Releasetag - das ist, gerade im Vergleich zu einem Bloodstained, wo viele Backer ihre Version stark verspätet erhielten, erfreulich. Das Verschicken anderer Boni wie z.B. Sammelfiguren verzögert sich jedoch. Digitale Boni (wie z.B. eine Telefonkarte für unendlich Gratis-Telefonate im Spiel) löst man in einem Untermenü in den Einstellungen ein - das ist etwas umständlich klappt aber problemlos. Noch schöner ist jedoch, die Würdigung der besonders spendablen Förderer im Spiel zu entdecken - auch wenn man selbst nicht dazu zählt. Yu Suzuki und sein Team haben nicht nur sich selbst, sondern auch den Backern an mehreren Stellen im Spiel ein kleines Denkmal gesetzt - sei es in Form von Capsule-Toy-Figuren, hübscher Kalligraphie im Tempel-Hinterzimmer oder, ganz charmant, mit persönlicher Botschaft im Gästebuch eines Hotels. Wer schließlich einen riesigen Yu Suzuki aus Plastik in einem Gebäude entdeckt, kann sich ein breites Grinsen nur schwer verkneifen - und fühlt tief in seinem Gamerherzen, dass sich das lange Warten auf Shenmue 3 gelohnt hat.
Kickstarter & Co.
Fazit
Shenmue 3 ist weit davon entfernt, das beste Spiel des Jahres zu sein. Auch verfehlt es, im Gegensatz zum ersten Teil anno 2000, unsere Platin-Auszeichnung deutlich. Trotzdem ist es mein Spiel des Jahres - dabei war ich sehr unsicher, ob dieses so lange ersehnte Stück Software meinen hohen Erwartungen gerecht werden konnte. Einiger grafischer Defizite und schlechter Design-Entscheidungen zum Trotz (Sparring-Konzept, Angel nur zum Leihen, Glücksspiel-Gewinne als Tokens nicht als Geld) führt es die einzigartige Atmosphäre der Serie perfekt fort. Entschleunigung als Spielprinzip quasi. Ryo ist spröde und zurückhaltend, dabei aber so grundsympathisch wie eh und je, die Gespräche und das Herumstöbern in den Läden mäandern stets zwischen hölzern-umständlich und heimelig-interessant. Über viele alte und neue Dinge in Shenmue 3 habe ich mich extrem gefreut: Das Fahren mit dem Gabelstapler und die Fights in den Dojos, das Kaufen von Capsule-Toy-Figuren und die Besuche in der Spielhalle, auch das Sammeln von Kräutern, die teils ulkigen Nebenaufträge und die abendlichen Dialoge mit Shenhua. Mein größter Kritikpunkt ist, dass die Hauptgeschichte nicht recht aus dem Quark kommt - ich hätte gedacht, dass Yu Suzuki nach so langer Pause begieriger darauf ist, die Story um Phoenix- und Dragon Mirror sowie Lan Di voranzutreiben. Dafür finde ich die Schauplätze extrem gelungen: Sowohl das ländliche Bailu mit seinen vielen Abkürzungen als auch das lebhafte Niaowu sind mir so lieb geworden wie Yokosuka und Kowloon. Zudem verbeugt sich der japanische Altmeister charmant vor seinen Kickstarter-Unterstützern - eine schöne Geste!
Pro
- sehr schöne Stimmung
- locker 30 Stunden Spielzeit
- viele Details in Läden und Häusern
- Ansprechen fast aller NPCs möglich
- wahnsinnige viele Gegenstände in Shops
- gelungenes Kampfsystem
- viele Moves zum Kaufen
- Arcade-Vergnügungen und Capsule Toys
- Minigames zum Arbeiten und Trainieren
- gelungenes Layout der Schauplätze
- kurze Wege machen Hin- und Herlaufen erträglich
- Wiedersehen mit Kultfiguren
- Telefonate mit Freunden
- optionale Nebenquests
- sehr viele Gespräche
- Casino-Games und Lucky Hit
- teils sehr klamaukig
- angenehm entschleunigtes Spielprinzip
- ordentliche Steuerung
- Kräuter sammeln macht Laune
- verschiedene Outfits für Ryo
- kurze Ladezeiten
- stimmungsvolle Musik
- Cory Marshall spricht Ryo
- viele Anspielungen für Fans
- Kickstarter-Unterstützer charmant gewürdigt
Kontra
- reichlich Draw-ins, kleinere Ruckler
- Story nimmt nur sehr langsam Fahrt auf
- Menüs ziemlich altbacken
- manchmal zu viel Gehe zu A, dann zu B, dann zu C
- Quick-Time-Events zu fordernd
- Sparring-Konzept wirkt nicht durchdacht
- sperrige, hölzerne Animationen
- etliche Stimmen piepsig oder nervig
- vielfach gleiche Begrüßungsfloskeln
- Ryo manchmal zu höflich und zögerlich
- Abend-Dialoge mit Shenhua zu formelhaft
- ohne Serienkenntnisse weniger spaßig
- kaum Grafikoptionen am PC
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.