Stadia - Test, Service, Stadia
Einfach einstecken und loslegen: Viele Technik-Gadgets funktionieren heute nach diesem benutzerfreundlichen Prinzip. Google versucht die Einrichtung von Stadia ebenfalls möglichst simpel zu gestalten, doch ganz so einfach, wie man es vielleicht erwarten würde, funktioniert es dann doch nicht. Zunächst muss man festhalten, dass auch Stadia nicht ohne eine lokale Hardware auskommt, wenn man die Spiele am heimischen Fernseher nutzen will. Dazu wird zwingend ein Chromecast Ultra benötigt, der in einen HDMI-Anschluss gestöpselt und mit Strom versorgt werden muss. Praktischerweise liegt der Stick der Founders Edition von Stadia bei. Wer bereits einen Chromecast Ultra besitzt, muss derzeit dennoch die neue Version aus dem Lieferumfang nutzen, da ältere Varianten erst später das benötigte Update erhalten sollen.
Simple Einrichtung mit kleinen Hürden
Bevor das erste Spiel über den Bildschirm flimmert, muss erst die Hardware mit Hilfe der Google-Home-App über ein Mobiltelefon oder Tablet eingerichtet werden. Dazu zählt z.B. die benötigte Einrichtung des WLAN-Zugangs. Die absolute Grundvoraussetzung ist selbstverständlich ein Google-Konto. Besitzt man noch keins, muss man es zuvor anlegen. Anschließend widmet man sich der offiziellen Stadia-App, die man im PlayStore oder AppStore erhält. Dort gibt man zunächst den Code seiner Founder's Edition ein, um Zugang zum Service zu bekommen und weitere benötigte Informationen wie Kreditkartendaten zu hinterlegen. Zudem reserviert man sich einen Nutzernamen und wählt ein Avatar-Bild für sein Profil aus, das sich jederzeit wieder ändern lässt. Danach geht es an die Einrichtung des Controllers mit Hilfe der App, bis man am Ende schließlich noch sein Stadia-Konto samt Controller mit Chromecast verknüpfen muss. Das hört sich zwar komplizierter an als es dank der guten Benutzerführung letztendlich ist, aber der Anschluss einer Konsole gestaltet sich im direkten Vergleich dennoch schneller und einfacher. Etwas problematisch können zudem Ortswechsel sein: Da sich Mobilgerät, Controller und Chromecast im gleichen WLAN befinden müssen, muss ein Teil der Einrichtungsprozedur wiederholt werden, falls man das TV-Setup woanders nutzen möchte. Wer dagegen eine permanente Installation der Hardware anstrebt, kann sich freuen: Nach dem ersten Setup reicht ein Druck auf den Stadia-Knopf des Controllers und der Service wird umgehend am TV gestartet.
WLAN nur zweite Wahl
Die Spiele erhält man im Stadia-Store, auf den man bisher aber nur Zugriff über die mobile App, aber nicht über den TV-Betrieb mit Chromecast erhält. Diese Funktion soll erst später nachgereicht werden. Mit 22 Titeln zum Start ist die Auswahl derzeit noch sehr überschaubar und besteht größtenteils aus Spielen, die bereits seit mehr oder weniger langer Zeit auf anderen Plattformen veröffentlicht wurden. Wer das Pro-Abo abgeschlossen hat, kann sich aber immerhin über einige attraktive Angebote freuen, bei denen der reguläre Kaufpreis häufig halbiert wird. Genau wie bei PlayStation Plus und Xbox Live Gold gibt es mit Destiny 2 und Samurai Shodown zudem die ersten kostenlosen Titel für die Abonnenten.
Spielekauf mit Umwegen
Für Stadia muss man sich seine Spielebibliothek komplett neu aufbauen. Wer bereits Titel aus der gebotenen Auswahl besitzt, muss sie sich also nochmal kaufen. Und nicht nur das: Sollte Google irgendwann das Interesse an Stadia verlieren und den Stecker ziehen, würden Nutzer alle ihre gekauften Spiele bzw. die Lizenzen zur Nutzung verlieren. Ob sich die tragische Geschichte von OnLive bei Stadia wiederholen wird, steht jetzt zum Anfang zwar trotz erster Sorgen mancher Entwickler noch in den Sternen, stellt aber dennoch eine potenzielle Gefahr dar. Gleiches gilt aber auch für PC-Plattformen wie Steam oder den Epic Games Store.
Ohne App geht (fast) nichts
Will man Spiele in maximaler Qualität bei einer Auflösung von 4K mit HDR und 5.1-Surround-Sound genießen, geht der Datenverbrauch entsprechend durch die Decke. Nach Angaben von Google werden unter diesen Voraussetzungen etwa 20 Gigabyte pro Stunde durch die Leitungen gejagt. Allerdings steht diese Option ohnehin nur Pro-Abonnenten zur Auswahl. Wer etwas sparsamer zocken oder sich später für das kostenlose Basis-Abo entscheiden möchte, kann sich in den Optionen für eine ausgeglichene Darstellung entscheiden und es Stadia überlassen, die Auflösung automatisch an die Internetgeschwindigkeit anzupassen. Sparfüchse oder Spieler mit einem knappen Datenvolumen können dagegen eine eingeschränkte Datennutzung aktivieren. Hier wird die Auflösung permanent auf 720p und der Verbrauch auf maximal 4,5 Gigabyte pro Stunde reduziert.
Praxis-Test
Die Latenz bzw. Eingabeverzögerung zählt bekanntlich zu den größten Herausforderungen beim Streamen von interaktiven Inhalten. Wie hat Google sie gemeistert? Überraschend gut! Mit einer schnellen Kabelverbindung reagiert die Steuerung beim Spielen am Fernseher via Chromecast erstaunlich direkt auf die Eingaben – selbst flotte Fighting Games wie Mortal Kombat 11, bei denen eine möglichst geringe Eingabeverzögerung Pflicht ist, sind perfekt spielbar und fühlen sich klasse an. Eingefleischte Profis und eSportler, bei denen jede Millisekunde zählt, werden vermutlich Unterschiede bemerken, aber für den Otto-Normal-Spieler dürfte sich die Steuerung ähnlich gut und präzise anfühlen wie beim Zocken an der Konsole oder dem PC. Und das ist schon eine Leistung: Kein anderer Streamingdienst für Spiele bietet aktuell eine derart niedrige Latenz wie Stadia!
Gutes Spielerlebnis
Der offizielle Stadia-Controller dürfte seinen Teil dazu beitragen, denn er verfügt nicht nur über einen Kabelanschluss für USB-C sowie Bluetooth, sondern verbindet sich über das WLAN parallel und unabhängig von Chromecast mit dem Rechenzentrum, was laut Google die unvermeidbare Eingabeverzögerung weiter minimiert.
Innovative Controller-Technologie?
Beim Design erinnert das Stadia-Pad an eine Mischung aus Dualshock, Pro-Controller und Xbox-One-Controller. Bei den Sticks hat sich Google für eine symmetrische Anordnung und konkave Aufsätze entschieden, wie es bei den Sony-Controllern üblich ist. Darüber hinaus finden sich die üblichen Elemente wie Digitalkreuz, vier Aktionsknöpfe mit ordentlichen Druckpunkten, Schultertasten und die etwas zu leichtgängigen Trigger. Hinzu kommen jeweils ein Knopf für Menü und Options. Zusätzlich verfügt der Stadia-Controller über zwei weitere Tasten: Eine fungiert quasi als Share-Button und ist damit für die Speicherung von Videoaufnahmen und Screenshots reserviert, die man später vermutlich direkt auf Youtube wird hochladen können. Derzeit ist es aber noch nicht möglich, eigene Inhalte zu teilen. Mit der anderen neuen Taste ruft man den Google-Assistenten auf. Er soll dazu dienen, Spielern schnell zu helfen, wenn sie ein Problem haben und z.B. an einer Stelle nicht weiterkommen. Im Zusammenspiel mit der geplanten Youtube-Integration wäre es z.B. denkbar, dass Stadia eine Bildanalyse in Echtzeit mit der Datenbank abgleicht, um umgehend die Lösung in einem Walkthrough-Video anzubieten. Allerdings ist die Einbindung von Youtube zusammen mit vielen weiteren Features wie Parties im Mobilbetrieb oder Textchat erst im kommenden Jahr geplant. Da noch einige Puzzleteile fehlen, erscheint der Google Assistent zum jetzigen Zeitpunkt daher relativ überflüssig, aber ein gewisses Potenzial lässt sich bereits erkennen.
Fühlt sich gut an
Browser statt TV
Interessanterweise kann man sogar Controller verwenden, die nicht offiziell unterstützt werden. Der NACON Arcade Stick Daiju wurde z.B. anstandslos erkannt und ließ sich in Mortal Kombat 11 nutzen. Für die Nutzung am Fernseher bringt das leider nichts: Mangels USB-Anschlüssen funktioniert Stadia dort bisher nur kabellos und in Kombination mit dem offiziellen Controller. Interessant dürfte werden, ob Google sich in dieser Hinsicht noch etwas einfallen lassen wird oder zusätzliche Spezial-Peripherie wie Lenkräder im TV-Betrieb außen vor bleiben müssen. Was die Anschlussfreudigkeit angeht, bietet das Spielen über den Browser deshalb durchaus Vorteile gegenüber dem reinen TV-Erlebnis. Aber es gibt auch Nachteile: Das Streamen in 4K mit HDR und Surround-Sound ist bei der Verwendung des Browsers derzeit noch nicht möglich und soll erst im kommenden Jahr folgen.
Prügeln mit Fightstick
Wer hofft, über den Chrome-Browser auf seinem Tablet oder Mobiltelefon ebenfalls mit Stadia spielen zu können, wird genauso enttäuscht sein wie von der Tatsache, dass man auch mit der installierten App auf den meisten Modellen kein Spiel starten darf. Tatsächlich gestattet Google derzeit das mobile Spielen lediglich bei den hauseigenen Pixel-Modellen ab der Serie 3. Gleichzeitig muss man das verwendete Eingabegerät selbst bei Bluetooth-Unterstützung zwingend per Kabel mit dem Gerät verbinden, wobei neben dem Stadia-Controller auch die Modelle anderer Hersteller genutzt werden dürfen. Erst Anfang 2020 soll man den Stadia-Controller kabellos an anderen Bildschirmen abseits von Chromecast verwenden dürfen.
Eingeschränkte Mobilnutzung
Fazit
Google hat mich mit Stadia positiv überrascht! Ich hätte nicht gedacht, dass Spielestreaming in 4K mit HDR so gut aussehen, sich mit 5.1-Sound so gut anhören und sich gleichzeitig aufgrund der geringen Latenz so direkt anfühlen kann. Noch nie präsentierte sich diese Technologie für Spiele so eindrucksvoll wie hier! Trotzdem wirkt der Start der Plattform unnötig überhastet: Viele zentrale Funktionen fehlen noch, beim Spielen über den Browser oder Mobilgeräte muss man weiterhin mit zahlreichen Einschränkungen leben und ohne die Handy-App lässt sich im TV-Betrieb oder mit Chrome weder im Store stöbern noch dürfen wichtige Einstellungen vorgenommen werden. Dadurch kann auch der gut designte Stadia-Controller sein gesamtes Potenzial noch nicht abrufen, doch die grundlegende Steuerung geht mit dem Eingabegerät dank der soliden Qualität und ordentlichen Rumble-Effekten schon gut von der Hand. Eine Hemmschwelle dürfte für viele potenzielle Interessenten der komplette und kostenintensive Neuaufbau der Spielebibliothek darstellen. Da es keine Download-Option gibt, ist man außerdem immer vom eigenen Provider und Googles Rechenzentren abhängig, denn ohne eine Verbindung zum Internet geht hier nichts. Sollte sich Google – warum auch immer – dazu entschließen, den Service einzustampfen, verliert man damit gleichzeitig den Zugang zur Software, für deren Nutzung man bezahlt hat. Trotzdem wirkt die Preisgestaltung des Pro-Abos mit 9,99 Euro pro Monat relativ fair, da man nicht nur die maximale Qualität, sondern auch Rabatte im Store und sogar kostenlose Spiele erhält. Ob sich Stadia lohnt, ist eigentlich ein Rechenspiel: Hat man bereits eine stattliche Spielebibliothek und eine moderne, stationäre Plattform, ergibt der Umstieg nur wenig Sinn. Wer dagegen nicht in teure Hardware investieren will, eine flotte Internetleitung hat und sich auf Streaming sowie den Aufbau einer neuen Spielebibliothek einlassen möchte, bekommt mit Stadia ein überraschend gutes Erlebnis. Das wahre Potenzial der Google-Plattform wird sich aber vermutlich erst bei exklusiven Produktionen und nach der Implementierung aller Funktionen zeigen. Daher bin ich gespannt, wie es für Stadia weitergeht und wie die anderen Hersteller mit Project xCloud & Co dagegenhalten werden.