Thoth - Test, Arcade-Action, PC, Switch, Mac

Thoth
09.01.2020, Matthias Schmid

Test: Thoth

Kreis vs. Quadrat

Zuerst 140, dann Thoth: Das dänische Indiestudio Carlsen Games hat offensichtlich eine Vorliebe für seltsame Spielenamen. Thoth ist ein grafisch minimalistischer Twinstick-Shooter mit innovativen Spielmechaniken. Wie viel Spaß sich dahinter verbirgt, klärt unser Test.

Titel wie Alien: Isolation oder Dead Space brauchen düstere, klaustrophobische Gänge, Flackerlicht, tödliche Feinde und Terrorsound, um dem Spieler das Herz in die Hose rutschen zu lassen. Thoth genügen ein paar geometrische Grundformen und ein famoses Sounddesign, um fast denselben Effekt zu erzielen. Gerade die Klangkulisse macht den Indie-Twinstick-Shooter zu einer schweißtreibenden Angelegenheit: Vom etwas dünnen Ballergeräusch der eigenen „Spielfigur“ abgesehen, werden Soundeffekte brillant eingesetzt. Eine Art feindliches schwarzes Loch ist nicht nur zu sehen, sondern hört sich auch bedrohlich an; zudem erschaffen sphärische Töne eine intensive Atmosphäre. Thoth sieht nicht immer anstrengend aus, klingt aber so! Und in jeder vierten Stage verkündet ein basslastiger Gong, dass nun eine besondere Prüfung ansteht.

Bunt, aber bedrohlich

Stressig: Meine Spielfigur (kleiner weißer Kreis) muss Feinde erledigen und vor einem schwarzen Loch fliehen.
Thoth reiht sich in die lange Liste der Twinstick-Shooter ein - die reicht bekanntlich von Robotron 2084 (1982) über die große Genre-Widergeburt Geometry Wars: Retro Evolved (2005) bis ins Jahr 2020. Und trotzdem gelingt es dem dänischen Indiegame geradezu leichtfüßig, einen neuen Twist anzubieten: Thoth ist so taktisch variabel wie nur wenige 2D-Ballerspiele vor ihm. Man steuert einen kleinen weißen Kreis, der rundum feuern kann - er wird bedroht von bunten geometrischen Objekten, vielfach Quadraten, die scheinbar ziellos auf der 2D-Ebene umherfliegen. Doch Vorsicht: Nicht nur verfolgen euch die Biester, sie werden auch schneller, wenn ihr sie abgeschossen hat. Klingt komisch, funktioniert aber simpel: Habt ihr einen Gegner durch wiederholte Treffer erledigt, bleibt seine schwarze Silhouette erhalten und verfolgt euch, und das sogar schneller als zuvor. Erst wenn man alle drei, vier oder mehr Feinde einer Stage auf diese Weise geschwärzt hat, ist das aktuelle Level geschafft. Das eröffnet innerhalb der sehr kurzen Abschnitte einen großen taktischen Freiraum: Denn es ist von großer Wichtigkeit, wann man welchen Gegner abschießt. Zudem nutzt Thoth eine Mechanik die man häufig in japanischen Bullet-Hell-Shoot’em-Ups sieht - wer schießt, wird selbst langsamer!

Starke Idee: Feuert man auf einen Feind, entstehen zwei zusätzliche grüne tödliche Linien - hier ist Taktik gefragt.
Feind ist zudem nicht gleich Feind: Große Quadrate spucken z.B. vor ihrem Ableben noch ein kleines Viereck in eure Richtung aus, kleine schwarze Kreise dehnen sich kontinuierlich aus, wenn ihr sie nicht mit gelegentlichen Salven „kleinhaltet“. Manche Feinde teleportieren euch nach ihrem Ableben an eine bestimmte Stelle, andere sorgen in dem Moment, wo ihr sie erledigt, dafür, dass eine tödliche Farbbarriere verschwindet. Hinzu kommen Boss-Stages, in denen euch ein besonders zäher bunter Block kontinuierlich schwarze Quadrate entgegenspuckt, oder knifflige Mechaniken wie zwischen zwei Feinden entstehende, tödliche Linien, die nur auftauchen, wenn einer der beiden Feinde unter Beschuss ist. All diese kleinen feinen Kniffe verpackt Thoth in eine stylische, extrem reduzierte Optik - bei der, das fällt manchen Spieler zunächst gar nicht auf, die aktuelle Level-Nummer stets in die Hintergrundgrafik eingebunden ist. Wie das kürzlich getestete 140 vom selben Entwickler ist auch Thoth technisch blitzsauber, aber eben auch sehr reduziert, minimalistisch, spartanisch - und damit einhergehend schön.

Große Abwechslung

Wer in Thoth getroffen wird, erhält eine zweite Chance - die allerdings unter verschärften Bedingungen: Denn nun ist der Bildschirmrand, bislang problemlos touchierbar, bei Kontakt sofort tödlich. Danach geht es zurück zu einer Stage, deren Nummer durch vier teilbar ist: 64, 60, 56 und so weiter. Man könnte auch sagen: Alle vier Level gibt es einen Checkpoint. Damit einhergend ändern sich alle vier Stages auch das Farbschema und spezielle Gegner-Features, die oben schon erwähnt wurden. Wer die 64 Spielstufen von Thoth meistert (was fordernd, aber kein Hexenwerk ist) erhält eine 8- und 16-Level-Challenge, wo zufallsgenerierte Stages ohne Lebensverlust geschafft werden müssen. Bewältigt ihr auch die, gibt es zwei brutal schwere Schluss-Herausforderungen mit stets tödlichen Lava-Wänden.

Durchdachte Details

Einfacher im Team? 

Alle vier Stages erwarten euch ein neues Farbschema und frische Feinde mit fiesen Eigenschaften.
Ein Zweispieler-Modus ist übrigens auch an Bord, mit einem Kniff: Segnet ein Spieler das Zeitliche, wird er zu einem zuckenden, schwarzen Blob, der dem anderen das Leben zusätzlich schwer macht - nette Idee! Thoth, das übrigens schon 2016 für PC erschien, ist auf Switch sowohl mit den (vielfach gerügten) Joy-Cons wie auch dem Pro Controller tadellos steuerbar, beim Test stieß ich auf ein erstaunliches Feature: Feuert man, wie in einem Twinstick-Shooter üblich, mit dem rechten Analogstick, fliegen die Schüsse erwartungsgemäß in alle Richtungen des 360-Grad-Kreises von euch weg. Benutzt man hingegen die rechten Aktionstasten gehen die Schüsse nur nach unten, oben, links und rechts (plus schräg, wenn man zwei Tasten gleichzeitig drückt). Dafür hilft dann eine dezente Auto-Aim-Funktion, welche die Schüsse automatisch auf den nächsten Feind lenkt. Probiert ruhig mal beide Varianten aus, man kann sich nämlich mit beiden anfreunden!

Fazit

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere an Riff: Everyday Shooter (PC, PS3, PSP) - mir hatte die Twinstick-Ballerei mit ihrer avantgardistischen, wabernden Grafik sehr gefallen. Und tatsächlich erinnert mich Thoth daran, weil die reduzierte Optik ebenfalls sehr stylisch ist und Schwierigkeitsgrad sowie Nur-noch-ein-Versuch-Suchtgefahr ähnlich hoch sind. Dank seiner äußerst innovativen Mechanik, eigentlich abgeschossene Feinde als Verfolger weiter im Spiel zu halten, ist Thoth aber noch deutlich besser. Die taktischen Möglichkeiten, wann ich welchen Gegner am besten erledige, wann ich Reißaus nehme oder noch kurz nebenbei das wachsende schwarze Loch zurückdrängen muss, sind großartig - und angesichts der sonst simplen Spielmechanik schnell verstanden. Für die Langzeitmotivation wären größere Stages oder Power-Ups vielleicht sinnvoll gewesen, allerdings hätte dann auch die Gefahr bestanden, das einfache, sehr gut funktionierende Konzept zu überfrachten. Wie schon 140 klingt Thoth übrigens großartig!

Pro

  • stylische Minimal-Optik
  • großer taktischer Freiraum
  • eindringliche Soundkulisse
  • kreative Feind-Mechaniken
  • zweite Chance sorgt für Adrenalinschub
  • extra schwere Zusatz-Herausforderungen
  • fiese Idee für Zweispieler-Modus

Kontra

  • in zwei, drei Stunden durchgespielt
  • keinerlei Upgrades und Power-Ups

Wertung

Switch

Reizvoller Twinstick-Shooter mit starkem Sound, der dem Spieler enormen taktischen Freiraum lässt!

Echtgeldtransaktionen

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Leicht
Mittel
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Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
darkchild

Cooles und kurzweiliges Spiel. Vor allem einige witzige Mechaniken beim Gegnerdesign drin. Mit der alternativen Button-Steuerung komme ich allerdings überhaupt nicht zurecht

vor 4 Jahren