Oddworld: Strangers Vergeltung - Test, Action-Adventure, PlayStation3, PlayStation2, PS_Vita, PC, Switch, XBox
Es ist immer wieder erstaunlich, wie stark sich das Action-Genre in den letzten 20 Jahren verändert hat. Sicher: Strangers Vergeltung war schon damals ein Sonderfall. Doch viele Mechaniken und Belegungen widersprechen der heute üblichen Action-Adventure-Formel derart krass, dass sich die ersten Minuten anfühlen, als würde man in ein ganz anderes Zeitalter abtauchen. Das erste Kuriosum ist das ständige Umschalten mit R3 zwischen der extrem trägen Schulterkamera und der immerhin etwas flotteren Ego-Sicht zum Schießen. Sprinten funktioniert nur in der Außenperspektive, allerdings nicht per Klick auf den linken Stick, sondern mit Y – und zwar nur, wenn man genug Anlauf holt. Sowohl im Spiel als auch den Menüs: Fast alles funktioniert und steuert sich ganz anders, als man es in der futuristischen Gegenwart des Jahres 2020 gewohnt ist. Je nach Sicht wechselt der Knopf für den Nahkampf, Schaden lässt sich im Austausch gegen Ausdauer „abschütteln“, im Menü blinken nur manche der Schaltflächen auf - und, und, und.
Irgendwie antiquiert...
Nicht einmal das neu hinzugefügte Anpeilen per Bewegungssteuerung funktioniert konsistent. Im Mobilbetrieb lässt sich gut damit zielen, per Controller dagegen ziemlich träge - selbst wenn man die Empfindlichkeit nachjustiert. Das Schöne am antiquierten Chaos: Nach rund einem Stündchen hat man die Eigenarten langsam wieder verinnerlicht - und dann kann man sich endlich auf die Stärken des bizarren Action-Adventures konzentrieren, die auch heute noch für ein auf lange Sicht unterhaltsames Erlebnis sorgen. Bei Stranger‘s Wrath handelte es sich um das letzte Spiel, bevor sich Oddworld Inhabitants vorerst aus der Videospiel-Entwicklung zurückzog. Enthalten ist jede Menge Action, gewürzt mit Hüpfeinlagen und einigen Puzzles, wie ihr auch in unserem Test des Originals nachlesen könnt. Mit den Vorgängern aus der Oddworld-Reihe hat der Titel aber spielerisch nur wenig gemeinsam.
...und doch unterhaltsam
Für die Bosse gibt es daher auch immer mehrere Lösungswege: Für sie sollte man nach Fallen Ausschau halten und ein wenig mit den verschiedenen Munitions-Typen der verrückten Armbrust experimentieren. Schubst man den mit einer Minigun bewaffneten „Looten Duke“ mit einem explosiven Gürtelkäfer in eine Falle voller rotierender Klingen - oder betäubt man ihn lieber so lange mit Blitzschlägen, bis man ihn lebendig einsackt? Die Experimente mit den ungewöhnlichen Waffen sind nach wie vor eine erfreulich große Motivation. Im heutigen Zeitalter verrückter Indie-Titel auf Steam wirkt das Design von Stranger‘s Wrath natürlich längst nicht mehr so durchgeknallt wie damals – trotzdem hat uns der verschrobene Charme von Lorne Lannings Fantasiewelten schnell wieder in seinen Bann gezogen. Mittlerweile fällt natürlich eher auf, dass man eher in miteinander verbundenen Korridoren unterwegs ist als in einer glaubwürdigen offenen Welt - doch das sorgt im Gegenzug für einen angenehmen Nostalgie-Faktor.
Nach wie vor schick?
Schade übrigens, dass die deutsche Vertonung des Originals gestrichen wurde. Stattdessen soll diesmal lediglich ein Patch mit deutschen Untertiteln nachgereicht werden. In den Menüs und Zwischensequenzen sind die deutschen Texte schon jetzt enthalten. Andere Details wie die Reputation des Strangers, der auch unbescholtene Bürger diverser Städte überfallen kann, lassen die Welt aber auf Dauer lebendiger erscheinen, als es zunächst den Anschein hat. Dort besorgt man sich auch die Aufträge für die nächsten Kopfgeldjagden, Nebenmissionen oder Upgrades wie Munitionsclips oder ein Fernglas mit Abhör-Funktion.
Fazit
Trotz einiger sperriger Altlasten wie der wirren Steuerung steckt also auch im Jahr 2020 noch ein faszinierend eigenwilliges Action-Adventure in Oddworld: Stranger‘s Wrath – zumal auch die technische Umsetzung meist überzeugt. Wenn man sich erst einmal mit all den altbackenen Macken angefreundet hat, treten wieder all jene exzentrische Besonderheiten in den Vordergrund, die den grummelnden Helden und seine angenehm verrückte Bewaffnung schon damals so unterhaltsam gemacht haben. Schön, dass die Oddworld Inhabitants zurück sind! Nach einigen erfolgreichen Neuauflagen arbeiten sie momentan sogar am relativ eigenständigen und schon jetzt äußerst hübschen Oddworld: Soulstorm (zur Vorschau)!
Pro
- unvergleichlicher Grafikstil
- verrückte »lebende Munition«
- toller Humor
- interessante Story
- skurrile Charaktere
- fetzige Bosskämpfe
- herausfordernde Hüpfeinlagen
- im TV-Betrieb 1080p-Auflösung und 60 Frames pro Sekunde
Kontra
- Steuerungs-Wirrwarr ist schlecht gealtert
- vereinzelter Leerlauf im Missionsdesign
- sporadische Kameraprobleme
- deutsche Vertonung des Originals gestrichen
- gelegentlich leichte Ruckler
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- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.