AO Tennis 2 - Test, Sport, PC, PlayStation4, Switch, XboxOne
Allzu schönes Tennis ist es ja nicht, was man zu sehen bekommt, denn wie schon in AO International Tennis hält sich der Wiederkennungswert vieler Profis in Grenzen. Monfils, Kyrgios und Nadal sowie Pliskova oder Barty sehen den Originalen halbwegs ähnlich, aber bei Kerber war ich etwa ganz froh, sie über den Namen und nicht das Gesicht auszuwählen. Sind die Wachsfiguren für sich genommen schon weit entfernt vom Fotorealismus, wirken spätestens ihre Bewegungen ungelenk, die Mimik sogar ausgesprochen starr. Außerdem ragen Teile des Körpers durch die Kleidung hindurch, während sich das Shirt schon mal in den Haaren verfängt und damit den Rücken freilegt.
Ker-wer?
Vergesst außerdem nicht, dass hier nur die Australian Open nachgeahmt werden. Kein anderes Turnier steht im Kalender. Natürlich kann man die Arenen in Paris, London und New York eindeutig zuordnen. Ganz großes Tennis legt Entwickler Big Ant Studios aber nicht auf. Die Plätze in Melbourne, allen voran die Rod Laver Arena, werden dafür allerdings recht überzeugend abgebildet, sodass wenigstens dort Stimmung aufkommt.
Mit Schwung nach Melbourne
Und als ich die ersten Partien des großen Turniers gespielt habe, war ich auch zunächst sehr angetan! Big Ant hat den Spielfluss nämlich durch kleine Veränderungen so verbessert, dass man viele Bälle sicherer als im Vorgänger übers Netz bringt und damit schneller in einen schwungvollen Flow kommt. Ich habe die Schwierigkeit jedenfalls relativ früh erhöht, was ein gutes erstes Zeichen war...
Tennis der individuellen Art
Auch Plätze kreiert man selbst, um sie wahlweise mit anderen Spielern zu teilen. Das hat zwar den Nachteil, dass manche Online- und auch Karriere-Matches auf den teils detailarmen Umgebungen anderer Spieler ausgetragen werden, grundsätzlich sind die vielen Möglichkeiten das Spiel zu erweitern aber hervorragend. Man erstellt ja auch Herausforderungen sowie Listen mit Spielern, die u.a. Nachbildungen realer Profis enthalten könnten. Es dürfte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis geduldige Menschen ähnlich wie in PES fehlende Lizenzen nachtragen.
Auf dem Platz folgt AO Tennis 2 schließlich dem gängigen Prinzip, dass man per Tastendruck Topspin, Slice, Drive oder Lob auslöst sowie bei gehaltener Schultertaste risikoreiche Schläge wie Stopps ausführt. Toll ist, dass man jede Entscheidung der Linienrichter challengen kann (leider auch in Paris) und die vom Spiel gesteuerten Kontrahenten ebenfalls davon Gebrauch machen. Klasse außerdem: Nach den meisten Ballwechseln darf man sich für eine positive oder negative Reaktion entscheiden. Meist führt das Alter Ego ohnehin eine halbwegs passende aus, man kann das also getrost ignorieren. Ich finde diese Art des Einbringens aber großartig.
Doch dann stellt man fest, dass Big Ant die grundlegenden Probleme der Spielmechanik gar nicht beseitigt hat. Vielmehr wird in der Karriere deutlich, dass fast allen Schwächen des Vorgängers noch enthalten sind und bei Stars mit hohen Werten lediglich Programmhilfen so greifen, dass eine nachvollziehbare Dynamik entsteht. Die größte Schuld daran hat wie schon im Vorgänger das extreme Einschränken der Bewegungsfreiheit, denn die bewegt das Alter Ego entweder von selbst in eine Richtung oder verhindert gar gewünschte Bewegungen. Selbst bei angeblich abgeschalteter Bewegungshilfe kommt es deshalb zu Situationen, in denen die Figur einfach am Platz sehen bleibt, obwohl man sofort nach einem Schlag den Analogstick in die entsprechende Richtung drückt.
Sport auf Schienen
Häufig hoppelt der Superstar etwa seitwärts an der Grundlinie entlang, anstatt in die Ecke zu rennen, in die man den Return kommen sieht – im ersten Satz, wohl gemerkt, also bei voller Leistungsbereitschaft. Inside-Out-Schläge kann man aus diesem Grund fast komplett vergessen, denn die Profis bewegen sich vor allem bei Bällen, die mittig auf sie zukommen partout nicht vom Fleck. Erst im letzten Augenblick versetzt sie das Spiel – meistens jedenfalls – plötzlich so, dass sie mit der Vorhand schlagen. Ob man tatsächlich etwa ans Netz will oder nicht, spielt ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle – und vieles, vieles mehr!
Immer im Winkel
Die Karriere gewinnt ja weder durch das Abklappern immer gleich aussehender Turniere noch die trockenen Multiple-Choice-Pressekonferenzen oder Social-Media-Tweets nach jedem Match an Schwung. Das Fan-Feedback und die Pressekonferenzen sind zwar gute Ergänzungen, werten die grundlegend trockene Präsentation aber insgesamt kaum auf. Stattdessen hätten einzigartige, von Hand gemachte kleine Plätze, wie man sie z.B. aus Top Spin kennt, den Turnieren zu Beginn der Laufbahn sehr gut getan. Motivierend ist das stete Erweitern des Teams, indem man Preisgelder für Personal ausgibt, welches u.a. die Regeneration nach Turnieren verbessert. Seltsam wirkt nur erneut die Tatsache, dass man auch bessere Fähigkeiten schlicht hinzukauft.
Nach dem Match ist vor dem Match
Online ergeben sich dank der Unvorhersehbarkeit menschlicher Kontrahenten zum Glück etwas abwechslungsreichere Partien. Aber auch da bestimmt das starre Bewegungskorsett den Großteil der Ballwechsel. Nach wie vor ist der Aufschlag zudem sowohl hier als auch gegen die KI eine Idee zu mächtig, sobald man das Timing einmal verinnerlicht hat. Könnten reale Gegner darauf reagieren, in welche Richtung der Aufschlag geht, müssen sie hier schon vor dem Schlag relativ weit in die entsprechende Ecke laufen, was mehr mit einem Ratespiel als mit Tennis zu tun hat.
Fazit
Weil zumindest das titelgebende Turnier in Melbourne hübsch präsentiert wird, dank kleiner Modifikationen besser spielbar ist als im Vorgänger und man viele Freiheiten beim Kreieren sowie Herunterladen z.B. selbst erstellter Spielerlisten hat, ist AO Tennis 2 ein etwas besseres Spiel als Teil eins. Auch die behutsam aufgepeppte Karriere kann man als Fortschritt bezeichnen und mir gefällt das manuelle Einbringen positiver oder negativer Reaktionen nach den Ballwechseln. Allerdings ändert nichts davon etwas an der noch immer verkorksten Spielmechanik, bei der mächtige Automatismen eine stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit kompensieren. Man fühlt sich wie ein Beifahrer; als würde man vorgegebenen Linien nachlaufen, anstatt eigene Wege zu gehen. Hinzu kommt die schwache Technik einschließlich durch Kleidung sichtbarer Körperteile. Nein, dieses Spiel gibt seinen Sport leider noch immer zu schlecht wieder, um mich auch abseits der Australian Open am Ball zu halten.
Pro
- challengen aller Bälle, was auch von Gegnern genutzt wird
- manuelles Auslösen positiver bzw. negativer Reaktionen auf Ballwechsel
- erstellen und tauschen eigener Herausforderungen, Tennisplätze und Spieler bzw. Spielerlisten Schiedsrichter sprechen viele Namen abseits der Lizenzen aus
- Aufbau von Trainer- bzw. Mitarbeiterstab in Karriere
- Fortschritt unterbrochener Matches kann gespeichert werden
Kontra
- extrem starkes automatisches Bewegen bzw. Verhindern von Bewegen auch bei abgeschalteter Bewegungshilfe
- Ballwechsel gleichen sich stets sehr
- viele Bewegungen und Aktionen wirken besonders am Anfang der Karriere seltsam unbeholfen
- mächtige, nahezu beliebig reproduzierbare Aufschläge
- mäßiger Wiedererkennungswert lizenzierter Spieler und grafische Fehler
- Fähigkeiten werden durch Ausgeben von Geld verbessert
Echtgeldtransaktionen
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