Darwin Project - Test, Shooter, PlayStation4, PC, XboxOne

Darwin Project
16.01.2020, Matthias Schmid

Test: Darwin Project

Die Tribute von Fortnite

Nach beinahe zwei Jahren im Early Access wagt der Free-to-Play-Shooter Darwin Project den Schritt zum fertigen Spiel für PC, PS4 und Xbox One. Wir haben uns in die Battle-Royale-Arenen gestürzt und verraten euch, ob das Spiel von Scavengers Studio die Qualität hat, um Fortnite zumindest inhaltlich Paroli zu bieten.

Darwin Project sieht dem Welterfolg Fortnite (dessen populärer Battle-Royale-Modus bizarrerweise noch immer Early-Access-Status verharrt) verblüffend ähnlich. Zugleich erinnern die verschneite, in Zonen eingeteilte Karte sowie die Axt- und Pfeil-und-Bogen-Kämpfe stark an das Buch- und Film-Phänomen Die Tribute von Panem - geschrieben von Suzanne Collins, verfilmt mit Jennifer Lawrence. Diese Marke wiederum wurde schon vielfach mit dem Vorwurf konfrontiert, vom japanischen Battle Royale (ebenfalls Buch und Film) abgekupfert zu haben. Und dann ist man inhaltlich nicht mehr weit vom Herr der Fliegen, der berühmten Robinsonade von Literaturnobelpreisträger William Golding, entfernt. Man sieht mal wieder: Moderne Medien und Kulturgüter zu finden, die nicht von erfolgreichen Büchern, Filmen, Bildern, Spielen beeinflusst werden, deren Macher nicht selbst Fans von anderen Titeln sind, ist fast unmöglich. An Darwin Project arbeitet das kanadische Team Scavengers Studio - 2015 erst gegründet, haben die sich auf die Fahnen geschrieben, Spiele zu entwickeln, die Zocker, Streamer und Zuschauer gleichermaßen unterhalten.

Alles nur geklaut?

Das merkt man dem Free-to-Play-Titel Darwin Project an: Zum einen ist es eben im bei Streamern extrem beliebten Battle-Royale-Genre angesiedelt, zum anderen geben sich dort nicht nur zehn Spieler auf die Nuss - es gibt zusätzlich einen dezidierten Show Director, der ins Geschehen eingreifen kann und soll. Er darf Spieler heilen oder aufwärmen, Ressourcen spendieren oder für eine Weile alle Wände halbtransparent machen; gleichzeitig schließt er Schritt für Schritt die sieben Zonen der Karte oder macht ein ganzes Gebiet mit einer Atombombe dem Erdboden gleich.

Hoch hinaus mit den Jet Wings: Wer diese Klasse wählt, hopst elegant durch die Spielwelt.
Ein interessantes Konzept, doch in den meisten Matches fielen mir beim Zocken diese Eingriffe kaum auf - wenn ein anderer Spieler Holz geschenkt bekommt oder sich irgendeine Zone schließt, könnte dafür auch ein simpler Algorithmus im Hintergrund verantworlich sein. Anders verhält es sich mit redseligen Moderatoren: erwischt man einen guten Show Director, der die Action kompetent kommentiert oder schon mal ein gutes Manöver lobend erwähnt, kann das tatsächlich den Spielspaß erhöhen. Wer das Zeitliche segnet, darf eine neue Runde starten oder den Rest des Matches komfortabel verfolgen - man fliegt dann frei in der Arena umher oder folgt einem beliebigen Spieler in Schultersicht.

Aber wie spielt sich Darwin Project? Grundsätzlich kämpfen zehn Spieler in einer weitläufigen Arena nach Battle-Royale-Prinzip ums Überleben - wer als Letzter steht, der gewinnt. Zwar kein Chicken Dinner, aber viel Ehre. Um das Manko mancher Titel dieses Shooter-Subgenres abzufangen, in denen man 90% der Zeit ohne zu kämpfen herumläuft und Beute aufsammelt, wird hier der Überlebensaspekt stärker gewichtet: Weil es bitterkalt ist, hat jeder Spieler eine Temperaturleiste - ist die im Keller, sinkt die Lebensenergie. Also solltet ihr regelmäßig Bäume fällen: Holz braucht man nämlich nicht nur zum Herstellen von Pfeilen, sondern auch für ein kleines Lagerfeuer - und schon ist euch wieder mollig warm.

Woodchopping Royale

Zudem sammelt man ständig irgendwo Darwinium auf, damit verbessert man Charakterwerte und Fähigkeiten - aber natürlich nur für die aktuelle Runde. Zwar gibt es keine Rüstungen und Knarren, dafür Kisten mit Gadgets und Fallen - wer die späteren Sieger der Matches fleißig beobachtet, stellt fest, dass sie damit ganz coole Dinge anstellen können. Zusätzlich erlaubt Darwin Project, Spuren zu lesen: Kommt man an einen Baumstumpf oder eine ausgeräumte Kiste, kann man auf Knopfdruck herausfinden, wo sich Holzfäller bzw. Kistenleerer gerade herumtreiben - und kann dann natürlich auf die Jagd gehen.

Upgraden & Looten

Ist das genug, um zwischen den wenigen Kämpfen dauerhaft zu motivieren? Nein. Man hat zwar ständig etwas zu tun - doch die Tätigkeiten selbst sind so stumpfsinnig und repetitiv, dass man schon zweimal überlegen muss, ob das ewige Herumrennen und Holz sammeln nun wirklich unterhaltsamer ist als ein zehnminütiger Camping-Aufenthalt in einem Haus in der Prärie von Playerunknown's Battlegrounds. Auch der dort vorhandene Nervenkitzel, wenn man eine Bude mit offensichtlich schon geöffneter Vordertür untersucht, fehlt in Darwin Project.

Auch wenn man dann kurz schutzlos ist - Zeit zum Craften muss regelmäßig sein.
Kommt es schließlich zum Kampf, entsteht ein hektisches Duell, das in Grundzügen an Fortnite erinnert - allerdings ist der Bogen schwach, so dass die meisten Kämpfe in zähe Hüpf- und Axt-Hau-Eskapaden ausarten. Wirklich glänzen kann Darwin Project bei seinen Gadgets, die euch die drei Klassen bescheren: Wer die Jet Wings wählt, kann problemlos zu höher gelegenen Orten schweben und im Match mächtige Schubdüsen und Rammattacken freischalten. Mit dem Grapple Gauntlet zieht man sich rasant an Felsvorsprünge oder Feinde heran - allerdings fällt die Cooldown-Zeit sehr lange aus; praktische Boni dieser Klasse sind außerdem Schutzschild oder eine Mini-Arena, um Gegner ins Duell zu zwingen. Mit der Headhunter Drone schließlich spürt man leichter Ziele auf und kann die Drohne losschicken, um Bäume zu fällen oder Darwinium zu ernten - sehr praktisch! 

Spielt ihr länger mit den Jet Wings, solltet ihr beim Klassenwechsel vorsichtig sein: dann habt ihr die Flugfähigkeiten nämlich so verinnerlicht, dass sich die anderen Klassen plötzlich limitiert anfühlen. Wer Darwin Project fleißig zockt, kann nicht nur Tages-Challenges erfüllen, die Klassen aufleveln und generell Stufen aufsteigen (man braucht Stufe 5, um selbst Show Director zu werden), sondern auch viel Geld in optische Gimmicks investieren. Die spieleigene Währung Ramen wird durch normale Matches nämlich nur sehr spärlich verteilt - auf der PS4 führt der Versuch, Ramen mit Echtgeld zu kaufen aktuell noch zur Meldung „Es gibt keinen Inhalt“. Auf PC ärgerte ich mich aber schon in der Early-Access-Phase über horrende Preise für grafisch unansehnliche Items: vier Euro für eine Axt im Schraubenschlüsseldesign oder einen Strickpullover sind frech!

Ein Träumchen: Dieser Spieler hat mich nicht kommen sehen und ist gerade anderweitig beschaftigt - hier kommt die Axt!
Wer Darwin Project im Early Access (oder auf Xbox One: Game Preview) gespielt hat, dem fallen einige Änderungen auf, auch zwischen der noch letzte Woche spielbaren Fassung und dem nun finalen Release: Das nervig langsame Holzfällen geht elegant per Axt, das Crafting-Menü wurde ebenfalls aufgehübscht. Auch das Zielen und Schießen per Bogen fühlt sich (auf PC) flüssiger an. PC-Spieler freuen sich zudem auf einige Grafikoptionen - schon ein Mittelklasserechner reicht übrigens für ein flüssiges Spielerlebnis mit den Einstellungen auf „episch“; die Konsolenversionen laufen nicht ganz so reibungslos und bringen die bunten Comic-Optik ein wenig detailärmer auf den Bildschirm. Wer des Englischen mächtig ist, dem empfehle ich englische Menütexte - die deutsche Übersetzung strotzt nämlich nur so vor Fehlern und Ungereimtheiten. Ach ja: Die im Early Access noch verfügbare Option, in Zweierteams anzutreten, ist in der fertigen Fassung aktuell nicht enthalten.

Verbessert nach Feedback

Fazit

Ich habe es mit Fortnite, Call of Duty: Black Ops 4 (Blackout) und reichlich Playerunknown's Battlegrounds versucht, bin aber nie zum Battle-Royale-Dauerzocker geworden. Auch Darwin Project macht mich nicht dazu - zwar gehen Look, Technik und die Funktionalität der Gadgets in Ordnung, doch zwischen den etwas hampeligen Gefechten (mit zu schwachem Bogen) ist mir immer noch zu viel sinnfreier Leerlauf. Auch das an sich reizvoll klingende Verfolge-einen-Feind-Feature ist halbgar umgesetzt und wenig spannend, vor allem wenn der Gesuchte zufällig schon 800 Meter weg ist. Bleibt ein in manchen Duellen durchaus spaßiger Arena-Klopper-Shooter mit angenehmer Steuerung und einfallsreichem Moderator-Feature. Die etwas zu große Karte in Verbindung mit den nicht vorhandenen Waffen- und Rüstungsupgrades sorgt aber dafür, dass bei mir nach spätestens zwanzig Partien die Luft raus war und ich Darwin Project nach dieser ausgiebigen Testphase den Rücken kehren werde. Das hat mich dann zwar nichts gekostet, aber vielleicht hätte ich meine Zeit doch lieber in einen besseren Vertreter wie Apex Legends investieren sollen…

Pro

  • flüssige Comic-Optik, technisch sauber
  • tadellose Steuerung
  • Klassen-Gadgets sind ein echter Mehrwert
  • man kann als Show Director spielen
  • Kälte-Feature eher spaßig als nervig
  • Zuschauen kann unterhaltsam und lehrreich sein

Kontra

  • wenig interessante Orte auf der Karte
  • Bogen zieht zu wenig Energie ab
  • mangels Bauen und Waffen-Sammeln etwas langweilig
  • teure kosmetische Items
  • nur drei Klassen

Wertung

PlayStation4

Solider, aber wenig abwechslungsreicher Battle-Royale-Titel mit Comic-Look und mehr Survival-Aspekten als die Konkurrenz.

PC

Solider, aber wenig abwechslungsreicher Battle-Royale-Titel mit Comic-Look und mehr Survival-Aspekten als die Konkurrenz.

XboxOne

Solider, aber wenig abwechslungsreicher Battle-Royale-Titel mit Comic-Look und mehr Survival-Aspekten als die Konkurrenz.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
  • Man kann die Spielzeit über Käufe nicht verkürzen, kein Pay-to-Shortcut.
  • Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
Kommentare
LeKwas

Die Entwicklung wird eingestellt. Die Server sollen noch bis ungefähr Ende diesen Jahres weiterlaufen, dann ist Schluss:
https://www.scavengers.ca/general/darwi ... ct-update/

vor 4 Jahren
Kovic

Sieht nach Spaß aus, kostenlos... Wird angespielt

vor 4 Jahren
Hans_Wurst80

Bei dieser generischen Mobilegame-Comic-Grafik kommt mir selbst als Comicfan das Würgen. Zuviel Overwatch und eben Fortnite gespielt?

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren