Aviary Attorney - Test, Adventure, Switch, PC

Aviary Attorney
29.01.2020, Jörg Luibl

Test: Aviary Attorney

Vogelschmuckstück

Gibt es Vogel- und Adventure-Liebhaber unter euch? Falls ihr zu dieser seltenen ludologischen Spezies gehört, wurdet ihr vor Jahren vielleicht auf Aviary Attorney aufmerksam, das auch aufgrund seines markanten Artdesigns sogar Gold erobern konnte. Ihr habt es auf dem PC verpasst? Kein Problem: Jetzt wurde das Detektiv-Abenteuer in einer "Definitive Edition" für 16,49 Euro auf Nintendo Switch veröffentlicht - inklusive leicht überarbeiteter Zeichnungen, einer angenehmeren Schrift für Legastheniker sowie Kunstgalerie und Jukebox.

Ein Frosch liegt aufgeschlitzt im Garten, eine Katze sitzt unter Mordverdacht im Knast. Was geschah am 1. Januar 1848 auf dem Schloss von Baron Rorguil? Der Anwalt Jayjay Falcon und sein Assistent Sparrowson sollen die Lady mit den Schnurhaaren verteidigen. Aber bis zum Prozess haben die beiden Vögel nur drei Tage Zeit, um in Paris die Tatorte zu besuchen, Zeugen zu befragen und Hinweise zu sammeln. Aviary Attorney klingt nicht nur so wie Ace Attorney, sondern inszeniert ein Detektiv-Adventure wie man es vom forschen Junganwalt Phoenix Wright u.a. auf dem 3DS kennt - dabei ahmen die Briten auch einige Aspekte nach, wie etwa leicht animierte Gefühlsausbrüche oder die Struktur bis zum Prozess. Aber im Mittelpunkt stehen hier eher Story und Dialoge als spielmechanische Rätsel.

Artdesign im Zeichenstil historischer Karikaturen

Und es gibt einen ganz großen Unterschied: Sketchy Logic Games nutzt keinen japanischen Animestil, sondern präsentiert Kulissen sowie Charaktere in der Tradition europäischer Zeitungen und Grafiken der Romantik. Die vermenschlichten Spatzen, Falken, Löwen, Schwäne oder Wöfe sehen so aus als wären sie gerade mit spitzer Feder gezeichnet worden - sehr realistisch, aber auch mit einem Augenzwinkern dargestellt. Dieser wunderschöne antropomorphe Stil wurde vom französischen Karikaturisten und Zeichner J. J. Grandville (1803 - 1847) inspiriert, der für seine markanten Mischwesen bekannt war. Das Spiel erschien 2016 in Episdoenform für den PC und wurde jetzt leicht überarbeitet und ergänzt für Switch veröffentlicht.

 Kann denn so eine Mieze ein Mörder sein? Falcon und sein kleiner Kollege Sparrowson sollen sie verteidigen. An den dunkleren Hintergründen erkennt man die Switch-Version.


Spatz und Falke auf süffisanter Verbrecherjagd

Realismus und Überzeichnung, Humor und Ironie werden nicht nur in den Charakterdarstellungen, sondern auch sehr schnell in der Geschichte des Detektiv-Abenteuers deutlich. Es ist einfach köstlich, die süffisanten Gespräche zwischen Falcon und Sparrowson auf ihren Recherchen zu verfolgen. Wer des Englischen mächtig ist, wird sich über den Wortwitz und auch die kulturellen Anspielungen freuen, bei denen nicht nur Amerika oder der Kapitalismus, sondern auch Facebook, CSI oder Twitter herhalten müssen. Ich habe mich selten so bei der Lektüre eines Spiels amüsiert - auf Nintendo Switch könnt ihr übrigens eine Kunstgalerie und eine Jukebox freischalten, aus dann Chopin & Co auf Knopfdruck erschallen.

Aber neben dem Schmunzeln kommt auch das investigative Grübeln nicht zu kurz: In vier Akten gilt es seine Mandanten zu verteidigen und dabei Verbrechen aufzuklären. Das läuft meist in zwei Phasen ab: Zunächst spricht man mit Zeugen in Dialogen, wobei man zwar oftmals alle möglichen Fragen durchgehen kann, aber auch mal die Wahl hat, ob man z.B. mehr Druck ausübt oder es auf sich beruhen lässt - wer nicht locker lässt, kann einen Gesprächspartner verscheuchen. Auf einer Karte des historischen Paris tauchen mit der Zeit immer mehr Orte auf, die man besuchen kann, um weitere Gegenstände von der Kamera bis zur Schokolade vielleicht im Louvre oder einer Taverne zu finden. Die Fundstücke kann man zwar nicht weiter untersuchen oder kombinieren, aber später in der Verhandlung sehr gut gebrauchen.

Für Switch wurden die PC-Grafiken etwas überarbeitet, außerdem wurde der Schrifttyp für Legastheniker angepasst.


Erste die Recherche, dann das Kreuzverhör

Besonders knifflig ist diese Phase der Recherche nicht, aber man hat nicht alle Zeit der Welt, denn manche Orte verbrauchen einen ganzen Tag und die Uhr tickt. Irgendwann ist Verhandlungstag und man muss sich vor dem Richter samt seiner tierischen Jury beweisen, während der Staatsanwalt und Kommissar natürlich auf "schuldig" hinauswollen. Sobald sie ihre Aussagen zur Tat gemacht haben, darf man die Zeugen ins Kreuzverhör nehmen: Dann werden ihre Aussagen mit unterstrichenen Schlüsselworten als Text angezeigt, so dass man per Klick weiter nachhaken kann; die Touch-Funktionen der Switch werden übrigens nicht genutzt. Aber Vorsicht: Wer sinnlos insistiert und keine Indizien hat, der kann es sich mit der Jury verspielen.

Mit der Zeit schaltet man weitere Orte in Paris frei; auf der Switch übrigens auch eine Jukebox sowie eine Kunstgalerie.

Man kann also Sympathie verlieren oder gewinnen - je nachdem wie gut man sein Kreuzverhör führt. Und das wirkt sich dann auf das Urteil aus. Zwar ist es nicht sehr schwer vor Gericht zu bestehen, wenn man alle Indizien dabei hat, aber im Laufe der vier Kapitel steigt der Schwierigkeitsgrad zumindest sanft an. Außerdem gibt es auch mal strukturelle Überraschungen wie etwa eine abgebrochene Verhandlung, die Zeit zur weiteren Recherche bietet, oder erzählerische Wendungen, die die eigene Perspektive sowie die Moral von Sparrowson und Falcon gehörig ins Wanken bringen. Doch kaum hat sich der Falke nach einer Sauftour geschüttelt, kann es weiter gehen. Schön ist auch, dass die Fälle ab dem zweiten Akt auch in den politischen Kontext der Zeit eingebunden werden, in der die Revolution vor der Tür steht und selbst der König nicht mehr sicher ist. Last but not least muss man die Musikuntermalung ausdrücklich loben, die sich je nach Szene ändert und von Klavier über Violine bis Orgel nahezu alle instrumente abdeckt: Die klassischen Stücke wurden nicht neu komponiert, sondern stammen von Camille Saint-Saëns (1835-1921), der u.a. für seine musikalische Suite "Karneval der Tiere" bekannt ist

    Fazit

    Vögel als Ermittler? Der Karikaturenstil der Romantik als Grundlage für das Artdesign? Dazu klassische Musik von Camille Saint-Saëns? Aviary Attorney ist auch Nintendo Switch ein Schmuckstück - sowohl hinsichtlich der wunderbaren Zeichnungen, der stimmungsvollen Musik als auch aufgrund des süffisanten Humors. Ich habe selten so oft in einem Spiel geschmunzelt. Über vier Kapitel habe ich das charmante Duo aus Spatz und Falke begleitet und nicht nur ihre Zickereien, sondern auch jeden kulturellen Seitenhieb genossen. Zwar sind Kulisse, Story und (leider auch auf der Switch nur englische) Dialoge hier eher die Stars als die investigative Spielmechanik - ihr fehlt  es trotz Multiple-Choice und nett inszeniertem offenem Kreuzverhör letztlich an Anspruch. Aber wer Lust auf eine interaktive Graphic Novel mit historischem Kontext, einigen Wendungen und tierischen Charakteren hat, der wird köstlich unterhalten

    Pro

    • wunderbares Artdesign
    • köstlicher Wortwitz, viel Humor
    • viele historische Bezüge & kulturelle Seitenhiebe
    • Detektiv-Abenteuer mit Hinweissuche
    • interessante Fälle mit Überraschungen
    • Gerichtsverandlungen mit Kreuzverhör
    • skurrile tierische Charaktere
    • kleine Minispiele (Black Jack)
    • tolle klassische Musikuntermalung
    • Kunstgalerie und Jukebox freischalten (Switch)
    • angepasste Schrift für Legastheniker (Switch)

    Kontra

    • Lösung der Fälle ist recht leicht
    • Hintergründe wirken recht schwammig
    • nur wenige Animationen
    • nur englische Texte

    Wertung

    Switch

    Vögel als Ermittler? Karikaturenstil der Romantik als Artdesign? Aviary Attorney ist ein Schmuckstück - sowohl hinsichtlich der wunderbaren Zeichnungen als auch des Humors.

    Echtgeldtransaktionen

    Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

    Gar Nicht
    Leicht
    Mittel
    Stark
    Extrem
    • Es gibt keine Käufe.
    • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
    Kommentare
    Jörg Luibl

    Jup, ist ja ein reines Bilder-Adventure...

    vor 4 Jahren
    master-2006

    Nope, nix in Sicht. Das läuft aber auch auf schwächeren Rechnern.
    Danke für die schnelle Antwort! Habe gerade bei Steam nach den System-Voraussetzungen geguckt, das schafft tatsächlich sogar meine Gurke

    Für alle anderen Interessierten:

    Minimum:
    Betriebssystem: Windows 7, 8, or 10
    Arbeitsspeicher: 2 GB RAM
    Speicherplatz: 500 MB verfügbarer Speicherplatz

    Empfohlen:
    Betriebssystem: Windows 7, 8, or 10
    Arbeitsspeicher: 3 GB RAM
    Speicherplatz: 500 MB verfügbarer Speicherplatz

    vor 4 Jahren
    Jörg Luibl

    Nope, nix in Sicht. Das läuft aber auch auf schwächeren Rechnern.

    vor 4 Jahren
    master-2006

    Sieht richtig gut aus! Ist da zufälligerweise auch ein Release auf PS4/Xbox One geplant? Mit meinem Laptop ist da glaube ich sonst nicht viel zu wollen...

    vor 4 Jahren
    Pixelex

    Ich liebe das Spiel, freut mich für die Switch-Bunnies!!

    vor 4 Jahren