The Pedestrian - Test, Logik & Kreativität, PlayStation5, Switch, PC, XboxSeriesX, PlayStation4, XboxOne

The Pedestrian
29.01.2020, Matthias Schmid

Test: The Pedestrian

Denksport im Schilderwald

Eine kluge Spielidee, kombiniert mit schnuckelig-reduzierter Grafik: The Pedestrian fordert eure grauen Zellen und macht richtig viel Spaß. Der Steam-Geheimtipp im Test!

Bis The Pedestrian von der Idee über die Kickstarter-Kampagne und Demo zu einem vollwertigen Spiel reifte, dauerte es Jahre. Wer den sympathischen drei Herren von Skookum Arts bei diesem schwierigen Prozess zusehen wollte, hatte dank vieler Blog-Posts und Videotagebücher reichlich Gelegenheit. Nun ist der Titel endlich für PC erschienen - und hat mich gut fünf, sechs Stunden lang vortrefflich unterhalten. Aber worum geht es eigentlich, in diesem Straßenschilder-Spiel? Und ist es ein Plattformer oder doch mehr Belastungstest fürs Oberstübchen?

Strichmännchen to go

Letzteres! Zwar hopst die Spielfigur schon mal über tödliche Laser oder erklimmt Leitern - allerdings treten die Geschicklichkeitselemente zu Gunsten der Denksport-Einlagen deutlich in den Hintergrund. Per Tasten- oder Knopfdruck - The Pedestrian lässt sich mit Maus und Tastatur sowie Gamepad klasse lenken - wechselt man vom Action-Modus, in dem das Strichmännchen kontrolliert wird, in den Bau- und Plan-Modus. Hier ordnet man einzelne Schild-Tafeln an und baut Verbindungswege zwischen Türen und Leitern. Und das geht so: Man kann eine Tür, die rechts aus einem Schild führt mit einer Tür verbinden, die links in ein anderes Schild hineingeht. Oder eben eine Leiter, die oben aus einem Raum ragt, mit einer anderen, die unten ins nächste Schild hineingeht. Zurück im Action-Modus, kann meine Figur dann den neu geschaffenen Durchgang nutzen und von einem Schild zum nächsten gelangen.

So geht The Pedestrian: Man ordnet Schilder an und verbindet deren Türen klug, damit die Spielfigur (im Schild links oben) zu Items oder ans Ziel kommt.
Warum das nötig ist? Weil der Weg zum Ausgang vielfach versperrt ist, weil Schalter bewegt oder Rätselgegenstände besorgt werden wollen. Mal liegt ein Schlüssel scheinbar unerreichbar, mal muss ein Stromkabel organisiert werden. Und durch kluges Schilder-Anordnen und Wege-Bauen kommt man eben doch irgendwie hin. Ein paar Kniffe machen euch das Leben schwer: Die Platzierung der einzelnen Schilder auf dem Hintergrund kann an einigen Punkten nicht beliebig verändert werden - z.B. ist ein Rohr im Weg oder eine der Tafeln fix mit einer Wand verschraubt. Zudem zeigt das Spiel im Bau- und Plan-Modus optisch an, welche Verbindungen ihr mit der Spielffgur schon benutzt habt - indem diese gestrichelt gekennzeichnet werden. Löscht oder verändert man nun diese Verbindung, werden Spielfigur und beschaffte Items zum Start des aktuellen Rätsels zurückgesetzt! Daher muss man stets vorausschauend planen, um zum Ziel zu gelangen.



Um die Ecke denken

Denkspiele wandern bekanntlich auf einem schmalen Grad zwischen Lust und Frust. Einem Portal (kennt jeder) oder Crush (PSP, kennt kaum einer) gelang dieser Spagat zwischen „Arrgh, ich komm’ nicht drauf“ und „Heureka, was eine geile Lösung“ formidabel. Der Spieler wird gefordert, muss probieren, scheitert wiederholt - am Ende ist das Spiel aber nie so schwer, dass die Frustseite die Oberhand gewinnt. The Talos Principle hatte da schon mehr Schlagseite, allen unbestrittenen Qualitäten zum Trotz waren manche Rätsellösungen sehr anspruchsvoll.

Stress oder Spaß?

The Pedestrian ist in dieser Hinsicht, vom finalen Master-Rätsel abgesehen, vortrefflich austariert: Die Lösungen werden selten auf dem Silbertablett serviert, sind aber nie so abwegig oder krass kompliziert, dass man seinen Monitor vom Tisch werfen möchte. Die Steuerung der Figur und das Anordnen der Schilder geht dabei sehr angenehm von der Hand, zumal die Entwickler zwischen komplexe Schilderwälder immer wieder kurze Abschnitte einstreuen, in denen das bloße Laufen oder Ansehen der Hintergründe im Fokus steht.

Cooles Konzept: Die 2D-Schilder, auf denen geknobelt wird, sind in eine 3D-Spielwelt eingebunden.
Wie auf den Screenshots zu sehen, setzt The Pedestrian nämlich nicht nur auf seinen charmanten, minimalistischen Verkehrsschilder-Look. Die Bleche, Zettel, Schiefertafeln oder Displays, auf denen Herr oder Frau Klotür-Piktogramm herumhopsen, sind elegant in eine 3D-Kulisse eingebunden. Die reißt optisch keine Bäume aus. Aber dass sich durch geöffnete Türen im 2D-Knobelpart schon mal reale 3D-Aufzugtüren auftun oder dass man mit seiner Figur hoch über einer Verkehrskreuzung herumturnt, ist ein nettes Gimmick.

Komplexe Verkabelung: The Pedestrian ist selten zu hart, bietet aber etliche anspruchsvolle Denkaufgaben.
In der zweiten Spielhälfte führt The Pedestrian weitere Spielelemente ein: Dann muss man regelmäßig Stromkreisläufe verbinden - das ist schnell verstanden. In manchen Abschnitten gibt es aber auch Farb-Pumpen, die man mit Schildern verbinden kannn. Damit wird ein Schild eingefärbt und so der in ihm enthaltene Fortschritt (z.B. ein aktivierter Schalter oder dort abgelegter Schlüssel) konserviert. Ändert man nun einen Verbindungsweg, den die Spielfigur schon bestritten hat, werden die Elemente im eingefärbten Schild nicht zurückgesetzt. Das erlaubt ganz neue Optionen, um die Ecke zu denken - spätestens hier wechselt The Pedestrian vom bekömmlichen Denksport zum aktiven Gehirnjogging.

Strom & Farbe

Fazit

Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich mich an The Pedestrian trauen sollte: Ich liebe 2D-Jump’n’Runs, habe aber Respekt vor kniffligen Rätseln. Und ich wusste, dass dieser Titel mehr in Richtung Denkspiel geht. Weil es so hinreißend inszeniert ist, gab ich mir aber einen Ruck - und habe es nicht bereut. Das Spielkonzept mit dem Anordnen der einzelnen Schilder, dem Schaffen von Wegen zwischen diesen Tafeln und dem Zurücksetzen, wenn man etwas verändert - all das ist durchdacht und macht dabei viel Laune. Klar muss man ordentlich nachdenken, kommt aber mit guter Planung angenehm flott voran. Und für meine Super-Mario-Seele ist zwischendurch auch immer wieder etwas lockeres Hopsen im Programm. Die Farbmechanik in der zweiten Spielhälfte finde ich leider nicht besonders benutzerfreundlich, da werden dann doch Qualitätsunterschiede zu einem Knobel-Meilenstein à la Portal 2 deutlich. Trotzdem: Auch weil sich The Pedestrian ein überraschend cooles Finale erlaubt, sollte jeder Denkspiel-Freund einen Blick riskieren - meine grauen Zellen wurden schon eine Weile nicht mehr so gut unterhalten.

Pro

  • kluge, einfallsreiche Spielidee
  • klasse Steuerung beim Hüpfen und Bauen
  • anspruchsvolle Rätselmechanik
  • charmant animierte Spielfigur
  • optisch abwechslungsreiche Schild-Stile
  • gut ausbalancierter Schwierigkeitgrad
  • grandioses, überraschendes Finale

Kontra

  • Farb-Mechanik wird unzureichend erklärt
  • nur ein Speicherplatz
  • Musik bleibt nicht im Gedächtnis hängen
  • technisch mittelmäßige Umgebungsgrafik

Wertung

PC

Innovatives 2D-Knobelspiel mit einfallsreicher Präsentation - trotz des überschaubaren Umfangs ein Muss für digitale Denksportler!

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
Kommentare
Kant ist tot!

Sehr schön, dass ihr solche Titel testet.
Bin letztens auch durch euren Test auf Lightmatter aufmerksam geworden und war damit sehr zufrieden. The Pedestrian wird auch geholt.

vor 4 Jahren
HardBeat

p.s.: Ein extra Dankeschön für die korrekte Benutzung des Wortes scheinbar. Schön, dass es auch im Internet Autoren gibt, die das nicht mit anscheinend gleichsetzen.
Danke dafür, das hab ich mal gegoogelt. Das war mich auch nicht ganz klar, wo da der Unterschied ist.
Wo gerade dabei bist Google doch auch mal den Unterschied zwischen mich und mir

vor 4 Jahren