Autobahnpolizei Simulator 2 - Test, Simulation, PlayStation4, PC, XboxOne
Schon bei der initialen Charaktererstellung und dem Dienstantritt im örtlichen Polizeibüro bahnt sich ein technisches Debakel an: Die grafische Gestaltung der Figuren, Räumlichkeiten und Landschaften dümpelt irgendwo zwischen zeitgenössischer PS2-Optik, Second Life und einer alten Counter-Strike-Karte (Office vielleicht?) umher. Den Vogel schießen dann früh die ersten Gespräche mit dem Vorgesetzten ab: Die Dialoge wirken wie vom Hausmeister vertont, die Gesichtsanimationen sind ein Graus. Das über zwanzig Jahre alte Shenmue sah in dieser Hinsicht deutlich besser aus! Nachdem mir noch ein stocksteif animierter Kollege zur Seite gestellt wurde (der in den kommenden Spielstunden Tag und Nacht treudoof neben dem Dienstwagen verharren wird), geht er los - der Alltag als Autobahn-Polizist.
PS2-Beamte
Mal hole ich den nächsten Auftrag im Chefzimmer, mal ein Stockwerk tiefer beim Pförtner-Polizisten ab, mal kommen die Aufträge während der Fahrt per Funk rein. Ein LKW hat einen Brückenpfeiler gerammt und seine halbe Fracht auf der Autobahn verteilt? Das übernehmen mein stoischer Kollege und ich doch gerne! Mit dem Dienstwagen und aktivierbarer Blaulicht-Sirene-Kombi geht es auf die Autobahn. Blöd nur, dass der normale Verkehr sich einen feuchten Kehricht um die Polizei im Einsatz schert und fast nie Platz macht. Blöd auch, wenn man am Ort des Unfalls angekommen, merkt, dass es auf der Gegenfahrbahn passiert ist. Also drei Kilometer weiter fahren und via Unterführung die Strecke zurück! Bis ich schließlich am Unfallschauplatz ankomme, sind knapp zehn ereignislose Minuten vergangen.
Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte!
Dafür gibt es endlich die Belohnung: peinliche Dialoge mit dem Kollegen und den Unfallbeteiligten. Außerdem darf ich mal Warnkegel aufstellen (verbunden mit einer köstlichen Animation, die an Kniebeugen erinnert), mal auf dem Asphalt verteilte Fracht sammeln, mal die beteiligten Fahrzeuge fotografieren, eine Unfallskizze erstellen (schlecht erklärt) und natürlich die Daten des Verursachers aufnehmen. Haben Sie Alkohol getrunken? Warum wollten Sie nicht, dass man die Polizei ruft? Sogar zu einer kleinen Actioneinlage samt Quick-Time-Event kann es während der Multiple-Choice-Dialoge kommen. Meist sind die roboterhaft mit dem Mund schnappenden Unfallfahrer aber reumütig und geben die eigenen Fehler zu.
Via Matrix-Anzeige auf dem Autodach kann man auch spontan im fließenden Verkehr einen LKW- oder PKW-Fahrer zur Kontrolle bitten. Wenn der oder die Auserwählte keine Lust auf einen Polizei-Check hat, wird es drollig: Nach einer hampeligen Verfolgungsjagd kann man den Strolch sogar festnehmen und im hauseigenen Polizeikittchen abliefern. Betritt man dann auf der Wache später den Zellentrakt, wo der Aufgegriffene seine Strafe absitzt, kann man einfach die Türe öffnen und ihm Gesellschaft leisten - nur eine der vielen Stellen und Situationen, wo die Entwickler ihr Spiel nicht zu Ende gedacht haben.
Doch zurück zu den Kontrollen: Ähnlich wie im grandiosen Grenzkontroll-Drama Papers, Please vergleicht man die Daten auf Führerschein und Fahrzeugpapieren mit den realen Gegebenheiten, gleicht Gesichter und Nummernschilder ab. In diesen Situationen macht der Autobahnpolizei Simulator 2 (ab 9,99€ bei kaufen) noch am meisten Laune. Zusätzlich kann man minutenlang die Profiltiefe der Reifen prüfen (ein LKW hat viele davon), die Ladung checken oder den Fahrer einem Alkohol- sowie Drogentest unterziehen. Am Ende heißt es dann: Weiterfahren lassen? Einbuchten? Ein Bußgeld verteilen oder eine Verwarnung aussprechen? Nicht erkannte Verstöße bedeuten Abzüge bei den ohnehin schon mageren Punkten, die solche Routinearbeiten einbringen. Weil auch die größeren Einsätze nur 1.000 oder 2.000 Punkte bescheren, zieht sich das Punkte-Farmen, bis man sich die teuren Upgrades in der Polizeistation leisten kann. Von zusätzlichen Räumen im Keller (Archiv, Asservatenkammer), die aber keinen spielerischen Mehrwehrt besitzen, bis hin zur Geschwindigkeit des Dienstautos oder das Freischalten eines Zivilfahrzeugs gibt es nämlich reichlich Möglichkeiten, die eigene Ausrüstung zu pimpen. Wenn das alles nur nicht so teuer wäre!
Freut man sich zu Spielbeginn noch darauf, die hässliche aber doch irgendwie urig-deutsche Spielwelt mit Autobahnen und Kleinstadt-Atmosphäre zu erkunden, stellt sich auch hier bald Ernüchterung ein: Fast jede Landstraße wird nach wenigen Metern mit Stop-Schildern abgewürgt, auch innerorts gibt es stets nur zwei, drei Straßen und einen unterirdisch texturierten Supermarkt zu bestaunen. Tanken an einer der Raststätten an der Autobahn? Nicht möglich! PKW-Lenker zur Rede stellen, die aufgrund der miesen KI selbstständig regelmäßig Unfälle bauen? Geht nicht, obwohl die X-Taste ein Gesprächsangebot suggeriert. Ein bisschen abseits der Schnellstraße durch die City cruisen? Durchfahrt verboten! Immerhin gibt es gegenüber der Hauptwache einen Donutladen, wo mir der Verkäufer zwar kein Zuckergebäck (die Animation dafür hätte wohl das Budget gesprengt) reicht, aber wenigstens drei immergleiche Floskeln für „unseren Freund und Helfer“ übrig hat.
Hier bitte wenden!
Über zwei Jahre sind seit der PC-Veröffentlichung des von Z-Software programmierten Spiels vergangen - die Entwickler konnten zwar besonders grobe Schnitzer (außerhalb des Gesichts befindliche Augen, Massenkarambolagen abseits der Fahrbahn, verschwindende Körperteile) beheben, die Liste der technischen wie spielerischen Unzulänglichkeiten ist dennoch so lang wie die der Staumeldungen rund um deutsche Großstädte: Wenn man mit der Leitplanke oder anderen Fahrzeugen kollidiert, schnellt eine Prozent-Anzeige in die Höhe. Mal addiert ein Crash nur fünf Prozent oder zehn Prozent, ein ander Mal macht eine doofe Kombination aus Leitplanke und LKW sofort die 100% voll und sorgt für den sofortigen Missionsabbruch plus Teleport zum Hauptquartier. Die letzten 15 Minuten für die Tonne, danke! Bei jedem Aussteigen aus dem Wagen teleportiert sich mein Polizist um einen Meter, beim Betreten der Diensstelle schiebt mich die nach außen aufgehende Tür wieder aus dem Gebäude. Ein anderes Mal flippt die Laderampe eines LKWs mein dahinter geparktes Polizeiauto in die Höhe oder ich schanze nach einem Chrash mit dem Gegenverkehr 50 Meter durch die Luft und auf eine Viehweide. Cool, hier kann ich hier sogar durch Begrenzungswände fahren und mir die Spielwelt von unten ansehen.
Autobahnpolizei Bug-Simulator 2?
Auch die Karte, die stets umständlich per Menü aufgerufen werden muss, lässt Komfort vermissen: Sie ist nicht zoombar, essentielle Erläuterung fehlen - immerhin kann ich dort per Fernreise zu bereits freigeschalteten Punkten springen und mir so die Fahrt zum nächsten Einsatzort verkürzen. Zu guter Letzt möchte ich noch kurz den Werbetext von Publisher Aerosoft zu Wort kommen lassen: „Neben dem freien Spiel überzeugt dieses Mal auch eine spektakuläre und aufwendig inszenierte Story, die in mehr als 20 Missionen erzählt und durch Cutscenes aufgelockert wird. Alle Missionen, egal ob in der Story oder im freien Spiel, sind zudem aufwendig vertont und bieten so ein realistisches und spannendes Spielerlebnis.“ Ganz sicher nicht!
Fazit
Ich habe mir den Autobahnpolizei Simulator 2 freiwillig geschnappt und bin voller Vorfreude in den Test gegangen. Schließlich fahre ich nicht nur gern selbst Auto, sondern bin erst vor wenigen Monaten von München nach Hamburg gezogen - daher bin ich lange Autobahnfahrten aktuell gewohnt. Tatsächlich gelingt es den deutschen Entwicklern in Ansätzen, so etwas wie Autobahn-Flair einzufangen: die typisch gebogenen Auffahrten, das Wenden via Brücke oder Unterführung, die Tankstellen - all das gibt es so nicht in GTA & Co., dafür aber im Autobahnpolizei Simulator 2. Mein Dienstwagen lenkt sich zwar schwammig, mit der Steuerung des Fahrzeugs komme ich aber schon klar. Doch beim nicht nachvollziehbaren Crash-Verhalten samt Chaos-Faktor in Prozent, bei der kaum erkennbaren blauen Hilfslinie im Navigationssystem, den tumben KI-Piloten auf der Autobahn, den viel zu langen Fahrten zum Einsatz sowie den vielen kleinen und großen Bugs hört der Polizeispaß auf. Die Kamera reagiert extrem träge, clippt regelmäßig in Fahrzeuge oder Personen. Während die Aufgaben am Einsatzort (Alkoholtest-Minispiel, Fotografieren, Kisten wegräumen) noch einen gewissen dilettantischen Charme versprühen, sind das leblose Hauptquartier, die Salzsäulen-Kollegen, die nicht vorhandene Interaktivität der Spielwelt und die viel zu teuren Upgrades ein echter Atmosphäre- und Langzeitspaß-Killer.
Pro
- Autobahn-Gefühl gut eingefangen
- Ausbauen der Polizeistation möglich
- Dialoge sorgen für ungewollte Schmunzler
- die krude Physik ebenso
- Mann oder Frau als Polizist wählbar
Kontra
- langatmige Fahrten zu Einsatzorten
- Verkehr reagiert nicht auf Sirene
- Zurücksetzen ins Revier bei vielen Crashes
- schlechtes Navigationssystem
- stümperhafte, nicht zoombare Karte
- ständiges Ruckeln, viele Pop-Ups, häufige Clippingfehler
- generelle altbackene, trostlose, wenig detaillierte Grafik
- grauenvolle Gesichter und Animationen
- Sprachausgabe klingt amateurhaft
- Story-Missionen lausig miteinander verknüpft
- Upgrades für Auto & Co. viel zu teuer
- Polizeikollegen wirken wie tot
- zu kleines Streckennetz
- kaum Interaktionsmöglichkeiten in der Spielwelt
Echtgeldtransaktionen
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- Es gibt keine Käufe.