Wasteland Remastered - Test, Rollenspiel, PC, XboxOne
Der Beginn der Endzeit
Zwar war das Genre der Rollenspiele auch digital bereits etabliert: Ultima und Wizardry gingen bereits in die fünfte Generation, The Bard's Tale in die dritte. Aber jetzt erschienen im Westen frische Fantasy-Abenteuer wie Dungeon Master oder Pool of the Radiance, während in Japan mit Dragon Quest, Phantasy Star und Final Fantasy gleich drei prägende Reihen fast gleichzeitig aus der Taufe gehoben wurden. Und Wasteland? Läutete den Beginn der Endzeit ein, die bis heute als Szenario faszinieren kann.
Postapokalyptische Draufsicht
Zwar haben die Krome Studios die Kulisse mit frischer Farbgebung sowie visuellen Effekten wie besserer Ausleuchtung in Räumen sowie kleinen Animationen in der Natur sowie Gesprächen modernisiert, aber schon zu Spielbeginn muss man mit hässlichen Umbrüchen im Partymenü (Munition ist als Wort zu lang, deshalb rutscht das N runter - warum schreibt man nicht "Mun" oder "Ammo"?), schludrig übersetzten bis fehlerhaften Texten (vor allem im Kampfbildschirm ist das ein Kauderwelsch), nur halbgar angepasster Steuerung (kein komfortables Durchschalten der Charaktere, viel Kleinklein, keine Makros) sowie tatsächlich verbuggter Charaktererstellung leben: Mir war es nicht möglich, abseits der vier vorgefertigten Helden, eigene Figuren im Hauptquartier zu erstellen - was für ein mieser Start für ein Rollenspiel!
Wasteland Remastered sieht (natürlich) besser aus und hört sich auch besser an, aber selbst in dieser Präsentation erinnert die Kulisse eher an Mobile Games, zumal mir vieles zu fröhlich, manchmal sogar kitschig naiv aussieht. Wenn man das Figurensymbol seiner Party wie in einem Brettspiel durch die Landschaft schiebt, trifft man inhaltlich natürlich stets auf ernste Gefahren von der Hitze bis zur Verstrahlung - überall kann man verletzt werden, selbst beim Überqueren eines Flusses oder beim Wegräumen von Schutt. Man muss aber auch angesichts der spröden Steuerung sehr viel Retrotoleranz mitbringen, denn das Spielerlebnis wirkt trotz leichter Anpassungen in der Menüführung sowie Gamepad-Unterstützung hoffnunglos veraltet. Was damals durchaus immersiv wirken konnte, lässt einen heute kalt an der Oberfläche.
Desert Ranger gegen das Böse
Auch abseits des Szenarios hat Wasteland also einiges zu bieten, das damals höchst innovativ war und auch heute noch für mehr Spieltiefe sorgt. Was war das Besondere? Das kreative Fähigkeitensystem, das andeutete, was Fallout und andere Rollenspiele später aufgreifen sollten. Denn neben den klassischen Werten wie Stärke, Geschick & Co war das Charisma endlich spürbar, die Intelligenz für die Karriere sehr wichtig und man musste eben auch auf Kleinigkeiten in der Wildnis achten sowie seine Werte sowie Dinge im Rucksack bei Hindernissen oder Problemen selbstständig auswählen und einsetzen - selbst die Richtung für die Aktion muss man vorgeben. Das führt dazu, dass man sich intensiver mit seinen Gefährten und ihren Möglichkeiten beschäftigt.
Fazit
Genauso wie Wolfenstein 3D der Urvater der Ego-Shooter ist, ist Wasteland der Urvater der Endzeit-Rollenspiele. Fast ein Jahrzehnt vor Fallout inszenierte Interplay 1988 das erste postapokalyptische Abenteuer, in dem die Desert Ranger ihre Premiere feierten und ein kreatives Fähigkeitensystem zum Einsatz kam, das auch spätere Titel beeinflusste. Aber bei aller Wertschätzung des Klassikers versprüht diese grafische und akustische Politur erstens nicht mehr als Mobile-Games-Flair und zweitens kann sie natürlich nicht über ein Spielerlebnis hinwegtäuschen, das heutzutage hoffnungslos veraltet wirkt. Faszination entsteht immer im Kontext ihrer Zeit, sie lässt sich nach 32 Jahren nicht so einfach replizieren. Vor allem nicht, wenn die deutschen Texte so schludrig übersetzt, die Steuerung nur halbgar modernisiert, das Partymenü hässlich umbricht und es zum Start schon einen üblen Bug gibt: Oder warum kann ich partout keine eigenen Charaktere erstellen? Hallo? Vieles davon plagt wohl nur die deutsche Version, die natürlich ernüchtert. Für historisch interessierte Spiele-Archäologen gehen die knapp 15 Euro gerade noch in Ordnung, wenn man die englische Version bevorzugt. Aber ganz ehrlich? Spielt lieber das Original für fünf Euro oder spart das Geld gleich für Wasteland 3.
Pro
- ein Klassiker der Rollenspielgeschichte
- grafische und akustische Modernisierung
- damaliges Handbuch digital integriert
- Gamepad-Unterstützung
Kontra
- keine Charaktererschaffung möglich? Leute...
- hässliche Umbrüche im deutschen UI (Munition)
- Menüführung nur halbgar modernisiert
- stellenweise schlechte/fehlerhafte deutsche Texte
- Artdesign mit Mobile-Game-Flair
- Spieldesign kann im Jahr 2020 nicht mehr faszinieren
- in vielen Bereichen hoffnungslos veraltet
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