Wasteland Remastered - Test, Rollenspiel, PC, XboxOne

Wasteland Remastered
26.02.2020, Jörg Luibl

Test: Wasteland Remastered

Urvater der Endzeit

InXile Entertainment hat Wasteland Remastered für Xbox One und PC veröffentlicht. Die Neuauflage des Rollenspiels aus dem Jahr 1988 wurde von den Krome Studios entwickelt, kostet knapp 15 Euro und erscheint etwa drei Monate vor Wasteland 3 - das im Gegensatz zu diesem Klassiker auch für PlayStation 4 umgesetzt wird. Kann dieses prägende Endzeit-Abenteuer, aus dem sich letztlich Fallout entwickelte, auch heute noch gut unterhalten?

Als Brian Fargo, Michael A. Stackpole & Co, damals als Interplay im Auftrag für Electronic Arts unterwegs, im Jahr 1988 das erste Wasteland für Apple II, C64 und kurz darauf für DOS veröffentlichten, steckte die Spielewelt noch in den Kinderschuhen. Der Amiga 500 war gerade einjährig, das Sega Mega Drive eben geschlüpft und das SNES oder gar der erste Internetprovider nicht mal geboren - die Welt war tatsächlich offline. Dafür gab es Disketten, Handbücher, Dungeons & Dragons oder Das Schwarze Auge am Tisch.

Der Beginn der Endzeit

Zwar war das Genre der Rollenspiele auch digital bereits etabliert: Ultima und Wizardry gingen bereits in die fünfte Generation, The Bard's Tale in die dritte. Aber jetzt erschienen im Westen frische Fantasy-Abenteuer wie Dungeon Master oder Pool of the Radiance, während in Japan mit Dragon Quest, Phantasy Star und Final Fantasy gleich drei prägende Reihen fast gleichzeitig aus der Taufe gehoben wurden. Und Wasteland? Läutete den Beginn der Endzeit ein, die bis heute als Szenario faszinieren kann.

Das Original von 1988 oben, das Wasteland Remake unten.
Knapp ein Jahrzent vor Fallout servierte Interplay ein postapokalyptisches Rollenspiel nach einem Atomkrieg. Isometrische Ansicht? 3D-Kulisse? Animationen? Nein, damals gehörte die Draufsicht in der Erkundung zum technischen Standard - die komplette Party wurde als eine Figur dargestellt. Nur bei Händlern oder den zufallsbasierten Gefechten wechselte man in eine statische Tabellenansicht samt Portraitgrafik à la The Bard's Tale. Dieser Perspektive bleibt auch das Remake treu, das allerdings einige Wünsche offen lässt und von ärgerlichen Defiziten sowie Bugs geplagt wird - vor allem in der deutschen Version.

Postapokalyptische Draufsicht

Zwar haben die Krome Studios die Kulisse mit frischer Farbgebung sowie visuellen Effekten wie besserer Ausleuchtung in Räumen sowie kleinen Animationen in der Natur sowie Gesprächen modernisiert, aber schon zu Spielbeginn muss man mit hässlichen Umbrüchen im Partymenü (Munition ist als Wort zu lang, deshalb rutscht das N runter - warum schreibt man nicht "Mun" oder "Ammo"?), schludrig übersetzten bis fehlerhaften Texten (vor allem im Kampfbildschirm ist das ein Kauderwelsch), nur halbgar angepasster Steuerung (kein komfortables Durchschalten der Charaktere, viel Kleinklein, keine Makros) sowie tatsächlich verbuggter Charaktererstellung leben: Mir war es nicht möglich, abseits der vier vorgefertigten Helden, eigene Figuren im Hauptquartier zu erstellen - was für ein mieser Start für ein Rollenspiel!

Wasteland Remastered sieht (natürlich) besser aus und hört sich auch besser an, aber selbst in dieser Präsentation erinnert die Kulisse eher an Mobile Games, zumal mir vieles zu fröhlich, manchmal sogar kitschig naiv aussieht. Wenn man das Figurensymbol seiner Party wie in einem Brettspiel durch die Landschaft schiebt, trifft man inhaltlich natürlich stets auf ernste Gefahren von der Hitze bis zur Verstrahlung - überall kann man verletzt werden, selbst beim Überqueren eines Flusses oder beim Wegräumen von Schutt. Man muss aber auch angesichts der spröden Steuerung sehr viel Retrotoleranz mitbringen, denn das Spielerlebnis wirkt trotz leichter Anpassungen in der Menüführung sowie Gamepad-Unterstützung hoffnunglos veraltet. Was damals durchaus immersiv wirken konnte, lässt einen heute kalt an der Oberfläche.

Man bewegt seine Gruppe über ein Symbol durch die Landschaft in Draufsicht.
Trotz dieser Defizite kann Wasteland immer noch einen gewissen Charme versprühen: Gerade Rollenspieler alter Schule werden sich freuen, dass man hier mal wieder Texte eingeben, aktiv Fertigkeiten und Gegenstände einsetzen sowie etwas mehr nachdenken muss, weil einem nicht alles auf einen Blick und Klick serviert wird: Was fragt man also den Jungen im Gebirge? Wie kommt man die Höhle runter? Wie kann man die Steine beseitigen? Schon in den ersten Missionen weht so etwas wie Adventure-Flair durch die Ödnis.

Desert Ranger gegen das Böse

Auch abseits des Szenarios hat Wasteland also einiges zu bieten, das damals höchst innovativ war und auch heute noch für mehr Spieltiefe sorgt. Was war das Besondere? Das kreative Fähigkeitensystem, das andeutete, was Fallout und andere Rollenspiele später aufgreifen sollten. Denn neben den klassischen Werten wie Stärke, Geschick & Co war das Charisma endlich spürbar, die Intelligenz für die Karriere sehr wichtig und man musste eben auch auf Kleinigkeiten in der Wildnis achten sowie seine Werte sowie Dinge im Rucksack bei Hindernissen oder Problemen selbstständig auswählen und einsetzen - selbst die Richtung für die Aktion muss man vorgeben. Das führt dazu, dass man sich intensiver mit seinen Gefährten und ihren Möglichkeiten beschäftigt.

Hinsichtlich der Story hat sich natürlich nichts geändert: Im Jahr 2087, einige Generationen nach einem Dritten Weltkrieg samt Atomschlägen, streifen die ehrenhaften Desert Ranger durch das amerikanische Ödland, um die Reste der Zivilisation zu schützen. Allerdings stellt sich bald heraus, dass es größere Bedrohungen als Hunger, Krankheiten oder Banditen gibt. Leider kann das teilweise kitschige Artdesign (oh je, wie sehen denn die Jugendlichen aus?) dieses eher ernste Thema kaum visuell verstärken...

Fazit

Genauso wie Wolfenstein 3D der Urvater der Ego-Shooter ist, ist Wasteland der Urvater der Endzeit-Rollenspiele. Fast ein Jahrzehnt vor Fallout inszenierte Interplay 1988 das erste postapokalyptische Abenteuer, in dem die Desert Ranger ihre Premiere feierten und ein kreatives Fähigkeitensystem zum Einsatz kam, das auch spätere Titel beeinflusste. Aber bei aller Wertschätzung des Klassikers versprüht diese grafische und akustische Politur erstens nicht mehr als Mobile-Games-Flair und zweitens kann sie natürlich nicht über ein Spielerlebnis hinwegtäuschen, das heutzutage hoffnungslos veraltet wirkt. Faszination entsteht immer im Kontext ihrer Zeit, sie lässt sich nach 32 Jahren nicht so einfach replizieren. Vor allem nicht, wenn die deutschen Texte so schludrig übersetzt, die Steuerung nur halbgar modernisiert, das Partymenü hässlich umbricht und es zum Start schon einen üblen Bug gibt: Oder warum kann ich partout keine eigenen Charaktere erstellen? Hallo? Vieles davon plagt wohl nur die deutsche Version, die natürlich ernüchtert. Für historisch interessierte Spiele-Archäologen gehen die knapp 15 Euro gerade noch in Ordnung, wenn man die englische Version bevorzugt. Aber ganz ehrlich? Spielt lieber das Original für fünf Euro oder spart das Geld gleich für Wasteland 3.

Pro

  • ein Klassiker der Rollenspielgeschichte
  • grafische und akustische Modernisierung
  • damaliges Handbuch digital integriert
  • Gamepad-Unterstützung

Kontra

  • keine Charaktererschaffung möglich? Leute...
  • hässliche Umbrüche im deutschen UI (Munition)
  • Menüführung nur halbgar modernisiert
  • stellenweise schlechte/fehlerhafte deutsche Texte
  • Artdesign mit Mobile-Game-Flair
  • Spieldesign kann im Jahr 2020 nicht mehr faszinieren
  • in vielen Bereichen hoffnungslos veraltet

Wertung

PC

Bei aller Wertschätzung des Klassikers versprüht dieses Wasteland Remastered nicht mehr als Mobile-Games-Flair und gerade die deutsche Version wurde schlampig veröffentlicht inkl. üblem Bug: Zum Start kann man keine Charaktere erstellen? Oh je...

XboxOne

Bei aller Wertschätzung des Klassikers versprüht dieses Wasteland Remastered nicht mehr als Mobile-Games-Flair und gerade die deutsche Version wurde schlampig veröffentlicht inkl. üblem Bug: Zum Start kann man keine Charaktere erstellen? Oh je...

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Kommentare
Veteran of Gaming

Allein die grausame Benutzerführung hätte man besser gestalten müssen. Wo in BT geniale Verbesserungen wie die Automap dazugekommen sind, sehe ich in Wasteland nichts außer bunter neuer Grafik.
Die Steuerung ist eine Frechheit, nicht mehr und nicht weniger. Die Einheiten Bilder sind natürlich wesentlich schöner, aber der Rest sieht irgendwie einfach nur billig aus und dieser Pinökel mit dem man über die potthässliche Karte zieht ist ja wohl ein Scherz.

vor 4 Jahren
Veteran of Gaming

Das Original habe ich bei Gog in meiner Sammlung. Es hat eine furchtbare Grafik, kaum zu ertragen, keinen richtigen Sound und eine umständliche Steuerung.

Ich habe mir das Remaster angesehen und nach 5 Minuten weiss ich, dass ich das Original spielen werde.

vor 4 Jahren
DeathHuman

Ich verstehe sowieso nicht, wer solche Remakes durchwinkt.
Die Originale sehen in 90% der Fälle zehnmal besser aus. Man denke nur an das Secret of Mana Remake.

vor 4 Jahren
Civarello



Aber John Carmack und John Romero demonstrierten hier den Wechsel von 2D zu 3D innerhalb einer bekannten Reihe. Wolfenstein 3D wurde so populär, dass man in den 90ern sogar davon ausging, dass es weltweit mehr installierte Kopien als DOS auf Rechnern geben würde. Diese Kombo sorgte für die Geburt eines neuen Genres.
Hmm, verwechselst du das gerade mit DooM, welches damals für eine Zeit lang auf mehr PCs installiert war als Windows 95 ? Allerdings kam Win95 auch erst später als DooM (1993), welches zu der Zeit ja noch unter DOS lief. Außerdem hat auch die Shareware-Version von DooM (die komplette erste Episode für lau) zu diesem Umstand beigetragen. Trotzdem zeigt dieser Umstand natürlich WAS für ein Phänomen DooM damals war....und für mich persönlich auch noch bis heute ist.

Zu Wasteland: Schade dass man sich für solch ein Kultspiel nicht mehr Mühe gegeben hat. Ich hätte ebenfalls einen aufgebohrten Pixellook vorgezogen. Durchgespielt habe ich Wasteland in meiner Zeit nur einmal......irgendwann Anfang der 90er. Hatte auch großen Spaß dabei. Danach aber für viele Jahre nicht mehr gespielt. Habe es dann in den vergangenen Jahren immer wieder mal installiert....aber die Motivation hat mich jedes mal wieder nach ein paar Stunden verlassen und bin dann doch wieder bei Fallout 1 gelandet.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
TaLLa

Wasteland Rewasted.

Echt schade drum. Ob man sich da jetzt Sorgen um die Qualität des Dritten Teils machen darf?
Äpfel und Birnen, an sich sollte man trotzdem froh sein, dass man sich einem Remaster, wobei Remaster bei so einer Überführung etwas wenig wirkt, so einer ollen Kamelle zugedreht hat, aber etwas mehr Qualität sollte schon sein. Bei Age of Empires ging es ja auch. Wegen Wasteland 3 braucht man sich ja wohl gar keine Sorgen zu machen, damit besteht überhaupt kein Zusammenhang. Ich glaube eher Microsoft wollte alle drei Spiele unter ein Dach bringen und verfügbar machen ohne Steinzeitpixel zu haben, aber da war wohl was "schnell, schnell" dabei. Naja wird sicher noch gut nachpoliert werden. Vielleicht ist es am Ende sogar spielbar.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren