Pokémon Mystery Dungeon: Retterteam DX - Test, Rollenspiel, Switch

Pokémon Mystery Dungeon: Retterteam DX
06.03.2020, Marcel Kleffmann

Test: Pokémon Mystery Dungeon: Retterteam DX

Sammelorgie statt Dungeon-Spaß

Mit Retterteam DX schickt Nintendo ein Remake von Pokémon Mystery Dungeon: Team Rot und Team Blau ins Gefecht. In dem Ableger wird man in ein Pokémon verwandelt und kämpft sich durch Dungeons, um Taschenmonster aus misslichen Lagen zu retten. Macht dieses altbewährte Konzept im neuen Malbuchstil auf Switch noch Spaß?

Pokémon Mystery Dungeon Retterteam DX ist ein Remake von Pokémon Mystery Dungeon: Team Rot (Game Boy Advance) und Team Blau (Nintendo DS) aus dem Jahr 2006. Sie waren die ersten Spiele der Mystery-Dungeon-Ableger-Reihe. Das Remake nimmt abgesehen von der gewöhnungsbedürftigen Malbuchoptik kaum Veränderungen an dem Klassiker vor, in dem man als Mensch in ein Pokémon verwandelt wird. Welches Pokémon man steuern darf, ergibt sich aus einem kleinen Fragebogen zu Beginn einer Partie. Am Ende der Fragestunde bekommt man ein Pokémon präsentiert, das zu den gegebenen Antworten passen soll. Wenn man mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist und nicht unbedingt als Enton durch die Dungeons watscheln möchte, darf man sich optional direkt für Bisasam, Machollo, Flemmli, Eneco etc. entscheiden - insgesamt stehen 16 Pokémon zur Auswahl, allesamt natürlich mit ihren typischen Eigenarten, Stärken und Schwächen.

Auch ein Enton?

Im Anschluss entscheidet man sich für ein Begleiter-Pokémon und schon wird nach den ersten Zwischensequenzen ein Retterteam gründet, um andere Taschenmonster aus misslichen Situationen in Dungeons zu befreien. Fortan geht das Retterteam Tag für Tag auf Rettungsmission, während sich im Hintergrund eine Geschichte um die Vulnona-Legende und das Ende der Welt entfaltet, wobei die Inszenierung eher holprig und zweckmäßig mit Textboxen (keine Sprachausgabe) und Mini-Symbolen zur Darstellung von Gefühlslagen daherkommt. Unbeholfen bis knuffig wirkende Animationen kommen hinzu. Manche Kameraschwenks - vor allem beim Anflug der Post - können seltene Mini-Ruckler nicht verbergen. Allzu viel Story hinter dem Geheimnis der Pokémon-Transformation sollte man aber nicht erwarten, alles wird klar von den täglichen Dungeon-Besuchen dominiert.

Knacklion, Pikachu und Bisasam erkunden ein Dungeon.
Das Retterteam, das aus bis zu drei Pokémon besteht, steuert man zügig, in rundenbasierter Manier durch abwechslungslose Dungeons, packt Gegenstände in die chronisch zu kleine Sammelbox und kämpft gegen andere Taschenmonster, die sich in dem Dungeon rumtreiben. Da sich der Aufbau der Dungeons bei jedem Besuch verändert, die Auftragstypen (sehr schnell) zur Wiederholung neigen und das virtuelle Ableben mit dem Verlust sämtlicher Gegenstände und Währung dieses Dungeonbesuchs einhergeht, fällt das Spiel in die Roguelite-Kategorie. Dass man als Pokémon gegen andere Pokémon kämpft, wird übrigens dadurch erklärt, dass in der Welt immer wieder Erdbeben und andere Katastrophen stattfinden und die Pokémon deswegen verwirrt seien. Je mehr Pokémon man rettet, desto höher steigt der Retterrang und desto mehr Aufträge und Dungeons werden freigeschaltet.

Wenig Abwechslung im Dungeon

Jedes Mal, wenn sich die Retterteam-Gruppe im Dungeon um ein Feld bewegt, bewegen sich auch alle Gegner einmal. In diesem Runden-Modus hat man stets genug Zeit, zu überlegen, wohin man geht, welches Pokémon man womit angreift und welches Item man einsetzen möchte. Die Angriffe selbst funktionieren sehr einfach und richten sich je nach Reichweite der Attacke. Mein Karnimani hat z.B. mit der Aquaknarre einen Angriff, der über zwei Felder geht, während Kratzer und Raserei nur im Nahkampf funktionieren.

Die spielbaren Pokémon im Überblick.
Mein Glumanda-Begleiter kann seine Feuerattacke über vier Felder schleudern. Selbst wenn ich Karnimani steuere, attackiert Glumanda fleißig die Gegner selbstständig, solange bis die AP (Angriffspunkte) aufgebraucht sind. Möchte man solche Attacken für höhere/tiefere Dungeon-Etagen aufsparen, muss man die Nutzung der Attacke im Menü verbieten oder Top-Äthertränke zum Auffüllen nutzen.

Jedes Pokémon verfügt über vier Attacken und praktischerweise wählt das Spiel automatisch den jeweils sinnvollsten, weil effektivsten Angriff aus, wenn man die Taste A drückt. Man kann mit ZL ein Menü aufrufen und gezielt Aktionen auswählen, z.B. wenn man Statuseffekte (Einfrieren, Kampfbuff etc.) gezielt einplanen möchte - in der Regel ist das jedoch nicht nötig.

Einfach gestrickte Kämpfe

Wesentlich komplexer wird das Kampfgeschehen trotz Gegenständen, Talenten und Fähigkeiten nicht. Auch die Dungeons könnten mit Höhenunterschieden, verschiedenen Untergründen etc. mehr Abwechslung zu langen Fluren und rechteckigen Räumen bieten. Immerhin gibt es einige Fallen, deren Auswirkungen meist zu vernachlässigen sind.

Die Fortbewegung kann bei Retterteam DX automatisiert worden, sofern man die automatische Erkundungsfunktion (L) nutzen möchte. Hiermit bewegt sich die Truppe im Eiltempo durch das Dungeon, klappert die Ziele ab, sammelt die verfügbaren Items und geht dann zur Treppe. Bei den Kämpfen wird die automatische Fortbewegung beendet und wenn alles gut läuft, reicht es aus, A zu drücken, um anzugreifen. Danach geht es mit L weiter, bis wieder A gedrückt werden muss. Wichtig: Die automatische Erkundung ist nur eine Option. Ansonsten kann man mit der B-Taste schnell bis zum nächsten Raum flitzen.



Der automatisierte Dungenon-Crawler

Die Pokémon kommentieren manche Angriffe mit Texten in Sprechblasen. Unten rechts ist der Kampftext zu sehen.
Der Schwierigkeitsgrad lässt sich generell selbst beeinflussen, da man zwischen den Hauptmissionen immer wieder Nebenmissionen oder Ausflüge in das Makuhita-Dojo zum Training zur Verbesserung der Fähigkeiten und der Stufe angehen kann - inkl. Turbo-Trainings mit vielen Level-Ups als Alternative zum Grinding. Viele der Automatismen waren in den ursprünglichen Spielen nicht enthalten und lassen sich in den Optionen deaktivieren, z.B. ob einige Pokémon bei nötigen Heilungen oder negativen Statuseffekten nachfragen sollen, ob ein Item eingesetzt werden soll oder nicht.

Das Retterteam wird von einem (jederzeit wechselbaren) Anführer durch das Dungeon geleitet. Alle Mitstreiter folgen ihm wie an einer Perlenschnur, obwohl sie auch manchmal in der Nähe liegende Gegenstände selbstständig mitnehmen. Später können sich in dem Dungeon besiegte Gegner dem Retterteam anschließen - entsprechende Pokémon haben eine bestimmte Chance mitzukommen. Bis auf acht Mitglieder kann die Pokémon-Perlenschnur anwachsen, wobei man aber nur die drei ursprünglichen Mitglieder direkt steuern kann. Im Kampf helfen die "Willigen" automatisch mit und sofern man die jeweiligen regionalen Retterteam-Camps freigekauft hat, darf man dauerhaft auf die Verstärkung zurückgreifen, wodurch die Pokémon-Auswahl immer größer wird. Idealerweise legt man sich einen großen Pool an verschiedenen Pokémon an, um die Typen-Vorteile zu nutzen und von den unterschiedlichen Talenten zu profitieren.

Team Übel stellt sich vor ...
Da ein Großteil der Kämpfe sehr simpel gestrickt ist und die meisten Duelle schnell vorbei sind, ist Retterteam DX vergleichsweise einfach, solange man nicht mehrere Gegner gleichzeitig attackiert. Die Komplexität der Kämpfe erfordert solche Automatismen auf gar keinen Fall, aber wenn man XP sammeln möchte, ist das Ganze schon praktisch. Erst nach dem Story-Ende oder beim Item-Mangement tief im tiefsten Dungeon zieht die Herausforderung an, viel mehr gibt das grundlegende Kampfsystem nicht her, wenn man von der Nutzung der effektiven Angriffe absieht. Mit den Talenten (jedes Pokémon kann nur eines haben), den Fähigkeiten oder stellenweise überraschend starken anlegbaren Gegenständen spielt die Reihenfolge der Pokémon-Perlenschnur eine wichtige Rolle, vor allem wenn man durch lange schmale Gänge läuft und auf einmal Gegenverkehr ankommt. Hier hilft z.B. das Talent "Vorpreschen", das es allen Team-Mitgliedern ermöglicht, in Gängen ein Feld vorzupreschen, um anzugreifen, wenn sie nicht an der Spitze des Teams stehen. Das Kampfverhalten der computergesteuerten Mitstreiter kann ebenfalls mit wenigen Schritten festgelegt werden.

Einfache Kämpfe vs. motivierende Entwicklung

Obgleich sich der Spielablauf stark wiederholt, kaum Abwechslung bietet, relativ leicht ist und nicht immer glücklich inszeniert wurde, entfaltet das Retterteam DX eine seltsam motivierende Eigendynamik in kleinen Dosen bzw. bei kurzen Spielrunden. Neben dem Sammelaspekt der Marke "Schnapp' sie dir alle!" sorgen die Verbesserungen der Pokémon, die neuen Mitstreiter, die sammelbaren Gegenstände und die Steigerung des Retterrangs oft dafür, dass man häufig noch ein Dungeon mehr säbert als geplant. Überraschend ist hingegen der umfangreiche Endgame-Modus mach dem Story-Abschluss, in dem man viele weitere (teils sehr große) Dungeons erforschen und man Pokémon in der Glitzerhöhle am Welsar-Weiher entwickeln kann. Als Belohnungen winken u.a. legendäre Pokémon. Abermals ist der Sammelkram der Hauptanreiz und nicht die Kämpfe.

Sammeln und Verbessern als Anreize

Mehr Mut hätten die Entwickler bei der Reduktion von sich wiederholenden Elementen zeigen können und müssen - und damit sind nicht nur die Musik und die eigentliche Spielschleife gemeint. Der Rotstift hätte umständlichen Menüs und unnötigen Texte gutgetan. So müsste z.B. beim 100. geretteten Pokémon nicht mehr angezeigt werden, dass der Retterorden hochgehalten und das Pokémon durch eine mysteriöse Kraft aus dem Dungeon teleportiert wird. Diese Meldungen über mehrere Textfenster sind einfach unnötig. Ähnlich umständlich ist die Item-Verwaltung (Bank auf dem Pokémonplatz), das ewigen Nachfragen beim Lernen/Verlernen von Attacken und die Zuweisung von neuen Pokémon in die Rettercamps. Zumal am Ende einer Mission auch eine Zusammenfassung ausgereicht hätte, anstatt jedes gerettete Pokémon einzeln durchzugehen. Am Anfang ist es noch nett, später nervt es nur - dabei mochten die Entwickler solch Automatisierungen eigentlich gerne, warum also nicht hier?

Vergessene Streichkandidaten

Folgende Pokémon sind im Klüftplateau untergebracht. Die Taschenmonster werden in den Rettercamps in Pixeloptik dargestellt.
Zwischen den ganzen Rettungseinsätzen treibt man sich auf dem Pokémonplatz herum, kümmert sich um die Verwaltung der Gegenstände, die Anpassung der Fähigkeiten, das Training im Makuhita-Dojo (ist sofort freigeschaltet), betrachtet die Pokémon in Camps oder nimmt Aufgaben am Infobrett bei der Pelipper-Post an, wobei es im Remake einen praktischen Digda-Tunnel zur Schnellreise zwischen Haus/Basis und Infobrett gibt. Ansonsten finden dort Story-bezogene Ereignisse statt.

Eine manuelle Speicherfunktion gibt es nicht. Neben den automatischen Speicherständen kann man im Menü lediglich "Speichern und Verlassen" drücken. Praktisch ist immerhin eine lange Liste mit Erklärungen der Schlüsselbegriffe und die immer wieder kommende Pokémon-Zeitung, die weitere Aspekte erklärt wie die "Verlinkung" von Aktionen.

In dem Spiel trifft man auf Pokémon aus den ersten drei Generationen. Mit leicht angepassten Angriffen, Fähigkeiten und Mega-Entwicklungsmöglichkeiten. Über 400 Pokémon sollen laut Nintendo enthalten sein.

Fazit

Pokémon Mystery Dungeon Retterteam DX ist ein ordentliches Remake von Team Rot und Team Blau, aber immer noch kein gutes Spiel. Die Erkundung der stellenweise sehr langen und wenig spannenden Dungeons entfaltet aufgrund einer immensen Sammel- und Verbesserungsorgie eine überraschend motivierende Eigendynamik, dennoch sind die Kämpfe viel zu simpel gestrickt und können höchstens in kleinen Dosen genossen werden, bevor es zu langweilig wird. Viele der optionalen Automatismen senken den Schwierigkeitsgrad noch weiter. Neben der netten Geschichte überzeugen aber die vielfältigen Dungeon-Trips nach dem Story-Abschluss. Trotzdem hätten die Entwickler den Spielfluss durch die Straffung der Dialoge, bessere Menüs und das Entfernen unnötiger Elemente deutlich verbessern müssen, um in gute Wertungsregionen vorzustoßen.

Pro

  • motivierende Jagd nach Pokémon und Verbesserungen
  • viele und stellenweise sehr lange Dungeons
  • umfangreiche Inhalte nach Story-Ende
  • auswählbares Pokémon zu Beginn
  • große Pokémon-Auswahl
  • viele hilfreiche Automatismen
  • praktische Schlüsselbegriffliste
  • Mega-Entwicklung, Talente, Fähigkeiten und Co.
  • weitgehend putziges Design der Pokémon

Kontra

  • oberflächliches Kampfsystem
  • sehr repetitiver Spielablauf
  • kaum Abwechslung
  • Langeweile in langen Dungeons
  • tendenziell zu leicht
  • viele unnötige Menüs und Dialoge
  • umständliche Verwaltung vieler Aspekte
  • Performance-Macken in Stadt & Dungeon (selten)
  • Schwächen bei der Story-Inszenierung
  • schwaches Dungeon-/Weltdesign
  • Genauigkeit der Bewegungssteuerung

Wertung

Switch

Zu viele Wiederholungen und zu simpel gestrickte Kämpfe schaden der grundsätzlich launigen Pokémon-Sammelorgie.

Echtgeldtransaktionen

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  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
Sylver001

Eins Vorweg ich habe das Original nie gespielt, die Optik gefällt mir schon mal und der Rest klingt auch vielversprechend.
Die Wertung liest sich schlimmer, als sie ist. Wenn man mit dem Sub-Genre "Mystery Dungeon"* schon mal in Berührung kam, dann weiß man worauf man sich hier einlässt.

*mögliche Beispiele: Shiren the Wanderer, Chocobo's MD, Omega Labyrinth, Guided Fate Paradox, Final Fantasy Last Mission etc. und selbst das neue Snackworld (auch wenn es vom Gameplay was anderes ist) Sie alle teilen sich das Schicksal der "öden" Dungeonstruktur, was sie aber letztendlich nicht weniger spaßig macht.. sofern man sich mit den Stärken arrangieren kann.

vor 4 Jahren
Swar

Eins Vorweg ich habe das Original nie gespielt, die Optik gefällt mir schon mal und der Rest klingt auch vielversprechend.

vor 4 Jahren