Black Mesa - Test, Shooter, PC

Black Mesa
11.03.2020, Benjamin Schmädig

Test: Black Mesa

Was lange währt...

Ich hätte nicht gedacht, dass ich Half-Life noch einmal durchspielen würde. So sehr ich den Oldie damals mochte, so schlecht ist er nämlich vor allem grafisch gealtert. Auftritt Black Mesa, wie Crowbar Collective sein Remake nennt, das aus dem Klassiker ein zeitgemäßes Spiel machen soll. Mehr als 15 Jahre hat diese Transformation auf sich warten lassen – doch hat sich das Warten auch gelohnt? Für unseren Test habe ich mich endlich einmal wieder durch die unterirdische Forschungsstation geschlagen.

Es ist doch so: Während man in reinen Fantasiewelten über fehlende Details oder unscharfe Texturen relativ leicht hinwegsehen kann, fällt bei einem Schaltpult anno 1998 sofort auf, dass die Knöpfe nur ein zweidimensionaler Farbklecks sind. Der intuitive Vergleich mit der Realität macht es älteren Spielen schwer zeitlos zu wirken. Deshalb (und weil bei id Software begnadete Grafiker am Werk waren) sieht ein Quake heute noch besser aus als ein Half-Life, das im Grunde die gleiche Engine nutzt. Selbst einem Half-Life: Source, einer Neuauflage auf Grundlage der Technik des Nachfolgers, würde man heute so etwas sagen wie: „Ne, Omi, du siehst noch total jung aus!“.

Originalgetreu modernisiert?

Ganz anders Black Mesa, das den Oldie (ich bin jetzt wieder bei Half-Life) nicht nur in ein hübscheres Kleid steckt, sondern auch Levelaufbau, Physik und andere Details so verändert, dass man ein modernes Spiel dahinter vermutet. Immerhin verpasst Crowbar Collective dem Abenteuer nicht nur hochauflösende Texturen, sondern auch neue Sprachaufnahmen, kleine erzählerische Ergänzungen, zusätzliche Musik und mehr. U.a. kann man Kisten und Fässer stapeln, falls man das möchte – obwohl das leider nirgendwo gefordert oder mit kleinen Extras belohnt wird. Als Grundlage dient schließlich auch hier die aus Half-Life 2 bekannte Source-Engine in einer erweiterten Version.

Der Wiedererkennungswert ist hoch, obwohl Crowbar Änderungen vorgenommen hat.
Und so nutzen die Entwickler aus dem Nachfolger bekannte Elemente für Rätsel und um das Erkunden der Umgebung interaktiver zu gestalten. Gordon muss etwa Stecker mit Dosen verbinden, bevor er Maschinen aktiviert, oder mit Luft gefüllte Kanister unter einen gesunkenen Steg tragen, um den anzuheben. Interessanterweise wurden die Aufgaben dabei nur erweitert, in ihrem Kern aber nicht verändert. Sprich, Crowbar beweist ein gutes Händchen für die behutsame Modernisierung!

Ach ja, Gordon Freeman… Ikone der Videospielkultur, obwohl er nie auch nur einen Ton gesprochen hat. Erlebt man die komplette Geschichte doch aus seinen Augen, ohne auch nur eine Sekunde lang die Perspektive zu wechseln, und darf sich seinen Teil denken, wenn er angesprochen wird – was für eine Wohltat diese konsequente Erzählweise nach wie vor ist! Man hat ja keinen „Knopf“ im Ohr, der Weg und Lösungen vorsagt. Oder einfach nur davon ablenkt, dass man nach einem fehlgeschlagenen Experiment weitgehend alleine in einer geheimnisvollen Forschungsstation unterwegs ist, deren Wissenschaftler vom Militär kaltblütig ermordet werden, von Aliens sowieso. Wenn Überwachungskameras leise von links nach rechts schwenken, schafft das jedenfalls mehr Unbehagen als jedes „Pass auf, du wirst beobachtet!“ Dass man gelegentlich von Wissenschaftlern oder Wachleuten begleitet wird, verstärkt den Eindruck nur Teil einer glaubwürdigen Welt zu sein.

Back to Black

„Abenteuer“ schreibe ich übrigens deshalb, weil Half-Life der Shooter-Action nicht nur gelegentliche Atempausen gönnt, sondern das Durchkämmen der Umgebung, Finden des Weges und Lösen kleiner Rätsel sehr viel Zeit einnimmt. So hat man viel stärker das Gefühl einen realen Schauplatz zu erkunden, anstatt nur Schauspieler in einem abgesteckten Bühnenbild zu sein. Dazu trägt außerdem bei, dass man nie abrupt von einem Level in den nächsten versetzt wird – selbst erzählerische Ausnahmen werden als gleichförmige Übergänge inszeniert. Leider wird das auch in Black Mesa von den bekannten Ladepausen unterbrochen. Grundsätzlich funktioniert der Aufbau aber noch heute.

Nicht zuletzt hat Crowbar die einstigen Kulissen nicht identisch übernommen, sondern zum einen aufwändiger ausgearbeitet und zum anderen umgestaltet, wo es spielerisch sinnvoll ist. Jeder wichtige Raum ist sofort wiedererkennbar! Grafisch und akustisch entstehen aber stimmungsvolle Momente, die man beim heutigen Spielen des Originals einfach nicht mehr erlebt. Dadurch gefiel mir z.B. die Fahrt durch die „Eisenbahntunnel“ fast genauso gut wie im Original, während die Welt der Außerirdischen, Xen, jetzt nicht nur fremdartig aussieht, sondern viel stärker ihre exotische Schönheit mit der von ihr ausgehenden Bedrohung vereint.

Manchmal stehen die Gegner ahnungslos direkt neben Gordon - oft verwickeln sie ihn aber auch in packende Gefechte.
Leider hat die grundsätzlich gelungene Modernisierung allerdings auch Nachteile, die gerade im Vergleich mit aktuellen Shootern auffallen. So geschickt Crowbar etwa Licht und Schatten einsetzt, so sehr sieht man dem Remake seine technisch inzwischen überholten Wurzeln an. Selbst große Räume bestehen aus vergleichsweise wenigen Polygonen und lassen eine physikalisch aufwändige Beleuchtung missen. Man bleibt zudem häufig an kleinen Ecken oder auf engen Stegen hängen, rauscht insgesamt aber mit einem Affenzahn durch Black Mesa ohne die Schwere von Gordons Körper zu spüren. Es fehlt das Gefühl physisch vor Ort zu sein.

Unfreiwillig Stealth-Action

Und auch die Action, damals ein Höhepunkt des Spiels, wirkt selbst in diesem Remake relativ bieder. Viele Gefechte sind durchaus knackig und vor allem Soldaten zwingen Gordon erfolgreich dazu seine vermeintlich sichere Deckung zu verlassen. Der beherrscht jetzt zudem das Rutschen in Deckung, was manchen Schusswechseln zusätzlichen Schwung verleiht. Das Aktionsrepertoire der Gegner ist aber auch sehr überschaubar, weshalb sie mitunter wie bewegliche Zielscheiben wirken, und zudem „gedankliche“ Aussetzer an den Tag legen, die ich dem nostalgischen Trip zwar nachsehe, die für sich genommen allerdings grobe KI-Schnitzer darstellen. Da bleiben hilfreiche Wachen etwa stur in der Schusslinie stehen, während man von Gegnern in unmittelbarer Nähe übersehen wird, die gerade noch direkt auf Gordon zu liefen. Ganz große Action inszeniert diese Version des Shooter-Opas daher nicht.

Fazit

Ich war erstaunt, wie viele Ecken Erinnerungen wach werden ließen, die ich zuvor nicht hätte zitieren können.  Denn Black Mesa gibt den Klassiker so detailgetreu wieder, dass das damals Besondere quasi unverfälscht erkennbar ist. Und es modernisiert ihn gleichzeitig so behutsam, dass man Half-Life auch heute noch spielen kann, ohne sich – bei aller Liebe – dazu überwinden zu müssen. Crowbar Collective erweckt stimmungsvolle Kulissen zum Leben und wertet das Original zudem mit neuen Sprachaufnahmen, erzählerischen Ergänzungen, erweiterten Rätseln und mehr auf. Trotzdem merkt man, dass hier alte Technik sowie ein altes Spiel drin stecken. Zu oft bleibt man hängen, hetzt ganz allgemein zu schnell durch die Forschungsstation und spätestens die geistigen Aussetzer der Gegner und Verbündeten haben bestenfalls komödiantischen Wert. Von einem großen oder gar wegweisenden Shooter ist das Remake daher weit entfernt. Als nostalgische Zeitreise ist es allerdings richtig gut geworden!

Pro

  • verbessertes Remake, das dem Original sehr treu bleibt
  • ebenso leicht wie sinnvoll erweiterte Rätsel und Umgebungen
  • teils angenehm fordernde bzw. hilfreiche Gegner und Begleiter...
  • kleine erzählerische Ergänzungen und aufgewertete Dialoge
  • abwechslungsreiches Abenteuer mit viel Erkundung und Rätseln
  • vereinnahmendes Erleben durch konsequente Ego-Perspektive und durchgehenden Schauplatz
  • alle Kapitel von Beginn an wählbar

Kontra

  • nach heutigen Maßstäben einfach gestricktes Spiel, in dem man meist schnell durch überschaubare Kulissen sprintet
  • hakeliges Leiterklettern und Hängenbleiben an engen Treppen usw.
  • ... mit häufigem groben Fehlverhalten
  • Bildrate sinkt gelegentlich deutlich

Wertung

PC

Kein grandioser Shooter, aber ein behutsam modernisierter Klassiker und eine gelungene Zeitreise.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
Kommentare
James Dean

Ähm.. also Half-Life 1 war ein zu 90% linearer Shooter. Haben die daraus ein offenes Spielkonzept gemacht oder wie schaffst Du es Dich da zu verlaufen?
Indem Räume und Gänge wie im Bürokomplex und Fragwürdige Ethik teilweise zum Verwechseln ähnlich aussehen (Was ja auch irgendwie Sinn macht), dieser Müllentsorgungskomplex teilweise echt konfus ist und man einen schlechten Orientierungssinn hat.
Da muss ich tatsächlich zustimmen, gerade bei der Müllverbrennung bin ich gefühlt ein oder zweimal im Kreis gelaufen. Aber ganz so schlimm war es jetzt nicht.

vor 4 Jahren
Dat Scharger

Ähm.. also Half-Life 1 war ein zu 90% linearer Shooter. Haben die daraus ein offenes Spielkonzept gemacht oder wie schaffst Du es Dich da zu verlaufen?
Indem Räume und Gänge wie im Bürokomplex und Fragwürdige Ethik teilweise zum Verwechseln ähnlich aussehen (Was ja auch irgendwie Sinn macht), dieser Müllentsorgungskomplex teilweise echt konfus ist und man einen schlechten Orientierungssinn hat.

vor 4 Jahren
OchsvormBerg

Ich setze als Jemand, der das Original ebenfalls nie gespielt hat, auch mal was drunter.

Also bei mir würde es scharf an einen Award vorbeischrammen. Die Waffen und Schießereien sind grundsolide, keine Frage, aber Rage 2 und die Wolfenstein-Spiele fühlen sich da für mich einfach besser an. Auch kann ich mich nicht so recht mit dem Leveldesign anfreunden. Die Außenareale sind wunderbar, wirklich, aber sobald es in irgendwelche Gebäude, Untergründe und sonstige Komplexe geht... na ja, sagen wir mal, ein paar Wegweiser hätten wirklich nicht geschadet, weil vieles einfach ähnlich aussieht, sodass ich mich ab und an verlaufe und nicht mehr weiß, wo ich schon war.
Aber ich kann sagen, dass ich mich schon auf Xen freue.
Ähm.. also Half-Life 1 war ein zu 90% linearer Shooter. Haben die daraus ein offenes Spielkonzept gemacht oder wie schaffst Du es Dich da zu verlaufen?

vor 4 Jahren
DJ_Leska

Habe gerade vorher eine News eines konkurrierenden gaming "Journalisten" gelesen: "Ich liebe die Spiele, aber niemand braucht heute noch Half-Life 3!" ....

Gibt es eigentlich eine goldene Himbeere im Spiele Journalismus?

Wie auch immer. Werds mir nächsten Monat wahrscheinlich kaufen mit bitterem Beigeschmack <--- Was alles möglich wäre wenn....ja WENN und ABER und SOWIESO , gell Half Life 3? Braucht niemand mehr intelligente Shooter....
Die besagte Person und mittlerweile das ganze Heft kann man doch eh nicht mehr ernst nehmen. Die älteren Redakteure sind total selbstgefällig geworden und die Jüngeren schlichtweg auf Youtuber Niveau. Mit Ausnahme von M. natürlich. M. ist der einzige Lichtblick dort. Frech und kompetent, aber das werden sie ihm sicher noch abgewöhnen.

Der Online Auftritt ist nur noch click bait vom Allerfeinsten und nicht ohne Grund werden sie immer wieder mit der Bild verglichen. Das Heft habe ich mir früher sehr gerne gekauft, mittlerweile ist es meistens nicht einmal mehr das Durchblättern wert. Trauriger Tiefpunkt war für mich letztlich die Zensur im Forum. Es ist mehr als auffällig, dass negative Kommentare zu EA und SC zu seltsamen Überreaktionen führen.

Ich habe dort meinen Account längst gelöscht und vermisse ihn auch nicht. Die PC Games macht wesentlich bessere Arbeit und 4Players ist ja auch noch da.

Ich halte die Aussage "Niemand braucht heute noch Half Life 3" für eine der dümmsten Behauptungen zum Thema Spiele überhaupt. Aber besagter Person reicht ja auch ein Call of Duty und ev. Battlefield nach dem anderen zum Glück. Passt aber zu den anderen Bemerkungen dieser Person. Meistens zum Fremdschämen, einschliesslich dem aufgesetzt wirkenden Anbiedern an vermeintlich nicht mal halb so alte Spieler. Das sprachliche Niveau hat dort nämlich auch gewaltig nachgelassen.
Geht mir genauso!
Wirklich „identifizieren“ kann ich mich mit dem Geschmack der hiesigen Spieleredakteure kaum noch und sehe ebenso flächendeckend eine Anbiederung an den Mainstream bzw. dem Kunden möglichst „gefallen“ zu wollen und nicht „anzuecken“!
Eine Entwicklung, mit der ich nix anfangen kann da es für mich nichts schlimmeres als fehlenden „Charakter“ gibt!
Insgesamt hatte ich diesbezüglich immer meine drei „Eckpfeiler“: Henry Ernst (R.I.P. ) mit dessen damaligen Weggang aus der Gamepro diese deutlich an Qualität verloren hat (allein seine Testchecks sind bis heute legendär), Jörg von 4Players (weswegen ich auch hier bin und der uns mit seiner unvergleichlichen Art hoffentlich noch lange erhalten bleibt) und Kai Schmidt (der irgendwann zum Gamepro-Chefredakteur befördert wurde - mir seine ReviewStilÄnderung allerdings nicht passte)!

vor 4 Jahren
Veteran of Gaming

Habe gerade vorher eine News eines konkurrierenden gaming "Journalisten" gelesen: "Ich liebe die Spiele, aber niemand braucht heute noch Half-Life 3!" ....

Gibt es eigentlich eine goldene Himbeere im Spiele Journalismus?

Wie auch immer. Werds mir nächsten Monat wahrscheinlich kaufen mit bitterem Beigeschmack <--- Was alles möglich wäre wenn....ja WENN und ABER und SOWIESO , gell Half Life 3? Braucht niemand mehr intelligente Shooter....
Die besagte Person und mittlerweile das ganze Heft kann man doch eh nicht mehr ernst nehmen. Die älteren Redakteure sind total selbstgefällig geworden und die Jüngeren schlichtweg auf Youtuber Niveau. Mit Ausnahme von M. natürlich. M. ist der einzige Lichtblick dort. Frech und kompetent, aber das werden sie ihm sicher noch abgewöhnen.

Der Online Auftritt ist nur noch click bait vom Allerfeinsten und nicht ohne Grund werden sie immer wieder mit der Bild verglichen. Das Heft habe ich mir früher sehr gerne gekauft, mittlerweile ist es meistens nicht einmal mehr das Durchblättern wert. Trauriger Tiefpunkt war für mich letztlich die Zensur im Forum. Es ist mehr als auffällig, dass negative Kommentare zu EA und SC zu seltsamen Überreaktionen führen.

Ich habe dort meinen Account längst gelöscht und vermisse ihn auch nicht. Die PC Games macht wesentlich bessere Arbeit und 4Players ist ja auch noch da.

Ich halte die Aussage "Niemand braucht heute noch Half Life 3" für eine der dümmsten Behauptungen zum Thema Spiele überhaupt. Aber besagter Person reicht ja auch ein Call of Duty und ev. Battlefield nach dem anderen zum Glück. Passt aber zu den anderen Bemerkungen dieser Person. Meistens zum Fremdschämen, einschliesslich dem aufgesetzt wirkenden Anbiedern an vermeintlich nicht mal halb so alte Spieler. Das sprachliche Niveau hat dort nämlich auch gewaltig nachgelassen.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren