Black Mesa - Test, Shooter, PC
Es ist doch so: Während man in reinen Fantasiewelten über fehlende Details oder unscharfe Texturen relativ leicht hinwegsehen kann, fällt bei einem Schaltpult anno 1998 sofort auf, dass die Knöpfe nur ein zweidimensionaler Farbklecks sind. Der intuitive Vergleich mit der Realität macht es älteren Spielen schwer zeitlos zu wirken. Deshalb (und weil bei id Software begnadete Grafiker am Werk waren) sieht ein Quake heute noch besser aus als ein Half-Life, das im Grunde die gleiche Engine nutzt. Selbst einem Half-Life: Source, einer Neuauflage auf Grundlage der Technik des Nachfolgers, würde man heute so etwas sagen wie: „Ne, Omi, du siehst noch total jung aus!“.
Originalgetreu modernisiert?
Ganz anders Black Mesa, das den Oldie (ich bin jetzt wieder bei Half-Life) nicht nur in ein hübscheres Kleid steckt, sondern auch Levelaufbau, Physik und andere Details so verändert, dass man ein modernes Spiel dahinter vermutet. Immerhin verpasst Crowbar Collective dem Abenteuer nicht nur hochauflösende Texturen, sondern auch neue Sprachaufnahmen, kleine erzählerische Ergänzungen, zusätzliche Musik und mehr. U.a. kann man Kisten und Fässer stapeln, falls man das möchte – obwohl das leider nirgendwo gefordert oder mit kleinen Extras belohnt wird. Als Grundlage dient schließlich auch hier die aus Half-Life 2 bekannte Source-Engine in einer erweiterten Version.
Ach ja, Gordon Freeman… Ikone der Videospielkultur, obwohl er nie auch nur einen Ton gesprochen hat. Erlebt man die komplette Geschichte doch aus seinen Augen, ohne auch nur eine Sekunde lang die Perspektive zu wechseln, und darf sich seinen Teil denken, wenn er angesprochen wird – was für eine Wohltat diese konsequente Erzählweise nach wie vor ist! Man hat ja keinen „Knopf“ im Ohr, der Weg und Lösungen vorsagt. Oder einfach nur davon ablenkt, dass man nach einem fehlgeschlagenen Experiment weitgehend alleine in einer geheimnisvollen Forschungsstation unterwegs ist, deren Wissenschaftler vom Militär kaltblütig ermordet werden, von Aliens sowieso. Wenn Überwachungskameras leise von links nach rechts schwenken, schafft das jedenfalls mehr Unbehagen als jedes „Pass auf, du wirst beobachtet!“ Dass man gelegentlich von Wissenschaftlern oder Wachleuten begleitet wird, verstärkt den Eindruck nur Teil einer glaubwürdigen Welt zu sein.
Back to Black
„Abenteuer“ schreibe ich übrigens deshalb, weil Half-Life der Shooter-Action nicht nur gelegentliche Atempausen gönnt, sondern das Durchkämmen der Umgebung, Finden des Weges und Lösen kleiner Rätsel sehr viel Zeit einnimmt. So hat man viel stärker das Gefühl einen realen Schauplatz zu erkunden, anstatt nur Schauspieler in einem abgesteckten Bühnenbild zu sein. Dazu trägt außerdem bei, dass man nie abrupt von einem Level in den nächsten versetzt wird – selbst erzählerische Ausnahmen werden als gleichförmige Übergänge inszeniert. Leider wird das auch in Black Mesa von den bekannten Ladepausen unterbrochen. Grundsätzlich funktioniert der Aufbau aber noch heute.
Nicht zuletzt hat Crowbar die einstigen Kulissen nicht identisch übernommen, sondern zum einen aufwändiger ausgearbeitet und zum anderen umgestaltet, wo es spielerisch sinnvoll ist. Jeder wichtige Raum ist sofort wiedererkennbar! Grafisch und akustisch entstehen aber stimmungsvolle Momente, die man beim heutigen Spielen des Originals einfach nicht mehr erlebt. Dadurch gefiel mir z.B. die Fahrt durch die „Eisenbahntunnel“ fast genauso gut wie im Original, während die Welt der Außerirdischen, Xen, jetzt nicht nur fremdartig aussieht, sondern viel stärker ihre exotische Schönheit mit der von ihr ausgehenden Bedrohung vereint.
Unfreiwillig Stealth-Action
Und auch die Action, damals ein Höhepunkt des Spiels, wirkt selbst in diesem Remake relativ bieder. Viele Gefechte sind durchaus knackig und vor allem Soldaten zwingen Gordon erfolgreich dazu seine vermeintlich sichere Deckung zu verlassen. Der beherrscht jetzt zudem das Rutschen in Deckung, was manchen Schusswechseln zusätzlichen Schwung verleiht. Das Aktionsrepertoire der Gegner ist aber auch sehr überschaubar, weshalb sie mitunter wie bewegliche Zielscheiben wirken, und zudem „gedankliche“ Aussetzer an den Tag legen, die ich dem nostalgischen Trip zwar nachsehe, die für sich genommen allerdings grobe KI-Schnitzer darstellen. Da bleiben hilfreiche Wachen etwa stur in der Schusslinie stehen, während man von Gegnern in unmittelbarer Nähe übersehen wird, die gerade noch direkt auf Gordon zu liefen. Ganz große Action inszeniert diese Version des Shooter-Opas daher nicht.
Fazit
Ich war erstaunt, wie viele Ecken Erinnerungen wach werden ließen, die ich zuvor nicht hätte zitieren können. Denn Black Mesa gibt den Klassiker so detailgetreu wieder, dass das damals Besondere quasi unverfälscht erkennbar ist. Und es modernisiert ihn gleichzeitig so behutsam, dass man Half-Life auch heute noch spielen kann, ohne sich – bei aller Liebe – dazu überwinden zu müssen. Crowbar Collective erweckt stimmungsvolle Kulissen zum Leben und wertet das Original zudem mit neuen Sprachaufnahmen, erzählerischen Ergänzungen, erweiterten Rätseln und mehr auf. Trotzdem merkt man, dass hier alte Technik sowie ein altes Spiel drin stecken. Zu oft bleibt man hängen, hetzt ganz allgemein zu schnell durch die Forschungsstation und spätestens die geistigen Aussetzer der Gegner und Verbündeten haben bestenfalls komödiantischen Wert. Von einem großen oder gar wegweisenden Shooter ist das Remake daher weit entfernt. Als nostalgische Zeitreise ist es allerdings richtig gut geworden!
Pro
- verbessertes Remake, das dem Original sehr treu bleibt
- ebenso leicht wie sinnvoll erweiterte Rätsel und Umgebungen
- teils angenehm fordernde bzw. hilfreiche Gegner und Begleiter...
- kleine erzählerische Ergänzungen und aufgewertete Dialoge
- abwechslungsreiches Abenteuer mit viel Erkundung und Rätseln
- vereinnahmendes Erleben durch konsequente Ego-Perspektive und durchgehenden Schauplatz
- alle Kapitel von Beginn an wählbar
Kontra
- nach heutigen Maßstäben einfach gestricktes Spiel, in dem man meist schnell durch überschaubare Kulissen sprintet
- hakeliges Leiterklettern und Hängenbleiben an engen Treppen usw.
- ... mit häufigem groben Fehlverhalten
- Bildrate sinkt gelegentlich deutlich
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