Dezatopia - Test, Arcade-Action, Switch, PC

Dezatopia
24.03.2020, Matthias Schmid

Test: Dezatopia

Shoot'em-Up-Sternstunde

Den Namen Dezatopia habt ihr noch nie gehört? Ändert das! Das 2D-Ballerspiel haucht dem Gradius- und R-Type-Spielprinzip neues Leben ein. Selten tobte die Shoot’em-Up-Lust so hemmungslos in einem Videospiel. Hier kommt der Test.

Das 2D-Shoot’em-Up war in der Gründerzeit der Telespiele das Genre schlechthin. Von Spacewar! (1962) bis Space Invaders (1978) - die wichtigsten Schlachten dieser prägenden Frühphase wurden im All ausgetragen. Anschließend katapultierten Konami und Irem das Genre in neue Spielspaßdimensionen, mit Gradius und R-Type. Dazu gesellten sich früh Capcoms vertikale Kriegsshooter, dann Seibu Kaihatsus Sci-Fi-Ballerspiele und irgendwann auch die Kugelfluten von Toaplan, Cave und Raizing. Das Ausnahmestudio Treasure lieferte mit Radiant Silvergun, Ikaruga und Gradius 5 gleich drei Titel für die Ewigkeit ab, andere Sterne wie der von Aicom (Pulstar) oder G.rev (Under Defeat) leuchteten nur kurz, dafür umso heller.

Crashkurs

Shoot’em-Up-Liebhaber, die ihr Genre gerne mit STG oder Shmup abkürzen, hatten stets besondere Lieblingskonsolen: Anfangs NECs PC Engine, dann Segas Mega Drive plus Saturn und schließlich, man glaubt es kaum, die Xbox 360. Obwohl sich Microsofts zweite Konsole in Japan schlecht verkaufte, gibt es für die Plattform eine Vielzahl herausragender 2D-Ballerspiele, vor allem Cave setzte viele seiner Arcade-Perlen um. Seit ein paar Jahren schickt sich die Switch an, die beste Alternative zu Steam und der auf PC florierenden Doujin-Szene zu werden. Und da passt es ganz hervorragend, dass Dezatopia, das erste Shoot’em-Up-Highlight des Jahres 2020, nicht nur via Steam, sondern seit Mitte März auch für Nintendo Switch erhältlich ist.

Die Endgegner sind angenehm vielgestaltig: In dieses gigantische Gefährt kann man sogar hineinfliegen.
Über 30 Jahre nach Gradius ist es beileibe nicht einfach, einen horizontalen 2D-Shooter zu programmieren, dessen Spielideen und Mechaniken sich frisch und unverbraucht anfühlen. Dem Indie-Entwickler HEY ist es dennoch gelungen! 2016 zunächst als Momoiro Underground über den japanischen Crowdfunding-Dienst Makuake finanziert, gelangt das Spiel nun, dezent aufgebrezelt und mit neuer Musik unterfüttert, als Dezatopia in die westlichen Digitalstores Steam und Nintendo eShop. Zum Start überfordert einen der Titel beinahe mit seinem ausführlichen Tutorial: Doch Zusehen und Einprägen statt Wegdrücken lohnt sich, im Schnelldurchlauf erfährt man alles Nötige zu den vier Bordwaffen, Smartbombs, Punktesystem, Power-Ups, Punkte-Items & Co. Dezatopia ist dabei angenehm komplex, ohne die Action mit unverständlichen Mechaniken zu überfrachten. Am wichtigsten sind die vier Schüsse, die von Anfang an verfügbar sind: Die vier Front-Tasten des Switch-Controllers sind den vier Kanonen zugeordnet. Der rechte Button feuert nach rechts, der obere nach oben, usw. Wer alle vier Waffen gleichzeitig aktiviert, kann zwar Feinde in allen Himmelsrichtungen erwischen, büßt dafür aber massiv an Fluggeschwindigkeit ein. Ein ausgefeiltes System! Zudem wird jede Waffe schwächer, je länger man sich durchgehend nutzt - es ist also sinnvoll, eine Kanone für zwei, drei Sekunden neu aufladen zu lassen, um erneut von der vollen Feuerpower zu profitieren.

Angenehm anders

Wer fleißig Punkte-Items (in Tierform) aufsammelt, aktiviert einen Shop: Dann werden um euer Raumschiff herum, mitten in der Action, vier Kaufoptionen eingeblendet, die man einfach durch Hineinfliegen wählt, während man kurz unverwundbar ist. So gesellen sich stärkere Waffen, mehr Smartbombs oder eine längere Lebensleiste zu eurem Schiff. Ein weiteres, kluges Spielsystem. Doch die Feinheiten hören damit noch nicht auf: Per Schultertaste kann man einelne Waffen dauerhaft anschalten, eine Berührung mit der Wand sorgt nicht für Schaden und die am Heck eures Raumers befindliche Hitbox ist angenehm klein. Obendrein kann man mit dem wässrigen Schuss nach unten in den Levels Pflanzen sprießen lassen, die zusätzliche Punkte bescheren. Und schließlich gibt es haufenweise versteckte Items, die durch ein kleines weißes Viereck angezeigt werden: Wer darauf feuert, enthüllt das Geheimnis - dahinter kann sich ein Heil-Item oder aber eine freigeschaltete Kurzgeschichte oder Konzept-Grafik fürs Museum verbergen.

Drive-Trough-Shopping

Eure vier Waffensysteme feuern in alle Himmelsrichtungen - das Tutorial zu Spielbeginn erklärt es vorbildlich.
All das wäre aber freilich wenig wert, wenn Leveldesign, Feinde und Spielgefühl nicht ebenso stark wären: Die Lenkung des Schiffs geht angenehm vor der Hand, Sounds und Explosionen hinterlassen ein gutes Gefühl beim Ausradieren der Gegnerwellen. Und davon gibt es, auf Wunsch, eine Menge: Je nachdem, wie niedrig oder hoch man die Schwierigkeit vor Spielbeginn einstellt, kann man sich auf eher entspannte Formationen oder aber eine wahre Kugelhölle einstellen. Schuss-Türme, Panzer, Flugzeug-Staffeln, Menschen, Krabbelviecher & Co. attackieren von allen Seiten, auch die Levels scrollen munter in alle Richtungen. Die Bosse heizen euch mit abwechslungsreichen Lasersalven ein, überraschen mit sich verändernden Trefferzonen und sehen durchweg schräg bis scheußlich aus. Bei all dem gebotenen Bildschirm-Chaos aus Explosionen, Bullets und Punkte-Items gönnt sich Dezatopia an einigen Stellen den Luxus durchdachter Level-Strukturen: Mal schießt man in Ikaruga-Manier Kisten kaputt, mal bahnt man sich den Weg zwischen zuschnappenden Toren oder kämpft unter Wasser mit der Strömung.

Und Action!

Die Grafik in Dezatopia ist niedrig aufgelöst - dafür explodiert regelmäßig der halbe Bildschirm.
Bei einem Dezatopia-Durchlauf sieht man nur einen Bruchteil der Level-Vielfalt: Das liegt an verschiedenen Routen, die jeweils nur ein paar der vielen Stages beinhalten. Wer alles erleben möchte, sollte sich auf viele Runden einstellen. Zumal die Action endet, wenn man nach den z.B. fünf Stages der Route A eine besondere Bedingung nicht erfüllt hat. Mal muss man in unter 15 Minuten ans Ziel kommen, mal eine bestimmten Punktzahl erreichen oder den Rang konstant hoch halten. Nur dann öffnet sich der Zugang zum sogenannten Turm, wo besonders harte Levels und der letzte Endgegner warten. Auf Switch kommt es spätestens dann, mitunter aber auch schon in früheren Levels bei exzessivem Waffeneinsatz, zu unschönen Slowdowns, die sich aber zum Glück nicht negativ auf die Spielbarkeit auswirken.

Fazit

Wow! Seit Radiant Silvergun die Xbox 360 beglückte und Treasure auf derselben Hardware das Feuerwerk Bangai-O HD: Missile Fury zündete, hatte ich keinen solchen Spaß mit einem 2D-Shoot’em-Up. Dezatopia sieht mit seiner leicht schmutzigen Indie-Pixeloptik vielleicht billig aus, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Bei treibenden Beats explodieren auf dem Bildschirm hypnotische Kugel-Kaskaden - dieses Spiel ist Bullet Hell und Gradius gleichermaßen. Es überrascht und fordert mit einem ausgefeilten Waffensystem und gestaltet den Power-Up-Kauf wahnsinnig intuitiv. Der große Umfang teilt sich auf motivierende Routen mit Zusatzzielen auf, die Stages sind mal voller wabernder Danmaku-Posie, mal mit klug platzierten Levelstrukturen angereichert. Wer sich vom Retro-Look nicht abgestoßen fühlt und auf Online-Highscorelisten verzichten kann, der sollte diesem kreativen Ballerspiel unbedingt eine Chance geben!

Pro

  • durchdachtes, ausgefallenes Waffensystem
  • Power-Up-Kauf im Vorüberfliegen
  • furiose Kugelformationen
  • geht teilweise wahnsinnig ab
  • interessantes Leveldesign
  • beachtlicher Umfang
  • mehrere Pfade mit verschiedenen Vorgaben
  • sehr gutes Tutorial
  • Geheimnisse in den Levels freischalten macht Laune
  • scrollt munter in alle Richtungen
  • Schwierigkeitsgrad sehr variabel einstellbar

Kontra

  • auf Switch ab und zu Slowdowns
  • keine Online-Highscore-Liste
  • Grafik wirkt an manchen Stellen billig
  • HUD etwas überfrachtet

Wertung

Switch

Ein Jungbrunnen für das Shoot'em-Up: Eigenwillig, ungestüm und kreativ, gleichzeitig aber durchdacht und irre motivierend - ein Genre-Juwel!

PC

Ein Jungbrunnen für das Shoot'em-Up: Eigenwillig, ungestüm und kreativ, gleichzeitig aber durchdacht und irre motivierend - ein Genre-Juwel!

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
Kommentare
MARVEL

Jo hol ich mir wenns das auf der PS4 geben sollte, auf der Switch garantiert nicht angesichts der achso tollen Dpads bei joycons und pro controller.
Hol Dir den SN30 Pro Plus von 8BitDo. Fantastischer Controller der super zu einer Nintendo-Konsole passt.

vor 4 Jahren
B-i-t-t-e-r

Schöner Test, werde es definitiv testen, schon länger auf der Suche nach einem guten spaceship side-scrolling-shooter.

Mal so nebenbei, wieso gab es zu Jets'n'Guns eigentlich nie einen Test. das fand ich damals absolut großartig und es ist in dem Genre von Spielmechanik, Stil und Humor her seit dem mein Favorit!
Ganz ganz fetten Dank!! Gibt auch schon Teil 2, gestern beide bei Steam gekauft, total klasse!

Danke für den Test. Werde ich mir auf jeden Fall anschauen. Da kommen sofort wieder alte Thunderforce 4 und Apidya Gefühle hoch ^^
Welchen Shooter Du Dir auch mal anschauen solltest und meiner Meinung auch weit unterm Radar fliegt ist DEVIL ENGINE. Ein harter Brocken. Nicht zu überladen aber echt ne harte Nuss. Doch man kommt jedes Mal wieder ein paar Meter weiter. Gibt's auch ne Demo von. Wenn Du die geschafft hast biste mal grob für die Vollversion gewappnet

vor 4 Jahren
Ploksitural

Hui, vielen Dank für den Test. Hatte das gar nicht auf den Schmirn. Meine Switch und ich freuen uns drauf.

vor 4 Jahren
Spiritflare82

Jo hol ich mir wenns das auf der PS4 geben sollte, auf der Switch garantiert nicht angesichts der achso tollen Dpads bei joycons und pro controller.

vor 4 Jahren
Caramarc

Wow, der Entwickler muss echt fast alles was Rang und Name hat gezockt haben. Gradius, Darius, Blood Money, Parodius und viele viele mehr. Habe es bisher noch nicht gespielt, nur den Trailer gesehen, wird aber nachgeholt.

vor 4 Jahren