Operencia: The Stolen Sun - Test, Rollenspiel, VirtualReality, PlayStationVR, XboxOne, PlayStation4, ValveIndex, OculusQuest, OculusRift, PC, HTCVive, Switch

Operencia: The Stolen Sun
02.04.2020, Jens Bischoff

Test: Operencia: The Stolen Sun

Rückkehr in die Märchen-Dungeons

Vor einem Jahr landeten die primär für ihre Flippersimulationen bekannten Zen Studios mit Operencia: The Stolen Sun einen überraschenden Rollenspielerfolg. Inzwischen ist der märchenhafte Dungeon-Crawler auch auf PlayStation 4 und Nintendo Switch gestartet. Ob er dort ebenfalls begeistern kann, verrät der Test.

Eine unbekannte Macht hat den Sonnenkönig Napkiraly entführt und das Fantasyreich Operencia in einen Zustand der ewigen Dunkelheit versetzt, als sich eine Gruppe tapferer Helden aufmacht, die von ungarischen Volksmärchen inspirierte Welt zu retten. Allen voran der von mystischen Visionen heimgesuchte Protagonist, dessen Name, Geschlecht, Aussehen und Charakterwerte man vor Spielbeginn selbst festlegen darf. Zudem muss man sich für eine Laufbahn als Krieger, Jäger oder Magier entscheiden.

Es war einmal

Schon zum Auftakt des Abenteuers freundet man sich mit dem verwundeten Dieb Josko an, dem in einer versunkenen Burg ein magisches Amulett gestohlen wurde. Später stoßen Ritter Mezey und Drachentöter Sebastian hinzu, mit dem Josko noch eine Rechnung offen hat. Schmiedin Kela, Schamane Kampo und ein Stern in Menschengestalt namens Csilla runden das illustre Helden-Septett ab, das obendrein noch von der zynischen Händlerin Elia begleitet wird, die immer wieder neue Waren aus einem scheinbar nie versiegenden Sack hervorkramt.

Die mythologisch angehauchte Reise führt an fantastische Versionen historischer Orte wie die Burgen Deva oder Balvanyos und behandelt historische Figuren wie Attila oder die sieben Heerführer der Magyaren. Die Handlung wird zwar ausschließlich über meist statisch bebilderte Gespräche und Erzählungen inszeniert, die Dialoge sind aber immer wieder herrlich bissig und durchgehend englisch vertont. Die deutschen Untertitel sind die meiste Zeit tadellos. Hin und wieder stolpert man allerdings über unschöne Übersetzungspatzer wie "Zähler" statt "Konter" für einen Gegenangriff (englisch: "Counter") oder Stilblüten wie "Kontaktiere den Feind" als Aufforderung für einen Überraschungsangriff, die auch ein Jahr nach der Originalveröffentlichung nicht ausgebessert wurden...

Zwischen Märchen und Historik

Die Story wird in märchenhaften Bildern und durchgehend vertonten Dialogen inszeniert.
Die märchenhaften Kulissen, die man Schritt für Schritt aus einer frei beweglichen Ego-Perspektive erkundet, machen solche Unstimmigkeiten aber meist schnell wieder wett: Von magischen Unterwasserlabyrinthen über verwunschene Wälder und Gruften sowie verwinkelte Schlösser und Burgen bis hin zu den höchsten Wipfeln des Weltenbaums, den man aus ungewohnter Perspektive aufrecht gehend erklimmt. Mit der Hilfe magischer Artefakte kann man sogar selbst Verbindungstriebe wachsen, massive Objekte schweben oder Hindernisse die Form ändern lassen, um neue Wege zu schaffen. Auch Schätze können mit einer Zauberschaufel geortet und geborgen werden.

Oft lohnt es sich auch mit neu erworbenen Artefakten in bereits besuchte Regionen zurückzukehren, um zuvor unerreichbare Orte aufzusuchen und verborgene Geheimnisse zu lüften, deren Entdeckungsquote wie auch die Erkundungsquote der Karte im Schnellreisemenü angegeben wird. Darüber hinaus wollen allerlei kreative Kopfnüsse geknackt werden. Statt klassischer Schalter- und Schieberätsel geht es aber eher darum, versteckte Hinweise zu finden, geheime Botschaften zu entschlüsseln und mechanische oder magische Apparaturen zu bedienen. Oft muss man zwar genau hinschauen oder hinhören, um weiterzukommen oder um die Ecke denken, um die Lösung zu finden, aber am Ende macht alles Sinn, nichts wirkt absurd oder an den Haaren herbeigezogen.

Kreative Kopfnüsse

Die malerischen Kulissen werden Schritt für Schritt aus der Ego-Perspektive erkundet.
Versteckte Schalter, Falltüren, Geheimwände und Druckplatten gibt’s natürlich auch, stehen aber nicht im Mittelpunkt. Wer gern grübelt, kommt definitiv auf seine Kosten. Sogar beim Herstellen von Tränken, Bomben und anderen Mixturen, von denen jeder Charakter nur eine ausrüsten darf, ist Köpfchen gefragt. So enthalten gefundene Rezepte keine konkreten Herstellungsanleitungen, sondern eine Reihe von Hinweisen zu Lebensraum, Effekt und Morphologie der Zutaten, wovon es dann die richtige Zusammensetzung abzuleiten gilt. Waffen und Ausrüstung wird hingegen gefunden oder bei Elia gekauft.

Gekämpft wird ebenfalls - allerdings nicht so oft, da einmal besiegte Gegner tot bleiben und nicht wieder auftauchen. Entsprechend sind die durch Auseinandersetzungen erhältlichen Erfahrungspunkte begrenzt. Doch auch das Lösen von Aufgabenstellungen, das Entdecken von Geheimnissen oder das vollständige Ergründen der oft mehrstöckigen Spielumgebungen wird mit Erfahrungsgewinnen belohnt. Steigt ein Gruppenmitglied eine Stufe auf, darf man selbst bestimmen, welche Werte sich erhöhen und welche Talente und Fertigkeiten gelernt werden sollen.

Tot ist tot

Auch der Schwierigkeitsgrad lässt sich individuell anpassen. So kann man entscheiden wie weit einem die automatische Kartenfunktion unter die Arme greifen soll oder wie oft man Rasten und Speichern kann. Selbst eine gnadenlose Permadeath-Funktion lässt sich aktivieren. Die Wahl sollte man sich allerdings gut überlegen, da nachträgliche Änderungen nicht erlaubt sind. Um sich auszuruhen, muss man übrigens erst einen geeigneten Rastplatz finden und Brennholz für ein Lagerfeuer parat haben, das man sich hier und da durch das Zertrümmern von Kisten oder anderen Objekten aneignen kann.

Potentielle Gegner bewegen sich in Echtzeit durch die labyrinthartigen Schauplätze, können von hinten überrascht oder durch aktive Fluchtversuche abgeschüttelt werden. Kommt es zu einer Berührung, beginnt ein Kampf auf Leben und Tod. Der Schlagabtausch zwischen der bis zu vierköpfigen Heldentruppe und den in drei Entfernungsstufen aufgereihten Gegnern läuft rundenweise ab. Die sich primär am Agilitäts- bzw. Initiativewert der einzelnen Kampfteilnehmer orientierende Zugreihenfolge ist am linken unteren Bildschirmrand einsehbar.

Zug um Zug

Die Charaktererstellung und -entwicklung liegt größtenteils in Spielerhand.
Selbst die Trefferwahrscheinlichkeit des gewählten Angriffs sowie die Resistenzen und Immunitäten aller Gegner werden angezeigt; manuelle Notizen sind nicht nötig. Neben dem Ausnutzen elementarer Anfälligkeiten spielt auch die Entfernung zum jeweiligen Ziel eine wichtige Rolle. Angriffe mit Nahkampfwaffen sind auf kurze Distanz verheerender als aus der Ferne. Bei  Schüssen mit Pfeil und Bogen verhält es sich genau umgekehrt. Doch auch die Effektivität von Spezialangriffen, die entsprechende Energiereserven verschlingen, richtet sich oft nach der Entfernung zum Gegner. So muss man immer wieder abwägen, welche Waffe und Angriffe man wann einsetzt.

Zudem können sowohl Gruppenmitglieder als auch Gegner Angriffe durch erfolgreiche Blocks abschwächen oder ihnen durch aktivierte Ausweichmanöver komplett entgehen. Konter sind ebenfalls möglich und werden wie alle anderen Sonderaktionen mit einer von entsprechenden Charakterwerten abhängigen Wahrscheinlichkeit automatisch ausgeführte. Je nachdem welches Element die eingesetzten Angriffe und Zauber haben, laden sich entsprechende Gruppenfertigkeiten auf, die sich bei voller Ladung in besonders verheerende Attacken ummünzen lassen.

Das Design der über 50 Gegnerarten ist ähnlich abwechslungsreich wie das der insgesamt 13 Schauplätze, die einen jeweils mehrere Stunden auf Trab halten können. Neben wandelnden Leichen und Skeletten trifft man auf Ratten- und Echsenmenschen sowie Geist- und Maschinengegner. Zudem gibt es ein paar nette Überraschungen wie schlafende Riesen, die bei unachtsam erzeugten Geräuschen schlagartig auffahren oder Spinnen, die dem Tod nahe Artgenossen plötzlich aussaugen und dadurch ungeahnte Stärke erlangen.

Stimmungsvolle Vielfalt

Die von Entfernungen und Elementen bestimmten Kämpfe werden in Rundenmanier bestritten.
Auch die Soundkulisse ist ungemein stimmungsvoll. Da hört man ein Stockwerk höher plötzlich aufgeregtes Trampeln, entfernte Schreie oder immer heftigere Erschütterungen, während irgendwo Wasser gluckert, Dickicht raschelt oder Vögel aufgeregt davonflattern. Schön ist auch, dass fast alle Hinweise und Entdeckungen in einem praktischen Reisetagebuch festgehalten und geordnet werden - sogar komplette Gesprächsprotokolle. Nur die Schrift ist für Sofa- und Handheld-Spieler teils sehr klein, die Ladezeiten recht lang. Dafür können sich Switch-Spieler über spielinterne Erfolge sowie eine optionale Touch-Steuerung freuen, die bis auf die unnötig umständliche Interaktion mit Umgebungsobjekten tadellos von der Hand geht.

Fazit

Mit Operencia: The Stolen Sun ist den Machern der Pinball-FX- und Zen-Pinball-Reihen vor einem Jahr ein äußert atmosphärischer Dungeon-Crawler in klassischer Bard's-Tale-Manier gelungen, der mit seinen märchenhaften Kulissen, Gegnern und Rätseln jetzt auch auf PlayStation 4 und Nintendo Switch begeistert. Die Schauplätze bergen zahlreiche Geheimnisse, die taktischen Rundenkämpfe einige Überraschungen und selbst beim Crafting ist Köpfchen gefragt. Schön ist auch, dass man sein Alter Ego selbst erstellen und alle Charaktere nach persönlichen Vorlieben formen kann. Die Story-Inszenierung wirkt zwar etwas altbacken, die Schrift für Sofa- und Handheld-Spieler oft zu klein, die deutsche Lokalisierung hier und da nach wie vor unglücklich, aber dafür sind die Dialoge süffisant geschrieben und durchgehend vertont. Auf Switch kann man sogar bequem mit alternativer Touch-Steuerung spielen. Wer auf schrittbasierte Dungeon-Crawler mit abwechslungsreichen Rätseln und Rundenkämpfen steht und bislang noch nicht zugeschlagen hat, sollte sich diesen mittlerweile übrigens auch auf Steam und GOG erhältlichen Leckerbissen nicht entgehen lassen!

Pro

  • stimmungsvolle Schauplätze und Soundkulisse
  • abwechslungsreiches Rätsel-, Gegner- und Leveldesign
  • freie Charakterwahl und -entwicklung
  • bissige und durchgehend vertonte Dialoge
  • originelles Crafting-System

Kontra

  • unspektakuläre Story-Sequenzen
  • durchwachsene deutsche Lokalisierung
  • mitunter sehr kleine Schrift
  • lange Ladezeiten

Wertung

PlayStation4

Klassischer Dungeon-Crawler im Stil von The Bard's Tale mit märchenhaften Kulissen und Rätseln.

Switch

Klassischer Dungeon-Crawler im Stil von The Bard's Tale mit märchenhaften Kulissen und Rätseln.

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Kommentare
bohni

Kann man bei der Konsolenversion wenigstens die Sprache wählen?

vor 4 Jahren
Sir Richfield

Wenn Google-Translate bessere Übersetzungen liefert, als eine angeblich "Professionelle Übersetzung", dann bringt einem das schon zum Nachdenken.
Ich könnte dir tägliche Tiraden darüber schreiben, wie sehr ein Kunde es schaffen kann, die besten Übersetzungsbemühungen zunichte zu machen - und ich bin nicht mal in der Übersetzungsabteilung!

vor 4 Jahren
Todesglubsch

Staff of Death -> Personal des Todes

Wenn Google-Translate bessere Übersetzungen liefert, als eine angeblich "Professionelle Übersetzung", dann bringt einem das schon zum Nachdenken.

vor 4 Jahren
Mauga

Ich finde die 29 Euro gut investiert. Besonders da mal als PS4ler nicht so die Auswahl an Crawlern hat. Das Spiel hat mich schon wieder ein bisschen Kind werden lassen wie Früher bei Lands of Lore
Ich hatte mehr Spaß als mit einigen AAA Titeln. Gerne mehr davon und als Retail!! bezahle dafür auch 10€ mehr :>

vor 4 Jahren
Todesglubsch

So, theoretisch durch. 25 Stunden, ca, auf dem normalen Schwierigkeitsgrad. Ab und zu nen Blick in den Guide um Buddeltruhen zu finden.

Theoretisch deshalb, weil ich den Endboss nicht geschafft habe und keine Motivation habe, ihn noch einmal zu probieren. Da läuft mir zu viel Bullshit ab. Und da ich meine Gruppenskills gegen Bob verbraucht habe, bin ich auch noch gehandicapt.

Drei Trophäen fehlen: Endboss besiegt (logisch), max. Level mit allen Charakteren (schätze das wäre mit dem Endboss gekommen) und "Schaffe das Spiel mit zwei Schwierigkeitsgradeinstellungen auf schwer".

Alles in allem schönes Spiel. Gegen Ende leider mehr ätzend als spaßig. Vollpreis (auf PS4) würde ich nicht dafür zahlen, aber die Einführungspreise auf GoG und Steam gehen in Ordnung.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren