Shinsekai: Into the Depths - Test, Plattformer, iPad, Switch

Shinsekai: Into the Depths
03.04.2020, Jörg Luibl

Test: Shinsekai: Into the Depths

Mit Düsen und Harpunen

Spiele unter Wasser üben immer einen besonderen Reiz aus: Man denke an den Klassiker Ecco the Dolphin, an den Shooter Aquanox oder an das Survival-Abenteuer Subnautica. Jetzt wagt sich auch Capcom mit Shinsekai in die Tiefe - das kommt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie "Neue Welt", was ganz gut zum Thema passt. Das Unterwasser-Abenteuer erschien zunächst exklusiv für Apple Arcade und wurde gerade für Switch umgesetzt. Wie schlägt sich der akrobatische Taucher, der vor einer Eiszeit in das Meer flieht?

Ich mag Spiele mit Schubdüsen. Das fing schon in den 80ern in der Pommesbude mit dem Shoot'em Up Moon Cresta an, wo man mit Gefühl an ein Raumschiff andocken musste. Und ging weiter bis zum neoncoolen Gravity Crash auf der PlayStation 3, in dem der Schub sogar die zentrale Mechanik war. Weil diese Art der Fortbewegung unter den Plattformern nicht gerade beliebt ist, schließlich kann man nicht punktgenau springen, war ich besonders neugierig auf Shinsekai. Wie will Capcom bei all den Abgründen und Gefahren, vor allem dem tödlichen Eis, das den Helden schnell zufriert, für einen Flow statt Flucherei sorgen?

Der magische Schub

Zum einen passt natürlich das Thema: Unter Wasser bewegt sich der Taucher ohnehin träger. Schon beim einfachen Spazieren oder beim Klettern wird das wunderbar an der Spielfigur animiert, so dass sich die einzelnen Schritte oder das Hochziehen wirklich schwer anfühlen - der maritime Astronaut ächzt und kämpft sich mit seiner Hacke an auch Steilwänden hoch. Etwas explosiver wird es, wenn man zu einem Sprung vom Boden ansetzt: Der dient quasi als erster Auftrieb, bei dem man kurz darauf nochmal die Düsen aktivieren muss, um nicht nur einen Meter hoch zu hopsen, sondern wie James Bond mit einem Jetpack wirklich mit Tempo weite Distanzen zu überbrücken.

Man kann Schätze orten und sie dann per Spitzhacke ausbuddeln. Mit dem roten Material lässt sich der Anzug aufrüsten.
Natürlich braucht man dafür Übung, bis man das beherrscht! Zunächst fühlt man sich wie Quax der Bruchpilot, wenn man überall kollidiert. Aber mit der Zeit kann man vertikal und horizontal inklusive gut dosierter Kurven herumdüsen. Aber Vorsicht: Die Energie dafür ist begrenzt und man kann  wie ein Stein zu Tode stürzen - man sollte also immer einen Rest übrig haben, um den Aufprall zu verhindern und butterweich zu landen. Auch, wenn man in die böse glimmenden roten Zonen gerät, in denen der Druck so groß ist, dass man schnell wieder nach oben sollte!

Energie und Ausdauer nehmen ab

Capcom hat die Wechselwirkung aus Schub und Richtungswechsel jedenfalls so gut hinbekommen, dass das sogar am iPad mit der Touchsteuerung über die linke und rechte Hand funzt. Man kann allerdings über Apple Arcade, wie natürlich auf Switch, mit Gamepad spielen, was das Ganze erleichtert.

Hurra, man bekommt auch einen Begleiter, der einem hilft!
Diese überzeugende Steuerung ist auch deshalb wichtig für den Spielspaß, weil es in Shinsekai akrobatischer zugeht als etwa in Aquaria oder gar Song of the Deep, wo man eher gemütlich umher schippert: Hier muss man ständig springen und sich an Wänden festhalten, während nicht nur die Energie der Düsen, sondern auch die Ausdauer sinkt. Trotzdem fühlt man sich nicht frustriert, sondern eher motiviert, weil man alles gut im Blick und Griff hat. Dazu trägt auch bei, dass der Übergang vom rasanten Weitsprung über den Abgrund zur Wand nicht sofort zu einer Kollision führt, denn der Taucher hält sich automatisch fest, bevor er manuell weiter kraxeln muss oder sich zur Gegenseite abstößt. Wie Extraleben fungieren die blauen Sauerstoffcontainer, die man überall finden und wieder auffrischen kann - auch sie senken die Schwierigkeit. Hier gibt es ein feines Detail: Bei einer Kollision zeigen die Behälter zunächst Risse, bevor sie beim nächsten Sturz zerstört werden. Also: Schubdüsenmechanik super gelöst. Wie sieht es mit dem Spieldesign und der Welt aus?

Auch wenn Shinsekai weder mit der technischen Pracht sowie dem fein kalibrierten Mechaniken eines Ori and The Will of the Wisps noch mit der mythischen Anziehungskraft oder den Bossen eines Hollow Knight mithalten kann: Das Spiel sorgt von Beginn an für Neugier, weil eine ansehnliche Unterwasserwelt inszeniert wird, in der sich realistische und fiktive Elemente auf ästhetisch markante Art vermischen. Man begegnet nicht nur Korallen, Krebsen, Haien & Co, sondern auch robotischen Wesen und vor allem genug rätselhaften Leitungen, Apparaten und Monumenten im Hintergrund, so dass man das Gefühl hat, ein fremdes Biotop zu erforschen. Wer hat diese leuchtenden Relikte hinterlassen? Haben hier Aliens gehaust?

Die andere Tiefsee

Es gibt übrigens keine Dialoge oder klassische Erzählphasen, lediglich archäologische Funde sowie Reaktionen aufgrund von Gestik, so dass das mysteriöse Flair noch verstärkt wird. Immerhin wird das interne Lexikon stückweise mit Infos zu Lebewesen & Co befüllt, so dass man dort ein wenig schmökern kann. Zwei Elemente des Spieldesigns sorgen für eine Wechselwirkung aus Gefahr und Hoffnung: Da ist zum einen das alles verschlingende Eis, das ganze Gebiete blockiert, den Taucher bei zu langem Kontakt erfieren lässt und manchmal unheimlich dynamisch in Bewegung gerät - so dass man fast Lawinenangst bekommt. Und zum anderen ist da dieses coole Gefühl der Tiefe, wenn man über die Aufrüstung seines Anzugs plötzlich weitere untere Bereiche freischaltet, die vormals in tödlichem Rot vor dem Druck warnten, so dass neben dem Erkunden von links und rechts auch eine vertikale Dimension steht. Kann man sich da unten vor der apokalyptischen Eiszeit retten? Gibt es dort eine Lösung?

Es gibt sowohl organische als auch robotische Feinde - manchmal hilft nur die Harpune.
Innerhalb der Erkundung geht es wie in Metroid & Co darum, stückweise neue Bereiche zu erforschen, indem man Türen öffnet, Hindernisse beseitigt oder seine Fähigkeiten verbessert - man kann über diverse Rohstoffe sowohl seine Waffen als auch seinen Vorrat an Energie oder die Tragekapazität erhöhen. Allerdings sind diese Verbesserungen recht überschaubar.

Sammeln, freischalten, kämpfen

Besonders wertvolle Elemente kann man auch orten und wie einen Schatz ausbuddeln, so dass Sammeln und Craften zum Alltag gehören - aber nicht auf eine penetrante, sondern dezente Art, denn man greift auch vieles nebenbei ab. Zu dem Anzug gesellt sich bald ein Greifhaken, mit dem man an markierten Stellen hin und her schwingen sowie Schalter bedienen kann - ist eine gute Idee, aber dass man unter Wasser nicht immer punktgenau mitten im Sprung den nächsten Haken trifft, sorgt schonmal für Frust. Aber spätestens, wenn man von einer putzigen Drohne vegleitet wird, die einem z.B. Schätze aus engen Schächten bringt, oder sogar ein U-Boot besteigt, verfliegt die Zeit wieder im Nu. Das liegt auch am gefühlten Komfort der hilfreichen Automap, der jederzeit möglichen Ortung von Schätzen sowie den vielen Geheimgängen, so dass es einfach Spaß macht, alles frei zu buddeln. Allerdings schleicht sich im letzten Drittel, wenn man seine Ausrüstung nahezu komplettiert hat, eine gewisse Routine ein. Es gibt später nicht mehr diese magischen Momente durch neue Fähigkeiten oder Ausrüstung.

Auch Bosse lauern in der Tiefe.
Zwischendurch wird zwar immer wieder gekämpft, allerdings auf einem recht einfachen Niveau: Mit einem Schlag kann man normale Feinde besiegen, für die stärkeren Viecher muss die Harpune herhalten, die man hinsichtlich Reichweite und Anzahl der Projektile verbessern kann. Aber wer spektakulär hauen, stechen ud kloppen will, ist in anderen Titel wie Guacamelee! 2 besser aufgehoben. Interessant ist jedoch, dass man mit dem Greifhaken nicht nur Fische heranziehen und dann attackieren, sondern dass man sie auch vergiften und so als tödlichen Köder für größere Jäger einsetzen kann. Apropos: Es gibt auch größere Bosse, die teilweise prächtig designt sind, aber sie können rein taktisch nicht so begeistern wie in anderen Plattformern - außerdem zeigt die Steuerung hier und beim oben erwähnten Ködern so ihre Tücken, denn so klasse die Schubdüsenmechanik auch ist, wirkt so manches in der Hektik eines Gefechts etwas zu schwammig in der Ausführung. Dafür sind die Ungetüme auch auf dem höheren der beiden Schwierigkeitsgrade wesentlich einfacher zu meistern als die verflixten Hardcore-Schergen in Hollow Knight, die in der Void-Edition schon fast olympische Reaktionen verlangen. Überhaupt ist Shinsekai ein verzeihliches Spiel, man kann häufig an Stationen speichern und mehrere Spielstände anlegen.

Das Artdesign ist sehr ansehnlich.
Jetzt kann man sich fragen, ob man für 20 Euro auf Switch deutlich mehr Inhalte bekommt? Schließlich zahlt man für Apple Arcade nur fünf Euro monatlich - und kann hundert Spiele frei zocken, darunter auch Shinsekai. Nein, das Abenteuer für Switch ist weder grafisch noch spielerisch irgendwie aufgewertet. Der direkte Vergleich mit dem Abo-Service hinkt natürlich, aber wer die Wahl zwischen iPad oder Switch hat, sollte sich das Geld sparen und unter iOS loslegen. In der Nintendo-Version war zumindest von Beginn an zusätzlich der Another-Dive-Modus enthalten, bei dem man unter Zeitdruck die Tiefe erkundet. Hinzu kam der Jukebox-Modus, der aber lediglich die Soundtracks abspielt. Beide Modi wurden mittlerweile kostenlos für das iOS nachgeliefert.

Zusatzinhalte für Switch? Nein.

Fazit

Shinsekai: Into the Depth inszeniert ein stimmungsvolles Abenteuer unter Wasser. Nicht nur die dichte Soundkulisse mit authentischen maritimen Geräuschen, sondern auch das Spieldesign kann überzeugen. Dabei setzt Capcom auf alle Tugenden, die seit Metroid & Co den Reiz labyrinthischer Plattformer ausmachen: Man erkundet eine hübsch designte Terra incognita, schaltet dabei neue Fähigkeiten, Waffen und Wege frei, hinzu kommt das Sammeln von Rohstoffen und dezentes Crafting. Das Besondere ist die akrobatische Schubmechanik, die das Springen und Bewegen angenehm über Gefühl und Timing variiert. Zwar erreicht man weder die visuelle Klasse sowie feine Kampfmechanik eines Ori and the Will of the Wisps noch die mythische Anziehungskraft eines Hollow Knight, außerdem wiederholt sich einiges im letzten Drittel. Aber Shinsekai kann ich allen Freunden dieser Spielart wärmstens empfehlen, zumal es einige magische Momente in petto hat.

Pro

  • stimmungsvolles Artdesign
  • labyrinthisches Unterwasser-Leveldesign
  • sehr gute Schubdüsenmechanik
  • Fähigkeiten, Waffen & Co freischalten
  • viel zu entdecken an Routen und Schätzen
  • dezentes Sammeln und Craften
  • Bestiarium zum Nachschlagen
  • tolle Soundeffekte
  • hilfreiche Automap
  • zwei Schwierigkeitsgrade

Kontra

  • etwas fade Texturen
  • recht simple Kämpfe
  • nur marginale Charakterentwicklung
  • Steuerung hat in der Hektik ihre Tücken
  • gegen Ende etwas wiederholunsganfällig
  • Story hält sich extrem zurück

Wertung

Switch

Shinsekai: Into the Depth inszeniert ein überaus stimmungsvolles maritimes Abenteuer. Nicht nur die dichte Soundkulisse mit authentischen Unterwasser-Geräuschen, sondern auch das Spieldesign kann überzeugen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
Jörg Luibl

Ja, das wäre ne feine Sache mit Ecco. @PS4: Nope, noch nix in Sicht.

vor 4 Jahren
TinyGandalf

Ja, Unterwasserscenarien sprechen mich auch an; Subnautica z.B. hat mich (aber erst mit geeigneter Hardware) für meine Verhältnisse sehr, seeehr lang motiviert.

Aber apropos: ECCO the Dolphin (hab ich damals auf SEGAs DC wie bekloppt gespielt) ist einer meiner all time favorites. Ich finde da wird es wirklich Zeit, daß sich mal jemand an eine zeitgemäße Umsetzung setzt, wie z.B. die grandiose und mit viel Fingerspitzengefühl aktualisierte Version von Shadow of the Collosus.
Da würde ich mich sehr freuen.

vor 4 Jahren
Chwanzus Longus

ps4 version nicht in sicht? subnautica ist mir leider zu ausserirdisch, ... werd damit nicht warm.

vor 4 Jahren