XCOM: Chimera Squad - Test, Taktik & Strategie, PC
Fünf Jahre sind in der Welt von XCOM seit dem Ende des zweiten Teils vergangen und in City 31 leben die Menschen Tür an Tür mit den Außerirdischen, die sie zuvor bekämpft haben. Eine Eingreiftruppe der Polizei, das Chimera Squad, sorgt für Recht und Ordnung. Als dessen Stratege deckt man finstere Komplotts auf, indem man jeweils vier Menschen und Aliens starke Trupps auf kurze Einsätze schickt.
Mittendrin statt vorbei
Im Grunde ist Chimera Squad dabei eindeutig als XCOM-Spiel erkennbar: Man bewegt seine Einheiten im Rundentakt, stellt sie hinter halbhoher oder vollständiger Deckung ab und hofft darauf, dass der folgende Schuss trotz einer Erfolgschance von nur 67 Prozent ins Schwarze trifft. Zwischen den Einsätzen entwickelt man die Charaktere zudem weiter, denn durch Erfahrung erhalten sie neue Fähigkeiten, wobei man sich gelegentlich zwischen zwei Fertigkeiten entscheiden muss. Außerdem erforscht man neue Ausrüstung und steckt Kämpfer ins Training, um z.B. ihre Gesundheitsleiste zu vergrößern.
Das Konzept ist also das gleiche, die Ausprägung mancher Elemente hat Firaxis allerdings modifiziert. Das fängt dort an, wo man die Soldaten nicht aus einem Pool zufällig erstellter Rekruten aussucht und im Verlauf ihrer Karriere spezialisiert, sondern ausschließlich vorgefertigte Charaktere ins Team holt, die vom Start weg über besondere Fähigkeiten verfügen. Das schränkt die spielerischen Möglichkeiten natürlich ein, dafür sind alle Agenten einzigartig. An bestimmten Punkten der Kampagne wählt man dabei je eine weitere Figur und erweitert so den Trupp. Man muss sich ja keine Sorgen darum machen, dass wichtige Kämpfer verlorengehen, denn sollte ein XCOM-Soldat das Zeitliche segnen, heißt es diesmal schlicht Game Over. Man kann das jeweilige Gefecht dann sofort neu starten oder einen Spielstand laden. Bleibende Verluste gibt es aber nicht.
Taktischer Gänsemarsch
Die Neuerungen gehen dort weiter, wo man nicht in beliebiger Reihenfolge das gesamte Team während einer Runde bewegt und anschließend das komplette gegnerische Tun abwartet. Stattdessen werden alle Mitstreiter und Gegenspieler in einer Aktionsreihenfolge sortiert, sodass quasi abwechselnd gezogen wird. Auch an diesem Punkt bleiben taktischen Finessen auf der Strecke, weil Agenten dadurch selten zusammenarbeiten und stattdessen einfach ihre individuellen Fähigkeiten einsetzen. Der Vorteil ist ein schnellerer Ablauf, weil ausführliches Planen eben wegfällt – ein Nachteil ist der recht gleichförmige Ablauf, weil man auf Dauer mit denselben Fähigkeiten stets die gleichen Gegnertypen priorisiert.
Das Gleichförmige wird dadurch verstärkt, dass sämtliche Kämpfe in relativ kleinen Räumen stattfinden und entsprechend schnell vorüber sind. Dem Rhythmus ist das durchaus zuträglich, zumal der flotte Ablauf die Wirkung der berüchtigten Nur-noch-ein-Einsatz-Selbstlüge spürbar verstärkt. Mir gefällt außerdem die Art und Weise, mit der die Agenten jeden Raum betreten, denn sie brechen stets mit viel Getose durch Fenster und Türen. Dafür platziert man sie zunächst vor verfügbaren Zugängen, wobei das Mitbringen bestimmter Ausrüstungsgegenstände z.B. das optionale Sprengen einer Wand oder das Knacken weiterer Türschlösser ermöglicht.
„Breach, breach, breach!“
Verschiedene Zugänge bieten unterschiedliche Vor- und Nachteile: Mal werden dort hereinplatzende Agenten dauerhaft markiert, mal richten sie besonders großen Schaden an, mal gehen sofort in den Overwatch-Modus und anderes. Zusätzlich verfügen einige Soldaten über Fähigkeiten, die alle Mitstreiter vor dem Eindringen heilen, im folgenden Gefecht die Treffsicherheit erhöhen usw. Stürmen sie schließlich den Bereich, dürfen sie die ersten Schüsse abgeben, um schon vor dem ersten regulären Zug Gegner auszuschalten.
Dass man dabei nicht zwischen den Agenten durchschalten kann und von ihrer Position aus nicht erkennbare Feinde auch noch nicht sieht, vermittelt auf überzeugende Art den Eindruck des etwas chaotischen Eindringens – was deshalb nicht frustrierend ist, da man trotzdem in aller Ruhe gefährliche Gegner aufs Korn nehmen kann, während diese überrascht und offen im Raum stehen. Das könnte ein XCOM 3 gerne übernehmen! Ich würde vorher nur gerne sehen, wohin genau welcher Eingang führt, um die folgende Aufstellung meines Trupps wenigstens grob im Voraus zu planen.
Die letzte große Neuerung betrifft schließlich den strategischen Ausbau der XCOM-Einheit sowie das Verwalten der „Weltkarte“ – was sich diesmal auf die Metropole City 31 bzw. deren neun Stadtteile beschränkt, deren Unruhe-Level man im Auge behalten muss. Sollte das am Ende eines Zuges den kritischen Bereich erreichen, steigt nämlich die Anarchie in der gesamten Stadt. Und gelangt die Anarchie wiederum an ihr Maximum, ist die Kampagne gescheitert.
Anarchie verhindern
Wie also senkt man die Unruhe in einem Viertel? Indem man eine dort zur Verfügung stehende Mission ausführt. Das spült außerdem Ressourcen in die Kasse, die man zum Kaufen und Erforschen neuer Ausrüstung benötigt sowie zum Aufstellen sogenannter Feldteams, die ihrerseits das Ausbreiten von Unruhe hemmen. Je höher die Unruhe, desto schwieriger sind übrigens dort stattfindende Einsätze. Alles in allem spielen die Nebenaufträge also eine große Rolle neben den für die Handlung kritischen Hauptmissionen.
Man hat außerdem die Wahl, ob die Soldaten in mehrstufigen Gefechten zwischen den Kämpfen geheilt werden, und kann das Verwalten der Stadt erleichtern, indem man das maximale Anarchie-Level anhebt.
Wie gewohnt unterhalten sich verschiedene Charaktere, während man den strategischen Teil verwaltet – das verleiht dem Szenario ein wenig Farbe, obwohl die Figuren abseits davon recht blass bleiben und auch die Geschichte selbst kaum mehr als ein funktionierendes, aber wenig mitreißendes Gerüst für das hauptsächlich systemische Spiel darstellt. Das hatte ich in Anbetracht der Serientradition aber nicht anders erwartet.
Deckung oder nicht...
Die entscheidende Frage ist: Wie gut funktioniert der Ableger mit seinen Änderungen gegenüber der Hauptserie? Und grundsätzlich geht das Prinzip tatsächlich auf. Neben dem bereits erwähnten, leider recht gleichförmigen Ablauf sowie den gelungenen Vorstoßpunkten eröffnet die zugrundeliegende Formel ja nach wie vor angenehme taktische Räume. Dank der einzigartigen Charaktere ist zudem weiterhin jede denkbare Team-Zusammenstellung möglich, die nicht auf mehrere sehr ähnliche Soldaten setzt. Das variable Entwickeln der Fähigkeiten und das offene Zusammenstellen der Ausrüstung ermöglichen dabei eine individuelle Spezialisierung, während der Wegfall des Basisbaus dem Ablauf der flotten XCOM-Variante guttut.
Gelungen ist auch das Rufen von Verstärkung in Form zuvor gekaufter und über Einzelteile verbesserter Androiden, falls verwundete Agenten zwischen zwei zusammenhängenden Kämpfen den Einsatzort verlassen müssen. Das verhindert auf höheren Schwierigkeitsgraden (erfahrene Veteranen sollten nach dem einführenden Vertrautmachen ohnehin mindestens eine Stufe hochschalten) allzu frustrierende Gefechte und ermutigt das Erledigen von Sekundärzielen, wofür man besonders offensiv vorrücken muss.
Unterstützende Blechkameraden
Leider verstärkt Firaxis allerdings ein Phänomen, das mir spätestens in War of the Chosen Sorgen gemacht hat: Dem taktischen Positionsverschieben kommt in XCOM eine immer kleinere Rolle zu – im Vordergrund steht immer mehr das Auslösen von Fähigkeiten, die diesmal zu einem großen Teil dem Manipulieren von Positionen und Aktionsmöglichkeiten auf der Zeitleiste dienen. Im Kontext des etwas seichteren Taktierens und der höheren Charakterfixierung funktioniert das sogar ganz gut. Gleichzeitig verwässert es aber das zentrale Prinzip. Ich war jedenfalls unangenehm überrascht darüber, wie egal es in Chimera Squad oft ist, ob sich die Figuren eigentlich in Deckung befinden oder nicht. Und übrigens auch darüber, wie oft eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dann doch nicht eintraf...
Was mir zudem überhaupt nicht gefällt, sind viele Details der Steuerung, Kameraführung und auch damit zusammenhängender Bausteine, die alles in allem einen etwas unfertigen Eindruck hinterlassen. Warum merkt sich das Spiel u.a. nicht die von mir gewählte Zoomstufe und fährt stattdessen ständig auf die vorgefertigte „Naheinstellung“ zurück? Wieso kann man den Blick aus einer weiten Entfernung mit Gamepad außerdem gar nicht erst dauerhaft feststellen? Beim Taktieren sollte Übersicht über alles gehen!
Zu nah dran
Anstrengend sind in dem Zusammenhang auch die relativ langsamen Züge der Gegner, während der man nicht einmal die Kamera frei bewegen darf. Weiterhin schade: Nahezu jede Auswahl wird über ein Durchschalten der Charaktere getroffen; direktes Anklicken der Figuren sieht das Spiel leider nicht vor. Mag sein, dass dadurch besonders die Steuerung per Gamepad gut von der Hand geht – nur wirkt die ihrerseits so unausgereift, dass man Chimera Squad im aktuellen Zustand lieber mit Maus und Tastatur spielt. Immerhin kann man per Controller nicht einmal die Kamera drehen, während man ein Ziel aussucht, und in manchen Situationen ist es gar unmöglich, die genaue Position zu markieren, an die ein Kämpfer laufen soll.
Klick mich an!
Hinzu kommen seit inzwischen acht (!) Jahren in der Serie bestehende Fehler bei Kameraeinstellungen sowie der visuellen Umsetzung von Treffern und Wahrscheinlichkeiten. Ich hatte lange Verständnis für eine gewisse Fehlerquote bei der Darstellung von Schüssen durch Wände hindurch oder der Tatsache, dass ein Ziel verfehlt wird, das direkt vor dem eigenen Agenten steht. Dass Firaxis diese Störungen dem Anschein nach aber völlig egal sind, ist einfach ärgerlich. Neu sind übrigens Figuren, die auffallend oft nicht in die Kulisse passen und deshalb auf halber Höhe zwischen zwei Stockwerken im Raum schweben – klasse!
Geradezu demotivierend ist auch die Tatsache, dass man oft gezwungen wird Charaktere des aktuellen Trupps zu tauschen, weil einzelne Soldaten etwa verwundet sind und deshalb im Reha-Training abgestellt werden müssen. Das ist kein Beinbruch – das damit verbundene Freigeben und Neuverteilen ihrer Ausrüstungsgegenstände allerdings schon. Wäre die Menüführung wenigstens eingängig, doch stattdessen klickt man sich durch recht klobige und unübersichtliche Drop-Down-Kästen, die an einigen Stellen noch nicht einmal in den dafür gedachten Rahmen passen. Zu allem Überfluss kommt ein den Social-Media-Erinnerungen entlehntes Blinken dort hinzu, wo sich aktuelle Menüfunktionen befinden. Würde das enervierende Leuchten wenigstens verschwinden, wenn man das entsprechende Menü einmal angewählt hat... Nein, so richtig rund läuft diese Überfall-Veröffentlichung zum Start leider noch nicht.
Fazit
Nun sind Schwächen in Sachen Steuerung und Menüführung keine ausschlaggebenden Kriterien – ich finde es aber schade, dass Chimera Squad zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung einen so großen Nachholbedarf hat, dass man ihm wünscht, es wäre nicht im April, sondern vielleicht zwei Monate später erschienen. Abgesehen davon gelingt Firaxis aber ein unterhaltsamer Ableger seiner XCOM-Serie, der mit flotten Gefechten und ohne aufwändiges Basis-Management spielerische Tiefe in spannenden Rundenkämpfen bietet. Hinzu kommen neue Vorstoßpunkte, die das ebenso unvorhersehbare wie druckvolle Eindringen in von Feinden besetzte Räume greifbar machen. Die coolen Fähigkeiten der vorgefertigten Agenten sorgen spätestens dann für starke Momente, wenn man schwierige Situationen damit meistert, und die relativ große Handlungsfreiheit beim Zusammenstellen von Trupp und Ausrüstung erlaubt eine ausreichend große Individualisierung. Schade, dass Firaxis auch weiterhin die Positionskämpfe vernachlässigt und verstärkt auf das Auslösen von Fähigkeiten setzt – deshalb sowie aufgrund der festen Zugreihenfolge, auffallend vieler kleiner Fehler und weil die Steuerung nicht so handlich ist, wie sie sein könnte, unterscheidet sich XCOM: Chimera Squad recht deutlich von der Hauptserie. Ein guter Ableger ist es aber allemal.
Pro
- kurzweilige Rundentaktik mit festen Charakteren in kleinen Missionen
- spannendes, leicht chaotisches Eindringen in neue Räume
- Sekundärziele und Verstärkung belohnen riskantes Vorgehen
- motivierende Charakterentwicklung mit kleinen Freiheiten
- Kämpfer gehen zwar nicht verloren, können aber dauerhafte, wenn auch heilbare Verletzungen davontragen
- relativ umfangreiches Entwickeln von Ausrüstung und Verwalten von Ressourcen auf Stadtkarte
- Einstellungen zum Ändern von Spielablauf und Schwierigkeitsgrad
- speichern jederzeit möglich
- Schwierigkeit jederzeit einstellbar
- Mod-Unterstützung
- Handbuch erklärt im Spiel alles Wichtige
Kontra
- merkt sich gewählte Zoomstufe nicht
- relativ schlecht lesbare und nicht immer voll funktionierende Gamepad-Steuerung
- ständig notwendiges und umständliches Wechseln der Team-Zusammenstellung samt entsprechender Ausrüstung
- Figuren schweben gelegentlich im Raum
- aus Hauptserie bekannte Darstellungsfehler: Charaktere werden z.B. durch Wände getroffen
- manche Situationen aufgrund seltsamer Kamerawinkel schlecht lesbar
- gegnerische Züge dauern recht lange
- eingeschränkte Optionen zum Einstellen mancher Kamera
- und Steuerungsvorlieben
- wenig intuitive Menüführung mit kleinen Fehlern in den Anzeigen
- nicht abschaltbare blinkende Markierungen im Hauptmenü ähnlich neuen Nachrichten in sozialen Medien
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