SnowRunner - Test, Simulation, XboxOne, PC, PlayStation4, Switch
Nach den Schlammschlachten von Spintires und MudRunner schlägt man sich in SnowRunner als Hardcore-Trucker auch mit Schnee und Eis herum. Im Vergleich zum Vorgänger baut Saber Interactive die spielerischen Elemente aus und erleichtert den Einstieg mit sinnvollen Vereinfachungen, die den Kern des Spiels aber nicht angreifen. So braucht es ein gehöriges Maß an Geduld, Fingerspitzengefühl und Vorausplanung, um die Aufgaben in den Offroad-Weiten zu schaffen.
Dreck, Schnee und Schotter
Grundlegend geht das SnowRunner-Truckerleben darum, Aufträge und Lieferungen mit schwerem Transportgerät zu übernehmen, abgesoffene Vehikel zu retten und Reparaturen durchzuführen. Dabei kämpft man mit widrigen Straßenbedingungen, Schlamm, Wasser, Schnee, Steigungen und Hindernissen wie Bäumen oder Steinbrocken - und das ganz ohne DMAX-Kamerateam. Viele Aufträge sind sinnvoll in die Welt integriert, so müssen oft Brücken repariert, durch Steinschläge verschüttete Straßen geräumt oder lokale Betriebe mit Produkten versorgt werden - stellenweise auf Zeit. Hierzu braucht man natürlich ein Fahrzeug mit ordentlich Zugkraft, großer Ladefläche oder Anhänger, z.B. transportiert man Holzbalken vom Sägewerk zu den Baustellen. Praktischerweise können die Waren automatisiert mit einem Knopfdruck aufgeladen werden. Wer gerne etwas mehr Erfahrungspunkte haben will, kann das Verladen mit der fummeligen Kransteuerung auch selbst übernehmen.
Es geht also um die Fortbewegung im Gelände, weswegen die leicht schwammige Steuerung von Scout-Fahrzeugen auf der Straße nicht so sehr ins Gewicht fällt. Später muss man sich durch dichte Wälder zwängen, über schmale Pässe mit gellenden Abgründen fahren, brückenlose Flüsse passieren und sich mit Schlamm in jeglicher Form auseinandersetzen - im Spielverlauf kommen noch Schnee, Eis und Schneematsch hinzu.
Asphalt wird überbewertet
Die Simulation des Untergrunds und die Bodeninteraktion des Fahrzeugs sind vorbildlich, sofern man davon absieht, wie sehr das Wasser an den Reifen klebt. Dennoch ist es beeindruckend realitätsnah, wie das Gewicht des Fahrzeugs über die Räder den Schlamm seitlich wegdrückt, wie sich die Reifen in den Untergrund fressen und der Boden für längere Zeit in Echtzeit verändert wird. Je nach Reifenwahl, Antriebsart, Differenzialsperre, Lastgang, Gewicht etc. ändert sich zudem das Fahrgefühl. Schnee ist übrigens nicht bloß "weiß angemalter Schlamm", denn auf vereisten Straßen ist der Bremsweg nicht nur länger, sondern es kann vorkommen, dass das Fahrzeug auf Schrägen gleich ganz wegrutscht. Schneeketten sind Pflicht!
Für abgeschlossene Aufträge winken Erfahrungspunkte und Geld (auch im Mehrspieler-Modus für alle Beteiligten). Erfahrungspunkte erhöhen die Fahrerstufe, die benötigt wird, um noch größere Fahrzeuge freizuschalten; und mit Geld kauft man sich neue Stahlkolosse für den Fuhrpark plus Upgrades. Die Vehikel können modifiziert und kosmetisch angepasst werden, angefangen von Reifen, Federung, Motor oder Schnorchel bis hin zu Ladefläche, Beleuchtungselementen und Lackierung. Wobei viele Upgrades zunächst in den Landschaften entdeckt werden müssen, sogar selbstverständliche Ausbauten muss man erst finden - nicht nur deswegen spielt die Erkundung der Gebiete eine entscheidende Rolle. So sollte man Wachtürmen, die überall auf der Karte stehen, einen Besuch abzustatten, um das verdeckte Gelände sowie verfügbare Aufträge und Upgrade-Positionen aufzudecken.
Aufwertung der Fahrzeuge
Zugleich kann man bei der Erkundungstour mit einem Scout-Fahrzeug die Beschaffenheit der Straßenverhältnisse in Augenschein nehmen und sich so ein Bild davon machen, mit welchem Truck und mit welchen Upgrades die nächste Mission anzugehen sei. Interessanterweise erinnert die Spielwelt mit ihren Symbolen und Aufträgen an die typische Open-World-Formel von Ubisoft, nur weniger aufdringlich. Es gibt viel zu tun, noch mehr bergen und viel zu liefern. Man hat die weitgehende Freiheit bei der Auftragsauswahl. Bei den "großen Aufträgen pro Gebiet" verbessert man durch seine Taten praktischerweise die Infrastruktur, was die Entwickler mit einem Seitenhieb auf Death Stranding im Trailer kommentierten, da man "förmlich Verbindungen schafft" (wir berichteten).
Truck Stranding
Die Upgrade-Möglichkeiten der Fahrzeuge sorgen dafür, dass man ein fahrbaren Untersatz über längere Zeit behalten und ihn an unterschiedliche Gegebenheiten anpassen kann. Dennoch könnte der Fortschritt gerade zu Beginn etwas schneller gehen, damit man zügiger an manch essentielle Upgrades wie Reifen oder Fahrzeuge wie den International Paystar 5070 herankommt. Hier haben die Käufer der Premium Edition einen klaren Vorteil, da sie Zugriff auf einen DLC mit dem "Khan 39 Scout Truck" haben (separat für 3,99 Euro erhältlich), mit dem man die Karten wunderbar erkunden kann. Ein simuliertes Wirtschaftssystem bietet die SnowRunner-Welt nicht, gebrauchte Fahrzeuge können zum Vollpreis wieder verscherbelt werden.
Unterwegs in drei Stillleben
Insgesamt gibt es drei Regionen zu befahren: Michigan, Alaska und Taymyr. In Michigan findet man Berge, Sumpfland, dichte Wälder und kleine Städte. Im sibirischen Taymyr gibt es weite Landschaften mit bewaldeten Feuchtgebieten. Und in Alaska ist die Spielwelt mit teilweise reichlich Puderzucker überzogen.
Überall gibt es große Industrieanlagen zu besichtigen - viele Ecken sehen dabei richtig gut, detailliert und mit Liebe gestaltet aus; stellenweise verstecken sich dahinter einige fiese Streckenüberraschungen. Der flüssige Tag/Nachtwechsel intensiviert die Stimmung, u.a. mit cleverer Nutzung von Filmkörnung und anderen Bildtricks, wenn es dunkel wird.
Die einzelnen Regionen bestehen aus mehreren Karten, die untereinander mit Tunneln verbunden sind und somit keine nahtlos verknüpfte Spielwelt pro Region bilden. Immerhin können Aufträge von einer Karte auf die nächste Karte durchgeführt werden. Eine nahtlos große Region würde den umständlichen Fahrzeugwechsel über die Werkstatt hinweg einfacher gestalten.
Trotz der oft schön gestalteten Karten leidet die Spielwelt an einer unnötigen Leblosigkeit. Es sind überhaupt keine anderen computergesteuerten Fahrzeuge unterwegs und selbst in den Städtchen, Wäldern oder auf den Fabrikhöfen gibt es keine Lebenszeichen. In der Einöde ist solch ein Stillleben natürlich gewollt und passend, trotzdem müssten nicht alle Abschnitte so trostlos sein, zumal andere Verkehrsteilnehmer ggf. Probleme haben könnten, denen man helfen könnte oder die sogar zur Hilfe kommen könnten. Apropos Macken: Die Kamera zeigt sich zwar deutlich besser als bei MudRunner, aber an vielen Objekten stößt sie sich schon und ändert blöderweise ruckartig die Perspektive.
Die Dreh- und Angelpunkte auf den Karten sind Garagen/Werkstätten, die als Schnellreisepunkte zwischen den Regionen und zur Verwaltung der Trucks dienen, sich nicht auf jeder Karte vorhanden sind. Gleiches gilt für Tankstellen. Daher muss man sich für längere Touren gut darauf vorbereiten.
Nicht überall gibt es Werkstätten und Tankstellen
Gelingt eine Fahrt nicht und das Fahrzeug fällt um oder stürzt in einen Abgrund kann man es "bergen" lassen - dann erscheint das Fahrzeug aufgetankt und einsatzbereit in der Werkstatt - ohne weitere Kosten. Der Fortschritt des Auftrags ist aber logischerweise futsch. Und ja: Wenn man kurz vor dem Ziel nach langer Fahrt im Schlamm stecken bleibt, im Fluss festsitzt oder einen Abhang herabstürzt, ist das verdammt ärgerlich, aber so ist das Spiel und man kann es beim nächsten Versuch besser machen - zumal es nur einen Speicherstand und nur ein Profil gibt.
Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass das Spieltempo von SnowRunner ziemlich niedrig ist - das gilt für die Erkundung, die Lieferrunden und den allgemeinen Spieler-Fortschritt. Das ist Geschmacksache, aber das Spiel will schließlich eine Offroad-Simulation in schwierigem Gelände sein und durch Matsch, Schnee, Flüsse usw. bewegen sich die tonnenschweren Vehikel nun mal im Schneckentempo. Trotzdem kann das Spielgeschehen richtig spannend werden, wenn man kurz vor einem Gipfel oder einem lang entfernten Ziel ist und doch noch eine Herausforderung auftaucht.
Adrenalin im Schnecktempo?
Obgleich das Tutorial viele Spielaspekte verschweigt und einem nach knapp 20 Minuten in die freie Wildbahn entlässt, ohne zu erklären, was Reparaturpunkte sind, ist SnowRunner zugänglicher als der Vorgänger - auch dank des Kodex. Neben einer aufgeräumteren Benutzeroberfläche helfen anfänglich die Automatik-Gangschaltung sowie die automatischen Beladungsvorgänge. Erst mit Upgrades werden komplexere Gangschaltungen zugänglich, die z.B. einen oder mehrere gezielt ansteuerbare Lastgänge haben. Aufgaben oder Herausforderungen auf Zeit oder mit Einschränkungen machen die Missionen kniffliger, dennoch fehlt eine gezielte Schwierigkeitsgrad-Unterscheidung zwischen "normal" und "für Simulationsprofis".
Die PC-Version ist an den Epic Games Store gebunden. Die Mod-Funktionalität wird via Mod.io (Ingame-Integration) realisiert und ist nur auf PC verfügbar. Widescreen-Auflösungen werden unterstützt, Ultra-Wide-Auflösungen werden skaliert (ohne HUD); das Sichtfeld kann zwischen 80 und 130 Grad angepasst werden. Die Grafikoptionen sind ausreichend und auch die Bildwiederholrate lässt sich verändern. Bei der Tastatur-Steuerung können lediglich Hupen, Scheinwerfer, Allradantrieb, Differentialsperre, Handbremse, Motor und Schnellwinde verändern werden - die Lenkung aber blöderweise nicht. Die Maustasten sind nicht belegbar, Soundoptionen sind spartanisch und Sprachausgabe sollte man erst gar nicht erwarten. Controller werden unterstützt und bieten auf den Konsolen vier Tasten-Presets. Die Belegung der Schultertasten lässt sich verändern (im Austausch, z.B. LB+RB, LB+LT etc.) Die Optionen zur Stick-Sensibilität und zur Y-Achse gehören zum Standard. Die visuell ordentlichen Konsolen-Umsetzungen könnten mehr Grafikoptionen zur Verfügung stellen, so bietet das Spiel auf der Xbox One X z.B. keine Wahlmöglichkeit zwischen Qualität und Performance.
Unterwegs auf PC und Konsolen
Lenkrad-Unterstützung wird ausgebaut
Der deutsche Publisher schrieb auf Nachfrage zur Unterstützung von Lenkrädern, dass diese momentan aufgrund der Einschränkungen der Coronakrise (vor allem in Frankreich) nicht so gründlich durchgetestet werden konnte und der Support damit eingeschränkt ist. Daher kann es bei vereinzelten Modellen momentan zu "Unverträglichkeiten" kommen - z.B. beim Logitech G29. Das Team ist sich dessen bewusst und will sich der Wheel-Problematik in Zukunft annehmen. Die Lenkräder von Thrustmaster sollen laut astragon gut funktionieren.
SnowRunner wird in Zukunft mit Download-Erweiterungen versorgt, die auch in einem Season Pass bzw. in der Premium Edition enthalten sind. Die Season-Pass-Inhalte werden in vier Phasen bereitgestellt - jede davon mit einem eigenen Thema und einer neuen Region: Search and Recover (Suchen und Bergen), Explore and Expand (Entdecken und Erweitern) und Locate and Deliver (Lokalisieren und Liefern). Die vierte Phase bringt eine "umfangreiche Spielerweiterung". Mit jedem Update kommen neue Fahrzeuge hinzu und es können neue Gebiete erkundet werden, zum Beispiel der eisige Norden Kanadas. Neue kostenlose Inhalte sind ebenso geplant. Hierzu gehören u.a. eine weitere Karte in Taymyr, neue Missionen und extreme Frachten.
DLC-Fahrplan
Fazit
Guilty Pleasure? Stundenlang im Schneckentempo durch die ungezähmte Pampa tuckern - macht das Spaß? In SnowRunner irgendwie schon! Die Offroad-Simulation zieht ihre ganz eigene Faszination aus der herausragenden Physiksimulation, den toll nachgebildeten Fahrzeugen und einer mindestens so überraschenden wie schön gestalteten Spielwelt. Außerdem sind nicht nur Lieferaufträge gefragt! Man rettet Fahrzeuge, erklimmt Berge, errichtet Brücken und betreibt viel Erkundung, was mit Upgrades, Vehikeln und Straßenkenntnissen belohnt wird. Vieles erinnert an die Ubisoft-Open-World-Formel voller Aktivitäten, nur irgendwie ist in der SnowRunner-Welt alles leblos. Es sind aber die ausgebauten spielerischen Elemente und die bessere Zugänglichkeit, die SnowRunner im Vergleich zu MudRunner besser machen, wenngleich das Tutorial nur an der Oberfläche kratzt und an der eigentlichen Offroad-Simulation wenig vereinfacht wurde. Dafür haben die Entwickler beim Drumherum einige Elemente entschlackt. Während das Spielgeschehen selbst unausweichlich gemütlich ist, zieht sich der Fortschritt bei Fahrzeugen und Upgrades zu sehr in die Länge, da manch wichtige Komponenten hinter Level-Barrieren versteckt wurden. Auch die Auswirkungen von Schadenssystem und Wetter könnten ruhig größer sein. Alles in allem ist die Offroad-Simulation aber wirklich einzigartig und richtig gut, wenn man weiß, worauf man sich einlässt.
Pro
- authentisch wirkende (Fahr-) Physik
- hervorragende Simulation des Untergrunds
- Planung und Vorbereitung sind essentiell wichtig
- sinnvoll in die Spielwelt integrierte Aufgaben
- gesteigerte Abwechslung bei den Missionen
- weite und sehr ansehnliche Spielwelt
- Erkundung der Regionen zahlt sich aus
- viele Aufträge, Missionen, Upgrades & Co.
- verbesserbare und ausführlich anpassbare Fahrzeuge
- großer Fuhrpark an großen Fahrzeugen
- eindrucksvolle Fahrzeug-Modelle und Sounds
- nachgebildete Cockpits
- kuriose Mischung aus gemütlich und trotzdem spannend
Kontra
- unbelebte Spielwelt wie ein Stillleben
- Karten der Regionen hängen nicht nahtlos zusammen
- Schadenssystem zu zahm
- umständlicher Fahrzeugwechsel und Regionentransfer
- schwammige Scout-Steuerung auf Asphalt
- Kamera-Macken
- Tutorial kratzt nur an der Oberfläche
- kleinere Bugs; mehr Bugs im Koop-Multiplayer
- noch eingeschränkte Lenkrad-Unterstützung
- zu wenige Steuerungsoptionen auf PC
- nur ein Speicherstand
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Der Season Pass und das darin enthaltene High-Roller-Paket (3,99 Euro) mit dem Khan 39 Scout Truck vereinfachen den Auftakt des Spiels.
- Käufe können minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.