Drug Dealer Simulator - Test, Simulation, PC

Drug Dealer Simulator
29.05.2020, Jan Wöbbeking

Test: Drug Dealer Simulator

Das volle Programm?

Das polnische Byterunners Game Studio hat genug von Feldarbeit und verlegt die Alltagssimulation auf die Straßen einer heruntergekommenen Stadt. Gute Turnschuhe können nicht schaden, denn als aufstrebender Geschäftsmann der besonderen Art muss man viele Kilometer zu Fuß zurücklegen, bevor angeheuerte Dealer dem Spieler mehr Botengänge abnehmen. Im Wunschtest unserer Pur-Nutzer überprüfen wir, wie viel Spannung im Katz- und Mausspiel mit der Polizei steckt.

Auf den ersten Blick weckt die heruntergekommene Hood sofort Erinnerungen an echte Party-Viertel wie Friedrichshain, nördliche Nebengassen in Las Vegas oder verfallene osteuropäische Bauten. Aus den verstreuten Clubs und besetzten Häusern wummern erfreulich schnelle Uptempo-Hardcore- und Speedcore-Beats, Drum-n-Bass-Gerappel sowie passend zum Spielthema natürlich jede Menge Hiphop. Schön, dass der kleine Entwickler einen derart eigenwilligen Soundtrack wagt, der allerdings schon früh unter der geringen Track-Anzahl leidet. Wenn beim Strecken der Pülverchen zum zwanzigsten Mal über Mortal Kombat und Madden gerappt wird, bekommt man irgendwann spontan Lust, das Radio an die Wand zu schmeißen!

Polnisches Vegas

Auch die grafische Umsetzung lässt nur bedingt bessere Laune aufkommen. Selbst auf höchsten Einstellungen wirken grob texturierte Wände und Fahrzeuge bestenfalls zweckmäßig. Sie werden aber immerhin je nach Tageszeit in eine passende Lichtstimmung getaucht. Vor allem das Morgengrauen vermittelt mit seinem Vogelgezwitscher tatsächlich das Gefühl, bis in die frühen Morgenstunden unterwegs zu sein. Lebendig wirkt die Welt trotzdem nicht: Passanten ploppen wie Kanonenkugeln aus ihren Haustüren, bewegen sich wie Roboter und bleiben sogar in Extremsituationen stocksteif stehen - etwa wenn der Spieler direkt vor ihren Augen von einer Polizeistreife getasert wird.

Aber immer!
Und wofür der ganze Aufriss? Wie sich angesichts des Namens vermuten lässt, soll der Spieler sein eigenes kleines Drogen-Imperium aufbauen - und zwar als Mix aus Alltags-Simulation, Aufbau und Schleichspiel. Zwischendurch gibt‘s sogar ein paar sympathisch eingesprochene Unterhaltungen und Handy-Gespräche mit dem jovialen Kartell-Kontakt. Doch das wird schnell zur Fassade: An GTA erinnernde Gangster-Geschichten sucht man in der kleinen Indie-Produktion vergeblich. Selbst Konkurrenten oder Banden muss man hier kaum fürchten. Stattdessen steht gemäß des Namens der typische Grind einer Alltagssimulation im Fokus.

Alltag oder Spannung?

Nach und nach erweitert sich die Angebotspalette gängiger illegaler Muntermacher und Beruhigungsmittel, von denen man im wahren Leben natürlich tunlichst die Finger lassen sollte! Dazu gehören Marihuana, Speed, Pillen oder auch die berüchtigte Tante Kristel mit ihrem besonders schlechten Einfluss auf Zähne und Gesundheit. Tagsüber kümmert man sich in diversen käuflichen Unterschlüpfen an verschlüsselten Laptops um Bestellungen, organisiert untergebene Dealer oder besorgt sich Cryptowährung. Die Portionierung von Kräutern und Pülverchen steht ebenfalls auf dem Programm. Das eigene Angebot sollte man möglichst gesundheitsschonend und suchtfördernd mit Backpulver, Zucker, Schmerzmittel und anderen Alltagszutaten aus der Tanke strecken. Für abhängig gemachte Junkies darf es auch schon mal aus der Dose - pardon - stärker gestreckt sein. Eine hinterlistige Praxis, die in diesem Spiel aber natürlich ebenso zum Alltag gehört wie das "Anfüttern" nichtsahnender Passanten mit kleinen Kostproben, um das Ansehen im Gebiet zu steigern. Auch Graffiti helfen dabei, Respekt bei örtlichen Gangs zu erlangen. Später sollten die Lieferungen allerdings tunlichst aufrecht erhalten und zeitnah aus angemieteten Verstecken geliefert werden, damit das Ansehen im Viertel nicht wieder sinkt und die Nachfrage versiegt.

Natürlich darf man auch bei Tageslicht Liefertouren starten. Das zieht allerdings die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich, was schließlich zu mehr Patrouillen führt. Im Dunkel der Polizeistunde wird man zwar bei jeder Entdeckung gefilzt, weil schließlich Ausgangssperre herrscht. Doch im Gegenzug ist die Sicht schlechter und der Verdienst von Barem sowie Respekt höher. Der Deal selbst läuft wie bei einem klassischen Hol-und-Bringe-Quest unter Zeitdruck ab. Zunächst wird der Geschäftspartner mit großer Übersichtskarte und kleinem Marker auf einem überwucherten Hinterhof gefunden (eine Minimap wäre hier praktischer gewesen!). Dann packt man einfach die vorgefertigten Tütchen auf die Kundenseite, damit schließlich die Kasse klingelt - wobei das Wort "einfach" in diesem Spiel fehl am Platze ist. Obwohl es sich im Prinzip um simple Mechaniken handelt, haben die Entwickler es fertiggebracht, sie an fast allen Stellen mit unnötig sperrigen, teils hakligen Menüs zu verkomplizieren.

Nachts sind alle Kotzen grau

Das beste Beispiel sind neu errichtete "Arbeitsstationen", also quasi Werkbänke: Zunächst muss man sich die passenden Werkzeuge wie Gläser und Mischplatten anderswo bestellen und in den entsprechenden Unterschlupf liefern lassen. Die zweite Voraussetzung ist, dass sich die passenden Drogen und Rohstoffe im aufgesetzten Rucksack oder den Hosentaschen befinden und nicht etwa im Schrank aus dem Möbelhaus. Hat man dann schließlich mit der F-Taste den Arbeisstations-Modus gestartet, ist dann per Tab ein ständiger Wechsel zwischen drei weiteren Modi nötig. Beim Abfüllen und Mischen wird die Maus seltsam umherbewegt, Tütchen-Abfüllungen werden mit einem ausgelagerten Mausrad-Menü gestarten und auch der Rest der Aktionen ist unnötig verschachtelt. Waren die Entwickler auf Drogen oder was war da los?

Das Strecken erweist sich als unerwartet fummelig.
Für Verwirrung sorgen auch die seltsamem Aufgaben und ein Mangel an Erklärungen. Mal muss z.B. ein versteckter Zugang zum abgesperrten Nachbarbezirk gefunden werden, indem man einfach die Gegend abklappert und irgendwann einen bestechlichen Bauarbeiter findet. Nicht besonders spannend, zumal man den winzigen Eingang neben ihm leicht übersieht. Was sich mit den Zutaten aus diversen Shops anstellen lässt, wird ebenfalls nur unzureichend vermittelt. Manchmal widersprechen sich die deutschen Texte mit eingestreuten englischen Fetzen sogar: Der Geldwäscher zur Vermeidung neugieriger Steuerfahnder gibt sich eigentlich nur mit Summen ab 500 Dollar ab. In einer verwirrenden Dialog-Meldung werden aber „nicht mehr als 500 Dollar“ erwähnt. Was denn nun? Streifenpolizisten behaupten sogar nach jeglicher nächtlichen Kontrolle, etwas gefunden zu haben. Selbst wenn sie einem nur die 50-Dollar-Strafe für die Missachtung der Ausgangssperre aufbrummen, lautet der Kommentar: „Na was haben wir denn da?“

Schema F

Das Katz-und-Mausspiel mit den Ordnungshütern und ihrer schlichten KI erinnert also nicht an tatsächliche Gangster-Abenteuer. Ein wenig Spannung kommt aber trotzdem auf, wenn man durch überwucherte Hinterhöfe streift und mit Q- oder E-Taste vorsichtig um die Ecke linst. Die quäkenden Funkgeräte verraten zwar die Position der Streifen. Da der Klang aber ganz und gar nicht realgetreu abgemischt wurde, fühlt man sich oft eher an Arcade-Titel wie Baldi's Basics in Education and Learning erinnert statt an realistischere Schleichspiele. Auf einer Flucht lässt sich erfreulicherweise der verdächtige Rucksack wegwerfen und später wieder einsammeln. Diverse Status-Upgrades nach dem Level-Aufstieg ermöglichen unauffälligeres Vorbeimogeln, schnellere Sprints, mehr Verhandlungsgeschick und weitere Verbesserungen. Auch eingeworfene Drogen nehmen leichten Einfluss auf Ausdauerleiste & Co. - ihr Konsum wurde aber nur relativ langweilig mit leichten Bildfiltern visualisiert. Ihre Umsetzung wirkt wie ein Sinnbild für des Rest des Spiels, der sich nicht genug um die spannenden oder lustigen Aspekte des Themas kümmert, sondern sich zu sehr im Alltags-Grind verliert, der zudem unnötig hölzern umgesetzt wurde.

Fazit

Leider hat sich das bestätigt, was der Name und die Screenshots auf Steam vermuten ließen: Obwohl man im Drug Dealer Simulator nicht auf dem Feld, sondern auf den Straßen unterwegs ist, steckt einfach zu viel monotoner Grind in der Alltagssimulation, um die im Ansatz unterhaltsamen Schleich- und Aufbau-Elemente genießen zu können. Die oft hölzerne Inszenierung, verschachtelte Menüs und ein Mangel an Erklärungen stören hier zu oft den Spielfluss. Aus dem ungewöhnlichen Ansatz hätte man deutlich mehr herausholen können, zumal hier und da Humor durchblitzt – z.B. auf albernen Graffiti oder im wilden Soundtrack mit über 200 BPM. Doch selbst das konnte mich inmitten des monotonen Spielablaufs nicht dauerhaft wachhämmern.

Pro

  • sympathische Story-Anflüge...
  • Soundtrack mit über 200 BPM...
  • Schleich-Touren sorgen durchaus für Spannung
  • authentisch umgesetzter, stimmungsvoller Tag-Nacht-Zyklus
  • einige lustige Ideen und Graffiti

Kontra

  • ...Story wird aber zu minimalistisch inszeniert
  • ...Lieder wiederholen sich aber zu schnell
  • schrecklich umständliche Menüs
  • zu starker Fokus auf monotone Lieferaraufgaben
  • verwirrende, teils widersprüchliche Erklärungen
  • hölzern animierte Passanten und grobschlächtige Texturen
  • holpriger Deutsch-Englischer Übersetzungs-Mischmasch
  • unrealistisch klingende räumliche Sound-Abmischung

Wertung

PC

Statt motivierendem Aufbau oder spannenden Gangster-Geschichten dominiert monotoner, sperrig umgesetzter Grind den Alltag auf den Straßen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
TheoFleury

Hui als harmloser Konsument von diversen Marihuana Produkten, früher zur Dealerei gezwungen aufgrund der schlechten damaligen Arbeitsmarktbedingungen (Ich habe für alles eine Ausrede, der Staat und das System und die bornierte Gesellschaft sind Schuld, ich selber natürlich nie und niemals!), könnte ich es nicht spielen das ich zu sehr auf Realismus getrimmt bin in solchen angeblichen "Simulator" Spielen Aber durchaus hätte ich , und das gerne, meine Erfahrungen mit den Entwicklern geteilt

vor 4 Jahren
derhunni

Also jetzt mal ehrlich: der arme Jan...Rennspiele und Jump&Run!! Und dann soll er stundenlang an iwelchen Tischen rumstehen und wenn "er" mal raus durfte, dann schleichenderweise an den Cops vorbei... *schenkelklopf*

Aaaaah herrlich - gute Nacht! ^^

vor 4 Jahren
derhunni

Hallo auch!

Erstmal möchte ich sagen, dass die "Leserwahl" eine spitzen Idee ist! Ich bin auch am überlegen, ob ich mir das gönnen soll. Was ich allerdings schon bis zum Anfang des dritten Absatz gelesen habe, hat mir dann auch gereicht, um gleich ans Ende zu klicken. Und damit habe ich soviel Geduld an den Tag gelegt, wie derjenige, der das Spiel anscheinend testen MUSSTE!

Ich gebe hier dem Tester keine Schuld! Sein Steckbrief sagt ganz klar aus, dass er solche Spiele nicht gerne spielt

Unterm Strich also: spitzen Idee - Umsetzung in die Praxis noch ausbaufähig - überlege noch weiter - bis denne!

vor 4 Jahren
Kajetan

Das ist lediglich als beiläufiges, nett und ernst gemeintes Kompliment zu verstehen.
Überempfindlichkeit meinerseits auf diese typischen Wehleidigkeitskommentare zu Wertungen, mit denen manche Leute ein Problem zu haben scheinen

Ok, dann habe ich nix gesagt ...

vor 4 Jahren
Fireal

Ich mag eure kritische und unabhängige Berichterstattung und bin nicht ohne Grund seit vielen, vielen Jahren treuer Leser von 4Players. An dieser Stelle hätte der Drug Dealer Simulator meiner Meinung nach jedoch eine Wertung im mittleren bis überdurchschnittlichen 60 Prozent-Bereich verdient gehabt mit Empfehlung für eine gewisse Art an Nischenspielern. Der Stempel "Trash" tut dem Titel meiner Meinung nach nämlich unrecht. Dafür sind die Macher zu bemüht und engagiert.
Wenn Du NUR gesagt hättest: "Wegen Grund X, Grund Y und Grund Z würde ich dem Spiel eine 65 geben.", hätten wir eine schöne zweite Meinung gehabt, sogar noch mit konstruktiven Argumenten. Sehr gut, danke!

Aber zum Schluss wieder dieser Sermon ... *seufz*
Das ist lediglich als beiläufiges, nett und ernst gemeintes Kompliment zu verstehen.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren