The Last of Us Part 2 - Test, Action-Adventure, PlayStation5, PlayStation4
Es gibt Momente, die waren so überraschend, so schlimm oder so eindringlich, dass ich den Controller zur Seite legen musste. Manchmal hatte ich Angst vor dem, was als Nächstes kommt. Manchmal wollte ich eine gerade erlebte Situation einfach mal sacken lassen. Eines steht fest: Über dieses Spiel werdet ihr lange diskutieren, denn das Storytelling ist außergewöhnlich. Troy Baker, der amerikanische Sprecher von Joel, hatte nicht übertrieben, als er 2019 auf einer Comic-Messe raunte , dass manche Zocker da draußen nicht bereit für dieses Abenteuer sein würden. Hätte man eine Umfrage unter Fans gemacht, wäre dieses Spiel sicher nie so erzählt worden.
Seid ihr bereit?
Zum einen habe ich einem Embargo zugestimmt, zum anderen will ich euch die Spannung natürlich nicht rauben. Daher bitte ich um Nachsicht, dass es in dieser Besprechung einige Lücken geben wird, dass ich manches nicht konkret benenne. Trotzdem muss ich natürlich wichtige Merkmale der Dramaturgie näher erläutern, um meine Einschätzung begreifbar zu machen.
Schmerzgrenzen
Aber selbst toll inszenierte Kämpfe reichen auf lange Strecke natürlich nicht aus. Gerade als Spieler gewöhnt man sich schnell an alles Mechanische. Viel wichtiger als diese visuelle Fratze der Gewalt, die nach all den Resident Evils & Co letztlich nichts Besonderes ist, ist jedoch der gnadenlose Wechsel der erzählerischen Perspektive. Der könnte den einen oder anderen verstören. Er sorgte bei mir viel eher für unwohlige Momente als digitales Blut und Gedärme. Normalerweise bieten Spiele klare Feindbilder, der Held wird moralisch legitimiert, Gut und Böse sind nahezu bis ins Finale zementiert. Nur selten kann man einen anderen Standpunkt wirklich aus Spielerfahrung nachvollziehen.
Radikale Perspektivwechsel
Naughty Dog weicht nicht komplett von der Erzählweise ab - oder gar der Charakterzeichnung. Immerhin knüpfen sie an eine Geschichte an, die mit Joel und Ellie zwar weitgehend sympathische, letztlich "gute" Figuren einführte, die aber auch schon dunkle Facetten hatten. Sie folgen diesen ausgelegten Fäden sehr souverän. Aber Neil Druckman und sein Team erzählen differenzierter, sie weben neue Fäden ein, wie z.B. Ellies Beziehung zu Dina, sie spielen auf wunderbare Art mit tradierten Klischees, auch mit Rollen- und Feindbildern. So entsteht ein vielfältiges Muster mit wichtigen Grautönen. Das ist also alles andere als "ideologische" Schwarzweißmalerei. Und es ist einfach nur grotesk, was da mit der ersten lesbischen Kuss-Szene und vor allem mit den Leaks an abstrusen Vorwürfen aufkam - vor allem gegenüber Neil Druckman. Also zurück zur gespielten Realität, in der...
"The Russians love their Children too..."
Es gibt Sadisten und Arschlöcher, aber auch Flüchtlinge und Mitläufer auf allen Seiten, die einfach Angst haben - nicht jeder Sektierer oder Fundamentalist ist ein schlechter Mensch. Trotzdem hat man ihn gerade in eine Sprengfalle gelockt. Und seinen Kumpel dazu. Das war taktisch cool. Aber dann schaut man einem Feind ins schmerzverzerrte Gesicht, der "seine Freunde niemals verraten" würde. Hatte Ellie das nicht auch genauso gesagt? Oder war es Dina? Oder Tommy? Plötzlich meldet sich das Gewissen, klar erkennbar in Ellies Mimik - es ist fantastisch, wie Naughty Dog das Unausgesprochene damit immer wieder hörbar macht. Bei mir erklang dann dieser Song von Sting aus dem Kalten Krieg...
Dabei greift Naughty Dog offene Fragen aus dem Vorgänger auf, darunter natürlich die komplizierte Beziehung zwischen Ellie und Joel. Sie sind ja nicht biologisch Tochter und Vater, aber sie stecken psychologisch auf tragische Art in diesen Rollen. Dieses Verhältnis wird zusätzlich überschattet vom großen Konflikt des ersten Teils: Immerhin war Ellie mit ihrer Immunität die letzte Hoffnung der Menschheit. Joel hatte die Wahl, ob er sie für die Heilung der Welt opfert...
Zwar muss man The Last of Us nicht zwingend gespielt haben, weil die Story all das stückweise in Erinnerung bringt, aber ich kann es nur wärmstens empfehlen, denn ohne diese Erlebnisse wird man vielleicht nicht nachvollziehen, wie stark, aber auch kompliziert die Bindung der beiden ist. Die Gewaltszenen waren für mich jedenfalls weniger bedrückend als die Tragik zwischen diesen beiden, die schon im ersten Teil zu einer emotionalen Kälte führen konnte, die mich - verstärkt durch die eindringlichen Gitarrenklänge von Gustavo Santaolalla - tief berührte. Okay, ich bin Vater, hab Töchter, kann Joel vielleicht besonders gut verstehen. Und ja, diesmal habe ich eine oder zwei Tränen verdrückt...
Die Tragik zwischen Joel und Ellie
Apropos Musik: Die Kompositionen diesmal? Wunderbar, Crooked Still und andere ergänzen Santaolalla sehr gut. Akustisch und musikalisch wird diese Rache-Geschichte, in der es an der Oberfläche ja nur um Hass und Vergeltung geht, sehr gut mit ruhigen, melodischen Klängen verstärkt. Darunter verbergen sich ja unterschiedliche Schicksale, Motive und die Frage des Gewissens: Wie weit würde man für seine Freunde und Familie gehen? Was tut man seinen Feinden an? Kann man noch in den Spiegel schauen, wenn man selbst zum Killer wird? Zerstört die Rachlust letztlich die Menschlichkeit - und die Fähigkeit zu lieben? Oder um Nietzsche zu zitieren: "Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." Dieses The Last of Us 2 wird euch sehr tief in die Augen blicken - und ihr werdet euch verdammt nochmal erschrecken.
Apokalyptische Idylle on Jackson
In dieser geschützten Siedlung wohnen Joel und Ellie, die mittlerweile 19 Jahre alt ist. Es gibt in Jackson Strom, Geschäfte, eine Bar, Gärten, einen Stall und einen Alltag, an dem man ein wenig teilnehmen kann - inklusive Schneeballschlacht mit den Kids. All das sieht so klasse aus (mal darauf achten, wie tapsig das Kleinkind den Vater aus der Kita zieht!), dass ich mich über die vielen Klonfiguren in Version 1.01 wunderte: Eine Brünette mit kariertem blauen Hemd taucht sogar an die sechs, sieben Mal auf, sogar als Zwilling in der Bar. Ein Typ mit Kappe dreimal etc. Ich habe im Vorfeld bei Naughty Dog nachgefragt: Es kommen bis zum Release noch Patches, die das sowie einige Bugs (ich hatte eine Stelle mit einem schweren Grafikfehler bei Seilbenutzung sowie einen Absturz) beheben sollen. Das ist natürlich kein großer Kritikpunkt, aber angesichts der sonstigen Akribie ärgerlich. Und der Patch von gestern Abend (11. Juni) auf Version 1,02 hat die Klone leider nicht verschwinden lassen...
Der Kuss wird zum Aufreger
Abseits der Action warten in den 35 Stunden (ich habe allerdings fast jede Ecke durchstöbert) immer wieder Ruhephasen, darunter auch tolle Rückblicke, teilweise bis in die Jugend, damit man Beziehungen verstehen und Identifikation aufbauen kann. Während man u.a. durch verblüffend detailgetreu gebaute Museen spaziert, können sich Charaktere, die man vielleicht für Helden oder Arschlöcher hält, die man reflexartig in eine Schublade packt, ähnlich entwickeln wie in manchen TV-Serien. Das gilt auch für Fraktionen, denn Naughty Dog spielt über Graffiti, Texte und Symbole mit politischen oder religiösen Feindbildern, lädt einen quasi zur Vorverurteilung ein, nur um dann Stunden später zumindest einen anderen Blickwinkel zu öffnen. Das heißt aber nicht, dass sie Gleichmacherei betreiben oder alle über einen Kamm scheren. Die Unterschiede werden immer noch sichtbar.
Man reitet zu Beginn zusammen mit Dina auf Patrouille durch das verschneite Wyoming. Naughty Dog demonstriert schon in diesen frühen Szenen seine ganze technische Klasse, wenn die unheimlich gut animierten Pferde (auch Rockstar hat hier das Nachsehen) mal wieder einen tief hängenden Zweig streifen und der Schnee zu Boden fällt. Man kann sie galoppieren, sie zügeln, absteigen und diesen Wald mit seinen scheinbar verlassenen Häusern erkunden. Kürzlich hat man von Fotorealismus gesprochen, den Epic z.B. mit der Unreal Engine 5 anstrebt: Klar, da ist visuell nicht alles ausgeschöpft. Aber mir würde dieses Niveau auch noch für ein paar Jahre reichen, weil es so selten zu sehen ist...
Welt und Figurenverhalten
Dieses erfahrene Team kann sich natürlich auf seine versierten Artdesigner verlassen, die wiederum an gewachsene technische Qualität und Fundamente ihrer eigenen Engine aus früheren Spielen anknüpfen. Schon Uncharted 4 hat gezeigt, wie elegant man Dialoge in die Erkundung einbauen kann. Und auch hier laufen die Gespräche mit den Partnern angenehm natürlich ab, während man nach Wegen zum Ziel oder Lösungen sucht - mal automatisch, mal per Knopfdruck ausgelöst. Aus diesem Smalltalk ergeben sich Einblicke in die Persönlichkeit sowie spielerische Hilfen. Auch wenn es dabei zu skurrilen Trennungen kommen kann (warum, rennt der jetzt da hinten rum?): Es ist verblüffend, wie eigenständig sie reagieren oder selbst Vorschläge machen - hier entsteht trotz der erkennbaren Skripte zumindest kurzfristig die Illusion eines "lebendigen" Begleiters. Hoffentlich kann die Spielewelt das noch weiter entwickeln.
Es sind auch aus anderen Titeln bekannte Kleinigkeiten, die das Spielgefühl verstärken: Dass man beim Betreten dunkler Räume z.B. erst langsam besser sehen kann. Oder dass Charaktere ihre Höhenangst an Abgründen zeigen, indem auch die Sicht verschwimmt. Und es nötigt mir allergrößten Respekt ab, in welcher Fleißarbeit man das Interieur gestaltet hat: Egal ob Tattoo-Studio oder Spielzeugladen, Kaufhaus oder Werkstatt - alles ist vollgestopft mit einzigartigen Gegenständen, mit einem teilweise persönlichen Flair, das durch Notizen und Kleidung noch verstärkt wird. Manchmal kann man Dinge finden, die man vergrößert drehen und näher betrachten kann. Dabei lässt sich erahnen, dass in diesem Zimmer oder jenem Haus tatsächlich Leute gewohnt haben - manchmal sieht man noch, wie sie gestorben sind. Die Akribie geht so weit, dass man nach 20 Stunden irgendwo in einem Schrank noch ein designtes Unikat findet. Aber nur, wenn man die Kamera dort hinten nochmal dreht! Daher verwunderten mich die Klonfiguren im Einstieg.
Vertikalität und Akribie
Ellie und Dina sind toughe, willensstarke Frauen: Sie kennen nur diese harte Realität, sie können kämpfen und töten - ohne Skrupel, und zwar reihenweise. Auch das ist ein frischer Perspektivwechsel! Ja, eine Lara Croft trieb den Bodycount schon in die Höhe, aber viel sauberer. Einige Reaktionen haben gezeigt, dass Naughty Dog für einige ein Tabu bricht, denn Frauen traut man(n), trotz einiger prominenter Beispiele von den Amazonen über Boudicca bis Jeanne d'Arc, in der Regel nicht diese Rolle zu, vor allem nicht das brutale Killen. In modernen Armeen sind zwar auch Soldatinnen aktiv, aber meist im Bereich Unterstützung oder auf Offiziersebene. Nach dem Palästinakrieg hat Israel z.B. Frauen von Kampfeinheiten ausgeschlossen, mittlerweile ist der Kampfeinsatz aber freiwillig möglich. Und in den USA können Frauen in fast allen Kampfeinheiten bis hin zum Marine Corps dienen - allerdings stellen sie dort unter zehn Prozent.
Starke Frauen
Naughty Dog idealisiert die Kampfkraft der beiden natürlich. Aber erstens ist das ein Action-Adventure und keine Armee-Simulation, zweitens wurde sie in all den Jahren zuvor auch bei allen männlichen Helden idealisiert, die zu Rambo mutieren durften. Während Ellie und Dina unterwegs sind, lernt man sie in Dialogen besser kennen und setzt zunächst wenige Waffen sowie Taktiken ein: Dabei geht es erneut um cleveres Agieren, um Deckung und Ablenkung, um leise Kills. Aber es geht auch um explosive Eskalation mit Schrot oder blutige Klopperei, für die das rechtzeitige Ausweichen unabdingbar und das Ablenken per Wurf ins Gesicht überaus nützlich ist - denn dann reicht meist ein Schlag. Sowohl der Nahkampf, das Ballern als auch das Schleichen fühlen sich jedenfalls klasse an, weil man auch mal wegrennen muss und es immer um Details geht.
Viele Situationen, vor allem wenn man angesichts der Sporen die Atemmasken aufsetzen muss, sorgen für Survival-Horror-Flair mit unheimlicher Geräuschkulisse. Gerade in den labyrinthischen Gebäuden, in denen man die Beine auch deshalb gerne in die Hand nimmt, weil da fiese, überaus agile Kreaturen im Dunkeln lauern, die einem trotz Schrotflinte und Molotow-Cocktail so richtig Angst einjagen können. Denn sie sind Jäger, die davon huschen und listig um die Ecke schauen, bevor sie sich kreischend auf Ellie stürzen. Und man kann sie nicht so einfach über Geräusche anlocken wie die "dummen" Clicker oder Runner.
Survival-Horror deluxe
Der Regie gelingt es dabei hervorragend, die Spannung über subtile Reize von der bizarren Schmiererei an der Wand über seltsame Geräusche und das Einsetzen der Mollakkorde langsam aufzubauen. Selbst in den Rückblicken, die Sicherheit versprechen, weil man vielleicht jünger ist oder keine Waffen hat, können Situationen hin zur gefühlten Angst eskalieren, die sich plötzlich wieder verabschiedet. Und auch die Aussicht auf einen Bogen wird sehr gut vorbereitet, indem man den Spieler stückweise ködert und eine Nebenstory daraus macht: Erst findet Ellie einige Leichen mit Pfeilen, dann Notizen über einen Sportschützen namens Boris, darauf eine Trophäe in einem Keller, weitere Leichen und biografische Fakten...aber wo zur Hölle ist der Bogen?
Lautloses Töten ist ansonsten per Pistole mit Schalldämpfer oder Bogen sowie Armbrust möglich. Besonders cool ist es, Feinde per Flaschenwurf an eine Stelle zu locken, wo man kurz vorher eine Sprengfalle gelegt hat - oder in die man einen Molotow-Cocktail aus sicherer Deckung schmeißt. Apropos: Ellie ist im hüfthohen Gras nicht komplett sicher, denn Feinde können sie dort erspähen. Diese Momente vor der Entdeckung werden akustisch signalisiert, so dass man ein kurzes Zeitfenster hat, um entweder in Bauchlage zu gehen oder zu verduften. Was auf dem normalen Schwierigkeitsgrad relativ entspannt ist, wird auf schwer fordernd.
Steath-Action deluxe
Je nach Gegnertyp und Anzahl geht es meist darum, möglichst lange nicht gesehen oder gehört zu werden - man kann auch ganze Lager ohne Kampf durchschleichen. Und was man da alles anstellen kann, wenn man für Chaos sorgen will! Auch wenn man weder Leichen verstecken noch Lichtquellen löschen kann, erreicht man damit annähernd eine Qualität, die sonst nur spezialisierte Stealth-Action à la Splinter Cell oder Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain bietet. Allerdings sehe ich Letzteres militärtaktisch im Gelände sowie hinsichtlich der KI und Alarmierungsstufen in der Gruppe klar vorne, denn es gibt einige zu verzeihliche Aussetzer - da liegens schon zwei, drei Leichen in einem Garten und dennoch "entspannen" sich die Wachen. . Spätestens in den Wäldern von Seattle erreicht diese Spielmechanik allerdings ihren Höhepunkt. Als ein Pfeil in Ellies Schulter einschlägt, kann man ihren Schmerz fast nachempfinden. Die Wucht des Treffers wirft sie um, ihr Gesicht verzerrt sich und während sie zu bluten beginnt, ertönt dieses unheilvolle Pfeifen.
Apropos: Auch die Gegner sind cleverer als im Vorgänger. Zwar wird der Anspruch stark vom Schwierigkeitsgrad beeinflusst, aber schon auf der normalen, also der dritten von fünf Stufen, wird man gefordert, muss leise und gedeckt vorgehen. Außerdem kommunizieren die Feinde nicht nur untereinander über Zurufen oder Pfeifen, um z.B. zu flankieren, sie setzen auch Hunde ein.
Feindverhalten und Hunde
Naughty Dog inszeniert das klasse, denn die Schäferhunde und Bullterrier informieren erst ihr Herrchen, wenn sie etwas riechen. Der Mensch lässt den Hund nicht sofort von der Leine, sondern berichtet seinen Kollegen, dass der Hund vielleicht eine Spur hat. Dann schnüffelt er sich langsam vorwärts. Geht man jetzt in den Lauschmodus, kann man seine eigene Geruchsspur sehen und sollte schnell weg - denn wenn der Hund einmal losstürmt, hat man kaum eine Chance. Er verbeißt sich im Gesicht und muss abgeschüttelt werden.
Auch die "normalen" Schussgefechte haben es in sich. Sie klingen sehr gut, bieten den Schulterwechsel beim Anvisieren und die Waffen decken ein großes Arsenal ab - inkl. alternativer Munition und Schusstyp, von Brand bis Feuerstoß, auch Zielvisiere kommen für einige hinzu. Zu Beginn kann Ellie mit Pistole, Revolver und Gewehr noch nicht sehr präzise feuern, das Fadenkreuz springt auf dem normalen Schwierigkeitsgrad nicht automatisch auf den Gegner, hat also je nach Waffe eine andere Abweichung - was sehr gut ist! Ich empfehle dringend, das nicht zu ändern.
Schussgefechte deluxe
Zwar schießt man in der Hektik öfter daneben, landet beim Treffer vielleicht auf dem Rücken, feuert aus dem Liegen wieder daneben, aber freut sich dann umso mehr über den finalen Kopfschuss. Zudem sind die Modifikationen der Waffen an Werkbänken hinsichtlich Stabilität, Rückstoß, und Schaden wirklich spürbar - man wird also effektiver. Und nur weil Ellie nicht sofort eine Scharfschützin ist, lohnt sich auch der Ausbau der entsprechenden Talente, so dass sie z.B. den Atem zum Zielen für einige Sekunden anhalten kann.
Das Figurenverhalten hat sich auch im Kampf verbessert, denn meist suchen sich die Partner eine sinnvolle Deckung oder gehen selbst in die Offensive, so dass man manchmal im Team flankieren kann. Aber man kann keine Befehle geben und es gibt gelegentlich Aussetzer, wenn sie doch ins Sichtfeld der Wachen huschen oder sich mit dem Gesicht zur Wand positionieren. Letztlich kann der Partner auch verraten, dass es gerade keine Gefahr gibt, wenn er schon zehn Meter weiter im Dunkeln wartet, während man noch vorsichtig in der Hocke nach Feinden Ausschau hält.
Koop im Kampf und neue Waffen
Daher ist es seltsam, dass Ellie "im Stehen" auf der normalen Stufe teilweise zu viel einstecken kann, vor allem, wenn man ihre Lebenspunkte erhöht hat: Da gibt es Szenen, in denen sie drei Schrotladungen aus nächster Nähe verkraftet. Und auch die Gegner-KI hat ihre Aussetzer, denn trotz Absprache und schon entdeckter Leichen ist sie manchmal recht verzeihlich in der Suche. Allerdings darf man nicht vergessen, dass man alles optional über die Schwierigkeit regulieren kann, so dass diese Kritikpunkte hinsichtlich Robustheit der Heldin und Wahrnehmung der Feinde auf höheren Stufen wegfallen.
Wie sieht es mit Rätseln aus? Die könne nicht mit Uncharted 4 konkurrieren, aber auch hier hat sich Naughty Dog gegenüber dem Vorgänger verbessert. Zwar findet man zunächst zu offensichtlich die Codes für Safes. Aber diesmal muss man die Zahlen nicht nur manuell eingeben, sondern muss sie im weiteren Verlauf auch mal logisch kombinieren (wie könnte man 1-5-2-?-? wohl ergänzen?) oder über Hinweise in Briefen oder der Umgebung fehlende Zahlen finden. Besonders cool: Man kann alle Safes auch nur nach Gehör öffnen, wenn man sich an dem etwas helleren Einrastgeräusch orientiert - nur braucht man dafür Geduld, denn das muss man an drei Positionen machen, die man von 0 bis 99 drehen muss.
Rätseln mit Safes und Containern
Neben den Safes gibt es lediglich räumliche sowie physikalische Rätsel: Manchmal erkennt man Beute in einem Bereich, der nicht zugänglich ist. Also muss man vielleicht erstmal tauchen, klettern, ein Seil benutzen, Scheiben einschlagen oder einen Container verschieben, um das Ziel zu erreichen. Manchmal gilt es, einen Generator mit Strom zu versorgen, wobei man das Kabel anschließen muss, das aber nicht sofort in Reichweite ist - oder es fehlt einfach Sprit. Es gibt auch eine Situation, in der man einen Container auf eine abschüssige Rampe fahren, schnell loslassen und zu einem Hebel sprinten muss, damit er rechtzeitig durch eine Garagentür rast - weil die nicht einrastet. Ansonsten spielt die Physik lediglich beim Scharfschützengewehr eine Rolle, mit dem man auf weite Distanz höher anhalten muss, weil sich die Projektile senken.
Sammelei und Entwicklung von Fähigkeiten
Für die Modifizierung von Waffen (auch Bogen und Armbrust sind aufrüstbar) muss man eine Werkbank finden und genug Schrauben besitzen - es sind keine Fähigkeiten notwendig. Das Arbeiten an den Waffen wird ansehnlich dargestellt und lohnt sich, trotzdem ist es unlogisch, dass man seine Hieb- und Stichwaffen hier nicht reparieren kann. Dafür gibt es den Baseballschläger mit Stacheldraht quasi in der Negan-Collectors-Edition. Verdammte Schande, ist das im Kampf ein böses Gerät...
Das Pillenprinzip ist natürlich komplett unlogisch, aber man kann immerhin spezielle Spielweisen ein wenig stärken. Trotzdem wirkt das Arsenal an Fähigkeiten nicht immer besonders durchdacht und man hat, wenn man wirklich gut sucht, letztlich fast alle Stränge bis ins Maximum entwickelt. Zumal man sich wundert, wenn man in einem Nahkampf-Trainingsbuch das schnellere Herstellen von Medikits freischaltet - ähm, ja.
Die deutsche Lokalisierung erreicht die hohe Qualität, die man von Sony kennt - egal ob Texte oder Dialoge: ich habe keine Fehler gefunden, keine Unstimmigkeiten gehört und mich in unserer Muttersprache auf Film-Niveau unterhalten gefühlt. Trotzdem ist etwas untypisch: Ellie hat im Deutschen eine andere Sprecherin. Dass sie erwachsen ist, kann kein Grund dafür sein, dass man ihre Synchronstimme wechselte, denn im englischen Original hört man weiter Ashley Johnson. Statt von Annette Potempa wird Ellie jetzt von Luisa Wietzorek gesprochen. Eigentlich bevorzuge ich Kontinuität, aber sie macht für diesen so zentralen Charakter einen super Job. Der ergraute Joel ist ja im Deutschen weiter mit Carlos Lobo besetzt, der zwar etwas heller klingt als Troy Baker im Englischen, aber ebenfalls sehr gute Schauspielarbeit abliefert. Aber auch sein Bruder Tommy und all die anderen haben mich akustisch überzeugt.
Lokalisierung und Sprecher
Vorbildliche Optionen
Auch die komplette Benutzeroberfläche lässt sich anpassen: Wer visuelle Hilfen nicht mag (hallo Ben!), wie z.B. weiße Symbole, die in der Nähe von Ressourcen das mögliche Aufnehmen unterstreichen, kann diese ebenso abstellen wie Anzeigen für Leben, Schaden & Co oder auch die Hinweise, aus welcher Richtung die Gefahr naht.
Steuerung und Archiv
Last but not least seien der coole Fotomodus und die Archive erwähnt. Ich hatte am Ende, wenn man übrigens Neues Spiel plus freischaltet, das euch das ganze Arsenal sofort beim erneuten Start zur Verfügung stellt, über 3000 Punkte erhalten. Wofür? Vermutlich für pro Level gefundene Artefakte, Sammelkarten, Tagebucheinträge, Werkbänke und Safes, über die alle in der Form 2/4 und 1/1 eine Statistik geführt wird, die ich für das Freischalten von Concept Art und Charakterportraits einsetzen konnte, was pro Galerie zwischen 20 und 60 Punkte kostete. Und das lohnt sich, denn vor allem die Illustrationen zeigen sehr schön den künstlerischen Prozess von der Zeichnung zur animierten 3D-Welt.
Fazit
The Last of Us 2 wird euch sehr tief in die Augen blicken - und ihr werdet euch erschrecken. Das ist eines der besten Spiele dieser Generation. Naughty Dog erweitert nicht nur die visuelle Pracht eines Uncharted 4 mit unheimlicher Liebe zum Detail, was Interieur sowie Animationen betrifft - und das in einem enormen Spektrum von angenehm verschachtelten und freien Schauplätzen. Dieses apokalyptische Amerika zeigt neben seiner brutalen Fratze auch immer wieder sein wunderschönes Gesicht - einfach Kamera drehen und diese überwucherten Landschaften genießen. Hinzu kommt der spielmechanische Fortschritt, der akrobatische Erkundungen mit dezenten Rätseln, aber vor allem unheimliche situative Spannung mit Horrorflair und ausgefeilter Schleichtaktik inszeniert: Ich habe einige der packendsten und coolsten Momente meiner Zeit als Spieletester erlebt. Zwar sind Sammeln, Craften und Fähigkeiten nicht mehr als gewöhnlich. Aber Storytelling, Charakterzeichnung und Dramaturgie erreichen über 35 Stunden einzigartige Qualität. Viele Spiele haben Beziehungen und Gewalt thematisiert. Aber es gibt keines, das diese Art der Perspektivwechsel und diese emotionale Achterbahnfahrt inszeniert, so dass man über Männer und Frauen, Täter und Opfer, Fanatismus und Rache reflektiert. Dabei wird kein Schwarz und Weiß propagiert: es wird auf hervorragende Art differenziert. Naughty Dog beweist hier Reife, Mut und Klasse. Großartig!
Pro
- hervorragende Regie
- ergreifende Story um Rache und Wahrheit
- differenzierte Sicht, keine Schwarzweißmalerei
- tolle Rückblicke und Perspektivwechsel
- authentische Charaktere, lebendige Dialoge
- weitgehend sinnvolles Verhalten der Koop-Partner
- klasse Spielmechanik mit coolen Stealth-Manövern
- gute Gegner-KI umzingelt, kommuniziert, sucht
- Hunde und Herrchen suchen glaubwürdig
- cooles akustisches Frühwarnsystem vor Entdeckung
- sehr gute Schussmechanik und Waffenwirkung
- freie Erkundung mit Akrobatik, Seil, Tauchgang & Co
- unheimlich intensive Nahkämpfe und Kills
- erstklassige Animationen, Mimik und Gestik
- dezente Charakterentwicklung in mehreren Talenten
- Waffen modifizieren, Gegenstände herstellen
- physikalische Auswirkungen von Gewicht & Projektil
- einige Reit- und Fahrpassagen inkl. Boot
- kleine physikalische und mathematische Rätsel
- Safes kann man nach Gehör knacken
- wundervolle Kulissen und Landschaften
- verwinkelte Gebäude und Areale mit Geheimnissen
- unheimliche Detailfülle (Spuren, Nässe, Wind etc.)
- coole Survival-Horror-Momente
- tolle Musikuntermalung, wuchtige Soundeffekte
- präzise und modifizierbare Steuerung
- fünf Schwierigkeitsgrade, einzeln modifizierbar
- optionale Hinweise, wenn man nicht weiter weiß
- automatisches und manuelles Speichern
- komplette deutsche Lokalisierung
Kontra
- einige Klonfiguren im Einstieg von Jackson
- Koop-Partner mit gelegentlichen Aussetzern
- gewöhnliches Sammel
- und Crafting-Prinzip
- Abnutzung von Nahkampfwaffen/Schalldämpfer nervt
- Ellie kann auf "normal" zu viele Schrot-Treffer einstecken
- eine der Fraktionen bleibt sehr blass
- manchmal Grafik-Bugs bei Seilbenutzung
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.