The Last of Us Part 2 - Test, Action-Adventure, PlayStation5, PlayStation4

The Last of Us Part 2
12.06.2020, Jörg Luibl

Test: The Last of Us Part 2

Die brutale Wahrheit

The Last of Us gehört zu den besten Spielen dieses Jahrzehnts. Zwischen der brutalen Action im apokalyptischen Amerika blitzte immer wieder auf, welches dramaturgische Potenzial in Spielen steckt, welche emotionale Identifikation über glaubwürdige Beziehungen möglich ist. Fünf Jahre nach den bewegenden Ereignissen wird die Reise von Ellie und Joel fortgesetzt. Dabei geht Naughty Dog an Schmerzgrenzen. Warum sie das Erlebnis vertiefen und das Medium letztlich weiter reifen lassen, verrät der Test.

Es gibt Momente, die waren so überraschend, so schlimm oder so eindringlich, dass ich den Controller zur Seite legen musste. Manchmal hatte ich Angst vor dem, was als Nächstes kommt. Manchmal wollte ich eine gerade erlebte Situation einfach mal sacken lassen. Eines steht fest: Über dieses Spiel werdet ihr lange diskutieren, denn das Storytelling ist außergewöhnlich. Troy Baker, der amerikanische Sprecher von Joel, hatte nicht übertrieben, als er 2019 auf einer Comic-Messe raunte , dass manche Zocker da draußen nicht bereit für dieses Abenteuer sein würden. Hätte man eine Umfrage unter Fans gemacht, wäre dieses Spiel sicher nie so erzählt worden.

Seid ihr bereit?

The Last of Us Part 2 (ab 34,22€ bei kaufen) knüpft spielmechanisch und erzählerisch an den Vorgänger von 2013 an.
Naughty Dog beweist als Triple-A-Entwickler, der sich normalerweise immer an den Bedürfnissen des Mainstreams orientiert und Konflikte scheut, sehr viel Mut - und das ist verdammt gut. Aber ich werde euch nicht mitnehmen in diese streitbaren Situationen.

Zum einen habe ich einem Embargo zugestimmt, zum anderen will ich euch die Spannung natürlich nicht rauben. Daher bitte ich um Nachsicht, dass es in dieser Besprechung einige Lücken geben wird, dass ich manches nicht konkret benenne. Trotzdem muss ich natürlich wichtige Merkmale der Dramaturgie näher erläutern, um meine Einschätzung begreifbar zu machen.

Man ist auch mit dem Pferd unterwegs - das überwucherte Seattle sieht klasse aus.
Was meine ich z.B. mit Schmerzgrenzen? Zum einen das Offensichtliche: die Gewalt. Naughty Dog animiert die Kämpfe in all ihrer Brutalität. Wenn Ellie tötet, dann ist das kein sauberer Schnitt, sondern ein Anspringen, Niederringen, Erwürgen und Abstechen - dabei sieht man in die röchelnden Gesichter des Todes, hört das verzweifelte Gurgeln, bevor das Genick bricht. Vor allem im Nahkampf werden Anstrengung und Auswirkung in aller Konsequenz deutlich. Dagegen wirken die Finisher in Mortal Kombat wie abstrakte Comic-Schnipsel.

Schmerzgrenzen

Alles beginnt idyllisch, fast wie in einem Western...
Die Schonungslosigkeit erinnerte mich an die TV-Serie The Walking Dead, aber das hat mein Erlebnis eher intensiviert als gedämpft. Mir haben diese meisterhaft animierten Gefechte jedenfalls richtig Spaß gemacht - es ist eine explizite Oberfläche, die ich seit Jahren kenne. Zumal Naughty Dog in einigen Bereichen nicht so weit geht wie manche Filme oder Literatur. Das ist letztlich ein amerikanisches Spiel, in dem Sex nur eine Randnotiz ist. Aber jeder hat hier andere Grenzen. Mehr dazu übrigens in unserem Talk mit Alice und Matthias: Darin besprechen wir die Geschichte der Gewalt in Videospielen, aber auch einige psychologische und kulturhistorische Aspekte.

Aber selbst toll inszenierte Kämpfe reichen auf lange Strecke natürlich nicht aus. Gerade als Spieler gewöhnt man sich schnell an alles Mechanische. Viel wichtiger als diese visuelle Fratze der Gewalt, die nach all den Resident Evils & Co letztlich nichts Besonderes ist, ist jedoch der gnadenlose Wechsel der erzählerischen Perspektive. Der könnte den einen oder anderen verstören. Er sorgte bei mir viel eher für unwohlige Momente als digitales Blut und Gedärme. Normalerweise bieten Spiele klare Feindbilder, der Held wird moralisch legitimiert, Gut und Böse sind nahezu bis ins Finale zementiert. Nur selten kann man einen anderen Standpunkt wirklich aus Spielerfahrung nachvollziehen.

Radikale Perspektivwechsel

Naughty Dog weicht nicht komplett von der Erzählweise ab - oder gar der Charakterzeichnung. Immerhin knüpfen sie an eine Geschichte an, die mit Joel und Ellie zwar weitgehend sympathische, letztlich "gute" Figuren einführte, die aber auch schon dunkle Facetten hatten. Sie folgen diesen ausgelegten Fäden sehr souverän. Aber Neil Druckman und sein Team erzählen differenzierter, sie weben neue Fäden ein, wie z.B. Ellies Beziehung zu Dina, sie spielen auf wunderbare Art mit tradierten Klischees, auch mit Rollen- und Feindbildern. So entsteht ein vielfältiges Muster mit wichtigen Grautönen. Das ist also alles andere als "ideologische" Schwarzweißmalerei. Und es ist einfach nur grotesk, was da mit der ersten lesbischen Kuss-Szene und vor allem mit den Leaks an abstrusen Vorwürfen aufkam - vor allem gegenüber Neil Druckman.  Also zurück zur gespielten Realität, in der...

Diese mutierte Kreatur kann man nicht so einfach von hinten töten...
...der Bodycount amerikanisch hoch ist, in der Ellie letztlich weiter überzeichnet wird, wenn sie mit "Yeah!" und "Stirb, du Drecksau!" ihre Kills feiert. Aber: Man reflektiert mehr, weil einem die Regie leise etwas ins Ohr flüstert. Das fängt bei Kleinigkeiten an: Man tötet z.B. keine anonymen Söldner, sie haben Namen, die ihre Feunde auch rufen, wenn sie ihre Leichen entdecken. Und manchmal findet man später heraus, wen sie geliebt haben, dass sie Kinder oder Träume hatten.

"The Russians love their Children too..."

Es gibt Sadisten und Arschlöcher, aber auch Flüchtlinge und Mitläufer auf allen Seiten, die einfach Angst haben - nicht jeder Sektierer oder Fundamentalist ist ein schlechter Mensch. Trotzdem hat man ihn gerade in eine Sprengfalle gelockt. Und seinen Kumpel dazu. Das war taktisch cool. Aber dann schaut man einem Feind ins schmerzverzerrte Gesicht, der "seine Freunde niemals verraten" würde. Hatte Ellie das nicht auch genauso gesagt? Oder war es Dina? Oder Tommy? Plötzlich meldet sich das Gewissen, klar erkennbar in Ellies Mimik - es ist fantastisch, wie Naughty Dog das Unausgesprochene damit immer wieder hörbar macht. Bei mir erklang dann dieser Song von Sting aus dem Kalten Krieg...

Dabei greift Naughty Dog offene Fragen aus dem Vorgänger auf, darunter natürlich die komplizierte Beziehung zwischen Ellie und Joel. Sie sind ja nicht biologisch Tochter und Vater, aber sie stecken psychologisch auf tragische Art in diesen Rollen. Dieses Verhältnis wird zusätzlich überschattet vom großen Konflikt des ersten Teils: Immerhin war Ellie mit ihrer Immunität die letzte Hoffnung der Menschheit. Joel hatte die Wahl, ob er sie für die Heilung der Welt opfert...

Zwar muss man The Last of Us nicht zwingend gespielt haben, weil die Story all das stückweise in Erinnerung bringt, aber ich kann es nur wärmstens empfehlen, denn ohne diese Erlebnisse wird man vielleicht nicht nachvollziehen, wie stark, aber auch kompliziert die Bindung der beiden ist. Die Gewaltszenen waren für mich jedenfalls weniger bedrückend als die Tragik zwischen diesen beiden, die schon im ersten Teil zu einer emotionalen Kälte führen konnte, die mich - verstärkt durch die eindringlichen Gitarrenklänge von Gustavo Santaolalla - tief berührte. Okay, ich bin Vater, hab Töchter, kann Joel vielleicht besonders gut verstehen. Und ja, diesmal habe ich eine oder zwei Tränen verdrückt...

Die Tragik zwischen Joel und Ellie

Apropos Musik: Die Kompositionen diesmal? Wunderbar, Crooked Still und andere ergänzen Santaolalla sehr gut. Akustisch und musikalisch wird diese Rache-Geschichte, in der es an der Oberfläche ja nur um Hass und Vergeltung geht, sehr gut mit ruhigen, melodischen Klängen verstärkt. Darunter verbergen sich ja unterschiedliche Schicksale, Motive und die Frage des Gewissens: Wie weit würde man für seine Freunde und Familie gehen? Was tut man seinen Feinden an? Kann man noch in den Spiegel schauen, wenn man selbst zum Killer wird? Zerstört die Rachlust letztlich die Menschlichkeit - und die Fähigkeit zu lieben? Oder um Nietzsche zu zitieren: "Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." Dieses The Last of Us 2 wird euch sehr tief in die Augen blicken - und ihr werdet euch verdammt nochmal erschrecken.

In den überfluteten Arealen kann man auch tauchen: Es gibt zig Wege zum Ziel.
Aber die Regie schmeißt euch nicht sofort in diese wilde emotionale Achterbahnfahrt - sie lässt sich Zeit dabei, damit euch erst langsam flau im Magen wird. Dabei beleuchtet sie neue Beziehungen mit anderen Konflikten und findet die so wichtige Balance aus Stress und Entspannung, aus Terror und Erkundung. Zu Beginn wirkt die Welt friedlich, fast schon idyllisch - und es gibt auch später viele wunderschöne Momente. Das ist kein Spiel, das einen komplett runterzieht. Wenn man die Holzpalisaden von Jackson sieht, fühlt man sich ein wenig an den Einstieg von Red Dead Redemption 2 erinnert, zumal sich Ellie in ihrem Tagebuch ähnlich Notizen macht und Tiere sowie Landschaften zeichnet wie Arthur Morgan. Auch dieses apokalyptische Amerika ist letztlich ein Wilder Westen.



Apokalyptische Idylle on Jackson

In dieser geschützten Siedlung wohnen Joel und Ellie, die mittlerweile 19 Jahre alt ist. Es gibt in Jackson Strom, Geschäfte, eine Bar, Gärten, einen Stall und einen Alltag, an dem man ein wenig teilnehmen kann - inklusive Schneeballschlacht mit den Kids. All das sieht so klasse aus (mal darauf achten, wie tapsig das Kleinkind den Vater aus der Kita zieht!), dass ich mich über die vielen Klonfiguren in Version 1.01 wunderte: Eine Brünette mit kariertem blauen Hemd taucht sogar an die sechs, sieben Mal auf, sogar als Zwilling in der Bar. Ein Typ mit Kappe dreimal etc. Ich habe im Vorfeld bei Naughty Dog nachgefragt: Es kommen bis zum Release noch Patches, die das sowie einige Bugs (ich hatte eine Stelle mit einem schweren Grafikfehler bei Seilbenutzung sowie einen Absturz) beheben sollen. Das ist natürlich kein großer Kritikpunkt, aber angesichts der sonstigen Akribie ärgerlich. Und der Patch von gestern Abend (11. Juni) auf Version 1,02 hat die Klone leider nicht verschwinden lassen...

Ellies Beziehung zu Joel und die frische Liebe zu Dina werden thematisiert,
Auch in Jackson herrscht kein Friede, Freude, Eierkuchen, denn die lesbische Beziehung zwischen Ellie und Dina bzw. ihr Kuss auf einer Party sorgt bei jemandem für Ablehnung: Bitte nicht vor den Kindern! Wie bitte? Und dann noch zickig werden! Aber es geht in diesem Abenteuer nicht um einen besonderen Fokus auf LGBT, um irgendeine künstliche Fixierung, zumal alle anderen Beziehungen heterosexuell sind - es geht um ganz "normale" menschliche Konflikte. Übrigens wird die noch frische Beziehung zwischen den Frauen glaubwürdig und nachvollziehbar dargestellt - da habe ich mir extra weiblichen Rat geholt. Mimik und Gestik werden hier ja fast auf Filmniveau eingesetzt. Es gibt auch eine unheimlich starke Szene mit Joel, in der man die tiefe Traurigkeit, dieses Ringen um Fassung in seinen Blicken erkennt und emotional nachempfinden kann.

Der Kuss wird zum Aufreger

Abseits der Action warten in den 35 Stunden (ich habe allerdings fast jede Ecke durchstöbert) immer wieder Ruhephasen, darunter auch tolle Rückblicke, teilweise bis in die Jugend, damit man Beziehungen verstehen und Identifikation aufbauen kann. Während man u.a. durch verblüffend detailgetreu gebaute Museen spaziert, können sich Charaktere, die man vielleicht für Helden oder Arschlöcher hält, die man reflexartig in eine Schublade packt, ähnlich entwickeln wie in manchen TV-Serien. Das gilt auch für Fraktionen, denn Naughty Dog spielt über Graffiti, Texte und Symbole mit politischen oder religiösen Feindbildern, lädt einen quasi zur Vorverurteilung ein, nur um dann Stunden später zumindest einen anderen Blickwinkel zu öffnen. Das heißt aber nicht, dass sie Gleichmacherei betreiben oder alle über einen Kamm scheren. Die Unterschiede werden immer noch sichtbar.

Man reitet zu Beginn zusammen mit Dina auf Patrouille durch das verschneite Wyoming. Naughty Dog demonstriert schon in diesen frühen Szenen seine ganze technische Klasse, wenn die unheimlich gut animierten Pferde (auch Rockstar hat hier das Nachsehen) mal wieder einen tief hängenden Zweig streifen und der Schnee zu Boden fällt. Man kann sie galoppieren, sie zügeln, absteigen und diesen Wald mit seinen scheinbar verlassenen Häusern erkunden. Kürzlich hat man von Fotorealismus gesprochen, den Epic z.B. mit der Unreal Engine 5 anstrebt: Klar, da ist visuell nicht alles ausgeschöpft. Aber mir würde dieses Niveau auch noch für ein paar Jahre reichen, weil es so selten zu sehen ist...

Welt und Figurenverhalten

Dieses erfahrene Team kann sich natürlich auf seine versierten Artdesigner verlassen, die wiederum an gewachsene technische Qualität und Fundamente ihrer eigenen Engine aus früheren Spielen anknüpfen. Schon Uncharted 4 hat gezeigt, wie elegant man Dialoge in die Erkundung einbauen kann. Und auch hier laufen die Gespräche mit den Partnern angenehm natürlich ab, während man nach Wegen zum Ziel oder Lösungen sucht - mal automatisch, mal per Knopfdruck ausgelöst. Aus diesem Smalltalk ergeben sich Einblicke in die Persönlichkeit sowie spielerische Hilfen. Auch wenn es dabei zu skurrilen Trennungen kommen kann (warum, rennt der jetzt da hinten rum?): Es ist verblüffend, wie eigenständig sie reagieren oder selbst Vorschläge machen - hier entsteht trotz der erkennbaren Skripte zumindest kurzfristig die Illusion eines "lebendigen" Begleiters. Hoffentlich kann die Spielewelt das noch weiter entwickeln.

Immer wieder muss man sich unauffällig heranschleichen.
Zwar gibt es keine offene Welt, man stößt also irgendwann auf künstliche Grenzen, doch die Areale sind weitläufiger als im Vorgänger. 25 Jahre nach der Pandemie haben sich selbst Großstädte in einen Dschungel verwandelt - und Naughty Dog öffnet seine Gebiete, vor allem in Seattle, sowohl in der Ausdehnung als auch mit Abzweigungen, so dass der Blick in die von Vegetation überwucherte Landschaft mit all ihren begehbaren Gebäuden und Plateaus eine offene Welt suggeriert. Selbst weit entfernt erkennt man noch scharfe Konturen. Man kann sich durchaus mal verirren - wer zu lange sucht, bekommt jedoch einen optionalen Hinweis. Euch stört irgendeine Anzeige? Ihr könnt nahezu alles deaktivieren.

Es sind auch aus anderen Titeln bekannte Kleinigkeiten, die das Spielgefühl verstärken: Dass man beim Betreten dunkler Räume z.B. erst langsam besser sehen kann. Oder dass Charaktere ihre Höhenangst an Abgründen zeigen, indem auch die Sicht verschwimmt. Und es nötigt mir allergrößten Respekt ab, in welcher Fleißarbeit man das Interieur gestaltet hat: Egal ob Tattoo-Studio oder Spielzeugladen, Kaufhaus oder Werkstatt - alles ist vollgestopft mit einzigartigen Gegenständen, mit einem teilweise persönlichen Flair, das durch Notizen und Kleidung noch verstärkt wird. Manchmal kann man Dinge finden, die man vergrößert drehen und näher betrachten kann. Dabei lässt sich erahnen, dass in diesem Zimmer oder jenem Haus tatsächlich Leute gewohnt haben - manchmal sieht man noch, wie sie gestorben sind. Die Akribie geht so weit, dass man nach 20 Stunden irgendwo in einem Schrank noch ein designtes Unikat findet. Aber nur, wenn man die Kamera dort hinten nochmal dreht! Daher verwunderten mich die Klonfiguren im Einstieg.

Vertikalität und Akribie

Nach Stress-Situationen gibt es genug Ruhephasen.
Dazu sind die Gebiete vertikaler, von der gefluteten Tiefgarage über den fast dschungelartigen Park bis hin zum mehrstöckigen Hochhaus. Theater? Aquarium?  Wolkenkratzer? Alles dabei! Das Spektrum der Schauplätze ist enorm. Und wer Seattle an der Westküste der USA kennt, wird einige Déjà-vus haben. Mal abgesehen davon, dass das Leveldesign hinsichtlich Architektur, Licht und Texturen allerhöchstes Niveau erreicht, sind die Schauplätze für das akrobatische Stöbern noch besser geeignet. Ellie kann ja klettern, schlittern, muss mit Anlauf über Abgründe springen, sie kann schwimmen, tief tauchen und an bestimmten Stellen sogar Seile benutzen, die sie einfach in die Tiefe oder über eine Planke werfen muss, damit sie Halt geben. Hier lässt das Abenteuer-Flair von Uncharted 4 grüßen. Auch das Einschlagen von Scheiben sorgt für neue Routen. Allerdings ist es nicht möglich, selbst angeschlagen wirkende Holztüren einzutreten, sie mit der Axt zu zerhacken oder mit dem Flammenwerfer zu verbrennen. Ihr wisst schon, dass ich da manchmal die Lupe ansetze...

Ellie und Dina sind toughe, willensstarke Frauen: Sie kennen nur diese harte Realität, sie können kämpfen und töten - ohne Skrupel, und zwar reihenweise. Auch das ist ein frischer Perspektivwechsel! Ja, eine Lara Croft trieb den Bodycount schon in die Höhe, aber viel sauberer. Einige Reaktionen haben gezeigt, dass Naughty Dog für einige ein Tabu bricht, denn Frauen traut man(n), trotz einiger prominenter Beispiele von den Amazonen über Boudicca bis  Jeanne d'Arc, in der Regel nicht diese Rolle zu, vor allem nicht das brutale Killen. In modernen Armeen sind zwar auch Soldatinnen aktiv, aber meist im Bereich Unterstützung oder auf Offiziersebene. Nach dem Palästinakrieg hat Israel z.B. Frauen von Kampfeinheiten ausgeschlossen, mittlerweile ist der Kampfeinsatz aber freiwillig möglich. Und in den USA können Frauen in fast allen Kampfeinheiten bis hin zum Marine Corps dienen - allerdings stellen sie dort unter zehn Prozent.

Starke Frauen

Naughty Dog idealisiert die Kampfkraft der beiden natürlich. Aber erstens ist das ein Action-Adventure und keine Armee-Simulation, zweitens wurde sie in all den Jahren zuvor auch bei allen männlichen Helden idealisiert, die zu Rambo mutieren durften. Während Ellie und Dina unterwegs sind, lernt man sie in Dialogen besser kennen und setzt zunächst wenige Waffen sowie Taktiken ein: Dabei geht es erneut um cleveres Agieren, um Deckung und Ablenkung, um leise Kills. Aber es geht auch um explosive Eskalation mit Schrot oder blutige Klopperei, für die das rechtzeitige Ausweichen unabdingbar und das Ablenken per Wurf ins Gesicht überaus nützlich ist - denn dann reicht meist ein Schlag. Sowohl der Nahkampf, das Ballern als auch das Schleichen fühlen sich jedenfalls klasse an, weil man auch mal wegrennen muss und es immer um Details geht.

Ellie und Dina sind toughe Frauen, die zusammen auf Patrouille gehen.
Zwar sind die Clicker z.B. blind, aber wenn man den Analogstick nur etwas zu stark beim Schleichen nach vorne drückt, hören sie einen. Dann schlurfen sie heran oder versuchen Ellie per Schallortung zu finden. Man muss sich von hinten anschleichen oder sie per Flaschenwurf gezielt in eine Position für einen Stealth-Kill per Messer bringen. Schafft man das nicht, hat man gegen ihre wuchtigen Sturmangriffe kaum eine Chance! Es gibt übrigens auch fettere Monster, die man eher mit Feuer und Schrot bearbeitet sowie einige kleine und große Bosskämpfe gegen groteske Wesen, die auch in Resident Evil 7 vorkommen könnten. Dazu gehören übrigens auch panische Fluchtszenen, in denen es unter Hochspannung nur darum geht, irgendwie zu entkommen.

Viele Situationen, vor allem wenn man angesichts der Sporen die Atemmasken aufsetzen muss, sorgen für Survival-Horror-Flair mit unheimlicher Geräuschkulisse. Gerade in den labyrinthischen Gebäuden, in denen man die Beine auch deshalb gerne in die Hand nimmt, weil da fiese, überaus agile Kreaturen im Dunkeln lauern, die einem trotz Schrotflinte und Molotow-Cocktail so richtig Angst einjagen können. Denn sie sind Jäger, die davon huschen und listig um die Ecke schauen, bevor sie sich kreischend auf Ellie stürzen. Und man kann sie nicht so einfach über Geräusche anlocken wie die "dummen" Clicker oder Runner.

Survival-Horror deluxe

Die Partner verhalten sich angenehm autark, geben Hinweise und kämpfen mit.
Aber Naughty Dog geht noch weiter, denn sie greifen vielleicht an, wenn man gerade über eine Planke balanciert. Sie verstecken sich sogar in Wänden voller Pilzbefall: Man muss genau hinsehen, auf ihre Köpfe und Krallen achten. Man kann sie vorsichtig umgehen, aber wenn man zu nah heran kommt oder zu laut ist, brechen sie wie eine monströse, zur Kreatur gewordene Pilzplastik hervor.

Der Regie gelingt es dabei hervorragend, die Spannung über subtile Reize von der bizarren Schmiererei an der Wand über seltsame Geräusche und das Einsetzen der Mollakkorde langsam aufzubauen. Selbst in den Rückblicken, die Sicherheit versprechen, weil man vielleicht jünger ist oder keine Waffen hat, können Situationen hin zur gefühlten Angst eskalieren, die sich plötzlich wieder verabschiedet. Und auch die Aussicht auf einen Bogen wird sehr gut vorbereitet, indem man den Spieler stückweise ködert und eine Nebenstory daraus macht: Erst findet Ellie einige Leichen mit Pfeilen, dann Notizen über einen Sportschützen namens Boris, darauf eine Trophäe in einem Keller, weitere Leichen und biografische Fakten...aber wo zur Hölle ist der Bogen?

Lautloses Töten ist ansonsten per Pistole mit Schalldämpfer oder Bogen sowie Armbrust möglich. Besonders cool ist es, Feinde per Flaschenwurf an eine Stelle zu locken, wo man kurz vorher eine Sprengfalle gelegt hat - oder in die man einen Molotow-Cocktail aus sicherer Deckung schmeißt. Apropos: Ellie ist im hüfthohen Gras nicht komplett sicher, denn Feinde können sie dort erspähen. Diese Momente vor der Entdeckung werden akustisch signalisiert, so dass man ein kurzes Zeitfenster hat, um entweder in Bauchlage zu gehen oder zu verduften. Was auf dem normalen Schwierigkeitsgrad relativ entspannt ist, wird auf schwer fordernd.

Steath-Action deluxe

Je nach Gegnertyp und Anzahl geht es meist darum, möglichst lange nicht gesehen oder gehört zu werden - man kann auch ganze Lager ohne Kampf durchschleichen. Und was man da alles anstellen kann, wenn man für Chaos sorgen will! Auch wenn man weder Leichen verstecken noch Lichtquellen löschen kann, erreicht man damit annähernd eine Qualität, die sonst nur spezialisierte Stealth-Action à la Splinter Cell oder Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain bietet. Allerdings sehe ich Letzteres militärtaktisch im Gelände sowie hinsichtlich der KI und Alarmierungsstufen in der Gruppe klar vorne, denn es gibt einige zu verzeihliche Aussetzer - da liegens schon zwei, drei Leichen in einem Garten und dennoch "entspannen" sich die Wachen. . Spätestens in den Wäldern von Seattle erreicht diese Spielmechanik allerdings ihren Höhepunkt. Als ein Pfeil in Ellies Schulter einschlägt, kann man ihren Schmerz fast nachempfinden. Die Wucht des Treffers wirft sie um, ihr Gesicht verzerrt sich und während sie zu bluten beginnt, ertönt dieses unheilvolle Pfeifen.

Das Leveldesign strotzt vor vertikalen Möglichkeiten.
Ihre Verfolger kommunizieren auf diese Art und schwärmen aus. Als sie lauscht, erkennt sie ihre grauen Silhouetten ganz in der Nähe. Diese "Scars" oder "Seraphiten", religiöse Fanatiker, wollen sie nicht gefangen nehmen: Sie wollen sie töten. So wie all die Gehängten in diesem unheimlichen Gebiet, das vor langer Zeit mal ein Park in Seattle war und jetzt wie ein überwucherter Urwald wirkt. Jetzt muss es schnell gehen: den Pfeil mit R1 herausziehen, damit sie nicht verblutet. Dann im schulterhohen Farn verschwinden. Wenn sie nicht umzingelt werden will, muss sie in Bewegung bleiben und am besten auf dem Bauch kriechen, denn ihre Jäger suchen sehr aufmerksam. Wenn sich Ellie voreilig aufrichtet und rennt oder mit der Schrotflinte Rambo spielen will, wird sie wie ein Hase niedergeschossen.

Apropos: Auch die Gegner sind cleverer als im Vorgänger. Zwar wird der Anspruch stark vom Schwierigkeitsgrad beeinflusst, aber schon auf der normalen, also der dritten von fünf Stufen, wird man gefordert, muss leise und gedeckt vorgehen. Außerdem kommunizieren die Feinde nicht nur untereinander über Zurufen oder Pfeifen, um z.B. zu flankieren, sie setzen auch Hunde ein.

Feindverhalten und Hunde

Naughty Dog inszeniert das klasse, denn die Schäferhunde und Bullterrier informieren erst ihr Herrchen, wenn sie etwas riechen. Der Mensch lässt den Hund nicht sofort von der Leine, sondern berichtet seinen Kollegen, dass der Hund vielleicht eine Spur hat. Dann schnüffelt er sich langsam vorwärts. Geht man jetzt in den Lauschmodus, kann man seine eigene Geruchsspur sehen und sollte schnell weg - denn wenn der Hund einmal losstürmt, hat man kaum eine Chance. Er verbeißt sich im Gesicht und muss abgeschüttelt werden.

Auch die "normalen" Schussgefechte haben es in sich. Sie klingen sehr gut, bieten den Schulterwechsel beim Anvisieren und die Waffen decken ein großes Arsenal ab - inkl. alternativer Munition und Schusstyp, von Brand bis Feuerstoß, auch Zielvisiere kommen für einige hinzu. Zu Beginn kann Ellie mit Pistole, Revolver und Gewehr noch nicht sehr präzise feuern, das Fadenkreuz springt auf dem normalen Schwierigkeitsgrad nicht automatisch auf den Gegner, hat also je nach Waffe eine andere Abweichung - was sehr gut ist! Ich empfehle dringend, das nicht zu ändern.

Schussgefechte deluxe

Zwar schießt man in der Hektik öfter daneben, landet beim Treffer vielleicht auf dem Rücken, feuert aus dem Liegen wieder daneben, aber freut sich dann umso mehr über den finalen Kopfschuss. Zudem sind die Modifikationen der Waffen an Werkbänken hinsichtlich Stabilität, Rückstoß, und Schaden wirklich spürbar - man wird also effektiver. Und nur weil Ellie nicht sofort eine Scharfschützin ist, lohnt sich auch der Ausbau der entsprechenden Talente, so dass sie z.B. den Atem zum Zielen für einige Sekunden anhalten kann.

Ab ins Boot und los...
Hinzu kommt ein klasse Treffer-Feedback, das an Killzone und Uncharted erinnert: Man kann den Feinden nicht nur die Helme vom Kopf schießen, jeder Schuss sorgt je nach Körperteil für andere Reaktionen und es ist sehr nützlich, auf die Beine zu schießen - das bringt die Leute zu Fall und ermöglicht Nahkampfattacken, um Munition zu sparen.

Das Figurenverhalten hat sich auch im Kampf verbessert, denn meist suchen sich die Partner eine sinnvolle Deckung oder gehen selbst in die Offensive, so dass man manchmal im Team flankieren kann. Aber man kann keine Befehle geben und es gibt gelegentlich Aussetzer, wenn sie doch ins Sichtfeld der Wachen huschen oder sich mit dem Gesicht zur Wand positionieren. Letztlich kann der Partner auch verraten, dass es gerade keine Gefahr gibt, wenn er schon zehn Meter weiter im Dunkeln wartet, während man noch vorsichtig in der Hocke nach Feinden Ausschau hält.

Koop im Kampf und neue Waffen

Situative Spannung entsteht vor und in den Gefechten - egal ob Nah- oder Fernkampf.
Man freut sich über neue Waffen bis hin zur Jagdpistole, dem halbautomatischen Gewehr oder dem Flammenwerfer, weil man sie einfach braucht - und sich Macheten, Baseballschläger & Co nach mehreren Hieben so abnutzen, dass sie zerstört werden, was natürlich unlogisch ist und nervt; immerhin findet man meist genug Ersatzklingen. Auch Rauchgranaten, Tretminen und Rohrbomben sind gern gesehene Hilfen. Zumal plumpe Sturmangriffe in den Nahkampf, weil der Gegner ja nur ein paar Meter entfernt steht, meist mit einem Kopfschuss bestraft werden - im Vorgänger konnte man das viel öfter ausnutzen, quasi sofort in den Feind rennen.

Daher ist es seltsam, dass Ellie "im Stehen" auf der normalen Stufe teilweise zu viel einstecken kann, vor allem, wenn man ihre Lebenspunkte erhöht hat: Da gibt es Szenen, in denen sie drei Schrotladungen aus nächster Nähe verkraftet. Und auch die Gegner-KI hat ihre Aussetzer, denn trotz Absprache und schon entdeckter Leichen ist sie manchmal recht verzeihlich in der Suche. Allerdings darf man nicht vergessen, dass man alles optional über die Schwierigkeit regulieren kann, so dass diese Kritikpunkte hinsichtlich Robustheit der Heldin und Wahrnehmung der Feinde auf höheren Stufen wegfallen.

Wie sieht es mit Rätseln aus? Die könne nicht mit Uncharted 4 konkurrieren, aber auch hier hat sich Naughty Dog gegenüber dem Vorgänger verbessert. Zwar findet man zunächst zu offensichtlich die Codes für Safes. Aber diesmal muss man die Zahlen nicht nur manuell eingeben, sondern muss sie im weiteren Verlauf auch mal logisch kombinieren (wie könnte man 1-5-2-?-? wohl ergänzen?) oder über Hinweise in Briefen oder der Umgebung fehlende Zahlen finden. Besonders cool: Man kann alle Safes auch nur nach Gehör öffnen, wenn man sich an dem etwas helleren Einrastgeräusch orientiert - nur braucht man dafür Geduld, denn das muss man an drei Positionen machen, die man von 0 bis 99 drehen muss.

Rätseln mit Safes und Containern

Neben den Safes gibt es lediglich räumliche sowie physikalische Rätsel: Manchmal erkennt man Beute in einem Bereich, der nicht zugänglich ist. Also muss man vielleicht erstmal tauchen, klettern, ein Seil benutzen, Scheiben einschlagen oder einen Container verschieben, um das Ziel zu erreichen. Manchmal gilt es, einen Generator mit Strom zu versorgen, wobei man das Kabel anschließen muss, das aber nicht sofort in Reichweite ist - oder es fehlt einfach Sprit. Es gibt auch eine Situation, in der man einen Container auf eine abschüssige Rampe fahren, schnell loslassen und zu einem Hebel sprinten muss, damit er rechtzeitig durch eine Garagentür rast - weil die nicht einrastet. Ansonsten spielt die Physik lediglich beim Scharfschützengewehr eine Rolle, mit dem man auf weite Distanz höher anhalten muss, weil sich die Projektile senken.

Wyoming kann idyllisch sein.
Auch wenn Naughty Dog beim Sammeln von Zutaten und Herstellen von Medikits, Munition sowie Granaten auf das gewöhnliche Prinzip des Vorgängers zurückgreift, treffen sie für mich die goldene Mitte. Man kann nichts endlos horten, die Räume sind nicht rappelvoll und auf dem normalen Schwierigkeitsgrad muss man haushalten - es gibt sogar lange Phasen, in denen einem genau die eine Zutat fehlt und man sich richtig freut, wenn man endlich etwas Explosives herstellen kann. Es gibt ein Maximum für z.B. drei Portionen Alkohol oder Tuch, so dass man nichts im Überfluss hamstern kann. Und wer die visuelle Oberfläche nicht mag, kann sie komplett deaktivieren.

Sammelei und Entwicklung von Fähigkeiten

Für die Modifizierung von Waffen (auch Bogen und Armbrust sind aufrüstbar) muss man eine Werkbank finden und genug Schrauben besitzen - es sind keine Fähigkeiten notwendig. Das Arbeiten an den Waffen wird ansehnlich dargestellt und lohnt sich, trotzdem ist es unlogisch, dass man seine Hieb- und Stichwaffen hier nicht reparieren kann. Dafür gibt es den Baseballschläger mit Stacheldraht quasi in der Negan-Collectors-Edition. Verdammte Schande, ist das im Kampf ein böses Gerät...

Naughty Dog geht dramaturgisch bis an Schmerzgrenzen.
Bei den Talenten geht Naughty Dog einen anderen Weg als im Vorgänger: Sobald man Trainings-Bücher zu Themen wie u.a. "Tarnung", "Fertigung", "Überleben", "Präzision" oder "Sprengstoff" findet, schaltet man sofort einen neuen linearen Strang von fünf Fähigkeiten frei, die man nacheinander mit Pillen aktivieren muss. In der "Tarnung" bekommt man z.B. erst den "Schalldämpfer", dann "Klarheit im Lauschmodus", "Schneller Bewegen in Bauchlage", "Verbesserter Schalldämpfer" und schließlich "Schnellere lautlose Kills".

Das Pillenprinzip ist natürlich komplett unlogisch, aber man kann immerhin spezielle Spielweisen ein wenig stärken. Trotzdem wirkt das Arsenal an Fähigkeiten nicht immer besonders durchdacht und man hat, wenn man wirklich gut sucht, letztlich fast alle Stränge bis ins Maximum entwickelt. Zumal man sich wundert, wenn man in einem Nahkampf-Trainingsbuch das schnellere Herstellen von Medikits freischaltet - ähm, ja.

Die deutsche Lokalisierung erreicht die hohe Qualität, die man von Sony kennt - egal ob Texte oder Dialoge: ich habe keine Fehler gefunden, keine Unstimmigkeiten gehört und mich in unserer Muttersprache auf Film-Niveau unterhalten gefühlt. Trotzdem ist etwas untypisch: Ellie hat im Deutschen eine andere Sprecherin. Dass sie erwachsen ist, kann kein Grund dafür sein, dass man ihre Synchronstimme wechselte, denn im englischen Original hört man weiter Ashley Johnson. Statt von Annette Potempa wird Ellie jetzt von Luisa Wietzorek gesprochen. Eigentlich bevorzuge ich Kontinuität, aber sie macht für diesen so zentralen Charakter einen super Job. Der ergraute Joel ist ja im Deutschen weiter mit Carlos Lobo besetzt, der zwar etwas heller klingt als Troy Baker im Englischen, aber ebenfalls sehr gute Schauspielarbeit abliefert. Aber auch sein Bruder Tommy und all die anderen haben mich akustisch überzeugt.

Lokalisierung und Sprecher

Die Optionen für Steuerung, HUD, Barrierefreihet & Co sind vorbidlich.
Zwar ist es heutzutage fast normal, dass man sein Spiel nicht nur hinsichtlich der Schwierigkeit, sondern auch der Benutzeroberfläche anpassen kann. Trotzdem gebührt Naughty Dog auch hier ein besonderes Lob.  Zum einen gibt es selbst innerhalb einer der fünf Stufen wie "Mittel" oder "Schwer" noch fünf separate Anpassungen für Spieler, Partner, Feinde, Tarnung und Ressourcen. So kann man z.B. die Häufigkeit von Material, Munition oder Checkpoints als auch das Verhalten von Gegnern und Verbündeten modifizieren. Damit beeinflusst man zudem die Aggressivität des KI-Partners, die Wahrnehmung der Wachen oder auch den eigenen Zugriff für einen Stealth-Kill, der auf normal eine recht hohe Reichweite hat.



Vorbildliche Optionen

Auch die komplette Benutzeroberfläche lässt sich anpassen: Wer visuelle Hilfen nicht mag (hallo Ben!), wie z.B. weiße Symbole, die in der Nähe von Ressourcen das mögliche Aufnehmen unterstreichen, kann diese ebenso abstellen wie Anzeigen für Leben, Schaden & Co oder auch die Hinweise, aus welcher Richtung die Gefahr naht.

Ihr könnt nahezu jede Einblendung von Icons oder Test deaktivieren.
Die Steuerung lässt sich frei belegen, so dass man alle ausführenden Aktionen ändern kann, Zielhilfen und Fixierungen sind einstellbar. Vorbildlich sind zudem die möglichen Anpassungen hinsichtlich der Barrierefreiheit, man hat an Linkshänder und Farbenblinde gedacht - es gibt sogar eine optionale Sprachausgabe für die Bildschirmtexte, die man auch noch in Größe und Farbe verändern kann.

Steuerung und Archiv

Last but not least seien der coole Fotomodus und die Archive erwähnt. Ich hatte am Ende, wenn man übrigens Neues Spiel plus freischaltet, das euch das ganze Arsenal sofort beim erneuten Start zur Verfügung stellt, über 3000 Punkte erhalten. Wofür? Vermutlich für pro Level gefundene Artefakte, Sammelkarten, Tagebucheinträge, Werkbänke und Safes, über die alle in der Form 2/4 und 1/1 eine Statistik geführt wird, die ich für das Freischalten von Concept Art und Charakterportraits einsetzen konnte, was pro Galerie zwischen 20 und 60 Punkte kostete. Und das lohnt sich, denn vor allem die Illustrationen zeigen sehr schön den künstlerischen Prozess von der Zeichnung zur animierten 3D-Welt.

Fazit

The Last of Us 2 wird euch sehr tief in die Augen blicken - und ihr werdet euch erschrecken. Das ist eines der besten Spiele dieser Generation. Naughty Dog erweitert nicht nur die visuelle Pracht eines Uncharted 4 mit unheimlicher Liebe zum Detail, was Interieur sowie Animationen betrifft - und das in einem enormen Spektrum von angenehm verschachtelten und freien Schauplätzen. Dieses apokalyptische Amerika zeigt neben seiner brutalen Fratze auch immer wieder sein wunderschönes Gesicht - einfach Kamera drehen und diese überwucherten Landschaften genießen. Hinzu kommt der spielmechanische Fortschritt, der akrobatische Erkundungen mit dezenten Rätseln, aber vor allem unheimliche situative Spannung mit Horrorflair und ausgefeilter Schleichtaktik inszeniert: Ich habe einige der packendsten und coolsten Momente meiner Zeit als Spieletester erlebt. Zwar sind Sammeln, Craften und Fähigkeiten nicht mehr als gewöhnlich. Aber Storytelling, Charakterzeichnung und Dramaturgie erreichen über 35 Stunden einzigartige Qualität. Viele Spiele haben Beziehungen und Gewalt thematisiert. Aber es gibt keines, das diese Art der Perspektivwechsel und diese emotionale Achterbahnfahrt inszeniert, so dass man über Männer und Frauen, Täter und Opfer, Fanatismus und Rache reflektiert. Dabei wird kein Schwarz und Weiß propagiert: es wird auf hervorragende Art differenziert. Naughty Dog beweist hier Reife, Mut und Klasse. Großartig!

Pro

  • hervorragende Regie
  • ergreifende Story um Rache und Wahrheit
  • differenzierte Sicht, keine Schwarzweißmalerei
  • tolle Rückblicke und Perspektivwechsel
  • authentische Charaktere, lebendige Dialoge
  • weitgehend sinnvolles Verhalten der Koop-Partner
  • klasse Spielmechanik mit coolen Stealth-Manövern
  • gute Gegner-KI umzingelt, kommuniziert, sucht
  • Hunde und Herrchen suchen glaubwürdig
  • cooles akustisches Frühwarnsystem vor Entdeckung
  • sehr gute Schussmechanik und Waffenwirkung
  • freie Erkundung mit Akrobatik, Seil, Tauchgang & Co
  • unheimlich intensive Nahkämpfe und Kills
  • erstklassige Animationen, Mimik und Gestik
  • dezente Charakterentwicklung in mehreren Talenten
  • Waffen modifizieren, Gegenstände herstellen
  • physikalische Auswirkungen von Gewicht & Projektil
  • einige Reit- und Fahrpassagen inkl. Boot
  • kleine physikalische und mathematische Rätsel
  • Safes kann man nach Gehör knacken
  • wundervolle Kulissen und Landschaften
  • verwinkelte Gebäude und Areale mit Geheimnissen
  • unheimliche Detailfülle (Spuren, Nässe, Wind etc.)
  • coole Survival-Horror-Momente
  • tolle Musikuntermalung, wuchtige Soundeffekte
  • präzise und modifizierbare Steuerung
  • fünf Schwierigkeitsgrade, einzeln modifizierbar
  • optionale Hinweise, wenn man nicht weiter weiß
  • automatisches und manuelles Speichern
  • komplette deutsche Lokalisierung

Kontra

  • einige Klonfiguren im Einstieg von Jackson
  • Koop-Partner mit gelegentlichen Aussetzern
  • gewöhnliches Sammel
  • und Crafting-Prinzip
  • Abnutzung von Nahkampfwaffen/Schalldämpfer nervt
  • Ellie kann auf "normal" zu viele Schrot-Treffer einstecken
  • eine der Fraktionen bleibt sehr blass
  • manchmal Grafik-Bugs bei Seilbenutzung

Wertung

PlayStation4

The Last of Us 2 wird euch tief in die Augen blicken - und ihr werdet euch erschrecken. Naughty Dog beweist hier Reife, Mut und Klasse. Großartig!

Echtgeldtransaktionen

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Leicht
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  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
PlayerDeluxe

Hab das Spiel mittlerweile ein zweites Mal durchgespielt - diesmal mit fluffigen 60 FPS, aktivierten Cheats und deaktivierter Filmkörnung auf der PS5. Hat mir erneut Spaß gemacht - mit dem Abstand von mehr als zwei Jahren nach dem ersten Durchgang. Hab mir zudem noch die letzten fehlenden Artefakte und Sammelkarten geschnappt und somit seit gestern die Platin-Trophäe geangelt. Einige von den Collectibles hätte ich ohne die sehr hilfreichen YT-Videos zu dem Thema niemals alleine gefunden. Grafisch befindet sich das Spiel immer noch auf sehr hohem Niveau. Bei dem jüngst aufpolierten Part I hat sich in Sachen Mienenspiel aber merklich nochmal was getan. Auf dem Level befindet sich Part II nicht komplett. Trotzdem wären einige aktuelle Spiele der Konkurrenz froh, wenn sie nur ansatzweise so aussehen würden wie Part II. Spiele der PlayStation-Studios haben mich bisher selten enttäuscht. Nächster Kracher von dieser oder ähnlicher Qualität dürfte dann God of War Ragnarök sein...

vor 2 Jahren
Ultimatix

Das Game wurde schlechter bewertet als Death Stranding. Ja nee, ist klar

vor 2 Jahren
MrLove

Jörg, ich habe mal viel gegeben auf deine Tests, gerade weil ich das Gefühl hatte, dass etwaige Hypes oder Shitstorms an dir abgeprallt sind und du einfach dein Ding durchgezogen hast. Mittlerweile muss ich aber davon ausgehen, dass du entweder den Spaß am Gaming verloren hast oder einfach nur gekauft bist.

Die politische Agenda und überhaupt der politisch motivierte Bullshit, der einem seit Jahren von ND aufgetischt wird, frisst sich so tief in ihre Spiele, dass diese für einen halbwegs klar denkenden Menschen kaum mehr erträglich sind. Und die Leaks vor einigen Wochen haben dahingehend genug Einblick geliefert, als dass man TLoU2 als Kulmination dieser Bewegung betrachten darf. Überhaupt stößt mich dieses menschenverachtende Bild, dass Naughty Dog hier zeichnet, nur mehr ab. Wenn diese Art des Story-telling "differenziert" sein soll, dann würde ich Dark Souls als Komödie bezeichnen, das ergibt ungefähr genauso viel Sinn.

Sorry für diesen kleinen Rant, aber diese Entwicklung wider mich mittlerweile doch an.

Da investiert man so viel Zeit, so viel Analyse in einen Test und muss sich anhören, dass man gekauft ist. Wie respektlos kann man sein? Unsere Forenrichtlinien sind da recht klar. Du bist gesperrt. Jörg.
Ist im Gegensatz zu Nintendo low IQ Games für Hirn und Fingermotorik fordernd. Nix für Nintnedospieler

vor 2 Jahren
No Cars Go

15 Monate nach Release und in Version 1.09 rollten nun auch bei mir die Credits, und ich brauchte erstmal ein gutes Stündchen, um zu verarbeiten, was da über knapp 30 Spielstunden auf meinem Bildschirm passiert war. Selten hat mich eine Geschichte, ganz gleich ob erzählt via Videospiel, Film oder Serie, so aufgewühlt wie Neil Druckmanns jüngstes Werk, und ich bin froh, den ersten Teil zuvor bereits gespielt zu haben, um dramaturgisch die maximalmögliche Breitseite dieses Bretts vor den Latz gezimmert bekommen zu können. Zwar habe ich schon ein paar Kritikpunkte an manchen Aspekten der Erzählweise, auf die ich auch noch zu sprechen kommen werde, aber grundsätzlich kann ich dem Herrn Luibl nur zustimmen; The Last of Us Part II ist auch in meinen Augen nicht weniger als ein Meilenstein der Geschichte des Videospiels. Und nicht nur der des Videospiels: Auf Anhieb fällt mir kein filmisches Werk ein, das mir den Tropus der Rache reifer und im dramaturgisch-positiven Sinne unangenehmer nahgebracht hätte.
Menschen, so will es ihre Natur, fühlen sich in der Regel und gerade in Belastungssituationen, ganz selbstverständlich dem Lager verbunden, in das sie entweder zufällig hineingeboren wurden oder dessen Seite der Geschichte sie, ebenso zufällig, zuerst erfahren haben. Loyalität, und wem sie zugestanden wird, ist, genau wie bspw. beim Clubfußballfantum, selten rational begründbar und in erster Linie Werk der Göttin Tyche. Und wer Freund ist und wer Feind, das kann sich innerhalb kurzer Zeit ändern, wie uns im 20. Jahrhundert vor allem die Geschichte des Zweiten und des Kalten Krieges gelehrt hat. The Last of Us Part II zeigt auf herausragende Weise, was es bedeutet und wovon es abhängt, den Feind zu lieben und den Freund zu hassen, Identifikationsfiguren zu Endbossen aufzubauen und beim Gegner den Freund, die Gattin, die Familie eines anderen Menschen und einer anderen Biographie mitzudenken; "The Russians love their children, too ..." trifft den Nagel gut auf den Kopf. Ganz besonders herausragend fand ich dabei die emotional aufreibende Hetzjagd auf einen kaltblütigen Scharfschützen, der sich letztlich, und nachdem er über die Leiche meines Mitstreiters gestiegen war, als bekanntes und doch eigentlich sympathisches Gesicht entpuppte. Absolut fantastisch! Platin ist dieses Ding ohne jeden Zweifel, und zwar gleichermaßen erzählerisch, grafisch, akustisch und spielerisch.
Nun zu dem Punkt, dem ich nur eingeschränkt und unter Vorbehalt zustimmen kann:

Aber es geht in diesem Abenteuer nicht um einen besonderen Fokus auf LGBT, um irgendeine künstliche Fixierung, zumal alle anderen Beziehungen heterosexuell sind - es geht um ganz "normale" menschliche Konflikte.
Im Vergleich zum ersten Teil wird der Fokus auf LGBTQQIAAP+-Themen (ich denke mir dieses Akronym nicht aus) mehr als deutlich. Während es 2013/2014 lediglich eine Anspielung auf die schwule Neigung eines Nebencharakters gab und nur in der separaten DLC-Expansion Ellies Hintergrund- mit ihrer lesbischen Geschichte verquickt wurde, fährt Teil 2 auffällig mehr Diversitätsthemen auf: Da reitet eine lesbische Ellie mit ihrer jüdischen bisexuellen Freundin Dina durch Seattle und holt sich Kommentare zum Holocaust ab; Abby hat in einer Welt, in der es um das blanke Überleben geht und Kalorien rationiert werden müssen, Oberarme, die im Umfang knapp an jene eines Chris Redfield in Resident Evil 5 heranreichen (auch da fand ich die schon lächerlich), und die Geschichte eines transsexuell empfindenden biologischen Mädchens ist ebenfalls mit von der Partie, während es bei den Seraphites, einer Sekte, die auf überwiegend mittelalterlichem Niveau lebt und bei der arrangierte, also unter Zwang geschlossene, Ehen auf der Tagesordnung stehen, wie durch ein Wunder eine strikt eingehaltene Frauenquote sowohl unter den einfachen wie auch unter den hünenhaften Soldaten gibt. Hier spielt, gemessen an der relativen Fülle, in der sich diese Themen bemerkbar machen, ohne jeden Zweifel der Zeitgeist eines auf Social Justice & Diversity bedachten Democrats der kalifornischen Westküste der 2010er Jahre rein. Diese Nebengeschichten konnten mir insgesamt, so offensichtlich sie teils in den Plot hineinkonstruiert wurden, aber mitnichten den Spaß am Spiel und die Ehrfurcht vor der Leistung Naughty Dogs nehmen. Obwohl ich mich selbst tendenziell als Anti-SJW betrachte, kann ich mit den Leuten, die sich auf Youtube zeigen, wie sie die Disc aus ihrer Konsole nehmen und zertrümmern, nur bemitleiden. Sie wissen nicht, was ihnen entgeht. Und ich kann es als nicht weniger als hochnotpeinlich und ironisch empfinden, wenn selbsternannte Anti-SJWs genau jenes Verhalten an den Tag legen, das sie beim politischen Gegenüber so gern und oft zurecht kritisieren: kreischen, toben, schimpfen, Zeter und Mordio, der anderen Seite schlimmstenfalls noch den Tod wünschen ... grausam. Nichtsdestotrotz: Anwürfe wie dass es sich bei The Last of Us Part II um "Feminism: The Game" handle, sind zwar übertrieben, lassen aber wenigstens und mindestens einen Kernel Wahrheit blicken.
Unabhängig davon kann ich auch jeden Fan verstehen, der sich vom Tod eines geliebten Protagonisten gleich in den ersten drei Spielstunden von Naughty Dog und Neil Druckmann voll und ganz veräppelt vorkam; der 2019 veröffentlichte Release Date Reveal Trailer schließt mit der Frage:

"You think I'd let you do this on your own?"

Im fertigen Produkt wird diese Frage, wie ein Schlag ins Gesicht, von einer gänzlich anderen Person gestellt. Gleichzeitig sind allein jene 10 sec, in denen diese Frage in besagtem Trailer gestellt wird, die einzigen von insgesamt 2 min und 40 sec, die ansonsten ausschließlich authentisches Gameplay Footage präsentieren. In meinen Augen verschwimmt hier die Grenze zwischen künstlerischer Freiheit auf der einen und blankem False Advertising auf der anderen Seite. Hideo Kojima zeigte 2001 mit Metal Gear Solid 2, Solid Snake und Raiden, wie man es macht, ohne zu lügen. Ich selbst kann damit zwar leben, halte die Kritik aus genannten Gründen an dieser Stelle deshalb aber für nicht unberechtigt. Gleichzeitig, freilich, gilt ebenso, dass man es dem Fan schwer rechtmachen kann: Einerseits ist der böse Spoiler der Todfeind des Fans. Andererseits fordert der Fan gern mal auch nachträglich ein, er wäre vorher doch besser gespoilert worden, wenn ihm der Ausgang der Geschichte persönlich nicht gefällt. Auch hier lehne ich die Doppelmoral ab.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
ChiefMayhemSoap

Ich habe vor dem Spiel - wie wahrscheinlich viele andere auch - noch einmal den ersten Teil gespielt. Im Anschluss dann Teil 2 und dann Teil 2 einfach nach ca. 2 Wochen direkt noch einmal.

Dabei hat mich tatsächlich der Personenwechsel im Spiel beim ersten Mal richtig gewurmt. Wenn man dann aber dabei bleibt, dann wächst das Spiel durch diesen Wechsel in meinen Augen noch einmal extrem. Die Nachvollziehbarkeit der Motivation beider Charaktere und auch diese Momente am Ende,... ich fand es großartig.

vor 3 Jahren