Ghost of Tsushima - Test, Action-Adventure, PlayStation4, PlayStation5, PC
Es gelingt Sucker Punch (Sly Raccoon, inFamous) gleich in der ersten Begegnung zwischen den Japanern und den Mongolen, die unterschiedlichen Vorstellungen von Krieg zu demonstrieren: Ein Samurai prescht alleine vor, will nach alter Sitte in einem Duell antreten. Aber Kothun Khan begrüßt ihn mit Öl, verbrennt und köpft ihn. Er ist nicht für den Ruhm über das Meer gesegelt, sondern um mit allen Mitteln dieses störrische Land zu unterwerfen.
Ehre gegen Terror
Was nach Pathos und Schwarzweißmalerei klingt, entspricht durchaus der historischen Überlieferung. Natürlich wird Gut und Böse von Anfang an klar verteilt, aber die Mongolen setzten auf Terror als Kriegstaktik, marschierten in Formationen wie der Phalanx, während die Japaner in Schlachten des 13. Jahrhunderts noch den ehrenhaften Zweikampf suchten - zumindest unter Samurai.
Aber tatsächlich ritten am 4. November nur 80 Samurai unter dem Gouverneur der Insel, So Sukekuni, wohlwissend in ihren Tod.
Viel historisches Flair
Aber die Entwickler haben vieles andere gut recherchiert, sie benutzen z.B. originale Begriffe wie "Shashimono" für die Flaggen der Samurai, sie gehen auf den damals in Japan populären chinesischen Philosophen Sun Tzu (Die Kunst des Krieges), auf Buddhismus und Kami sowie den Volksaberglauben mit Kappa, Tengu & Co ein. All das nur in Facetten, aber: Sie sorgen damit für einen angenehm authentischen Rahmen. Und genau der könnte den einen oder anderen Spieler vielleicht neugierig machen, sich mit der Kamakura-Zeit (1185 - 1333) sowie den Mongoleninvasionen zu beschäftigen. Wer sich dafür interessiert, findet in diesem Video eine kleine Einführung.
Das Spiel beginnt genau an jener tragischen Stelle, als die 80 Samurai am Komoda-Strand in den Tod reiten: Man übernimmt Jin Sakai auf seinem galoppierenden Pferd, der zwar mit seinem Onkel, Fürst Shimura, noch einige Mongolen töten kann, doch dann von Pfeilen getroffen fällt. Aber er hat Glück, denn er wird von einer FRau namens Yuna schwer verwundet gefunden. Als Gegenleistung für ihre Hilfe soll er ihren Bruder, einen Schmied, vor den Mongolen retten. Aber Jin hat nur eines im Sinn: Erst seinen Onkel und dann ganz Tsushima befreien!
Vernunft gegen Besessenheit
Yuna schlägt sich als Diebin durch, kann selbst kämpfen und sorgt für einen vernünftigen Gegenpol zum allzu heroischen Jin und seiner Besessenheit, wie ein ehrenhafter Samurai zu handeln. Auch wenn seine Haltung aus moderner Sicht töricht wirken mag, bleibt Sucker Punch damit dem überlieferten Zeitgeist samt der Vorstellung von Ehre angenehm treu. Warum Jin dem Ideal des Bushido, dem Weg des Kriegers, derart selbstmörderisch folgen will, verdeutlichen schöne Rückblicke in seine Kindheit, die auch seine Unsicherheit zeigen.
Unterdrückte Schönheit
Warum fasziniert das so? Die Inszenierung der wogenden Wiesen erinnert ein wenig an flower, das 2009 auf der PlayStation 3 erschien, nur dass Sucker Punch die Landschaft wesentlich natürlicher und aufgrund stimmungsvoller Lichteinflüsse sowie dem feinen Dunst noch eindringlicher wirken lässt. Hinzu kommt ja ein Tag- und Nachtwechsel sowie Gewitter und Regen, die die Palette an Stimmungen nochmal erweitern. Übrigens: Die stimmungsvolle Dämmerung am Morgen und Abend wird tatsächlich in die Länge gezogen - zeitlich also nicht korrekt, aber ich habe das sehr genossen. All das wird musikalisch untermalt von den Kompositionen der filmerfahrenen Ilan Eshkeri (47 Ronin, Kick-Ass) und Shigeru Umebayashi (Crouching Tiger, Der Fluch der goldenen Blume), die auch einige akustische Facetten der alten Samurai-Filme erklingen lassen.
Flower lässt grüßen
Vom Wind getrieben
Aber die Legende muss sich erstmal um Jin bilden. Zunächst ist er zwar der scheinbar letzte Samurai, und genießt als Adliger direkt den Respekt der Bewohner, die sich auch vor ihm verbeugen – und ihn offensichtlich unterstützen wollen. Aber noch erzählt man sich keine Geschichten von der möglichen Befreiung der Insel, weil alle unter der Knechtschaft der Mongolen leiden, die man überall im Land spürt und vor allem auch sieht - das "Environmental Storytelling" ist überaus gelungen, auch wenn es auf lange Sichte einige ähnliche Situationen wie etwa an einem Baum gefesselte und mit Pfeilen durchsiebte Krieger oder qualmende Wagen am Straßenrand gibt.
Die Legende wächst
Ketten des Todes
Jin eignet sich also, auch auf Anraten Yunas, einige unehrenhafte Manöver an. Doch gleich beim ersten Stealth-Kill überkommt ihn das schlechte Gewissen: Es gibt eine Rückblende in seine Jugend und eine Lektion mit seinem Onkel, in der es um Ehre und den Kampf von Angesicht zu Angesicht geht. Es ist schön, dass die Regie auch seine Zweifel zeigt. Und es ist auch schön, dass sich das bei den Mongolen rumspricht, denn selbst der Khan konfrontiert den Onkel mit dem "brutalen" Neffen. Wer sich nicht so sehr wie ein Shinobi oder Ninja (das Wort taucht übrigens trotz diverser Techniken bis zur Rauchbombe und Kunai nie im Spiel auf), sondern ein Samurai verhalten will, kann das noch coolere Herausfordern verbessern.
Ähnlich wie in einem Western kann man sichtbare Gegner zu einem Duell herausfordern, falls man noch nicht zu nah dran ist. Wenn man z.B. in einem Gebüsch geduckt oder reitend auf eine gewisse Distanz heran kommt, hat man ein Zeitfenster für die Aktivierung des Duells: Dann schaltet die Kamera erst in eine seitliche Ansicht, um das Annähern des Kontrahenten zu zeigen. Danach muss man die Hand an sein Katana legen, indem Dreieck gedrückt hält. Man darf jetzt erst loslassen, wenn der Gegner eine Angriffsbewegung macht: Stimmt das Timing, wird er mit einem Hieb in Zeitlupe niedergestreckt; stimmt es nicht, wird man selbst getroffen und erleidet großen Schaden, ist zu Beginn fast tot.
Duell im Samurai-Stil
Blutiger Flow statt tausend Tode
Außerdem sollte man später je nach Gegner eine von vier Haltungen einnehmen, um gegen Schwert-, Schild- oder Speerträger sowie die großen Barbaren effizienter zu sein. Hat man aber einmal die richtige Haltung, reichen einfache Kombos, um den Gegner erst ins Taumeln zu bringen und dann niederzustrecken. Und selbst die etwas spannenderen „Bosskämpfe“ meistert man spätestens nach zwei, drei Versuchen – selbst, wenn man die Haltungen nicht weiter ausgebaut hat.
Im Gegensatz zu den Kampf-Abenteuern von Team Ninja oder From Software kann man sich weniger waffentechnisch spezialisieren (es gibt Bögen und Katana) sowie viel leichter gegen eine Übermacht gewinnen. Selbst wenn man seine Ziele nicht fixieren darf und die Kamerasicht mal wieder blockiert ist, kann man sich selbst im Getümmel behaupten. Jin darf sich ja auf Knopfdruck mitten im Kampf heilen und das Zeitfenster für die Paraden nochmal in den Fähigkeiten vergrößern – sogar für das rechtzeitige Wegrollen kann man später einen direkten Kill erlernen. Er verliert beim Blocken keine Ausdauer, kann immer wegrollen und spätestens wenn er auch Pfeile ablenkt, ist er auf einer höheren Position weit überlegen.
Tödliche Leichtigkeit
Tenchu auf Speed
Manchmal erinnert das Ganze auch an ein Tenchu auf Speed, zumal man auf so viele Arten nahezu jedes Gebäude und jede Festung infiltrieren kann: Man kann sich durch Lücken im Zaun zwängen, unter Häusern wie eine Schlange kriechen, auf Dächer klettern und über Gassen springen, auf Balken tänzeln oder durch Luken vom Dach in die unteren Etagen einsteigen. Man kann durch Papierwände meucheln, Feinde mit Geräuschen weglocken, Kunai aus dem Handgelenk werfen, Hornissen-Nester oder Feuerschalen per Pfeil für Ablenkung nutzen oder mit einer Rauchbombe für Verwirrung sorgen und im dichten Qualm fliehen oder darin zum spektakulären Kettenkill ansetzen. Und das macht einfach Laune!
Zudem steigt der Anspruch spätestens ab der zweiten Hälfte an, was übrigens gut zur geografischen Zweiteilung der Insel passt: Plötzlich setzen die Mongolen auch Blendgranaten ein, die einem die Sicht rauben, oder feuern aus Donnerbüchsen. Oder man darf nicht sofort bei der Infiltration auffallen, weil sonst Geiseln getötet werden: Wer plump vorwärts stürmt, muss die Mission erneut starten. Außerdem sichern sie ihre Lager bald mit Adlern ab, die einen viel früher entdecken und patrouillieren mit Hunden. Aber die tibetanischen Mastiffs sehen besser aus als sie wittern: Selbst wenn man sich direkt vor ihnen hinter einem Zaun versteckt, schlagen sie nicht an. Schießt man ihr Herrchen mit einem Pfeil tot, bleiben sie manchmal stehen. Hier zeigt sich ein großer Unterschied zum authentischeren Verhalten der Vierbeiner in The Last of Us Part 2. Aber Ghost of Tsushima hat noch mehr zu bieten als Kampf, darunter eine gute Story, einiges an Rollenspielflair und tolle Überraschungen en detail.
Im Gegensatz zu den Kampf-Abenteuern von Team Ninja oder From Software kann man sich weniger waffentechnisch spezialisieren (es gibt nur Bögen und Katana) sowie viel leichter gegen eine Übermacht gewinnen. Selbst wenn man seine Ziele nicht fixieren darf und die Kamerasicht mal blockiert ist, kann man sich selbst im Getümmel behaupten. Jin darf sich ja auf Knopfdruck mitten im Kampf heilen und das Zeitfenster für die Paraden nochmal in den Fähigkeiten vergrößern – sogar für das rechtzeitige Wegrollen kann man später einen direkten Kill erlernen. Er verliert beim Blocken keine Ausdauer, kann immer wegrollen und spätestens wenn er auch Pfeile ablenkt, ist er auf einer höheren Position weit überlegen.
Zumal die Feinde einer nach dem anderen hinauf stürmen, die Leiter eines Turms wie Lemminge erklimmen oder nacheinander in seine Pfeile rennen, die er über eine Zeitlupe in Kopfschüsse verwandeln kann. Die Gegner-KI ist der größte Schwachpunkt des Spiels, auch bei Infiltrationen liegt sie klar hinter jener aus Sekiro oder gar The Last of Us Part 2: Da kann man eine Wache vom Turm schießen, ohne dass die vom anderen Turm in Sichtweite das bemerkt. Zwar alarmieren sich die Mongolen bei Leichenfunden (man kann sie nicht verstecken) per Hornruf, dann wird auch die Gegend abgesucht, aber innerhalb eines Lagers wird so schlecht kommuniziert, dass sogar der Anführer manchmal im Zelt bleibt.
Diese meist in goldenem Schuppenpanzer mit Vollhelm gerüsteten Krieger sind zwar etwas gefährlicher, zumal man sie nicht auf einen Schlag von hinten töten kann, bleiben als Gegner aber recht blass. Und was extrem plump wirkte: das Brüllen – egal ob sie Gefangene anschreien oder Trainieren. Das sind jedenfalls keine erkennbaren Persönlichkeiten und sie bilden keine militärtaktische Elite, die der Khan irgendwie steuert – es gibt also keine Hierarchie wie im Nemesis-System eines Schatten von Mordor. Sie reagieren auch nicht, wenn Jin im Umfeld ein Lager nach dem anderen erobert. Immerhin gibt es nach dem ersten Kapitel eine Offensive des Khans, die zumindest nochmal für eine Bedrohung sorgt.
Jin braucht ja die Hilfe anderer Krieger, um Tsushima zu befreien: Und genau darum drehen sich die gold markierten Hauptmissionen, die für die Bildung der Legende die meisten Punkte bringen. Erst wenn er weitere Verbündete gewinnt, darunter einen Schmied, der den wichtigen Wurfhaken herstellen muss, die berüchtigten Strohhut-Ronin, eine Fürstin aus altem Adel sowie einen berühmten Bogenschützen, kann er sich an die Befreiung seines Onkels wagen. Jeder dieser Charaktere verfügt über eine eigene Biographie und eine schön ausgearbeitete Questreihe in bis zu neun Kapiteln, die man jederzeit unterbrechen kann, um die Insel weiter frei zu erkunden.
Verbündete in Hauptmissionen
Dabei ist man auch kooperativ unterwegs, teilweise auch in kleinen Gruppen zu Pferd und lernt die Charaktere und ihre Motive besser kennen – ähnlich wie in Naughty Dogs Abenteuern unterhält man sich auf dem Weg zum Ziel. Und manchmal muss man schmunzeln, wenn Yuna Jin mit all seiner anstrengenden Würde und Disziplin mal wieder aufzieht. Trotz heiterer Zwischentöne bleibt die Stimmung aber eher ernst, begegnet man immer wieder verzweifelten Bauern oder pflügt wie ein Todesengel durch Lager: Wenn verletzte Mongolen weg kriechen, kann man ihnen übrigens den Todesstoß versetzen - oder einfach abwarten.
Kooperation und kleine Entscheidungen
Gerade in diesen Missionen wird auch deutlich, dass nicht nur die Mongolen der Feind sind - es gibt Banditen und Verräter. Sucker Punch hält auch dem Bild des ehrenhaften Kriegers oder selbstlosen Priesters mitunter auch gekonnt den Spiegel vor, denn der Egoismus hat vor Bushido und Buddhismus nicht Halt gemacht - und auch Samurais lügen.
Wer die Insel frei erkundet, kann viele Spuren der Invasion finden: Zerfetzte Banner wehen an halb verkohlten Türmen, manche Häuser sind eingestürzt oder Belagerungsgerät wartet noch vor Toren. Neben dem auf lange Sicht natürlich etwas wiederholungsanfälligen Aufsuchen von Schreinen, heißen Quellen, Bambusständen, Friedhöfen oder alten Säulen, die alle andere Boni bringen, kann man auch auf zufällige Ereignisse treffen, die man aus Rollenspielen von Skyrim bis The Witcher 3 kennt.
Rollenspielflair in offener Welt
Besonders lustig ist, dass die Schwarzbären in den Wäldern auch andere Wanderer oder ganze Patrouillen in Kämpfe verwickeln (oder umgekehrt) – diese Gefechte kann man aus der Distanz beobachten und sie gehen immer anders aus. Aber meist fliegt ein Mongole im hohen Bogen durch die Büsche. Wer es auf das Fell des Bären abgesehen hat, muss evtl. keine Pfeile verschwenden...
Hier gibt es tolle kleine Geschichten, in denen es trotz des eher historischen Ansatzes auch um einige Aspekte der japanischen Mythologie geht, also um Kami und Kappa, um Yokai und Tengu. Falls euch das Thema interessiert, haben wir hier zwei Videos parat. Es gelingt Sucker Punch jedenfalls sehr gut, den Volksaberglauben zu integrieren. Jin kann diesen sagenhaften Erzählungen dann meist in grau markierten Nebenmissionen auf den Grund gehen.
Spuren japanischer Mythologie
Sucker Punch geht dabei also nicht in die Tiefe eines klassischen Rollenspiels: Vieles bleibt an der Oberfläche, es gibt keine Dialogbäume. Und wenn man die Häuser der Bewohner betritt, kann man sich wie in The Witcher 3 am Proviant bedienen - auch wenn es allen sichtbar schlecht geht. Hier wird der folgenlose Diebstahl immerhin dadurch abgeschwächt, dass die Bauern diesen Samurai sofort begrüßen und ihn meist unterstützen wollen – sie sammeln sogar und spenden an einem Tempel, an dem man nach genug guten Taten seine Belohnung abholen kann. Trotzdem hätte man das besser lösen können, indem man diese Beute gar nicht in bewohnten Häusern verteilt und nur nach Missionen ausschüttet.
Beute und Ausrüstung
Wofür braucht man all den Kram? Zum Aufrüsten natürlich. So kann man, hier sind wir bei unrealistisch, sowohl sein Katana als auch Tanto, sowohl seinen Kurz- als auch Langbogen in mehreren Stufen hinsichtlich Schaden, Reichweite & Co verbessern. Auch die Rüstung, sei es jene des Samurai, des Ronin oder des Wanderers lässt sich in dieser Art mehrstufig verbessern, so dass sie mehr Schaden abhält, besseres Verstecken erlaubt oder schnelleres Bogenschießen. All das benötigt nicht nur Eibenholz, Eisen oder das seltene Gold, sondern auch sehr viel Proviant, so dass man sich spezialisieren muss. Und wofür sind die Blumen? Damit kann man spezielle Farbmuster freischalten oder auch Hüte. Schließlich kann man in sein Katana auch noch Talismane stecken, starke goldene und schwächere graue, die wiederum die Heilung, das Parieren, die Tarnung, die Beute oder anderes anpassen.
Klettern à la Uncharted
Dafür setzt Jin irgendwann seinen Wurfhaken ein, um daran zu schwingen oder in Bergsteigermanier steile Wände zu erklimmen. Dann wird es spielerisch etwas anspruchsvoller, zumal man sich bei tiefen Stürzen verletzen oder sterben kann - erst wenn man das Abrollen erlernt, kann man sich auch in die Tiefe stürzen. Aber das Schöne an diesen Passagen ist eher der Weg zum Ziel, der einen trotz zunächst offensichtlicher Torii-Tore und selbst Wind schon mal den richtigen Pfad suchen lässt. Wenn man dann ganz oben ankommt, kann man den Panoramablick über diese wunderschöne Insel genießen.
Dass mich Ghost of Tsushima trotz der schwachen Gegner-KI sowie einiger repetitiver Sammelmechaniken sehr gut unterhalten hat, liegt auch an den vielen Kleinigkeiten, wie etwa der Angst der Feinde im Kampf oder dass man für heilige Rehe keine Felle bekommt, die verdeutlichen, dass sich Sucker Punch kreative Gedanken gemacht hat. Oder dass man vor einem Gefecht die taktische Lage inspizieren kann, indem man optimale Stellen erkundet. Zwar hat man immer das Gefühl, dass der letzte konsequente Schritt fehlt, dass man mehr Fehler machen und mehr Konsequenzen spüren kann. Aber im Gegensatz zu anderen Spielen gibt es einfach viele liebevolle Details. Übrigens: Achtet mal im schwarzweißen Kurosawa-Modus auf den veränderten Sound, ihr Freunde der historischen Akustik!
Die Magie der Kleinigkeiten
Die Toten ehren und Haikus dichten
Nur Sommergras
Ist von den Träumen
Der Krieger geblieben
Fazit
Was für eine zauberhafte, teilweise poetische Stimmung! Ghost of Tsushima ist ein wunderschönes Abenteuer. Wer sich für die Samurai interessiert, darf sich auf eine ästhetische und spielerische Eleganz freuen, die der Tradition des Alten Japan würdig ist. Auch wenn das natürlich keine historische Simulation ist: Egal ob Haiku, Kami oder Bushido – viele Facetten dieser fernöstlichen Kultur werden sichtbar. Obwohl die offene Welt im technischen Detail nicht allerhöchstes Niveau und die Gegner-KI große Schwächen zeigt, entsteht eine vom Wind berauschte Atmosphäre: Wenn man zwischen Nebelfetzen in einem goldenen Wald sein Katana zieht, um mit tödlichen Hieben in Zeitlupe durch zwei, drei Feinde zu tanzen, hört man das entfernte Echo von Akira Kurosawa. Hier entsteht nicht die Vielfalt oder der hohe Anspruch eines Nioh 2 oder gar Sekiro, auch die Akrobatik samt Kletterhaken oder die Stealth-Action mit Ninjaflair sind eher light zu nennen. Aber dafür wird Jins Geschichte besser erzählt, sie überrascht mit Charakteren und Geschichten, zeigt zudem kreative Mechaniken en detail. Sucker Punch trifft für mich die goldene Mitte aus Erkundung, Storytelling, Sammelei, Quests und Action. So entsteht über 40 Stunden ein sehr guter Spielfluss in malerischen Landschaften. Ich kann euch nur empfehlen, dem Weg dieses Kriegers zu folgen! Abschließen möchte ich diesen Test mit einem Haiku von Matsuo Basho (1644-1694):
Nur Sommergras
Ist von den Träumen
Der Krieger geblieben
Pro
- Samurai-Abenteuer mit historischem Hintergrund
- ausgepsrochen markantes ästhetisches Flair
- solide erzählte Story mit interessanten Charakteren
- gute Verflechtung von Haupt- & Nebenmissionen
- Dialoge mit Gefährten und kleinen Entscheidungen
- viele Aspekte japanischer Mythologie von Kami bis Kappa
- poetisches Flair durch Haiku und Sinnieren an Quellen
- abwechslungsreiche Missionen mit Überraschungen
- sehr guter Spielfluss aus Erkundung, Sammeln & Kampf
- sehr guter Duellmodus mit One-Hit-Kills
- klasse Animationen und Zeitlupen-Perspektiven
- viele klasse Details von Verbeugung bis Beobachten
- wunderschöne Landschaften
- klasse Licht-, Nebel- und Dunsteffekte
- elegante Einbindung des Windes in Kulisse und Spiel
- gutes Erzählen über Landschaft & Ereignisse
- aktives Spurensuchen über Fußabdrücke
- eingängiges Kampfsystem mit Block, Konter & Co
- Knopfdruck-Kombos bei Bambus-Minispielen
- cool: manche Hiebe sorgen für Angst unter Feinden
- reiten und Kampf vom Pferd aus
- nützliche Stealth-Manöver (Kill, Rauch, Ablenkung)
- sehr detaillierte historische Waffen und Ausrüstung
- Adler als Alarmtiere der Mongolen
- Entwicklung von Fähigkeiten, Waffen & Ausrüstung
- Klettern in Gebirgen & Co à la Uncharted
- Wurfhaken als akrobatische Ergänzung à la Sekiro
- witzige Zufallskämpfe zwischen Bären & Mongolen
- Tiere fliehen authentisch
- Artefakte & Gegenstände als 3D-Objekte
- brennbare Wiesen, Brand- & Sprengpfeile, Bomben
- deaktivierbares Leuchten von Rohstoffen & Anzeigen
- verdammt gute Musik und Soundeffekte
- gute deutsche Lokalisierung
- cool: Japanisch & mongolische Sprache der Feinde
- cool: optionaler Schwarzweißmodus
- faires automatisches und manuelles Speichern
- drei jederzeit wechselbare Schwierigkeitsgrade
- Fotomodus
Kontra
- schwache Gegner-KI
- zu leichte Lager-Infiltration
- einige repetitive Sammel-Spielmechaniken
- ab und zu unübersichtich im Kampf (keine Fixierung)
- Mongolen-Anführer bleiben zu blass
- Hunde als Wachen schlecht eingebunden
- Proviant aus Häusern von Bewohnern mitnehmen
- einige plumpe Animationen (Langbogen trifft Feind)
- übertriebenes Gebrüll der Mongolen
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.