Little Nightmares - Test, Action-Adventure, Stadia, PlayStation4, PC, XboxOne, Switch

Little Nightmares
11.06.2020, Michael Krosta

Test: Little Nightmares

Kleiner Streaming-Alptraum?

Die schwedischen Tarsier Studios wollen mit Little Nightmares (ab 4,48€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) die kindlichen Ängste in einem düsteren Spiel im Stil von Limbo oder Inside thematisieren – und das mit einem grausig-schönen Artdesign, das Ideen des Kult-Regisseurs Tim Burton entsprungen sein könnte. Wir sind jetzt auch auf Stadia in die bizarre Welt voller Gefahren und Rätsel abgetaucht, um mit Six einen Ausweg aus dem kleinen Alptraum zu finden...

In der Standard-Edition übernimmt man lediglich die Rolle des kleinen Mädchens, das einen auffällig gelben Regenmantel trägt und auf den Namen Six hört. Diese Fassung erhalten auch die Pro-Abonnenten von Stadia. Darüber hinaus hat Bandai Namco auch die Complete Edition im Store veröffentlicht. Dort sind bereits die DLC-Episoden enthalten, die sich um den kleinen Jungen "The Kid" drehen, mit dem man sowohl zu bereits vertrauten Schauplätzen zurückkehrt, aber in erster Linie neue Areale erkundet. Am Anfang bekommt man sogar bei der Standard-Edition die Wahl, ob man sich zunächst mit dem Hauptspiel beschäftigen oder gleich mit der Erweiterung loslegen möchte und wird daher schon auf dem Titelbildschirm auf den DLC-Inhalt aufmerksam gemacht.  Das Ziel ist bei beiden gleich: Man muss aus dem so genannten Schlund entkommen – ein Ort, der jedes Jahr zur selben Zeit auftaucht und von dem bisher niemand zurückgekehrt ist, der ihn betreten hat. Woher ich das alles weiß? Vom Spiel jedenfalls nicht! Genau wie beim artverwandten Limbo wird man auch hier ohne Erklärungen oder eine Vorgeschichte ins kalte Wasser geworfen. Tatsächlich wird abseits des neuen Auswahlmenüs weder der Name der Figuren noch der bizarre Schauplatz im Spiel mit einer einzigen Silbe erwähnt – schon seltsam. Stattdessen hat man all die Hintergrundinformationen ins Presskit sowie auf die offizielle Webseite ausgelagert. Warum nicht auch ins eigentliche Spiel?

Ein Wurf ins kalte Wasser

Das Feuerzeug ist ein ständiger und wertvoller Begleiter des kleinen Mädchens im gelben Regenmantel.

Dieser Mangel an Erklärungen zieht sich durch das gesamte Erlebnis: Dass die Steuerung nur sporadisch mit Tutorial-Einblendungen vorgestellt wird, geht noch in Ordnung. Viel experimentieren muss man bei der bewusst simpel gehaltenen Mechanik ohnehin nicht, die sich auf das freie Umherlaufen, Sprints, Sprünge, Ducken, Greifen/Benutzen (auch zum Klettern) sowie das Zünden und Verwenden eines Feuerzeugs beschränkt. Dass man hinsichtlich des seltsamen Ortes mit seinen bizarren Kreaturen und Gefahren im Dunkeln tappt, ist zunächst ebenfalls völlig okay und trägt zur Mystery-Stimmung bei. Am Ende des Hauptspiels aber keine Auflösung oder zumindest den Ansatz einer Erklärung zu bieten, ist ein Schlag ins Gesicht der Spieler, die mit Six all die Strapazen auf sich genommen und gemeistert haben. Wer ist diese seltsame Frau, die man bereits im kurzen Intro sieht und der man sich am Ende stellen muss? Was hat es mit den Essgewohnheiten von Six auf sich, die sich im Laufe des Abenteuers...nun ja...etwas seltsam entwickeln? Welche Rolle spielen die putzigen Wichte, die man manchmal aus Käfigen befreien oder einfach nur knuddeln kann? Und wie ist man überhaupt im Schlund gelandet? Es gibt am Ende so viele Fragen, die Tarsier nicht beantwortet. Im Idealfall regt ein solcher Ansatz zum Nachdenken und eigenen Interpretationen an. Hier bleibt man angesichts der vielen Fragezeichen dagegen etwas ratlos und gleichzeitig ein wenig enttäuscht zurück...

Na, bei diesem Koch und seiner Schmuddel-Küche bekommt man doch gleich Appetit.


Faszinierender Abstecher durch den Schlund

Zum Glück entschädigen die vielen faszinierenden, beklemmenden und durchaus dramatischen Erlebnisse für das schwache Finale. Die morbide Reise durch den Schlund zeichnet sich durch eine tolle Mischung aus cleveren Umgebungsrätseln, gelungenen Geschicklichkeitspassagen, packenden Fluchtsequenzen und sogar Schleichansätzen aus – und das alles verpackt in einem (alp)traumhaften Artdesign, an dem Tim Burton seine Freude hätte! Neben den großartig gestalteten Schauplätzen, die vor allem durch die verzerrten Formen und Größenverhältnisse sowie einer atmosphärischen Beleuchtung inklusive der Anwendung von Farb- bzw. Bildfiltern den kindlichen Horror klasse einfangen, sind es vor allem die bizarren Bewohner und Kreaturen, mit denen der Alptraum zum Leben erweckt wird. Gleichzeitig stellen sie neben tödlichen Abgründen, elektrischen Ladungen und wachenden Scheinwerfer-Augen die größte Gefahr für das Duo dar und sorgen bei jedem ihrer Auftritte für ein angenehmes Gefühl der Bedrohung. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel über die Schauplätze und Charaktere verraten, obwohl man manche der skurrilen Figuren wie den blinden Hausmeister oder das schrullige Koch-Duo bereits aus Trailern oder Bildern kennen dürfte. Das Artdesign ist einfach fantastisch und auch hinsichtlich der Inszenierung liefern die Tarsier Studios großes Kino. Vor allem beeindruckt das vereinzelte Herauszoomen der Kamera, wodurch ein völlig neuer Blick gewährt wird und die gewaltigen Dimension innerhalb der Schauplätze zur Geltung kommen.

Die hervorragende Akustik mit ihren fiesen Soundeffekten, atmosphärischen Ambient-Klängen und eingestreuter Musik hat ebenfalls einen entscheidenden Anteil am enorm stimmigen Gesamtbild. Schön zu hören, dass selbst subtile Geräusche wie knarzende Holzdielen abgebildet werden und dabei durchaus die Aufmerksamkeit der Gegner erregen können. Da hält man schon mal den Atem an, wenn man gaaaaaanz vorsichtig und bedrohlich nah an den Fieslingen vorbei schleichen muss. Das ist Spannung pur, die sich oft und gerne nach einem Fehltritt in einer dramatischen Flucht entlädt. Leider enden manche Sequenzen in einem mitunter etwas anstrengenden Trial & Error, denn bis auf wenige Ausnahmen steht man sowohl mit Six als auch The Kid den Bedrohungen hilflos gegenüber. Angesichts meist fairer Checkpunkte hält sich der Frust aber in Grenzen - die meist langen Ladezeiten stellen die Geduld vor jedem Neuversuch aber auf eine harte Probe.

Spannung pur

Nicht alles im Schlund ist böse: Die Wichte sind putzige Gesellen, die man sogar kurz knuddeln darf.

Insgesamt fällt der Anspruch aber ohnehin nicht sonderlich hoch aus – sobald man weiß, was zu tun ist. Da man sich mit dem rechten Stick umsehen kann und die Areale samt Interaktionsmöglichkeiten meist übersichtlich ausfallen, kommt man in der Regel recht schnell auf die Lösung, wie und wo es weitergeht. Trotzdem darf man sich auf den einen oder anderen Aha-Effekt bei den Rätseln freuen. Leider ist der Spaß schnell wieder vorbei: Ich war regelrecht schockiert, als nach etwa drei Stunden bereits der Abspann über den Bildschirm flimmerte. Allerdings sei gesagt, dass ich einen relativ umfangreichen Abschnitt bereits von einem Preview-Event kannte, so dass man noch mal ein bis zwei Stunden auf die Spielzeit dazu addieren darf. Zudem habe ich zwar viele, aber noch nicht alle Wichte zum Knuddeln sowie die zerstörbaren Statuen innerhalb der Kapitel gefunden, mit denen sich Konzeptkunst als Extras freischalten lassen. Nicht zu vergessen: Durch die enthaltenen Erweiterungen wird die Spielzeit ebenfalls nochmal deutlich gestreckt, so dass der Umfang im Rahmen der Complete Edition durchaus in Ordnung geht.

Fazit

Wer Spiele im Stil von Limbo oder Inside mag, der wird auch Little Nightmares lieben! Die gelungene Mischung aus cleveren Umgebungsrätseln, Stealthansätzen und Geschicklichkkeit gefällt mir richtig gut und sorgt darüber hinaus für angenehme Tempowechsel innerhalb der Reise durch den Schlund. Der wahre Star ist aber das fantastische Artdesign, das stellenweise an die Werke von Tim Burton erinnert und sowohl von der stimmungsvollen Beleuchtung als auch der gelungenen Kameraführung klasse in Szene gesetzt wird. Vor allem die herrlich bizarren Figuren haben es mir neben den stimmungsvollen Kulissen und der großartigen Sounduntermalung angetan:  Sie strahlen schon allein aufgrund ihres Aussehens, aber selbstverständlich auch durch ihr Verhalten ein ständiges Gefühl der Bedrohung aus und sorgen mit ihren Auftritten nicht nur für einen steigenden Puls, sondern auch für den einen oder anderen Anfall von Schnappatmung. Leider enttäuschen sowohl das plötzliche Ende des Hauptspiels als auch die vielen offenen Fragen. Dadurch verbauen sich die Entwickler trotz der mitunter awardverdächtigen Ansätze den Weg in höhere Wertungsregionen. Das Potenzial dazu hätte Little Nightmares auf jeden Fall gehabt, doch so bleibt es am Ende "nur" bei einer guten Alternative zu Limbo & Co. Die Umsetzung für Stadia ist den Tarsier Studios geglückt: Die Steuerung via Controller oder Tastatur funktioniert auch in den mitunter etwas hektischen Sprungpassagen präzise und ohne Probleme. Selbst im mobilen Betrieb hatte ich beim Spielen am Handy im WLAN keine nennenswerten Beeinträchtigungen. Leichte Abstriche muss man aber vor allem am TV und im Chrome-Browser bei der Grafikqualität in Kauf nehmen: Genau wie beim Exklusiv-Titel GYLT sorgen die vielen düsteren Schauplätze auch hier dafür, dass die Artefakte bei der Bildkompression aufgrund der dunklen Hintergründe stärker ins Auge springen als bei anderen Stadia-Spielen. Entsprechend wirkt das Bild auf anderen Plattformen trotz des Körnungs-Effekts insgesamt knackiger und schärfer. Davon abgesehen bekommt man mit der Streaming-Variante auf Stadia aber ein vergleichbares Erlebnis geboten.

[Die Wertung bezieht sich auf die Standard-Edition, die im Pro-Abo inbegriffen ist. Bei der Complete Edition würde die Wertung aufgrund der DLC-Episoden geringfügig höher ausfallen, Anm. d. Red.]
 

Pro

  • großartiges Artdesign
  • schaurig-schöne Kulissen
  • gelungene (Umgebungs-)Rätsel
  • beklemmende Atmosphäre
  • starke Inszenierung
  • abgedrehtes Figurendesign
  • schöne Mischung aus Geschicklichkeit und Kopfarbeit
  • toller Soundtrack
  • optionale Tastatursteuerung

Kontra

  • viele offene Fragen und keine Antworten
  • mitunter nervige Trial&Error-Passagen
  • enttäuschendes Finale beim Hauptspiel

Wertung

Stadia

Little Nightmares besticht durch sein fantastisches Artdesign, die beklemmende Atmosphäre sowie eine tolle Mischung aus Rätseln und Action. Das frühe Ende mit vielen offenen Fragen ist aber eine Enttäuschung.

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