Edna & Harvey: The Breakout - Anniversary Edition - Test, Adventure, Switch, XboxOne, Mac, Linux, PC, PlayStation4

Edna & Harvey: The Breakout - Anniversary Edition
16.06.2020, Jan Wöbbeking

Test: Edna & Harvey: The Breakout - Anniversary Edition

Verspäteter Ausbruch aus dem PC

Geschlagene zwölf Jahre nach Daedalics Überraschungshit "Edna bricht aus" greift der Wahnsinn endlich auch auf die Konsolen über. Vorhang auf für eines der albernsten Spiele aller Zeiten, welches 2008 von uns zum Adventure des Jahres gekürt wurde - und das hoffentlich ein paar zeitgemäße Änderungen bei Bildformat, Steuerung & Co. erfahren hat.

Auf Steam ist die Neuauflage bereits seit Dezember erhältlich, jetzt sind endlich auch PS4, Xbox One und Switch an der Reihe. Neu ist natürlich die Anpassung auf das neuartige Bildformat 16:9. Zumal neuerdings sowieso alles und jeder ein wenig anders aussieht - mit frischen, höher aufgelösten Zeichnungen, die den absichtlich trashigen Originalen nachempfunden wurden. Schade, dass dem Zeitgeist entsprechend alles ein wenig braver wirkt. Ednas fettige Strähnen sind weniger strähnig, ihre Quanten weniger quantig. Sogar ihr jüngeres Ich aus der Vergangenheit ist weniger krumm und schief angezogen - fast schon adrett statt punkig. Kurzum: Die Kulisse transportiert einen Deut weniger Unbehagen in der "Irrenanstalt" des nicht sonderlich humanen Dr. Marcel, aus der es zu entfliehen gilt. Kein dramatischer Unterschied für Neulinge, aber als Kenner des Originals habe ich oft lieber zur Original-Grafik umgeschaltet, was zum Glück jederzeit im Pause-Menü erledigen lässt.

Neu! Neu! Neu!

Neben der deutschen Vertonung wurden eine alternative englische Fassung sowie einige Erfolge aus der späteren iOS-Umsetzung übernommen. Außerdem musste natürlich die komplette Verben-Steuerung und das Inventar fürs Gamepad umgebaut werden. Eine Touchscreen-Steuerung für die Switch hat sich Daedalic schon wieder gespart. Hurra! Stattdessen muss ich mich diesmal mit ziemlich umständlichen Menüs und Icon-Anordnungen herumschlagen, die sich über diverse Knopfkombinationen öffnen lassen. Ganz so hakelig wie in alten Konsolen-Umsetzungen von Neunziger-Jahre-Adventures wird es hier zwar nicht, zumal es eine Schnellwahlleiste für Gegenstände aus dem Inventar gibt. Trotzdem dauert es länger als nötig, bis alle Kommandos in Fleisch und Blut übergehen.

Die neuen Zeichnungen wurden offenbar nicht immer perfekt auf die alten Animationen abgestimmt. Auch das langsame Herumlaufen per Stick wirkt oft seltsam, weil sich manche eigentlich offene Bereiche nicht erreichen lassen.
Inhaltlich hat sich zum Glück nichts am experimentellen Adventure geändert, in dem ich mich mit so gut wie jedem Gegenstand unterhalten, alles bekritzeln oder mit anderen Dingen und Personen benutzen kann. Ein freier Geist in einer eingesperrten Edna! Und in ihrem treuen Stoffhasen Harvey natürlich, der immer wieder versucht, sie enthusiastisch zu Brandschatzung, Suizid oder anderen, nicht besonders nachhaltigen Lösungswegen anzustacheln. Auch die aktuellen Umsetzungen für Switch, PS4 und Xbox One balancieren äußerst elegant auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Wirklich jeder Charakter im Debüt-Adventure von Jan Müller-Michaelis hat ernsthafte psychische Probleme. Kein Wunder: Ich schlüpfe in den weißen Kittel von Edna, die mit Gedächtnisverlust in einer kuscheligen Gummizelle aufwacht. Meine Aufgabe ist natürlich, dem Wahnsinn der Anstalt zu entkommen.



Fast wie früher

"Hallo Tür, wie geht es dir heute?" - "Bestens, ich empfinde eine perfide Freude daran, dir den Weg zu versperren." - "Ich hasse dich, Tür!". So oder so ähnlich klingt eine der ersten Unterhaltungen, die ich in Edna bricht aus zu hören bekomme. Moment mal - ein Gespräch mit einer Tür? Ja, es hat schon gewisse Vorteile, sich nicht ganz zu Unrecht in einer Irrenanstalt aufzuhalten. Dazu gehört im Fall von Edna die Fähigkeit, mit ihrem Stoffhasen Harvey und sämtlichen Gegenständen ein Schwätzchen halten zu können. Fragt mich nicht, wann oder wie um alles in der Welt diese ganzen Dialogzeilen zu Papier gebracht und aufgenommen wurden. Sie sorgen aber dafür, dass weder Edna noch ich in den ersten Spielstunden die Einsamkeit fürchten muss.

Abgesehen von dieser Wand aus Monitoren wurde alles an 16:9 angepasst. Warum das Original anno 2008 noch in 4:3 erschien? Weil Poki bereits Jahre zuvor im Studium am Spielkonzept herumgetüftelt hatte!
Die in den Räumen verstreuten Objekte taugen nicht nur zu meiner Unterhaltung. Manche, wie das in der Abstellkammer stehende Gehirn in einem Glas, geben nicht nur ihre Lebensweisheiten an mich weiter, sondern mitunter wertvolle Tipps, mit denen ich eines der zahlreichen Rätsel löse. Kleptomanen werden hier auf Anhieb glücklich: Falls Edna ein Objekt nicht als unbrauchbar erachtet, kann sie sich die Kitteltaschen so voll stopfen, wie sie will. Und ich darf alles wild miteinander kombinieren. Ich will mein seelisches Leid mit einem Aktions-Kunstwerk ausdrücken? Kein Problem! Ich schnappe mir die Ketchup-Flasche und verpasse Sitzmöbeln und Gemälden einen expressionistischen tomatenroten Anstrich. Oder ich schneide das halbe Irrenhaus mit der Zackenschere entzwei. Unglaublich - es macht auch heute noch einen Riesenspaß, stundenlang mit dutzenden Objekten herumzuprobieren und..ähem..zu sprechen.


Gesellige Gegenstände

Bevor ich derart schamlos durch das Haus randalieren kann, muss ich aber erst einmal der Enge der schneeweißen Gummizelle entfliehen. Bereits dort komme ich mit ausdauerndem Einsatz der provisorischen Werkzeuge ans Ziel. Der genervte Wärter Stiesel verrät mir, dass der rettende Lüftungsschacht natürlich nicht direkt zu erreichen ist, sondern hinter den Polstern liegt. Hinter den ausgesprochen weichen Polstern. Nun ist es meine Aufgabe, den natürlichen Feind der quadratischen Wandkissen in der Zelle zu entdecken. Die ersten Rätsel fallen angenehm einfach und logisch aus - mit ein wenig Nachdenken und Probieren erarbeite ich mir schnell den Weg von einem Raum in den nächsten. Habe ich nach einigen Stunden den Zugang zu den meisten Räumen erschlossen, wird es allerdings kniffliger.

Raus aus der Zelle!

Dort treffe ich auf allerlei grenzgeniale Charaktere. Jeder von ihnen ist ein echtes Original und hat seine ganz eigene, liebenswerte Neurose. Hoti und Moti halten sich trotz unterschiedlicher Hautfarbe für siamesische Zwillinge und tragen daher den gleichen Pullover. Der mit norddeutschem Dialekt und einer gehörigen Portion Ordnungsliebe ausgestattete Kontrolleur sorgt dafür, dass nur Personen mit einem vorschriftsmäßigen Kleiderbügel-Ticket den Wäschelift als Transportmittel missbrauchen dürfen. Habe ich ihn überlistet, treffe ich auf Herrn Mantel, der sich für einen Gehrock hält und in einem Regenschirm durch den Wäschelift reist.

Wo geht's lang?
Am unterhaltsamsten ist trotz seines geringen Wortschatzes ein anderer Insasse: der getreue Wächter des Aufenthaltsraum-Königs. Er artikuliert sich schlicht und einfach durch das unterschiedlich betonte Wiederholen seines eigenen Namens: Droggelbecher! Ich könnte noch seitenweise über die genial-verrückten Figuren und ihre Geschichten schreiben, doch am besten lernt ihr sie allesamt persönlich kennen. Sogar Entwickler „Poki“ taucht höchstpersönlich auf, und zwar in der trauten Runde einer Therapiegruppe für Spielentwickler, die ihre Sitzung rein zufällig in Ednas Anstalt abhält. "30.000 Zeilen allein im ersten Akt - was habe ich mir nur dabei gedacht?" erzählt eine vor Verzweiflung zitternde Stimme, während die Stirn des Edna-Schöpfers auf die Tischplatte knallt.

Droggelbecher!

Die Hand der genervten, Verständnis heuchelnden Therapeutin bewegt sich bei ihren Kommentaren skurril im Kreis. Jede der trashig gezeichneten Figuren hat sie - diese drei Animationsphasen, in denen sich ihr Mund, das komplette Gesicht oder eben irgendetwas anderes bewegt. Und obwohl es nur drei Variationen eines einzigen Bildes sind, wirkt jede davon angemessen albern. Als alter Hase fühlt man sich sofort an Klassiker wie Monkey Island und Maniac Mansion erinnert, die ganz unverhohlen als Vorbild dienten. Auf der Packung des PC-Originals stand schließlich noch der augenzwinkernde Werbe-Sloagan „Von den Leuten, die Monkey Island gut finden!".

Ein Blick auf das Verben-Auswahlrad und die kleine Inventarleiste rechts unten. Natürlich darf man auf Knopfdruck auch das komplette Inventar öffnen, um allerlei Dinge miteinander zu kombinieren oder mit Ketchup vollzuschmieren.
Im Verlauf des Abenteuers treffe ich auf einige mysteriöse Figuren: Kann mir der düstere Schlüsselmeister, der wie Hannibal Lecter hinter Sicherheitsglas lauert, wirklich zur Freiheit verhelfen? Und in welchem Zusammenhang steht Ednas Aufenthalt in der Klappse mit dem bösen Anstaltsleiter Dr. Marcel und ihrem Vater? Um Licht ins Dunkel ihrer Amnesie zu bringen, unternimmt Edna an bestimmten Stellen des Abenteuers eine Gedankenreise in ihre Kindheit, im Fachjargon des Spiels "Tempomorphen" genannt. In diesen Szenen schlüpfe ich abwechselnd in die Rollen der jungen Edna und ihrem Hasen Harvey. Der flauschige Pyromane kann Objekte aus seiner Umgebung allein nicht an sich nehmen oder benutzen, sondern lediglich in eine Themenleiste am unteren Rand ziehen.

Ich höre Stimmen...

Danach spricht er Edna auf eines dieser Objekte an. In einem der Flashbacks sperrt der Lehrer Edna in den Schrank, weil sich die Petze neben ihr wiederholt mit streberhaftem Schnippsen über ihre störenden Selbstgespräche beschwert hat. Harvey kommt selbst nicht an ein Dokument im Schrank heran, kann seiner eingesperrten Freundin aber vorschlagen, dieses zu lesen. Da es in dem Kabuff viel zu dunkel ist, schlüpfe ich in ihre Rolle und reiche Harvey das Schriftstück durch ein kleines Loch nach draußen. Habe ich eine Hand voll Rätsel in einer Flashback-Episode gelöst, kehre ich mit einer neu erlernten Fähigkeit zurück - z.B. die, Schrauben mit einem nicht besonders appetitlichen Trick zu lösen. In dieser Rückblende begegenete mir übrigens auch einer der Bugs, von denen es bereits früher einige gab. Klein-Edna blieb einfach in einer Ecke des Kellers hängen, was sich aber mit einem der manuellen Speicherstände schnell ausbügeln ließ.

Fazit

Auch zwölf Jahre nach dem PC-Original hat Ednas erstes Abenteuer nichts von seinem aberwitzigen Charme verloren. Die umständliche Controller-Steuerung ist zwar gewöhnungsbedürftig und auch die braveren HD-Zeichnungen gefallen mir nicht ganz so gut wie die trashigen Originale (zu denen man jederzeit umschalten darf). Trotzdem ist der Titel ein zeitloses Beispiel dafür, wie lustig ein Adventure werden kann, wenn ein kreativer Kopf wie Jan Müller-Michaelis sich ohne Kompromisse austoben kann. Die trashige Grafik, die genial albernen und trotzdem nicht flachen Dialoge, die durchgeknallten Rätsel und das Verben-System alter Schule: all das passt prima zusammen und lässt Adventure-Flair alter Zeiten aufkommen. Oft wird es sogar lustiger als in den großen Lucas-Arts-Vorbildern. Das langgezogene erste Kapitel wirkt im Vergleich zum flotten Erzähltempo des Nachfolgers allerdings ein wenig monoton. Einige Räume klappert man schließlich gleich dutzendfach ab. Andererseits bietet Daedalics Hommage an die Alte Schule auch ein ganz eigenes Spielgefühl, welches weder der Nachfolger noch die Konkurrenz zu bieten hat - das gilt im Jahr 2020 mit seiner von Telltale inspirierten Rätselarmut umso mehr. Wo sonst kann man so viel Unsinn mit dem Inventar anzustellen und sich sogar mit sämtlichen Gegenständen unterhalten? Durch das experimentelle Rätsel-Design und Unmengen sammelbarer Gegenstände werden die Puzzles auf Dauer ziemlich knifflig - Anfänger sollten sich den Kauf also überlegen. Gelegentlichen Flashbacks lockern das Knobeln aber ein wenig auf. Wer eine Vorliebe für bizarren Humor besitzt und Deadalics Adventure-Klassiker früher verpasst hat, sollte unbedingt zuschlagen!

Pro

  • geisteskranker Humor
  • Unmengen an genialen Dialogen
  • bekloppte Charaktere
  • trashiger Original-Comicstil passt prima
  • unterhaltsam erzählte Story
  • gut funktionierendes Verben-System
  • sämtliche Objekte lassen sich miteinander kombinieren
  • bewusstseinserweiternde Diskussionen mit Gegenständen
  • jede Menge selbstironische Kommentare
  • gut dosiertes Ansteigen des Schwierigkeitsgrades
  • experimenteller Glockenspiel-Jazz, garniert mit stilvollen Angstschreien
  • Droggelbecher!

Kontra

  • nach ein paar Stunden zu viel Sammel
  • Routine
  • das riesige Inventar macht manche Rätsel übertrieben knifflig
  • das erste Kapitel zieht sich zu sehr in die Länge
  • billige Soundeffekte
  • umständliche Controller-Steuerung
  • kleine Bugs und Bildfehler
  • neue Zeichnungen wirken braver als die wilden, trashigen Originale
  • keine Touchscreen-Steuerung (Switch)

Wertung

Switch

Wahnsinn! Unter Ednas Frischzellenkur steckt nach wie vor eines der verrücktesten Adventures überhaupt - auch wenn Details wie die umständliche Controller-Steuerung nerven.

XboxOne

Wahnsinn! Unter Ednas Frischzellenkur steckt nach wie vor eines der verrücktesten Adventures überhaupt - auch wenn Details wie die umständliche Controller-Steuerung nerven.

PlayStation4

Wahnsinn! Unter Ednas Frischzellenkur steckt nach wie vor eines der verrücktesten Adventures überhaupt - auch wenn Details wie die umständliche Controller-Steuerung nerven.

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Kommentare
CritsJumper

Hallöchen.
Ich scheitere ganz am Anfang
Wie kann man auf der switch zwischen Edna und Harvey wechseln?
Ich hab es auf der Switch nicht gespielt, und eventuell hat sich auch einiges am Menue/Interface verändert.

In dem ersten Teil, war es immer so das die Spielfiguren wie Kaptiel wechseln. In den folgenden Spielen oder auch bei der Aniversary Edition, gab es wohl so ein Schalter. Wenn der nicht da ist, kann es aber sein das du noch nicht an einer Stelle bist wo gewechselt werden muss/kann.

Lies sonst einfach mal in einer Komplettlösung nach, aber halt nicht zu viel weil es den Spielspass verdribt.

Alternativ, beschreibe hier mal die Stelle wo du genau bist..

vor 3 Jahren
DimonDmx

Hallöchen.
Ich scheitere ganz am Anfang
Wie kann man auf der switch zwischen Edna und Harvey wechseln?

vor 3 Jahren
Sugandhalaya

Ich fand Edna damals richtig gut und hab mir auch Harveys neue Augen für die Xbone geholt und natürlich durfte da auch Edna für die Konsole nicht fehlen, aber mit den neuen Grafiken werde ich irgendwie nicht warm.

vor 4 Jahren
Levi 

(ist dieser denn in dieser Version enthalten?)
[...]

Droggelbecher!
Leider scheinbar nicht. Zumindest nicht von Anfang an. (oder ich habe es nicht gefunden)


Die neuen Zeichnungen sind cool. Aber hier und da, ist das Alte irgendwie.... Geiler.

Wenn man mit Edna zum Beispiel direkt nach Start im Lüftungsrohr sitzt, wirkt das neue "gelassen". Die alte Darstellung unterstrich etwas besser ihren 'Wahnsinn'.

vor 4 Jahren
Todesglubsch

Sehe ich das richtig und die Konsolen-Retailversionen wurden gestrichen?
Auf Amazon ist es einfach "nicht erhältlich", (wie fast alle Daedalic-Spiele, seltsamerweise). Andere Stores haben es garnicht gelistet oder man findet über ne EAN-Suche nur raus, dass es nicht erhältlich ist.

Eurovideo listet den Release gar für Ende 2019.
Und Spielegrotte den Release für Ende 2020.

Oder coronabedingt produktionsschwierigkeiten?

vor 4 Jahren