Edna & Harvey: The Breakout - Anniversary Edition - Test, Adventure, Switch, XboxOne, Mac, Linux, PC, PlayStation4
Auf Steam ist die Neuauflage bereits seit Dezember erhältlich, jetzt sind endlich auch PS4, Xbox One und Switch an der Reihe. Neu ist natürlich die Anpassung auf das neuartige Bildformat 16:9. Zumal neuerdings sowieso alles und jeder ein wenig anders aussieht - mit frischen, höher aufgelösten Zeichnungen, die den absichtlich trashigen Originalen nachempfunden wurden. Schade, dass dem Zeitgeist entsprechend alles ein wenig braver wirkt. Ednas fettige Strähnen sind weniger strähnig, ihre Quanten weniger quantig. Sogar ihr jüngeres Ich aus der Vergangenheit ist weniger krumm und schief angezogen - fast schon adrett statt punkig. Kurzum: Die Kulisse transportiert einen Deut weniger Unbehagen in der "Irrenanstalt" des nicht sonderlich humanen Dr. Marcel, aus der es zu entfliehen gilt. Kein dramatischer Unterschied für Neulinge, aber als Kenner des Originals habe ich oft lieber zur Original-Grafik umgeschaltet, was zum Glück jederzeit im Pause-Menü erledigen lässt.
Neu! Neu! Neu!
Fast wie früher
"Hallo Tür, wie geht es dir heute?" - "Bestens, ich empfinde eine perfide Freude daran, dir den Weg zu versperren." - "Ich hasse dich, Tür!". So oder so ähnlich klingt eine der ersten Unterhaltungen, die ich in Edna bricht aus zu hören bekomme. Moment mal - ein Gespräch mit einer Tür? Ja, es hat schon gewisse Vorteile, sich nicht ganz zu Unrecht in einer Irrenanstalt aufzuhalten. Dazu gehört im Fall von Edna die Fähigkeit, mit ihrem Stoffhasen Harvey und sämtlichen Gegenständen ein Schwätzchen halten zu können. Fragt mich nicht, wann oder wie um alles in der Welt diese ganzen Dialogzeilen zu Papier gebracht und aufgenommen wurden. Sie sorgen aber dafür, dass weder Edna noch ich in den ersten Spielstunden die Einsamkeit fürchten muss.
Gesellige Gegenstände
Bevor ich derart schamlos durch das Haus randalieren kann, muss ich aber erst einmal der Enge der schneeweißen Gummizelle entfliehen. Bereits dort komme ich mit ausdauerndem Einsatz der provisorischen Werkzeuge ans Ziel. Der genervte Wärter Stiesel verrät mir, dass der rettende Lüftungsschacht natürlich nicht direkt zu erreichen ist, sondern hinter den Polstern liegt. Hinter den ausgesprochen weichen Polstern. Nun ist es meine Aufgabe, den natürlichen Feind der quadratischen Wandkissen in der Zelle zu entdecken. Die ersten Rätsel fallen angenehm einfach und logisch aus - mit ein wenig Nachdenken und Probieren erarbeite ich mir schnell den Weg von einem Raum in den nächsten. Habe ich nach einigen Stunden den Zugang zu den meisten Räumen erschlossen, wird es allerdings kniffliger.
Raus aus der Zelle!
Dort treffe ich auf allerlei grenzgeniale Charaktere. Jeder von ihnen ist ein echtes Original und hat seine ganz eigene, liebenswerte Neurose. Hoti und Moti halten sich trotz unterschiedlicher Hautfarbe für siamesische Zwillinge und tragen daher den gleichen Pullover. Der mit norddeutschem Dialekt und einer gehörigen Portion Ordnungsliebe ausgestattete Kontrolleur sorgt dafür, dass nur Personen mit einem vorschriftsmäßigen Kleiderbügel-Ticket den Wäschelift als Transportmittel missbrauchen dürfen. Habe ich ihn überlistet, treffe ich auf Herrn Mantel, der sich für einen Gehrock hält und in einem Regenschirm durch den Wäschelift reist.
Droggelbecher!
Die Hand der genervten, Verständnis heuchelnden Therapeutin bewegt sich bei ihren Kommentaren skurril im Kreis. Jede der trashig gezeichneten Figuren hat sie - diese drei Animationsphasen, in denen sich ihr Mund, das komplette Gesicht oder eben irgendetwas anderes bewegt. Und obwohl es nur drei Variationen eines einzigen Bildes sind, wirkt jede davon angemessen albern. Als alter Hase fühlt man sich sofort an Klassiker wie Monkey Island und Maniac Mansion erinnert, die ganz unverhohlen als Vorbild dienten. Auf der Packung des PC-Originals stand schließlich noch der augenzwinkernde Werbe-Sloagan „Von den Leuten, die Monkey Island gut finden!".
Ich höre Stimmen...
Danach spricht er Edna auf eines dieser Objekte an. In einem der Flashbacks sperrt der Lehrer Edna in den Schrank, weil sich die Petze neben ihr wiederholt mit streberhaftem Schnippsen über ihre störenden Selbstgespräche beschwert hat. Harvey kommt selbst nicht an ein Dokument im Schrank heran, kann seiner eingesperrten Freundin aber vorschlagen, dieses zu lesen. Da es in dem Kabuff viel zu dunkel ist, schlüpfe ich in ihre Rolle und reiche Harvey das Schriftstück durch ein kleines Loch nach draußen. Habe ich eine Hand voll Rätsel in einer Flashback-Episode gelöst, kehre ich mit einer neu erlernten Fähigkeit zurück - z.B. die, Schrauben mit einem nicht besonders appetitlichen Trick zu lösen. In dieser Rückblende begegenete mir übrigens auch einer der Bugs, von denen es bereits früher einige gab. Klein-Edna blieb einfach in einer Ecke des Kellers hängen, was sich aber mit einem der manuellen Speicherstände schnell ausbügeln ließ.
Fazit
Auch zwölf Jahre nach dem PC-Original hat Ednas erstes Abenteuer nichts von seinem aberwitzigen Charme verloren. Die umständliche Controller-Steuerung ist zwar gewöhnungsbedürftig und auch die braveren HD-Zeichnungen gefallen mir nicht ganz so gut wie die trashigen Originale (zu denen man jederzeit umschalten darf). Trotzdem ist der Titel ein zeitloses Beispiel dafür, wie lustig ein Adventure werden kann, wenn ein kreativer Kopf wie Jan Müller-Michaelis sich ohne Kompromisse austoben kann. Die trashige Grafik, die genial albernen und trotzdem nicht flachen Dialoge, die durchgeknallten Rätsel und das Verben-System alter Schule: all das passt prima zusammen und lässt Adventure-Flair alter Zeiten aufkommen. Oft wird es sogar lustiger als in den großen Lucas-Arts-Vorbildern. Das langgezogene erste Kapitel wirkt im Vergleich zum flotten Erzähltempo des Nachfolgers allerdings ein wenig monoton. Einige Räume klappert man schließlich gleich dutzendfach ab. Andererseits bietet Daedalics Hommage an die Alte Schule auch ein ganz eigenes Spielgefühl, welches weder der Nachfolger noch die Konkurrenz zu bieten hat - das gilt im Jahr 2020 mit seiner von Telltale inspirierten Rätselarmut umso mehr. Wo sonst kann man so viel Unsinn mit dem Inventar anzustellen und sich sogar mit sämtlichen Gegenständen unterhalten? Durch das experimentelle Rätsel-Design und Unmengen sammelbarer Gegenstände werden die Puzzles auf Dauer ziemlich knifflig - Anfänger sollten sich den Kauf also überlegen. Gelegentlichen Flashbacks lockern das Knobeln aber ein wenig auf. Wer eine Vorliebe für bizarren Humor besitzt und Deadalics Adventure-Klassiker früher verpasst hat, sollte unbedingt zuschlagen!
Pro
- geisteskranker Humor
- Unmengen an genialen Dialogen
- bekloppte Charaktere
- trashiger Original-Comicstil passt prima
- unterhaltsam erzählte Story
- gut funktionierendes Verben-System
- sämtliche Objekte lassen sich miteinander kombinieren
- bewusstseinserweiternde Diskussionen mit Gegenständen
- jede Menge selbstironische Kommentare
- gut dosiertes Ansteigen des Schwierigkeitsgrades
- experimenteller Glockenspiel-Jazz, garniert mit stilvollen Angstschreien
- Droggelbecher!
Kontra
- nach ein paar Stunden zu viel Sammel
- Routine
- das riesige Inventar macht manche Rätsel übertrieben knifflig
- das erste Kapitel zieht sich zu sehr in die Länge
- billige Soundeffekte
- umständliche Controller-Steuerung
- kleine Bugs und Bildfehler
- neue Zeichnungen wirken braver als die wilden, trashigen Originale
- keine Touchscreen-Steuerung (Switch)
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